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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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chen und aufrechtzuerhalten, was dem Leben an Kraft, an Ungudkraft, an ya-yari, genommen<br />

worden ist.<br />

So wurde am Ende der Urzeit das Band zwischen den Urhebern der Schöpfung und den Geschöpfen<br />

nicht zerschnitten, sondern über die Sendung der Geistkinder blieb das Dasein mit der<br />

Urzeit verbunden, konnte es sich selbst in der Form, in der es von den Schöpfern der Urzeit<br />

verlassen worden ist, selber fortpflanzen.<br />

In dieser Krise des Daseins, zerissen zwischen zwei gleich mächtigen Prinzipien, konnte nur die<br />

duale Ordnung des Kosmos seine beiden zerstrittenen Hälften versöhnen und jenes mystische<br />

Ereignis erzeugen, vor dem der Dichter staunend ausrief: "... und alles Getrennte findet sich<br />

wieder."<br />

Der Riß des Kosmos reproduziert sich im Stamm als der Gegensatz zweier größerer Abstammungsgruppen,<br />

die sich zwar über den Austausch der Frauen verbinden, aber diese Verbindung<br />

über die Zuschreibungsregeln der Abstammung immer wieder auflösen und sich in die<br />

zwei Hälften des Stammes teilen. So teilt das Prinzip der unilinearen Zuschreibung stets, was<br />

die Heiraten zu verbinden suchen, so daß dieser Streit des Stammes ein weiteres System<br />

braucht, das diese Hälften in seiner Einheit aufhebt. Dieses System ist der <strong>Totemismus</strong>, der die<br />

bilateralen Rechte auf seine Weise reflektiert und festschreibt und damit dem Geltung verschafft,<br />

was die Abstammungsrechnungen negieren. Petri sagt: "Das Dualsystem mit seinen<br />

Totems scheidet also die ganze Ungarinyin-Nation in zwei Gruppen, die sich als Heiratsklassen<br />

gegenüberstehen," 245 und unterstreicht die differenzierende Funktion der Hälften, die offensichtlich<br />

ist, ohne ihre integrative Funktion wahrzunehmen, die durch das Individualtotem<br />

verbürgt wird.<br />

Ungur Yari heilig<br />

Kian Amalad profan<br />

Die beiden mythischen Vorfahren, die das Heiraten in<br />

das System der dualen Ordnung integriert haben, die<br />

Wondjina Kuranguli (Brolgakranich) und Banar<br />

(Buschtruthahn), gehören bei den Ungarinyin zur<br />

Walamba- und zur Yara-Hälfte, bei den Unambal<br />

geben sie den Hälften sogar ihren Namen.<br />

Aber die duale Ordnung beschränkt sich nicht nur auf die Regelung der Stammesendogamie,<br />

sondern gilt für den ganzen Kosmos, der als eine Welt der Amalad-Dinge erscheint, so daß es<br />

auch nicht weiter verwunderlich ist, in der Stammeswelt der Göttlichen auf eine ganze Reihe<br />

von Zwillingspaaren zu stoßen, die für vergleichbare, die Hälften repräsentierende und sie<br />

verbindende Großtaten verantwortlich sind.<br />

Ungur Yari ← lokal<br />

Kian Amalad ← universal<br />

Die anderen Totemsysteme: Ungur, Yari und Kian<br />

sind also alle nach folgenden Merkmalen den Amalad-Totems<br />

untergeordnet, und über sie differenziert<br />

und integriert: lokale oder universale Bindung, patriund<br />

matrilineare Vererbung, inidividuelles und<br />

soziales Merkmal, heiliges oder profanes Symbol, d.h. sie spielen auch ihre komplementäre<br />

Rolle bei der Regelung der Exogamie und der Endogamie.<br />

Der Gegensatz zwischen den mythisch-sakralen Totems und den klassifikatorisch sozialen<br />

Totems wird durchkreuzt durch die Vererbungsregeln der Totems, welchen den endogamen<br />

Abschluß jeder Hälfte verhindern: Kultgruppe, lokale Gruppe und Stammeshälfte werden patrilinear<br />

vererbt, das Traumtotem hingegen mütterlicherseits. Da dieses Totem zugleich die Individualseele<br />

der Person darstellt, demonstriert diese Erbregel, die absolute Abhängigkeit jeder<br />

Seite von der singulären Person (Die 4 Totemkategorien unter dem Aspekt der Erbschaft im<br />

Schema oben).<br />

Dieses Schema repräsentiert auch den Gegensatz: Individuum-Gruppe. Festzuhalten ist, daß<br />

das Individuum sein individuelles Totem immer aus der anderen Hälfte erhält, der es selbst<br />

245 H.Petri, Sterbende Welt in Nord-West- Australien, Braunschweig 1954, S.189<br />

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