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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Der antike Tierkult im Spiegel der alternativen <strong>Totemismus</strong>definitionen<br />

Das Verhältnis Gau-Spezies und Person-Exemplar sowie Person-Spezies in<br />

Ägypten<br />

Gauherr→ Gau 1 Spezies 1 ←Tierherr<br />

Gauherr→ Gau 2 Spezies 2 ←Tierherr<br />

Gauherr→ Gau n Spezies n ←Tierherr<br />

Staat ↔ Tierreich<br />

Pharao ↔ Götter ←Hauptgott<br />

1<br />

8<br />

Das Tier steht auch im Zentrum der vorgeschichtlichen Religiosität des alten Ägyptens und<br />

selbst die spätere Religionsgeschichte dieser Kultur zeigt, daß die Tierkulte in Ägypten nicht<br />

aufgehört haben, solange fortzubestehen wie die ägyptische Hochkultur. Auch hier erscheint<br />

das Tier in der Funktion des Mediums, das die Anwesenheit der Gottheit verbürgt, und das mit<br />

einer Gruppe in exklusiver Verbindung steht. Schon in den beiden Hauptreichen vor der<br />

Reichsintegration waren mehrere Dörfer in einem Gau zusammengeschlossen. "Der Gau beschloß<br />

in sich aber auch eine religiöse Gemeinschaft, insofern als die Gaubewohner einem als<br />

göttlich verehrten Wesen, einem Totemtier oder sonst einem göttlichen Symbol, ihre Verehrung<br />

zollten." 28 Wiedemann ergänzt: "Man kann ohne Übertreibung sagen, daß... weitaus<br />

der größte Teil der den Ägyptern bekannten Tierwelt zwar nicht im ganzen Lande, aber doch<br />

über dessen Gaue und Ortschaften verteilt, Hochachtung und Anbetung gefunden hat." 29 Die<br />

Beziehungen der Gaue (Gruppen) zu einer Spezies, der Gaueinwohner (Personen) zur<br />

Gauspezies und der Personen zu Exemplaren dieser Spezies wie sie im alten Ägypten noch<br />

historisch greifbar sind, bildet das nebenstehende Schema ab, das tatsächlich alle vier funktionalen<br />

Alternativen des totemistischen Strukturmodells von Levi-Strauss integriert.<br />

Diese regionale Spezialisierung auf eine Tierart erscheint noch als eine Form der rituellen Arbeitsteilung,<br />

mit der ursprünglich<br />

eine Differenzierung<br />

der sozialen<br />

Gruppen verbunden gewesen<br />

ist, welche sie<br />

deshalb auch später<br />

noch anzeigen konnte.<br />

Aus den vorwiegend<br />

materiellen Quellen läßt<br />

sich über den vorgeschichtlichen<br />

Tierkult<br />

wohl nicht viel mehr erschließen<br />

als Hornung<br />

zum Ausdruck gebracht hat: "Wie der vorgschichtliche Ägypter das Verhältnis von Tier und<br />

Mensch gesehen hat, zeigt wohl am deutlichsten die Schlachtfeldpalette, deren Fragmente sich<br />

in London und Oxford befinden (...). Die Napfseite dieser Schminktafel zeigt ein Schlachtfeld,<br />

das mit den verrenkten Körpern besiegter Feinde bedeckt ist; weitere Feinde werden gefangen<br />

und gefesselt abgeführt. Nackt, ohne Kleider und Waffen, bietet die unterlegene Partei- in<br />

menschlicher Gestalt!- ein Bild völliger Wehrlosigkeit. Die Sieger, denen sie hilflos preisgegeben<br />

ist, erscheinen als tiergestaltige Mächte: Löwe, Raubvögel, vogelbekrönte Standarten...<br />

So viel scheint aber sicher, daß sich die Menschen dieser Zeit um 3000 v.Chr. ohne Verkleidung<br />

in ein Tier wehrlos fühlten." 30 Hornung spielt hier auf den Mythos des Gestaltenwandels<br />

der Götter an, den der panische Schrecken ausgelöst hat, nach dem Anschlag des Seth auf Osiris.<br />

Auf dieser Palette erscheinen die Sieger jedenfalls als Löwen, Falken, Raben und Falkenstandarten,<br />

die Besiegten als menschengleiche Wesen. Da der Besiegte in der menschlichen Gestalt<br />

erscheint, die Sieger dagegen sich selbst durch das Bild dreier Arten unterscheiden, darf<br />

man aus dieser Darstellung eher eine totemistische Selbstdifferenzierung des siegreichen Verbandes<br />

ableiten als eine ausschließlich religiös begründete Maskierung (Mimikry), während die<br />

menschliche Gestalt den Menschen ohne soziale und hierarchische Differenzierung, d.h. in Ne-<br />

28 A.Scharff, in: Scharff, Moortgat, Ägypten und Vorderasien im Altertum, München 1950, S.7<br />

29 A.Wiedemann, Der Tierkult im alten Ägypten, Leipzig 1912, S.22<br />

30 E.Hornung, Der Eine und die Vielen, Darmstadt 1971, S.95-6

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