Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Gans, die auch als großer Schnatterer göttlich verehrt wird, als Kranich, der den Himmel küßt,<br />
oder als Heuschrecke, die zum Himmel springt: "So fliegt er von euch fort, ihr Menschen; er ist<br />
nicht mehr auf Erden, er ist am Himmel, bei seinen Brüdern den Göttern." 43 Die meisten Abbildungen<br />
zeigen ihn als einen Vogel über der Mumie. Sowohl den Glauben an das Alter-Ego-<br />
Tier als Exkursionsgefährt als auch den Lyetismus hat Baumann als typische Erscheinungen in<br />
Kamerun-Nigeria, Oberniger, Obervolta und im Südkongo ausgewiesen.<br />
Vögel Insekten Reptilien Pflanzen<br />
Sperber Heuschrecke Krokodil Lotus<br />
Falke Käfer Schlange<br />
Kranich<br />
Gans<br />
Ente<br />
etc. etc. etc. etc.<br />
Das Abbildungsverhältnis von Seelenvogel und<br />
Seele entspricht der Alternative des Schemas<br />
von Levi-Strauss zwischen dem Exemplar und<br />
der Person, aber es verweist auch noch außerdem<br />
auf die Beziehung von Gruppe und Art,<br />
denn es lassen sich auch im altägyptischen Kult<br />
deutlich die regionalen Gruppen nach der<br />
Spezies unterscheiden, in deren Exemplaren<br />
sich die Seelen ihrer Mitglieder nach dem Tode oder während ihrer Exkursionen verkörpern.<br />
Die Wahl der Seelentiere ist gauspezifisch, d.h. korrespondiert mit der Residenzregel. Die<br />
Assoziation einer Person mit dem Seelentier ist nicht nur die zwischen einer Person und einem<br />
Exemplar, sondern auch diejenige zwischen einer Person und einer Spezies und damit auch<br />
zwischen einer Gruppe (Untertanen eines Gaufürsten, Einwohner einer Stadt) und einer bestimmten<br />
Spezies.<br />
Außerdem gehörte auch der Konzeptionsglaube zum Kult des alten Ägypten: "Bei der Geburt<br />
trat zugleich mit dem Menschen sein Ka in das Dasein, sein göttlicher Doppelgänger, welcher<br />
während des Lebens eng mit ihm verbunden blieb und nach dem Tode den wichtigsten seiner<br />
unsterblichen Teile bildete... Am ausführlichsten wird dieser Vorgang von dem Könige berichtet<br />
und dabei hervorgehoben, daß der widderköpfige Chnuphis den König und sein Ka vor<br />
der Geburt auf der Töpferscheibe bildete." 44 Die präfabrizierte und präexistente Seele des Königs<br />
wird aber nicht immer auf diese Weise hervorgebracht gedacht, sie wird auch als eine<br />
Emanation ihres göttlichen Überbringers aufgefaßt: "In dem herrlichen Tempel von Abu Simbel,<br />
den Ramses II. im 13ten Jahrhundert erbaute, versicherte ihm Ptah Ta-Tenen, er habe vorausgesehen,<br />
wie Großes der König für ihn tun werde, und darum, sagt er, verwandelte ich mich<br />
in den Bock von Mendes und schlief bei deiner herrlichen Mutter, damit sie dein Wesen gebäre,<br />
darum sind alle deine Glieder Götter." 45<br />
Ramses wird durch diese Inschrift als ein Sohn des Gottes Ptah, als eine Verkörperung seines<br />
Ka ausgewiesen, in griechischer Diktion: als ein Heros, da seine Mutter menschlich war. Herodot<br />
hat den kultischen Bestialismus, wie er in der Inschrift angesprochen wird, selbst erlebt<br />
und über den kultischen Geschlechtsverkehr der Frauen mit dem Bock von Mendes haben auch<br />
Diodor und Strabo berichtet. In der einen, recht drastischen Form oder in der anderen,<br />
vergeistigten Form, wenn man jene alten Berichte infrage stellt, steht der Bock von Mendes<br />
wie der Apis-Stier in Verbindung mit der Übertragung des Ka des Pharao, d.h. seines Lebensprinzips,<br />
das man sich ursprünglich als die männliche Zeugungskraft vorgestellt hatte, welche<br />
wiederum auch durch die genannten Tiere symbolisiert worden ist. Ka und Ba werden von jeweils<br />
einem Elternteil übertragen und verbinden sich im Einzelnen zu dessen zusammengesetzter<br />
Seele.<br />
Die göttlichen Ba-Verkörperungen (Bock, Stier, etc.) erfüllen also die Funktion der Versorgung<br />
der königlichen Dynastien mit dem für ihre Reproduktion notwendigen Ka, was für alle<br />
Gaugötter und der ihnen schutzbefohlenen Dynastien oder Familien gilt. Nach der Auskunft<br />
der Tempelinschrift ist der Bock von Mendes mit den Ramessiden unmittelbar verbunden, Pa-<br />
43 A.Erman, ibid, S. 212<br />
44 A.Wiedemann, Das alte Ägypten, Heidelberg 1920, S.72<br />
45 A.Erman, ibid, S.55<br />
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