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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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gation zu dem nach den genannten Tieren differenzierten, siegreichen Verband, repräsentiert<br />

und auf diese Weise den Besiegten von dem Sieger unterscheidet: der Besiegte erscheint als<br />

der Fremde oder Feind ganz allgemein (deshalb in menschlicher Gestalt, nämlich ohne<br />

Beziehung auf eine mächtige Gottheit) und der Sieger in den Formen seiner sozialen und religiösen<br />

Differenzierung, d.h. unter dem Zeichen seines Totems. Für diese Auslegung spricht,<br />

daß sie mit der späteren Götterikonographie, deren Regeln Hornung herausgearbeitet hat, korrespondiert:<br />

1. das tierische, pflanzliche und/ oder dingliche Attribut des Götterbildes spezifiziert das besondere<br />

Wesen der Gottheit.<br />

2. Die Hände der Götter halten die allen Göttern gemeinsamen Attribute des Göttlichen.<br />

3. Die Köpfe (meist Tierköpfe) der mischgestaltigen Götter bezeichnen deren Attribute, weshalb<br />

Kopf und Attribut der Götter austauschbare Symbole darstellen.<br />

4. Die Kronen der Götter unterscheiden ebenfalls deren Wesen.<br />

Die Punkte 1. bis 3. beschreiben die Regeln der Differenzierung, der Punkt 4. beschreibt die<br />

Zuordnung der differenzierten Gestalten zu einem der beiden Reichshälften (Ober- und Unterägypten)<br />

und der Punkt 2. beschreibt außerdem die allen Gottheiten gemeinsamen Merkmale.<br />

Auch hier also steht der menschliche Körper für das undifferenzierte Wesen (materia prima),<br />

das erst durch Tier-, Pflanzen und andere Attribute differenziert wird (soziale Funktion der<br />

natürlichen Kategorien, Abbildung der sozialen Differenzierung in natürlichen Kategorien). Das<br />

Menschliche und die Götterdeterminative stehen für das unbestimmte und relativ bestimmte<br />

Allgemeine, das Tier-, Pflanzen- und Dinghafte repräsentiert das Besondere, dessen Wirksamkeit<br />

von der Interaktion der Götter abhängig ist, in der sich ihre Besonderheiten funktional<br />

zur Einheit ergänzen, und durch diese Aktivität erst das Ganze, aber jetzt das durch die Integration<br />

des Besonderen machtvoll zusammengesetzte Allgemeine wiederherstellen. Mit<br />

dieser Arbeitsteilung der Götter korrespondiert eine rituelle Arbeitsteilung der Gaukulte und<br />

eine machtspezifische Rangstaffelung und Reichweite der Ausstrahlung der Gaugötter in Übereinstimmung<br />

mit dem politischen Status der Gaue. Die aus diesen Teilen zusammengesetzte<br />

Einheit wird dargestellt in den entsprechenden chimärischen Gestalten.<br />

Die altägyptischen Tempel des Gau- oder Staatskults hielten bestimmte Tiere, in denen sich die<br />

Seelen der in den Tempeln verehrten Götter aufhielten (das Tier als Exkursionsort der Götter),<br />

während die anderen Vertreter ihrer Spezies in dem entsprechenden Gau als heilige Tiere Respekt,<br />

Schutz und auch eine gewisse Verehrung durch die Bevölkerung genossen. 31 Auch diese<br />

Tempel lassen sich als Nachfolger totemistischer Kult- oder Vermehrungszentren begreifen,<br />

zumindest aber als funktionale Äquivalente. Wiedemann schreibt über die Lokale der Tierverehrung:<br />

"Da hauste in prächtigen Tempeln, Hainen, Seen das Gott-Tier, von einer zahlreichen<br />

Schar von Priestern und Frommen gehegt und gepflegt, genährt und angebetet. In den<br />

Privathäusern hielt man in kleinen kapellenartigen Käfigen aus Stein, Holz oder Bronze Vögel,<br />

Schlangen, kleine Vierfüßler und brachte ihnen als Hausgöttern Geschenke und Opfer dar. Auf<br />

den Feldern vor den Toren und in den Straßen der Städte wandelten Sperber, Ibisse, Katzen<br />

umher, deren Quälen und Töten streng, gegebenenfalls mit dem Tode bestraft wurde." 32 So<br />

wie der Gaufürst in seinem Tempel ein heiliges Tier als Aufenthaltsort seines Gaugottes, so<br />

hielten seine Untertanen ein Tier derselben Spezies als Aufenthaltsort ihrer Hausgötter, welche<br />

zu dem Gaugott in der gleichen Relation standen wie die Untertanen zum Gaufürst. Das<br />

Verhältnis des Gauherrn zum Exemplar der Gauspezies, das die Gaugottheit verkörpert, wird<br />

von seinen Gauuntertanen reproduziert, deren im Hause gehaltenes Exemplar der Gauspezies<br />

eine Sippen- oder Familiengottheit verkörpert, d.h. einen Untertanen jener Gaugottheit, die<br />

sich im Exemplar, das der Gaufürst hält, verkörpert.<br />

31 A.Erman, Die Religion der Ägypter, Berlin 1934, S.97<br />

32 A.Wiedemann, Der Tierkult der alten Ägypter, ibid, S.6<br />

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