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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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die Firth schließlich doch dazu veranlaßt hat, von einem polynesischen <strong>Totemismus</strong> zu sprechen,<br />

obwohl sich die Gruppe in Polynesien manifest nicht mit der Spezies oder dem Exemplar<br />

identifiziert, die Spezies kein Emblem der Gruppe ist, an die Deszendenz der Gruppe von<br />

einem Exemplar der Spezies nicht geglaubt wird, die Spezies nicht zu den Mitgliedern der<br />

Gruppe gezählt wird und die Totemzugehörigkeit kein Index einer Exogamiegrenze darstellt.<br />

Der polynesische <strong>Totemismus</strong> ist, wenn er <strong>Totemismus</strong> ist, ein <strong>Totemismus</strong>, auf den eine wesentliche<br />

Funktion seiner Bestimmung durch Frazer, nämlich die manifeste soziale Funktion,<br />

und zwar als differenzierende oder integrierende Funktion genommen, nicht zuzutreffen<br />

scheint, da sie scheinbar nur zusätzlich, gleichsam redundant, eine Differenzierung abbildet, die<br />

schon für sich genommen besteht und artikuliert wird.<br />

Gottheit<br />

Medium der Interaktion<br />

Spezies, aus der das Medium gewählt wird<br />

menschliche Gruppe<br />

Diesen negativen Bestimmungen hinsichtlich<br />

der manifesten sozialen Funktion<br />

der Ata stellt Firth die eindeutige<br />

Assoziation der Gruppe mit bestimmten<br />

natürlichen Spezies ("In<br />

these island communities the association<br />

of specific social groups, such as joint families or clans with species of animals or plants<br />

is a recognized feature of the culture." 27 ) gegenüber, welche vermittelt wird durch die<br />

Assoziation der Gruppe mit ihrem Atua (Gottheit, Ahne), der sich in Exemplaren der natürlichen<br />

Spezies manifestiert oder kundgibt, und auf diesem Wege eine eindeutige Relation zwischen<br />

sich (Atua) und der Spezies herstellt, aus der er bevorzugt Exemplare seiner Epiphanie<br />

auswählt, welche über diese eindeutige Relation auch zu einer ebenso eindeutigen Relation<br />

zwischen der Gruppe und der betreffenden natürlichen Spezies führt. Die Institutionalisierung<br />

der Beziehung zwischen der sozialen Gruppe und einer natürlichen Spezies erscheint in den<br />

nebenan schematisch zusammenfgefaßten Schritten.<br />

Weil die Gottheit ihr Medium der Epiphanie stets aus derselben Spezies wählt, bringt die<br />

Gottheit ihre Anhängerschaft (die soziale Gruppe) mit der Spezies (natürliche Kategorie) in<br />

eine ebenso feste Beziehung wie zu sich selbst.<br />

Dabei unterscheidet Firth zwei Formen dieser Relation, und zwar eine positive, die sich auf das<br />

Verhältnis der Gruppe zu den Pflanzen beschränkt, und eine negative, welche sich auf das<br />

Verhältnis der Gruppe zu den Tieren bezieht. Negativ heißt die Relation, wenn sie durch Verbote,<br />

Vorschriften einschränkender oder meidender Art bestimmt wird, positiv dagegen, wenn<br />

sie als rituelle Pflicht zugunsten der Vermehrung der Pflanzen bestimmt wird. Die Einführung<br />

Pflanzen<br />

Objekt der Vermehrungsriten<br />

aktive Pflege domestizierter Pflanzen<br />

positiver <strong>Totemismus</strong><br />

Tiere<br />

Objekte der Tabus, Verbote, Vermeidungsvorschriften<br />

Zurückhaltung gegenüber dem Wildtier<br />

negativer <strong>Totemismus</strong><br />

dieser Unterscheidung eines positiven und eines negativen <strong>Totemismus</strong> führt Mielke auf G.<br />

Roheim zurück.<br />

Beide Formen der Beziehung zum Medium, d.h. zur natürlichen Spezies, stellen grundsätzlich<br />

ein respektvolles, achtsames Verhältnis dar; die Achtung der Pflanzen (Nutzpflanzen) wird<br />

belohnt durch ihr Wachstum und ihre Vermehrung, auf die sich die Sorge konzentriert und<br />

welche die Ernte einschließt, weil die umsichtig praktizierte Ernte zur Pflege gehört, die das<br />

Wachstum und die Vermehrung der Pflanzen nicht beeinträchtigt, sondern fördert (die domestizierten<br />

Arten sind auf menschliche Pflege angewiesen), während Achtung und Respekt<br />

dem nichtdomestizierten Tier gegenüber, am besten in seiner Schonung zum Ausdruck kommen<br />

können, die, als Beziehungen des Verzichts und der Meidung erscheinen, weil anders der<br />

Mensch das Gedeihen und die Vermehrung des wild lebenden Tieres stört (Das Verhältnis zur<br />

27 R.Firth, Totemism in Polynesia, Oceania, I,4, 1931, S.393<br />

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