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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Verspeisen der Vertreter der einen Seite durch die Vertreter der anderen Seite korrespondiert<br />

mit der Residenzregel, nach der die Frau in die Linie des Mannes übertritt (von der Linie<br />

vereinnahmt wird) oder umgekehrt, wenn die Residenzregel matrilokal ist.<br />

Selbst wenn man diesen Andeutungen des Altphilologen nicht folgen will, was man nach dem<br />

Aufsatz von Felix Speiser, 51 in dem er die eleusischen Mysterienfeiern als eine den aktuellen<br />

Gegebenheiten angepaßte Tradition primitiver Initiationsfeiern vorgestellt hat, nicht ohne Begründung<br />

machen sollte, bleibt ein Tatbestand greifbar: ersetzt man die späteren Zugangsbestimmungen<br />

zu den eleusischen Weihen durch die früher gültige unilineare, d.h. hier patrilineare<br />

Deszendenzregel, d.h. begreift man den eleusischen Kult als den Clankult der Eumolpiden,<br />

dann erscheinen die Seelenvögel sowohl als Körper individueller Außenseelen, d.h. als<br />

Individualtotems, als auch als patrilineare Clan- oder Lineagetotems der Mütter oder Mutterbrüder,<br />

welche ihre Mentorenrolle gegenüber ihren Schwestersöhnen begründet. Der historische<br />

Prozeß zeigt hier wie im Zuge der Aufgabe der Deszendenz- und Exogamieregeln als Zuschreibungsregeln<br />

der Seelenvögel das totemistische Verhältnis zum Gegenstand eines ökumenischen<br />

Kultes geworden ist. Der eleusische Kult hat in der jene Funktion bewahrt,<br />

welche seine totemistische Form im verkleinerten Maßstab zu erfüllen hatte, nämlich die Integration<br />

fremder Gruppen zu einer größeren sozialen Einheit, Allgemeinheit.<br />

Exemplar der Totemspezies als<br />

Exkursionsgefährt<br />

des fährt der Seele<br />

Exkursionsge-<br />

Tiergeistes<br />

Gefährt des<br />

Gottes<br />

Gefährt der<br />

Seele nach<br />

dem Tode<br />

Totemspezies<br />

Tiergeist<br />

Tierherr<br />

Ahne<br />

Stamm<br />

+ walin + + Arapesh<br />

+ söman + + NorPapua<br />

+ + + + Malekula<br />

+ awpa kaia-imunu + Namau<br />

imuni-vii<br />

+ + + mi tei-wamb +/- Mbowamb<br />

Gefährt der Seele<br />

vor der Geburt<br />

Gefährt der<br />

Seele nach<br />

dem Tode<br />

Totemtier<br />

Gott-Tier<br />

Tierherr<br />

Tiergeist<br />

Ahne<br />

+ ? + + + + Altägypten<br />

+ + + + + + Eleusis<br />

Dieser nur als Skizze gedachte Exkurs in die Altertumskunde verfolgt nicht den Zweck, die<br />

operativen Alternativen kategorialer Systematik, welche Levi-Strauss aufgezeigt hat, als historische<br />

Formen zu begreifen oder gar ihnen eine bestimmte zeitliche Richtung und Position zuzuschreiben,<br />

sondern nur den Hinweis auf die Möglichkeit, daß auch die alten Tierkulte als<br />

Elemente einer Struktur zu begreifen sind, von der der <strong>Totemismus</strong> eine Erscheinungsform<br />

darstellt, was auch die tabellarische Gegenüberstellung hier mit einigen Beispielen des <strong>Totemismus</strong><br />

in Neu Guinea und Melanesien zeigen soll, mit deren Hilfe leichter zu begreifen ist, wie<br />

man mit der Addition oder Substraktion der genannten Bedingungen von der einen Form zu<br />

der anderen gelangen kann.<br />

Wie diese Tabelle zu lesen ist, sei hier kurz mit dem Hinweis auf die Nor-Papua angedeutet.<br />

Die Gesellschaft der Nor-Papua, ein Stamm aus NeuGuinea, der im Westen der Sepik-Mündung<br />

siedelt, gliedert sich in patrilineare, exogame Sippen, die auf Dörfer verteilt in ihrem<br />

Stammesgebiet leben und Tiernamen (vorwiegend aus dem Reich der Fische) tragen. Sie sehen<br />

sich als Nachkommen dieser Fisch-Ahnen und beachten Tabus gegenüber der Spezies ihrer<br />

„Ahnen“. Jede Sippe unterhält einen heiligen Platz (Kultplatz), zu dem das Totemtier die<br />

Seelen der Verstorbenen führt und von dem die Seelen der Neugeborenen ihren Weg ins Dasein<br />

nehmen. Hier residiert der Ahne aller Seelenexemplare als Geist der Spezies, mit dessem<br />

Totem (söman) sich die Sippe ausweist. Das Gruppentotem (Verhältnis: Spezies-Gruppe) wird<br />

51 F.Speiser, Die eleusinischen Mysterien als primitive Initiation, Zeitschr. f. Ethnologie,60, 1929<br />

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