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Handreichungen zu den Empfehlungen zur - individuelle Förderung

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fing an, <strong>den</strong> Ärmel seines Pullovers über die Hände <strong>zu</strong> ziehen, die Hosenbeine wur<strong>den</strong> nach unten<br />

gezogen. Er strich mit seinen Hän<strong>den</strong> über die Oberarme und war zeitweilig so unruhig wie Kinder,<br />

die unter Hautjucken lei<strong>den</strong>. Er rieb mit <strong>den</strong> Fußsohlen über <strong>den</strong> Fußrücken, rieb sich die Augen<br />

und bohrte in der Nase. Er beklagte sich, dass seine Hose kratze und bürstete sie, damit sie nicht<br />

mehr kratzt. Er schien jetzt Schmerzen besser wahr<strong>zu</strong>nehmen, er klagte über ,,Kitzelweh" im<br />

Mund, als er erkältet war, und über Schmerzen im linken Ohr. Er beklagte sich auch über einen<br />

Mitschüler, der ihn gebissen, geboxt und gedrückt hätte (Bisswun<strong>den</strong> im Gesicht und am Arm). Als<br />

er wegen Abschürfungen ein Heftpflaster wollte, sagte er: „Ich habe eine Blasenentzündung, mache<br />

ein Band drauf“. Als er Fieber hatte, fragte er, ob das Heiße wieder vorbeigehe. Er stellte viele<br />

Fragen, die mit Empfindungen <strong>zu</strong> tun hatten und mit Verlet<strong>zu</strong>ngen, die man ihm beigefügt hatte:<br />

„Habe ich Knoten auf dem Kopf?“, „Habe ich einen Rasenmäher im Bauch?“ „Soll ich die Bartstoppeln<br />

wegwaschen?“, „Heißt das Schild Kinderzerren?“ (Fußgänger-Verkehrsschild), „Machst du<br />

auch keine festen Sachen ?“ (als ich mit Richard ein taktiles Programm durchführen will).<br />

Er erfand auch neue Ausdrücke für bestimmte Formen von Berührungen:<br />

Krullen für Zwicken, Klimpern für Handauflegen, Verregeln für die Berührung von Fliegen. Aus<br />

Angst vor Fliegen wollte er nicht auf die Toilette oder in sein Zimmer. Einmal schrie er abends im<br />

Bett, er hätte Angst vor <strong>den</strong> „Brandelcher“ (Fuseln an dem Frotteelaken). Ein Frotteeschlafan<strong>zu</strong>g<br />

mit „Brandelcher“ wurde zeitweilig nicht mehr angezogen. Schmerzen, die er erlebte, wur<strong>den</strong> oft an<br />

mir abreagiert. Bei einem Spaziergang schrie er plötzlich ganz laut und schlug auf mich ein. Der<br />

Grund war ein Insektenstich, der seine Hand ganz dick anschwellen ließ. Ein andermal biss er<br />

mich in die Brust, nachdem er mit dem Fahrrad in die Brennesseln gefallen war. Fußtritte seiner<br />

Mitschüler wur<strong>den</strong> nach der Schule an mich weitergegeben, z.B. mit der Frage: „Bin ich der Ch.,<br />

der Richard getreten hat ?“<br />

Nähe wurde zeitweilig schlecht ertragen und Richard beklagte sich, man würde ihn stoßen, obwohl<br />

man ihn nicht berührt hatte. Er beklagte sich, sein Bruder würde ihn hochheben, als dieser sich<br />

neben ihn auf die Bank setzte. Im Schwimmbad wur<strong>den</strong> große Bogen um fremde Menschen geschwommen<br />

und beim Radfahren wurde sein großer Abstand <strong>zu</strong> parken<strong>den</strong> Autos etwas gefährlich.<br />

Im Lokal gab es Ärger mit der Bedienung, wenn Richard einen Meter vom Tisch entfernt sich<br />

hinsetzte und <strong>den</strong> Durchgang blockierte. Später hatten wir das entgegengesetzte Problem, dass<br />

Richard <strong>zu</strong> nahe an Autos vorbeifuhr und gelegentlich Spiegel verschob, dass er <strong>zu</strong> nahe an Menschen<br />

vorbeiging, dass er seine Gesprächspartner berührte, dass er frem<strong>den</strong> Leuten über die Haare<br />

fuhr, besonders dann, wenn sie über eine schöne Lockenpracht verfügten. Dass er die Perücke<br />

einer Nachbarin ins Rutschen brachte, war schon etwas peinlich.<br />

Im Laufe der Zeit und unter dem differenzierten taktilen Programm wur<strong>den</strong> die „Hautsensationen“<br />

weniger. Richard lernte kalt und warm unterschei<strong>den</strong> (früher war das Badewasser, wenn es ihm<br />

unangenehm war, „so kalt so warm“). Er war nicht mehr so wählerisch mit seiner Kleidung und<br />

wünschte gelegentlich Hautberührungen: „Mama kitzle mich, kitzle voller.“, „Mama schmuse mit<br />

mir.“ Er interessierte sich irgendwann einmal für Schlägereien im Fernsehen, liebte es, eine Zeitlang<br />

mit seinen Brüdern <strong>zu</strong> kämpfen und boxte und schlug andere. Boxen und Schlagen konnte<br />

auf Boxsack und Stoffpuppen umgelenkt wer<strong>den</strong>. Während Richard meist weniger warme Kleidung<br />

bevor<strong>zu</strong>gte, zog er vorübergehend, bei der größten Hitze, die dicksten Schlafanzüge und die dicksten<br />

Trainingsanzüge an.

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