Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Hälfte I<br />
Takwong<br />
ignorant<br />
streitsüchtig<br />
begriffstutzig<br />
unbeholfen<br />
Hälfte II<br />
Tatalai<br />
augeschlossen<br />
friedfertig<br />
klug<br />
geschickt<br />
ergibt sich leicht ein totemistisches Verhältnis, vor allem, wenn auch andere unilinear verbundene<br />
Verwandte sich in die Schonung und Achtung des Buschtieres teilen." 23 Der Außenseelenglauben<br />
setzt eine Beziehung zwischen Gruppen oder Personen und Spezies oder Exemplaren<br />
der Spezies, während die Einrichtung der unilinearen Vererbung dieses Verhältnisses seine<br />
Institutionalisierung versichert und damit auch den Gebrauch des Speziesnamen des Exemplars<br />
als Gruppennamen zur Identifizierung der Gruppe und ihrer Differenzierung von anderen<br />
Gruppen ohne Transparenzeinbuße ermöglicht, d.h. die Erfüllung aller drei Kriterien der Notes<br />
and Queries gewährleistet.<br />
Die Zuschreibung des Außenseelenglaubens auf Mota zum <strong>Totemismus</strong> hängt also von dieser<br />
letzten Bedingung (unilineare Vererebung) ab, die ihrerseits zu den frühen Bestimmungen des<br />
Phänomens gehören, daß nämlich, wie Morgan bereits 1871 in seiner Urgeschichte 24 feststellte,<br />
der <strong>Totemismus</strong> nur mit einer ganz bestimmten sozialen Organisation (Gentilorganisation)<br />
zusammenhänge. Da die Außenseele auf Mota 1. nicht direkt vererbt wird und 2. nicht jeder<br />
Person der Gesellschaft zugeschrieben wird, könnte man sich in diesem Falle der Meinung von<br />
Levi-Strauss oder A.Lang anschließen, wenn nicht die Zuschreibung der Alter-Ego-Spezies zu<br />
einem System konstitutioneller und charakterlicher Differenzierung gehören würde, welche jenem<br />
verblüffend gleicht, das C.G. von Brandenstein für Australien herausgearbeitet hat, und<br />
wie dort mit dem Glauben verbunden ist, nach dem sich die Vertreter der exogamen Hälften<br />
auf dieser Insel durch charakterliche Eigenschaften und durch Begabung unterscheiden, die<br />
also mit den beiden Stammeshälften korrespondieren, was demnach auch für jene die Empfängnis<br />
einleitenden Tiere gilt. Tatsächlich nimmt die Mutter auf die konstitutionellen und charakterlichen<br />
Eigenschaften ihres Kindes Einfluß, in dem sie vor der Geburt, d.h. im Zeitraum<br />
der ersten Anzeichen ihrer Schwangerschaft, mit der Außenseele des Kindes, d.h. mit einem<br />
Exemplar der gesuchten und ihrer Stammeshälfte reservierten Spezies, Kontakt aufnimmt, und<br />
die Voraussetzungen herstellt, die für diese Form der Konzeption notwendig sind. Das Selektionssystem,<br />
das diesem Verfahren zugrundeliegt, kann aus dem Fragment, das Rivers aufgezeichnet<br />
hat, noch erschlossen werden.<br />
Auf Mota heißen die beiden exogamen Hälften Takwong (Nachtleute) und Tatalai (Riesenmuschel-Leute).<br />
Takwong zählt sieben verschiedene, nicht exogame lokale Gruppen und Tatalai<br />
sechs, die sich namentlich durch eine Beziehung auf einen Fels, ein anderes Landschaftsmerkmal<br />
oder ein Tier unterscheiden, charakterlich durch die<br />
Konzentration bestimmter, für ihre Hälfte typischer<br />
Merkmale. Die charakterliche Bestimmung der natürlichen<br />
Arten, die Rivers referiert, erlaubt also ihre Zuordnung<br />
zu den beiden exogamen Hälften, als deren<br />
nähere Bestimmung sie fungieren. Der allgemeine<br />
Rahmen der charakterlichen Differenzierung kann folgendermaßen<br />
zusammengefaßt werden: Truthahn, Eidechse, gelber Krebs und die Pflanze<br />
womarakaraqat zählen nach diesem System zur Tatalai- Hälfte; Seeschlange, Aal, Einsiedlerkrebs,<br />
Flughund, Ratte und der malayische Apfel (malmalagaviga) zur Hälfte Takwong.<br />
Es ist also durchaus nicht vom Zufall abhängig, welchem Tier eine werdende Mutter als der<br />
Außenseele ihres Kindes begegnet. Die Zuschreibung der Hälfte schließt einen bestimmten<br />
Kreis der Arten von vornherein aus, nämlich alle jene, welche zur anderen Hälfte gehören. Daß<br />
der Alter-Ego-Glauben auf Mota in den Kontext einer institutionalisierten Form der Abbildung<br />
sozialer und persönlicher Kategorien in natürlichen Kategorien gehört, und damit ein Beispiel<br />
für den <strong>Totemismus</strong> im Sinne der Definition der Notes and Queries abgibt, kann vor dem Hintergrund<br />
dieser Skizze einer kosmologischen Temperamentenlehre kaum noch ausgeschlossen<br />
werden, besonders, wenn man an das australische Beispiel denkt, das wir den linguistischen<br />
23 H.Baumann, Das Tier als Alter- Ego in Afrika, Paideuma (5,4), 1952, S. 183<br />
24 L.H.Morgan, Die Urgeschichte (Ancient Society), Lollar 1979, S.140, 149<br />
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