Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Das Verhältnis: "Exemplar einer Spezies-Gottheit des Häuptlings" (Exemplar-Person), das man<br />
auf diese Weise herausstellte, erweist sich als funktionsäquivalent zu dem Verhältnis: "König<br />
(Pharao)-Gottheit", welches die Vergöttlichung des königlichen Ahnen reflektierte. Aus der<br />
Verknüpfung dieses Glaubens an die Reinkarnation des Stammesahnen in der Gestalt des<br />
Stammesführers mit dem autochtonen Tierkult kann man allerdings schließen, daß die Tiere, in<br />
denen sich die Seelen der großen Götter verkörperten, vor diesem Ereignis nur totemistische<br />
Ahnen gewesen sein konnten, da nur unter dieser Voraussetzung die Gleichsetzung des Stammes-Ahnen<br />
der Eroberer mit jenem Ahnen, der auch als Tiergeist seiner Spezies fungierte, und<br />
deren beider Seelen sich in dem Tierleib verkörpern konnten, von den Anhängern des sog.<br />
Tierkultes zu akzeptieren war. Die Namen der ersten Könige des geeinten Reiches: Skorpion,<br />
Wels, Weihe, Kobra und Falke repräsentieren die Synthese des Kultes teriomorpher Ahnen und<br />
vergöttlichter anthropomorpher Clanahnen. Erst ab 2800 v.Chr. hört diese Praxis der Namensgebung<br />
mit der Verschmelzung der ethnischen Substrate des Reiches und der Integration<br />
der Kulte und Bräuche auf.<br />
Die Protektion der Tiere, das Tötungs- und Speiseverbot der dem Gau heiligen Tiere, ihre<br />
Funktion als Hausgötter und Seelentiere und die rächende Reaktion auf die Mißhandlung heiliger<br />
Tiere hat die kultische Beziehung von Mensch und Tier auch nach diesem Ereignis weiterhin<br />
geprägt und die einzelnen regionalen Bevölkerungen in dieser Hinsicht unterschieden,<br />
während die Idee der Anwesenheit der Seele des göttlichen Gaufürsten in dem Tierleib den<br />
Status der Gaugötter unter der Regentschaft des universalen Götterfürsten vermittelte und damit<br />
die kultische Basis für die Integration der Gaue in dem Staat abgab. Über die Lehre der<br />
Verkörperung der Götter-Seele im Tierleib wurden die großen Götter von den Einheimischen<br />
als Gaugötter akzeptiert, während das Verwandtschaftsverhältnis der großen Götter den Status<br />
der großen Götter und damit ihr hierarchisches Verhältnis (Vater-Sohn, Mutter-Tochter, Bruder-Schwester)<br />
unter ihresgleichen zum Ausdruck brachte, das der politischen Stellung der<br />
Gaue im Reiche entsprach.<br />
Diese Verkörperung des Gottes in dem Tierleib, welche einerseits Rücksicht nahm auf die traditionelle<br />
religiöse Anschauung der unterworfenen Bevölkerung, bedeutete deshalb auch, die<br />
Zuschreibung des Tempeltiers als die Außenseele der Gaufürsten oder des Pharaos, eine in<br />
Afrika gleichfalls noch bis vor kurzem beobachtete Anschauung. Streng genommen stellte die<br />
ägyptische Tiergötterverehrung nur ein Variante des Außenseelenglaubens dar, und zwar eines<br />
Außenseelenglaubens, der eine soziale und politische Hierarchie reflektiert, was man genau genommen<br />
auch schon am Konzeptualismus der Banks-Inseln beobachten konnte.<br />
Hornung kommentiert einige Eigennamen der Frühzeit und des Alten Reiches: "Hier werden<br />
Aussagen über den abstrakten Begriff b'w gemacht, und zwar über den b'w bestimmter Götter<br />
(Chnum, Ptah, Sokar) und Göttinnen (Hathor, Sachmet), ferner über den b'w des Ka und des<br />
Königs. Dieser b'w kann >in Erscheinung treten< (hj) und bedeutet in allen deutlichen Belegen<br />
eine austrahlende Wirkung der Gottheit, die anfangs ganz im positiven Sinn, später mehr und<br />
mehr auch negativ auf den Gang der Welt einwirkt." 41 Genauso wie das Ba der Götter in Erscheinung<br />
tritt, kann auch das Ba des Pharao gesondert von diesem in Erscheinung treten, das,<br />
wenn es in der Gestalt eines Tieres in Erscheinung tritt, dessen Seelenfahrzeug repräsentiert.<br />
Das Ba jedes Menschen erscheint nach seinem Tod in Tiergestalt, und zwar häufig als Seelenvogel,<br />
aber auch als fliegendes Insekt, als Reptil und sogar als Pflanze (Lotus). 42 Dieser Gestalten<br />
kann sich aber auch die Seele besonders befähigter Menschen (wozu bestimmte Priester<br />
und bestimmte Pharaonen zählen) für ihre Exkursionen noch während ihrer Lebzeit bedienen;<br />
nach dem Tode verwandelt sich das Ba jedes Menschen in die Tiere, die in seinem Gau und<br />
Hause heilig sind.<br />
In den Texten der Totenbücher wird der Ba beschrieben als Falke, der zum Himmel fliegt, als<br />
41 E.Hornung, Der Eine und die Vielen, ibid, S.51<br />
42 Siehe: A.Erman, ibid, S.210-1<br />
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