Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Die Deszendenzregeln als institutionelle Transformationsregeln<br />
Als Formen des <strong>Totemismus</strong> wurden zunächst nur die Beziehungen des Menschen zu natürlichen<br />
Objekten, speziell biologischen Arten und ihren Exemplaren, sowie die Verbindung der<br />
Segmente einer Gesellschaft mit einer der natürlichen Arten definiert, welche sie charakterisieren,<br />
und der <strong>Totemismus</strong> selbst zurückgeführt auf dieses besondere Verhältnis des Menschen<br />
oder seiner Gruppe zur biologischen Art oder zu einem seiner Exemplare, das man mit<br />
Rivers 1. als Clanbezeichnung, 2. Verwandtschaftsbeziehung und 3. als rituelles Verhältnis unterschieden<br />
hatte.<br />
Aber schon in dem Zeitraum, in dem diese Abbildungsrelationen als <strong>Totemismus</strong> postuliert<br />
worden sind, wurden auch die Beispiele publik, die sich der aufgestellten Korrelation scheinbar<br />
nicht fügen wollten, Levi-Strauss 52 wiederholt die problematischen Beispiele, auf die schon<br />
Goldenweiser 53 aufmerksam gemacht hat (siehe Tabelle).<br />
Die operativen Alternativen der Abbildung möglicher Beziehungen zwischen den natürlichen<br />
Totems ohne<br />
Clans<br />
Thompson<br />
River Indianer<br />
Clans mit Tiernamen,<br />
die keine Totems sind<br />
Clans ohne Tiernamen u.<br />
ohne Totems, aber mit persönlichen<br />
Tiergeistern<br />
totemistische Clans ohne<br />
Totemnamen<br />
Clans inkongruent mit<br />
Totemgruppe<br />
Irokesen Yukagiren Crow, Hidatsa, Apachen Aranda ?<br />
(siehe unten)<br />
und den institutionellen Relata (Natur, Kultur), d.h. den Kategorien, die sie repräsentieren<br />
(Exemplar, Art, Person, Gruppe) und ihre Unterscheidung ermöglichen, beziehen sich zunächst<br />
nur auf die Zuordnung der Spalten und Zeilen in der Matrix, welche die operativen Alternativen<br />
anzeigen, und fordern deshalb eine weitere Spezifizierung der Relationen, die innerhalb<br />
der Matrix möglich sind, d.h. der Relationen, welche in diesem Bezugsrahmen abgebildet<br />
werden können. Die Zeilen repräsentieren in dieser Matrix die zwei von den Notes and<br />
Queries geforderten Kategoriensysteme (Natur und Kultur), die Spalten, die rein formal zwischen<br />
ihnen denkbaren Abbildungsalternativen. Aber die Abbildung von Personen oder Gruppen<br />
in natürlichen Arten oder in natürlichen Exemplaren (und umgekehrt) kann darüberhinaus<br />
auch noch weiter inhaltlich als Relation der Identität, als Wiedergabe verschiedener Verbindungen<br />
(Sympathie, Gemeinsamkeit, Ergänzung), als Relation der Abstammung, der lokalen<br />
Zusammengehörigkeit oder nur als Mittel der Klassifizierung dargestellt und unterschieden<br />
werden und jede inhaltlich definierte Relation wiederum über den Rückgriff auf verschiedene<br />
Bezugssysteme (solchen religiösen-, sozialen-, säkularen- theoretischen und praktischen Wissens)<br />
begründet und erklärt werden.<br />
In sozialer Hinsicht wären diese Relationen weiter noch mit Frazer danach zu unterscheiden,<br />
ob das Individual- wie das Gruppentotem von lokaler Geltung oder nicht lokaler Natur ist<br />
(Gegensatz: lokal- universal), ob es exogam oder nicht exogam ist und ob es erblich oder nicht<br />
erblich ist. Beide typischen sozialen Zuordnungsregeln: Status-Erwerb und Status-Zuschreibung,<br />
können sowohl mit der Vererbung korrespondieren (die durch Filiation begründete<br />
Vererbung ist eine typische Form der Zuschreibung) als auch der Erwerb von ihr ausgeschlossen<br />
werden. So wird zum Beispiel das geerbte Individualtotem in Australien erst während<br />
einer bestimmten Initiationsfeier dem Novizen vermittelt, das diesem im Kontext seiner<br />
Einweihung ganz ähnlich, nämlich ekstatisch, offenbar wird wie dem Ojibwa- oder Dakotajungen,<br />
der sich deswegen allein in die Wildnis zurückzieht, um seine Vision zu finden, dessen<br />
Suche seines Individualtotems sich vor dem Hintergrund eines größer abgesteckten Erfahrungshorizonts<br />
abspielt als er dem Ungarinyin-Novizen zur Verfügung steht. In beiden Fällen<br />
kann die Offenbarung auch ausbleiben, im Falle des nordwestaustralischen erblichen Indivi-<br />
52 C.Levi-Strauss, Das Ende des <strong>Totemismus</strong>, ibid, S.12-3<br />
53 A.A.Goldenweiser, Totemism, An Analytic Study, ibid, S.229<br />
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