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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Totem und Tabu, die Theorie Freuds<br />

Der Gebrauch eines Namens für zwei verschiedene Objektarten<br />

Name<br />

für<br />

Species Gruppe Exemplar Person<br />

Objekt der Species der Gruppe<br />

Hypothesen über die<br />

Relation der Bezeichneten<br />

soziale<br />

religiöse<br />

Hypothesen über die<br />

Relation der Bezeichneten<br />

religiöse<br />

soziale<br />

Andrew Lang verdanken wir die Hypothese, daß ein Totem ursprünglich nur der Name einer<br />

Gruppe gewesen sei, der zuvor exklusiv einer natürlichen Erscheinung reserviert wurde und als<br />

Gruppenname vor allem deshalb ausgewählt wurde, weil das Objekt, das er bezeichnete, allen<br />

geläufig war, und in Bild, Geste oder Ton gut und leicht abgebildet werden konnte. Erst<br />

nachdem die ursprüngliche Beziehung zwischen dem Objekt, das den Namen lieferte, und der<br />

Gruppe, die danach benannt wurde, in Vergessenheit geriet, kamen die Versuche auf, das Verhältnis<br />

zwischen Objekt und Gruppe neuerlich in religiöser oder mythischer Form zu<br />

rechtfertigen. So erklärte er also den <strong>Totemismus</strong> als eine Reaktion auf den horror ignorantiae.<br />

Freud griff die Problemstellung von Lang auf und unterwarf die verschiedenen Erklärungsversuche,<br />

welche den Ethnographen von ihren Informanten angeboten wurden oder welche die<br />

Ethnologie selbst hervorbrachte, seinerseits einer psychologischen Interpretation. Das<br />

Realitätsprinzip erzwinge die Formulierung irgendwelcher Hypothesen über das Verhältnis<br />

jener unter einem Namen benannten Erscheinungen zueinander, nicht nur deshalb, weil sie<br />

durch den gemeinsamen Namen schon miteinander in Beziehung stünden. Die mögliche<br />

Relation zwischen den verschiedenen Erscheinungen deutete er entweder als Übertragung,<br />

Verschiebung oder Verdrängung auf der Grundlage einer Weltanschauung, welche diese gefühlsbedingten<br />

Operationen erlaubte, und die religiösen Hypothesen als deren Rechtfertigungsoder<br />

Erklärungsversuche, die durch ihre Vorstellungen von einer alles Seiende umfassenden<br />

kosmologischen Ursubstanz begründet würden oder von deren animistischen Varianten,<br />

während die sozialen Hypothesen das Inzestverbot und die Exogamie zu begründen hätten. Die<br />

Modelle der praktizierten Abstammungszuschreibung und der sozialen Integration<br />

institutionalisierten die weltanschaulich möglichen Projektionsalternativen. So begründet sein<br />

Rückgriff auf Langs Hypothese die Konzeption seines Buches "Totem und Tabu", 162 das mit<br />

Überlegungen zur Inzestscheu und zum Tabu einleitet, Animismus und Magie als eine Weltanschauung<br />

vorstellt, welche die emotionalen Abwehrmechanismen reflektiert und integriert<br />

sowie deren Institutionalisierungen rechtfertigt, um schließlich den ethnologisch vermittelten<br />

<strong>Totemismus</strong> mit der klinischen Beobachtung seiner infantilen Wiederkehr zu konfrontieren, in<br />

der Absicht, ihn aus dieser Perspektive endgültig aufzuklären.<br />

Das Totem wird in der von Freud zitierten ethnologischen Literatur als Bezeichnung einer<br />

Gruppe mit dem Namen einer natürlichen Erscheinung vorgestellt, als Symbol dafür, daß diese<br />

Erscheinung Verehrung genießt, das Verhältnis der Gruppenmitglieder, die nach ihr benannt<br />

werden, weiter durch Gebote (Trauer, Verkleidung, Entschuldigung, Emblemgebrauch,<br />

Exogamie etc.) und Verbote (Tötung, Speise, Inzest) bestimmt, geschildert, so daß er gar nicht<br />

162 S.Freud, Totem und Tabu, Frankfurt 1981<br />

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