Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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fermahl zum Clangott avanciert ist, projiziert Freud den Ödipuskonflikt, speziell das Verlangen<br />
nach dem Vatermord, und bedient sich auf diese Weise beider Theorien um den Hiatus zu<br />
schließen, der die Urhorde von der von ihm als matrilinear und totemistisch gezeichneten<br />
Kulturhorde trennt.<br />
Einmal verbindet Freud seine Untersuchungen über Tierphobien mit der Theorie von Robertson-Smith,<br />
denn in Tierphobien, so konnte er klinisch zeigen, projiziert das Kind seinen Haß<br />
gegen den Vater auf ein Tier, mit dem sich dann das Kind selbst verwandt fühlt. So erklärt er<br />
die Übertragung und Verschiebung des Tabus vom Ursprung zum Ersatzobjekt. Diese Theorie<br />
wird für ihn der Schlüssel zur Deutung des Materials von Robertson-Smith. Zum anderen wird<br />
dieses Konzept der Übertragung in das Szenario der Revolte in der Affenhorde rückprojiziert,<br />
wo sie jetzt das Ende der Aggressionen, welche die Revolte provozierten, erklären und der<br />
emotionalen Bewältigung des Vatermords dienlich werden.<br />
Die aus der Horde verjagten und ihren Vater hassenden Männchen rotten sich also zusammen<br />
und erschlagen ihren Vater, den sie gemeinsam auch noch verzehren, um sich endlich auch die<br />
ersehnten Weiber aneignen zu können.<br />
Während der Mahlzeit aber setzt wieder der Prozeß der Identifizierung mit dem Vater ein, mit<br />
dem gehaßten und gefürchteten Urvater. Weil jeder sich auch während der Mahlzeit ein Stück<br />
von ihm und seiner Stärke angeeignet hatte, wurde sie auch zum ersten Fest der Menschheit.<br />
Diese Mahlzeit konnte aber nicht mehr vergessen werden. Die Schuldgefühle, die sich retrospektiv<br />
einstellten, verlangten nach ihrer Beruhigung, die sich erst einstellte, als man die feindseligen<br />
Gefühle in die Außenwelt warf und sie dabei von sich löste, indem man sie auf ein<br />
Ersatzobjekt schob, das jetzt den getöteten Vater vertrat und alle Wut auf sich zog. Dieser<br />
Projektionsvorgang mußte öfter wiederholt werden und im Zuge dieser Wiederholungen wurden<br />
die Ereignisse schließlich ritualisiert und in regelmäßigen Gedenkfesten und Totemmahlzeiten<br />
verarbeitet, welche sich daraufhin als soziale und religiöse Institution festigten.<br />
Die Schuldgefühle, die sich einstellten, erklärte Freud mit der Ambivalenz der Kindergefühle<br />
dem Vater gegenüber, die ihm Liebe (Identifizierung) und Haß (Projektion) zugleich entgegenbrächten.<br />
183 Nachdem nun der Haß durch diesen Mord und seinen Zweck befriedigt worden<br />
ist, meldeten sich die zärtlicheren Gefühle; 184 Reue- und Schuldgefühle bekamen die Oberhand.<br />
So verboten nun auch sie, was der Vater früher ihnen verboten hatte, den freien Zugang zu den<br />
Weibern. 185 Freud nennt das den "nachträglichen Gehorsam". Der Kampf der Brüder um die<br />
Weiber, der nach dem Tod des Vaters drohte, bedrohte nun auch die Geschwistersolidarität,<br />
welche den Vatermord ermöglicht hatte, ihre Aufrechterhaltung ließ den Brüdern aber keine<br />
andere Alternative als die Fortsetzung des Verbots der väterlichen oder gruppeneigenen<br />
Frauen.<br />
In diesem Zustand der Reue und Bereitschaft zum nachträglichen Gehorsam wollten die Vatermörder<br />
ihr Verbrechen irgendwie ungeschehen machen und so verboten sie schließlich die<br />
Tötung ihres "tierphobischen" Vaterersatzes, des Totemtiers, 186 das zum Ausdruck ihrer Gruppenidentität<br />
wurde, ihrer Brüdersolidarität, und so richteten sie aus ihrem Schuldbewußtsein<br />
heraus sowohl das Totem- als auch das Inzesttabu ein. "So schufen sie aus dem Schuldbewußtsein<br />
des Sohnes die beiden fundamentalen Tabus des <strong>Totemismus</strong>, die eben darum mit den<br />
beiden verdrängten Wünschen des Ödipus-Komplexes übereinstimmen mußten." 187 Welches<br />
diese beiden fundamentalen Tabus sind, hat Freud bereits früher verraten: "Die ältesten und<br />
wichtigsten Tabuverbote sind die beiden Grundgesetze des <strong>Totemismus</strong>: das Totemtier nicht<br />
zu töten und den sexuellen Verkehr mit den Totemgenossen des anderen Geschlechts zu<br />
183 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981, S.146-7<br />
184 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981, S.146-7<br />
185 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981, S.146-7<br />
186 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981, S.146-7<br />
187 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981, S.146-7<br />
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