Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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dualtotems durch Versagen in der Initiationsprüfung, im Falle der persönlichen Visionssuche<br />
durch Versagen der persönlichen Einstellung, der Interpretation der Erscheinungen und erlernten<br />
Ekstasetechniken. Das methodisch vorbereitete Kennenlernen des Schutzgeistes oder der<br />
Traumseele kann also mit beiden soziologischen Zuordnungsformen: Zuschreibung (to ascribe)<br />
oder Erwerb (to achieve), korrelieren. In den nordamerikanischen Beispielen (ausgenommen<br />
Kwakiutl) fehlt die hereditäre Zuschreibung und damit die entsprechende Beschränkung der<br />
Visionswahl, welche den Erwerb während der Initiation, d.h. die Manifestation des im<br />
kulturellen Hintergrund Gegebenen, versichert. Das Schema der operativen Alternativen von<br />
Levi-Strauss wäre dementsprechend um die genannten Möglichkeiten der Begründung ihrer<br />
Relationen zu ergänzen (siehe Tabelle).<br />
Wenn sich ein Djoingari der Ungarinyin mit dem lokalen Heros (Wondjina) seines tambuns<br />
Kulturelle Einheiten durch<br />
natürliche Arten<br />
Kulturelle Einheiten durch<br />
natürliche Exemplare<br />
1 2 3 4<br />
Natur Art Art Exemplar Exemplar<br />
Kultur Person Gruppe Person Gruppe<br />
Identität<br />
Ergänzung<br />
Abstammung<br />
Bezeichnung<br />
etc.<br />
3<br />
1<br />
(Hordengebiet) identifiziert,<br />
weil er sich als dessen<br />
Inkarnation begreift,<br />
dann wird die Bezeichnung<br />
seiner lokalen Clangruppe,<br />
z.B. als Warana<br />
(Adlerfalke), über eine<br />
durch die Reinkarnation<br />
verbürgte Verbindung mit<br />
der Traumzeit begründet,<br />
d.h. durch ein religiöses System, das auch ohne die Abbildung sozialer Beziehungen in Kategorien<br />
natürlicher Arten und in Nordamerika neben dem <strong>Totemismus</strong>, aber unabhängig von<br />
ihm vorkommt. Auch in diesem Falle wird zwischen dem Djoingari und dem Wondjina eine<br />
Person-Exemplar-Beziehung formuliert, welche die Spezies-Gruppe-Beziehung begründet und<br />
differenziert. Der Reinkarnationsglaube vermittelt sowohl die Relation der Identifizierung als<br />
auch der Abstammung der Patrigruppe des Djoingari mit und von dem Adlefalken, sie erklärt,<br />
warum der Häuptling die Inkarnation des Wondjina ist und dessen Verwandten die Inkarnationen<br />
der anderen Exemplare seiner Art sind.<br />
Anders verhält es sich mit dem Hinweis auf die Abstammung bei den Eskimos: So erzählen einige<br />
Eskimostämme, daß sie von einer Wolfsmutter abstammen, ohne daß dieser Hinweis einen<br />
Niederschlag in der Selbstbezeichnung und Differenzierung ihrer Gruppen gefunden hat, wenn<br />
man von der periodisch wiederkehrenden Aufteilung der Lokalgruppen Alaskas in Wolfs- und<br />
Rabenleute anläßlich des Blasenfestes einmal absieht, weil diese mythische Aussage von der<br />
Wolfsabstammung eine generische Aussage über die Herkunft eines ganzen Stammes, ja einer<br />
ganzen genetisch und kulturell verwandten Völkergruppe, und d.h. nach dem Glauben der<br />
Eskimo auch der ganzen Menschheit, ist.<br />
Die Bezeichnung der sozialen Gebilde mit natürlichen Kategorien und die Reflexion der Beziehungen<br />
zwischen den Gruppen oder Personen und den natürlichen Kategorien (Legitimation,<br />
Erklärung), welche ihre Bezeichnung begründen oder rechtfertigen, gehören in einer Welt,<br />
in der die Vorstellungen der Wörter mit den Vorstellungen der in ihr praktizierten Bräuche<br />
übereinstimmen, grundsätzlich nicht zu verschiedenen Bezugssystemen, denn das "wilde Denken"<br />
trennt noch nicht die Weltanschauung seiner Sprache von seiner im Ritus und Kultus reflektierten<br />
Weltanschauung als selbständigem System, weshalb auch nur dort, wo es zur Weltanschauung<br />
gehört, in natürlichen Kategorien zu denken, die Möglichkeit wahrgenommen<br />
wird, speziell ausgesuchte soziale Beziehungen in diesen Kategorien zu denken. Die funktionale<br />
Differenzierung der Anzeige- oder Abbildungsfunktion von der Funktion der Legitimation<br />
oder Begründung der gewählten Abbildungen oder Symbole und der Hinweis auf die absolute<br />
Eigenständigkeit dieser Funktionen (Anzeige, Begründung) oder der Hinweis auf die verschiedenen<br />
Bezugssysteme, zu denen sie gehören, verweist seinerseits auf eine durch Kommunikations-<br />
und Informationstheorie gewitzte Epistemologie der zivilisierten Gegenwart und