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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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nach dem Ende oder nach dem Rückzug der Traumzeit.<br />

Immer wieder haben Petri und Lommel daraufhingewiesen, daß die Wondjina in der Urzeit<br />

menschengleich, aber viel mächtiger waren, daß sie neben urmenschlichem Vermögen auch<br />

noch über Kenntnisse verfügten, die dem gegenwärtigen Menschen nicht mehr gegeben sind, es<br />

sei denn in einigen Ausnahmemenschen, Menschen, die wie die ban-men, Corroboree-Doktoren<br />

und djoingari die Urzeit aus eigener Kraft vergegenwärtigen können. Diese Menschen und<br />

ihre Begabungen zeigen uns also in welcher Weise die Göttlichen sich noch in das Dasein mischen<br />

und auf diese Weise in ihm wirken.<br />

Der Mensch kann durch ya-yari 1) die Reinkarnation Wondjinas sein, 2) aber auch eine gewöhnliche<br />

Reinkarnation(die eines der von ihm gezeugten Nachkommen), welche 3) weiter a)<br />

durch den Schamanen oder Corroboree- Doktoren bewirkt wurde, oder b) durch den Traum,<br />

eine Vision oder vergleichbare Ereignisse, die von Wondjina ausgehen.<br />

Der Medizinmann "vermag den ins Totenreich eilenden Schatten eines soeben Dahingegangenen<br />

zu fangen und in ein Traumkind zu verwandeln, indem er ihn zu einer Ungudschlange in<br />

die Tiefen des Wassers hinuntersendet." 210 Der Medizinmann kann dies deshalb, weil er auf<br />

diese Weise ein ya-yari der entsprechenden Wasserstelle mit einem anguman (Schattenseele)<br />

verbindet, das sich von einem ya-yari gelöst hat und deshalb (weil der Schatten mit einem<br />

neuen ya-yari verbunden worden ist) noch nicht seine Reise ins Land Dulugun antreten muß.<br />

"Auch der mit den Buschgeistern (agula) in Verbindung stehende >Corroboree-Doctor< kann<br />

ähnliches vollbringen. Den gefangenen Schatten eines Toten sendet er nicht zu Ungud, sondern<br />

zu den Geistern >on top< (im Himmel), die ihn zu einem Ya-yari Traumkind machen und im<br />

Regen auf die Erde zurücksenden." 211 Auch nach dieser Methode werden Himmel und Erde,<br />

Ungudkraft und Lebensschatten zu einer belebten Einheit organischen Daseins verbunden.<br />

Aber jeder Mensch kann auch die "vollständige Wiedergeburt eines bestimmten Ahnen" ohne<br />

schamanische Intervention 212 sein, besonders der Älteste oder Hordenführer einer<br />

Lokalgruppe, der, wenn er von dem Heros der Traumzeit spricht, das Personalpronomen „Ich“<br />

gebraucht, d.h. also von sich selbst spricht.<br />

Weiter impliziert die Tatsache, daß Ya-yari das Wesen Ungurs im Menschen ist, die Vorstellung<br />

seiner potentiellen Unsterblichkeit. Diese Vorstellung fordert wiederum das Bild der Trennung<br />

der Seele vom Körper: a) nach dem Tode endgültig und b) zu Lebzeiten zeitweilig: im<br />

Traum, in Trance, während anderer Ausnahmezustände.<br />

Für die absichtlich und zeitweilig herbeigeführte Trennung der Seele vom Körper ist eine bestimmte<br />

Begabung (Mirirukraft) oder entsprechende Schulung nötig, welche sie weckt.<br />

In den ban-man wiederholen sich "die großen Heroen und Kulturbringer," 213 sie halten eine<br />

"innere Verbindung zwischen mythischer Vergangenheit und Gegenwart aufrecht" 214 und sie<br />

garantieren gleichfalls die mythische Sanktionierung von Neuerungen, indem sie die Zukunft<br />

gleichsam in diesem Zeithorizont, der Traumzeit wiederfinden oder sie aus jener herausholen,<br />

d.h. auf ihr Erbe zurückgreifen.<br />

Entscheidend ist das Verhältnis dieser Männer zu Ungud, denn immerhin unterhält jeder<br />

Mensch durch sein Ya-yari ein solches Verhältnis zu Ungud, da Ya-yari von Ungud kommt<br />

und Ungur im Menschen ist und nach dem Tode zu Ungud zurückkehrt.<br />

"Dem gewöhnlichen Sterblichen bleiben die Ungud unsichtbar, und nur ein ban-man (Ungud-<br />

Doctor) vermag sie zu sehen und mit ihnen Zwiesprache zu halten. Ihm geben sie seine besonderen<br />

Kräfte, die als Kimba (Quarzkristalle) eine greifbare Gestalt gewinnen und von den<br />

Eingeborenen als Ungudausscheidungen betrachtet werden." 215<br />

210 H.Petri, Sterbende Welt in Nord-West- Australien, Braunschweig 1954, S.243<br />

211 H.Petri, Sterbende Welt in Nord-West- Australien, Braunschweig 1954, S.167<br />

212 H.Petri, Sterbende Welt in Nord-West- Australien, Braunschweig 1954, S.167<br />

213 H.Petri, Sterbende Welt in Nord-West- Australien, Braunschweig 1954, S.100<br />

214 H.Petri, Sterbende Welt in Nord-West- Australien, Braunschweig 1954, S.100<br />

215 H.Petri, Sterbende Welt in Nord-West- Australien, Braunschweig 1954, S.148<br />

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