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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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anders konnte, als das Totem unter die Kategorie des Tabu zu stellen und nach dem Sinn<br />

seines Verbotes zu fahnden.<br />

Als Erscheinung eines Tabus steht (stat) das Totem aber pro aliquid. Die durch das Totem<br />

angezeigte Erscheinung fungiert also als Medium der Übertragung oder Verschiebung, die es<br />

aufzuklären gilt. Mit dem Tabu teilt das Totem weiter seine unbekannte Herkunft 163 und das<br />

Fehlen jeder Begründung 164 ebenso wie die Stimulation seiner Kompensation, mit deren Erfolg<br />

auch der Geltungsbereich der Verbote expandiert: "Die Trieblust verschiebt sich beständig, um<br />

der Absperrung, in der sie sich befindet zu entgehen, und sucht Surrogate für das Verbotene-<br />

Ersatzobjekte und Ersatzhandlungen- zu gewinnen. Darum wandert auch das Verbot und dehnt<br />

sich auf die neuen Ziele der verpönten Regungen aus." 165 Das Totem wird zum Beispiel der<br />

Bildung von Ersatzobjekten und die Beziehungen der Gruppe zu ihm dementsprechend als<br />

Beispiele für Ersatzhandlungen problematisch. Freud fragt also nach dem Objekt dieses<br />

Ersatzes, den das Totem darstellt.<br />

Der Zweck des Verbots ist die Abwehr von Neigungen, 166 die aber mit der Institutionalisierung<br />

des Verbots fortgeschrieben werden wie jenes. Mit der Tradierung des Verbots wird das von<br />

ihm Verdrängte mittradiert, das Tabuierte bleibt also Gegenstand ambivalenter Gefühlseinstellungen.<br />

Man fürchtet das Verbotene, weil man es wünscht. Der Wunsch ist unbewußt,<br />

die Furcht aber präsent. Die Übertretung trifft deshalb stets auf den Neid der Folgsamen,<br />

die zu ihrer Bestrafung bereit sind. 167 Aber deren Strafe schützt weniger vor dem Verbrecher<br />

als vielmehr vor sich selbst, vor dem Wunsch selbst, ein Verbrecher zu sein. Dieser Wunsch begründet<br />

die Ansteckungsgefahr des Tabus. Aber auch die Verschiebbarkeit des Verbots<br />

resultiert aus der Versuchung, in welche die Übertretung die Gehorsamen führt, resultiert aus<br />

der Nachahmungsbereitschaft, zu der sie die anderen anregt. 168 "Das Tabu ist ein uraltes<br />

Verbot, von außen (von einer Autorität) aufgedrängt und gegen die stärksten Gelüste der<br />

Menschen gerichtet. Die Lust es zu übertreten, besteht in derem Unbewußten fort; die<br />

Menschen, die dem Tabu gehorchen, haben eine ambivalente Einstellung gegen das vom Tabu<br />

Betroffene. Die dem Tabu zugeschriebene Zauberkraft führt sich auf die Fähigkeit zurück, die<br />

Menschen in Versuchung zu führen; sie benimmt sich wie eine Ansteckung, weil das Beispiel<br />

ansteckend ist und weil sich das verbotene Gelüste im Unbewußten auf anderes verschiebt. Die<br />

Sühne der Übertretung des Tabu durch einen Verzicht erweist, daß der Befolgung des Tabu<br />

ein Verzicht zugrunde liegt." 169 Diese Eigenschaften des Tabus bezieht Freud auf das Totem<br />

und stellt daraufhin drei Fragen:<br />

1) Wen ersetzt das Totem? Für was steht es?<br />

2) Vor wem oder was fürchtet man sich angesichts des Totems?<br />

3) Worauf verzichtet man, wenn man der Furcht nachgibt und das Verbot befolgt?<br />

Um die erste und die dritte Frage zu beantworten, gilt es den Verschiebungs- und Übertragungsweg<br />

des Totems zurück zu verfolgen, während die zweite Frage schon allgemein mit der<br />

Charakterisierung des Tabus beantwortet wurde. Man fürchtet sich auch gegenüber dem Totem<br />

in erster Linie vor sich selbst. Aber auch diese Frage nach dem Wovor der Furcht kann im<br />

Hinblick auf das Totem erst hinreichend beantwortet werden mit der Antwort auf die erste und<br />

die dritte Frage. Die Antwort auf diese Fragen erschließt Freud mit dem Hinweis auf den klinischen<br />

Befund der Tierphobien bei Kindern. "Die Phobie betrifft in der Regel Tiere, für welche<br />

das Kind bis dahin ein besonders lebhaftes Interesse gezeigt hatte, sie hat mit dem Einzeltier<br />

163 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981, S.26-29<br />

164 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981, S.26<br />

165 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981, S.38<br />

166 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981, S.39<br />

167 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981, S.40-41<br />

168 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981, S.41<br />

169 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981, S.42<br />

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