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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Literatur nur mit zweien dieser Alternativen in Zusammenhang gebracht werden, stellt sich die<br />

Frage, nach den Gründen, welche jene von Levi-Strauss herausgestellten Operationen auf die<br />

Alternativen reduzieren, die als totemistisch gelten; oder anders gefragt: welche Faktoren sind<br />

für die Selektionsentscheidungen der von Levi-Strauss dargestellten operativen Alternativen<br />

tatsächlich verantwortlich. Die rein formale Antwort auf diese Frage, wurde schon von den<br />

auch von Levi-Strauss bemühten Notes and Queries gegeben, nämlich durch die Institutionalisierung<br />

einer Abbildungsmöglichkeit der beiden vorausgesetzten Kategoriensysteme<br />

(natürlicher und kultureller Kategorien) aufeinander. Institutionalisierte Alternativen der<br />

Abbildung natürlicher Kategorien auf kulturelle liegen in allen vier Alternativen vor, von denen<br />

anders als Levi-Strauss es will, nur die vierte Variante nicht zum <strong>Totemismus</strong> gerechnet wird.<br />

Sie dürfte allein auch deshalb schon im Kontext der <strong>Totemismus</strong>analyse theoretisch von<br />

Bedeutung sein.<br />

Die von Levi-Strauss zitierten totemistischen Beispiele legen diese Frage genauso nahe wie die<br />

nicht-totemistischen, nämlich der Konzeptions- und Außenseelenglauben auf Mota und die<br />

Verehrung der Tempeltiere des altägyptischen Gau- oder Staatskultes oder der Ata der polynesischen<br />

Atua, welche eine alternative Form jenes Konzeptions- und Außenseelenglaubens<br />

darstellen.<br />

Während Levi-Strauss den Konzeptionalismus auf Mota aus dem <strong>Totemismus</strong> ausklammert,<br />

sah Frazer in ihm einen Beleg für seine <strong>Totemismus</strong>hypothese: "The Banks'Islanders have retained<br />

the primitive system of conceptional totemism." 20 Dieser Meinung hatte sich Rivers 21<br />

angeschlossen: "There exist beliefs which would seem to furnish the most natural starting<br />

point for totemism, beliefs which Dr. Frazer has been led by the Australian evidence to regard<br />

as the origin of the institution."<br />

Auf Mota stehen viele Personen (nach Rivers jeweils die Hälfte der Bevölkerung) unter dem<br />

Tabu, ein bestimmtes Tier oder eine bestimmte Pflanze weder berühren noch essen zu dürfen,<br />

und zwar aus dem Grund, weil man dort der Aufassung ist, daß diese Tiere oder Pflanzen diese<br />

Personen selber sind, d.h.: weil diese Tiere oder Pflanzen als die Außenseelen jener Personen<br />

gelten. Dieses Tabu gilt aber nur für die Personen, welche ein entsprechendes Alter-Ego besitzen;<br />

und sie besitzen ein Alter-Ego oder eine Außenseele (external soul) nur dann, wenn ihre<br />

Mütter vor ihrer Geburt "find an animal or fruit in their loin-cloths." 22<br />

Obwohl Rivers auf die Ähnlichkeit dieses Glaubens mit dem Konzeptionstotemismus der<br />

Aranda hingewiesen hat, stellte er ergänzend fest, daß dieser Glaube auf Mota den <strong>Totemismus</strong><br />

entweder nicht hervorgebracht habe oder, wenn er ihn hervorgebracht habe, daß der <strong>Totemismus</strong><br />

dann wieder auf Mota verloren gegangen sein müsse. Den reinen Außenseelenglauben<br />

schließt also auch Rivers von der Erscheinung des <strong>Totemismus</strong> aus, der nicht zu sehen scheint,<br />

daß er es auf Mota mit mehr als mit diesem Glauben zu tun gehabt hat, denn die Assoziation<br />

von Exemplar und Person korrespondiert hier stets mit einer Assoziantion von Spezies (des<br />

Exemplars) und Gruppe (der Person). Aber nicht nur das Beispiel der Aranda, wo das Konzeptionstotem<br />

(Ratapa) neben dem mütterlicherseits übertragenen Altjira- Totem als<br />

besonderes Gruppentotem vorkommt und außerdem mit einem lokalen Kultzentrum des Clans<br />

verbunden ist, was es indirekt zu einem patrilinear zugeschriebenen Totem macht, sondern<br />

auch alle Beispiele des Außenseelenglaubens in Verbindung mit einer unilinearen Übertragungsvorschrift<br />

der Außenseele (Kpelle, Yanomamö, Semang/Menri) zeigen, daß der Glaube<br />

an die Außenseele nur dann zu einer Form des <strong>Totemismus</strong> führt oder führen kann, wenn das<br />

Alter-Ego Gegenstand einer unilinearen Erbregel ist (Institutionalisierung!). Dies versichert<br />

u.a. Baumann nach seiner Untersuchung der afrikanischen Alter-Ego-Vorstellungen: "Tritt der<br />

Gedanke der Übertragung vom Vater auf das Kind oder von der Mutter auf das Kind hinzu, so<br />

20 J.G.Frazer, The Origin of Totemism, Fortnightly Review, April, May 1899, S.128<br />

21 W.H.R.Rivers, Totemism in Polynesia and Melanesia, ibid, S.173<br />

22 W.H.R.Rivers, ibid, und derselbe: The History of Melanesian Socitey, ibid, S.151<br />

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