Handreichungen zu den Empfehlungen zur - individuelle Förderung

64
6. Erschließung der Umwelt
Jutta Kohl/Gaby Zisch
Bei Menschen mit autistischem Verhalten wird die Erschließung der Umwelt durch das zwanghafte
Bestreben nach ihrer Gleicherhaltung gehemmt oder fast verhindert.
Im folgenden werden mögliche Wege zur Umwelterschließung unter verschiedenen Gesichtspunkten
aufgezeigt:
6.1. Sozialer Aspekt zur Umwelterschließung
6.1.1. Grundlegung
Der Mensch als soziales Wesen steht in einer umfassenden Beziehung zu seiner Umwelt, zu einer
oder mehreren Personen, mit denen er durch Kommunikation verbunden ist, ebenso zu seinem
kulturellen gesellschaftlichen Umfeld, von dem er beeinflusst wird. Das Erkennen von Dingen und
der sachgerechte Umgang mit ihnen ist im wesentlichen sozial vermittelt und setzt daher zunächst
die Herstellung von mitmenschlichem Kontakt voraus. Bei einem Menschen mit autistischem Verhalten
scheint eben diese Wechselbeziehung gestört.
Ein Kind mit autistischem Verhalten ist kaum in der Lage, aus der Vielfalt von Sinnes- und Körperreizen,
die aus der Umwelt auf es eindringen, Bedeutsames für sich herauszufinden und zu wichtigen
Erfahrungen zu verarbeiten. Um die Vielfalt von Eindrücken ertragen zu können, wird es sich
für einen subjektiv gewählten Teil der Reizeindrücke entscheiden und denen eine mögliche oder
sogar überstarke Aufmerksamkeit widmen. Eine Kommunikation mit entwicklungsfördernden Anregungen
wird somit erschwert oder bleibt aus.
Wie im Erklärungsmodell des autistischen Verhaltens beschrieben ist, ,,scheint das Kind mit autistischem
Verhalten die Welt bruchstückhaft, chaotisch und bedrohlich zu erleben. Daraus können
sich Unsicherheiten oder Ängste entwickeln, die den Wunsch auf Gleicherhaltung stabiler Strukturen
der Umwelt erklären. Stereotypien, selbstverletzendes Verhalten und weitgehender Rückzug
auf sich selbst können weitere Verhaltensweisen sein.“ (Empfehlungen zur Förd. v. Schülern mit
autistischem Verhalten Rheinl.-Pfalz 1992,5).
Neue Situationen, Veränderungen, Unregelmäßigkeiten können Angst auslösen und Widerstand,
Ablehnung und Aggression hervorrufen. Da aber nur Veränderung und neue Erfahrung Weiterentwicklung
und Lernen bedeuten, stellt sich hier ein besonderes Problem der Fördermöglichkeiten
dar.
6.1.2. Didaktische und methodische Hinweise
Jedes geplante Förderangebot muss auf die individuelle Situation und Vorgeschichte des Schülers
abgestimmt sein. Spezielle Fördermaßnahmen (z.B. Einzelunterricht) sollen regelmäßig und zu
gleichen Bedingungen (gleiche Zeit, gleicher Raum) über einen längeren Zeitraum erfolgen. Durch
diese Regelmäßigkeit hat der Schüler die Möglichkeit, die auf ihn zukommende neue Situation
einzuschätzen und zu strukturieren; er fühlt sich sicherer und angstfreier und kann Lernangebote
besser annehmen. Kontakte oder auch eine Beziehung sind so eher anzubahnen und aufzubauen.