20.11.2013 Aufrufe

Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ergibt sich dieselbe Konsequenz aus dieser Einsicht: Wenn der Mensch aufhört zu opfern, dann<br />

hört er nicht nur auf, Mensch zu sein, sondern das ganze Dasein hört dann auf, auch weiterhin<br />

da zu sein.<br />

Wir werden am Beispiel der Totemfunktionen noch deutlicher sehen, in welcher Weise auch<br />

der Ungarinyin- oder Unambal-Mann in sich die Gottheiten, d.h. seine Traumzeitheroen oder<br />

Traumzeitahnen versöhnt und wie sein Leben durchdrungen ist von der Erfahrung der Traumzeitmacht<br />

Ungud und dem Streben nach ihrer Kraft; aber auch die Unterscheidung derer, die<br />

der Urzeit und der sie gewährenden Macht näherstehen, von denen, die die Urzeit nur durch<br />

die Mittler erfahren können, entspricht den brühmten asiatischen Beispielen. "Im allgemeinen<br />

stammt ein Mensch in dieser Weise immer von demselben Wondschina und demselben Wasserplatz<br />

ab, wie sein Vater. Es gibt dann eine Anzahl von Menschen, die denselben seelischen<br />

Ursprung haben. Diese Menschen sind die natürlichen Besitzer der Landschaft, die um diesen<br />

Wasserplatz und das dazugehörige Wondjina-Bild leben. Der älteste dieser Menschengruppe<br />

gilt als die Inkarnation des entsprechenden Wondschinas. Ein solcher Mann pflegt dann von<br />

diesem Wondschina in der Ich-Form zu sprechen: >Als ich in der Urzeit dorthin kam und mein<br />

Bild auf dem Stein hinterließ..." 231 So wie der Hordenführer den Wondjina verkörpert, so seine<br />

Gruppenmitglieder dessen Nachkommen, sie alle aber als Exemplare seiner Art. Die<br />

Geistkinder dieses Wondjina entscheiden, wem sie sich offenbaren, den Menschen oder den<br />

Tieren ihres Tambun oder Gruppenterritoriums.<br />

Individuum<br />

Hälfte I Traumtotem Ur- Zeit<br />

Hälftentotem Ya-Yari Seele Traumzeit<br />

Amalad<br />

Hälfte II lok.Gruppen- Totem<br />

Hälftentotem Clan-Totem Körper Gegenwart<br />

Amalad Kultgruppen-Totem<br />

Kosmos<br />

Dauer<br />

Stamm<br />

Individuum<br />

Abgesehen von den Beispielen,<br />

für die Petri selbst den Begriff<br />

der Seelenwanderung gebraucht,<br />

veranlassen uns diese<br />

Hinweise, den Wondjinaglauben<br />

als eine Form oder Kombination<br />

des Seelenwanderungs- und Inkarnationsglaubens<br />

zu begreifen,<br />

besonders wenn wir von<br />

Lommel auch noch erfahren: "Nach dem Tode des Menschen kehrt die Jajaru an ihren Ursprungsort,<br />

ihre Wasserstelle zurück und wartet dort auf seine neue Menschwerdung," 232 an<br />

der die lebenden Menschen ihren kultischen Anteil haben. Die Alternative der Wahl des<br />

Körpers der Einverleibung (theriomorph oder anthropomorph) erklärt der Mythos.<br />

So tendieren auch die Geistkindvorstellungen der Nordwestaustralier zu einer Apotheose des<br />

Menschen: Gottheiten und Natur, Unsterbliche wie Sterbliche, Himmel und Erde sind dermaßen<br />

von den Handlungen der Menschen abhängig, von ihrer Haltung zu den Urzeitgesetzen,<br />

daß mit dem rechten Handeln der Menschen, der richtigen Verbindung der Gruppen mit der<br />

richtigen Hege und Pflege der Populationen ihrer Spezies das Dasein des Kosmos steht und<br />

fällt.<br />

Ungud wirkt im Menschen über dessen Seele und über den Menschen kontrolliert sie den regelrechten<br />

Ablauf des kosmischen Geschehens. Damit die Urzeit eine Chance erhält, im gegenwärtigen<br />

Dasein zu erscheinen, muß sich der Mensch dieser zweifachen Aufgabe seiner<br />

Existenz im Kosmos inne werden. Institutionellen Ausdruck findet diese Einsicht in der Funktion<br />

des Individualtotems als kosmologischer und sozialer Schnittstelle.<br />

Damit verkörpert der Geistkinderglauben eine ähnliche Idee, wie wir sie aus der philosophisch<br />

entwickelten Form der Vedantatexte her kennen, nämlich "daß sie die tiefste Schicht des<br />

subjektiven "Ichs" mit dem Fundament des Universums gleichsetzen; beide können mit<br />

Brahman oder Atman bezeichnet werden oder schließlich auch als Purusha, der entweder der<br />

231 A.Lommel, Die Unambal, Hamburg 1952, S.14<br />

232 A.Lommel, Die Unambal, Hamburg 1952, S.13<br />

1<br />

2<br />

2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!