Handreichungen zu den Empfehlungen zur - individuelle Förderung
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2.3. Beurteilung und Abgren<strong>zu</strong>ng von „autistischem Verhalten“<br />
Sicherlich ist die pädagogische Beurteilung von kindlichem Verhalten als „autistisch“ einer der<br />
schwierigsten Diagnosestellungen im Bereich der Sonderpädagogik. Dies wird schon am Vokabular<br />
deutlich. „Autistische Züge“, „autistische Verhaltensweisen oder Ten<strong>den</strong>zen“, ja sogar „autistoide<br />
Erscheinungsformen“ können als Zeichen der Unsicherheit der Diagnose bzw. des Unbehagens<br />
des Beurteilen<strong>den</strong> verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.<br />
Die Erfahrung an vielen Schulen zeigt, dass nahe<strong>zu</strong> bei jedem Kind mit der Diagnose „autistisch“<br />
kontroverse Diskussionen im jeweiligen Team aufgrund eines verschie<strong>den</strong>en Kenntnisstandes und<br />
Grundverständnisses entstehen.<br />
Verbreitet sind (vgl. Janetzke 1993, 10) besonders folgende Vorstellungen:<br />
• „Autistische Kinder reagieren nicht auf Menschen“ oder „ autistische Kinder mei<strong>den</strong> Blickoder<br />
Körperkontakt“. Eine autistische Wahrnehmungsverarbeitungs- und Beziehungsstörung<br />
kann jedoch einen recht vielfältigen Ausdruck fin<strong>den</strong>. Eine unter günstigen Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />
mögliche soziale Zugänglichkeit schließt aber das Vorhan<strong>den</strong>sein einer autistischen<br />
Grundstörung alleine nicht aus.<br />
• „Das Kind kann nicht autistisch sein, <strong>den</strong>n es spricht“ oder „ ....<strong>den</strong>n es lässt sich ja anfassen“.<br />
Bei keinem Kind mit autistischem Verhalten treten jedoch alle autismustypischen<br />
Merkmale gleichzeitig auf.<br />
Das Problem kann, und das zeigen Gespräche in Schulen immer wieder, im verkürzten Verständnis<br />
des autistischen Verhaltens liegen. Hierbei wird von der augenfälligsten Störung im Sozialverhalten<br />
ausgegangen, die als Kontaktverweigerung, als soziale Abkapselung oder Selbstbezogenheit<br />
(„autos“ = selbst) auftritt. Ein Gesamtverständnis des autistischen Verhaltens unter Einbeziehung<br />
der Verhaltensmerkmale aus <strong>den</strong> weiteren Bereichen wie Wahrnehmung, Sprache und<br />
Kommunikation, Bewegung und Erschließung der Umwelt (Streben nach Gleicherhaltung) ist dagegen<br />
Grundlage des diagnostischen Begriffs „autistisch“.<br />
Das als autistisch beschriebene Kind ist also nicht ausschließlich autistisch im eigentlichen Wortsinne<br />
als „auf sich selbst bezogen“, sondern reagiert auf die Umwelt, mit der es konfrontiert wird, in<br />
einem Gesamtverhalten, das als „autistisches Verhalten“ beschrieben wer<strong>den</strong> kann.<br />
Dabei wer<strong>den</strong> nicht alle Einzelmerkmale aus <strong>den</strong> genannten Bereichen (vgl. <strong>Empfehlungen</strong> 1992,<br />
7-11) im Einzelfall auffallen, ggf. können aber weitere Verhaltensweisen im Sinne einer ganzheitlich-verstehen<strong>den</strong><br />
Verhaltensinterpretation <strong>den</strong> Bereichen <strong>zu</strong>geordnet wer<strong>den</strong>.<br />
Das autistische Verhalten darf auch nicht als „Summationsdiagnose“ derart falsch verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>,<br />
dass möglichst viele der in häufig an<strong>zu</strong>treffen<strong>den</strong> Verhaltenskatalogen aufgelisteten Einzelmerkmale<br />
erst die Eindeutigkeit der Diagnose ausmachen. Statt dessen kommt es eher auf die<br />
spezifische Charakteristik an, d.h. die beobachteten Verhaltensauffälligkeiten können einzelnen<br />
der hier angegebenen Bereiche <strong>zu</strong>geordnet wer<strong>den</strong>.<br />
Auch das Verhalten von Kindern mit autistischem Verhalten verändert sich im Laufe ihres Lebensalters<br />
und ihrer Entwicklung. Dabei zeigen sich häufig die größten Fortschritte im Sozialverhalten