Handreichungen zu den Empfehlungen zur - individuelle Förderung
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Inzwischen gehört es <strong>zu</strong> Richards Jahresrhythmus, an Ostern Ski <strong>zu</strong> laufen. Die Probleme der ersten<br />
Jahre gibt es nicht mehr, weil er inzwischen gelernt hat, Skikleidung und Schuhe <strong>zu</strong> tolerieren,<br />
weil er mittlerweile Skischuhe besitzt, bei <strong>den</strong>en beim Anziehen nichts schief gehen kann (z.B. keine<br />
Druckstellen durch eine nicht or<strong>den</strong>tlich hochgezogene Zunge), weil der Anorak gegen ein<br />
Schneehemd ausgetauscht wurde (kein offenstehender Anorak bei schlechtem Wetter), weil er<br />
<strong>den</strong> Sinn der Sonnenbrille erkannt hat. Inzwischen fährt er auch mit unterschiedlichen Partnern<br />
Ski, aber nie alleine. Alle diese taktilen und auditiven Probleme von Richard, die das Skifahren<br />
erschweren, konnten durch Gewöhnung überwun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.<br />
Warum wollten wir unbedingt, dass Richard Skilaufen lernte? War es ein Stück Egoismus von uns<br />
Eltern, die wir uns in unserem eigenen Tun nicht <strong>zu</strong> sehr durch unseren behinderten Sohn einschränken<br />
wollten? War es eine familieninterne Integrationsidee, weil wir wollten, dass Richard<br />
möglichst viele Dinge lernt, die seine vier Geschwister auch lernten? War es die Hoffnung, durch<br />
Bewegung in jeglicher Form, seine Wahrnehmungsbehinderung <strong>zu</strong> verringern und somit seine<br />
Entwicklung <strong>zu</strong> fördern? War es ein Weg aus unserer eigenen Frustration, die durch unser oft<br />
erfolgloses Bemühen um Richards <strong>Förderung</strong>, durch sein ablehnendes Verhalten, verursacht war?<br />
Je<strong>den</strong>falls war es so, dass Richard für gemeinsame Spiele und Sportarten nicht <strong>zu</strong> bewegen war,<br />
aber Bewegungsaktivitäten unsererseits, durch die wir uns von ihm entfernten, ihn eher <strong>zu</strong>m Mittun<br />
veranlassten. Er, der sich so ablehnend gegen vieles und viele verhielt, hatte meist das Bedürfnis,<br />
in unserer Nähe <strong>zu</strong> sein. Manchmal war es ein Anklammern an uns, manchmal ein gewählter Abstand<br />
von einem halben Meter oder von 2 oder 3 Metern oder eine Entfernung auf Sichtweite. Es<br />
war aber immer ein von ihm kontrollierter Abstand. Dies nutzten wir aus beim Radfahren,<br />
Bergsteigen, Schlittschuhlaufen, Skilaufen und beim Schwimmenlernen (Richard hatte z.B in dem<br />
Sommer, in dem er sich frei schwamm, das Bedürfnis nach dem Abstand eines halben Meters. Er<br />
bekam Schwimmärmchen an und seine sämtlichen Angehörigen stürzten sich gleichzeitig ins<br />
Schwimmerbecken. So blieb ihm nicht anderes übrig, als hinterher<strong>zu</strong>springen).<br />
Wir sehen an seinem Gesichtsausdruck und an seinen Bewegungen, dass das Skifahren ihm<br />
Spaß macht. Wir haben in schwierigen Zeiten, in <strong>den</strong>en es ihm in <strong>den</strong> Wintermonaten ziemlich<br />
schlecht ging, die Erfahrung gemacht, dass es ihm im Skiurlaub sofort besser ging. Wir wissen,<br />
dass sein sportliches Können ihm soziale Anerkennung bringt (während er wegen seiner Verhaltensauffälligkeiten<br />
viel Ablehnung erfährt) und soziale Kontakte ermöglicht. Wir wissen aber auch,<br />
dass er nie aus eigener Initiative <strong>zu</strong>m Skilaufen gehen würde, dass er für seine sportlichen Aktivitäten<br />
immer einen Partner braucht.<br />
11.2. Radfahren mit Richard<br />
Radfahren konnte Richard mit sechs Jahren. Es gab aber Zeiten, in <strong>den</strong>en man ihn nur mit Tricks<br />
<strong>zu</strong>m Radfahren bringen konnte. Manchmal wurde das Fahren monatelang total abgelehnt. Auslöser<br />
für diese Ablehnung konnte die Begegnung mit einem Hund sein oder ein fernes Traktorengeräusch<br />
oder ein Flugzeug. Das Rad wurde hingeworfen und ein halbes Jahr nicht mehr angerührt.<br />
Dann gab es Zeiten, in <strong>den</strong>en wir sämtliche Räder abschließen mussten, weil Richard sich mit dem<br />
Fahrrad herumtrieb, wild durch die Gegend raste und wir nicht wussten, wo er war.