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Handreichungen zu den Empfehlungen zur - individuelle Förderung

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Es kam auch <strong>zu</strong> dramatischen Szenen in der Kirche, als die Lautsprecheranlage defekt war und<br />

ein kaum wahrnehmbares Nebengeräusch <strong>zu</strong> hören war und bei einem Orgelkonzert im Speyrer<br />

Dom. Geschützt hat sich Richard meist mit der Kapuze seines Parkas. Nur wussten wir damals<br />

nicht, warum er unbedingt die Kapuze aufbehalten wollte. Schreianfälle gab es oft erst nach dem<br />

Gottesdienst und eingeschlagene Scheiben nach der Schule oder nach dem Winzerum<strong>zu</strong>g mit der<br />

lauten Blechmusik. Als ich in der Schule einen Besuch machte, hängte sich Richard an mich und<br />

bettelte, mit nach Hause genommen <strong>zu</strong> wer<strong>den</strong>. Dabei hat er ganz ängstlich auf die Neonröhre<br />

geschaut, die defekt war und ein kaum hörbares, helles Geräusch machte. Ein paar Tage später<br />

schlug er in der Schule mit einem Stuhl eine Scheibe ein. Erst später habe ich <strong>den</strong> Grund des<br />

Scheibeneinschlagens erfahren.<br />

Zeitweise haben Richard Ohrstöpsel geholfen, die er sich nach Bedarf in die Ohren steckte, z.B.<br />

als wir auf einer Bergtour an lauten Bergbächen vorbeikamen. Auch das Aufsuchen der Geräuschquellen<br />

und Erklärungen da<strong>zu</strong> konnten eine Hilfe sein. Auf dieser Bergtour wollte er eine Hütte, in<br />

der wir übernachteten, abreißen, weil sie brummte. Wir haben die Geräuschquelle gesucht. Es war<br />

der Generator im Keller. Wir haben Richard erklärt, wie er funktioniert und wo<strong>zu</strong> er notwendig ist.<br />

In der Cafeteria eines Einrichtungshauses wurde Richard durch das Geräusch der Klimaanlage<br />

ganz unruhig und laut. Die Ohrstöpsel hatten wir vergessen. In meiner Not rollte ich ein Papiertaschentuch<br />

<strong>zu</strong>sammen und gab es Richard. Er steckte sich die improvisierten Ohrstöpsel in die Ohren,<br />

wurde ruhig und meinte, dass es jetzt angenehmer sei. Zu einer bevorstehen<strong>den</strong> Faschingsfeier<br />

verlangte er „ganz große“ Ohrstöpsel.<br />

Richard stellt öfter Fragen oder macht Aussagen, die auf seine Hörprobleme hinweisen: „Ist das<br />

die Landschaft, die brummt?“, wenn wir bei starkem Wind im Wald spazieren gehen. „Brummt das<br />

Licht?“, „Schreit das Licht mich an?“, „Brummt die Decke?“, „Geht das Laute wieder vorbei, wenn<br />

ich mir etwas in das Gesicht schmiere?“, „Kommt das Laute aus Seppels Zimmer?“ (neu eingebauter<br />

Dimmer im Zimmer gegenüber, der Richard daran hindert, in seinem Zimmer <strong>zu</strong> schlafen, weil<br />

er dieses Geräusch nicht hören will), „Ich will nicht in die Schule, weil die Schule brummt.“. Er beklagt<br />

sich über eine Lehrerin, weil sie „stimmig“ spricht, über die Mutter, weil sie so arg „schnauft“.<br />

Richard will nicht in <strong>den</strong> Wald, wenn der Wind bläst. Will mit dem Peugeot fahren, weil der leiser<br />

sei. Er möchte, dass die Scheibenwischer abgestellt wer<strong>den</strong>, weil sie seinen Ohren weh täten. Er<br />

will mitten im Sommer die Autofenster geschlossen haben. Er will nicht in sein Zimmer oder auf die<br />

Toilette, wenn dort eine Fliege rumbrummt. Er erzählt, dass er bei dem Sizilienurlaub viel lieber<br />

draußen in <strong>den</strong> Wellen geschwommen sei, weil da das Meer nicht so laut war.<br />

Als Richard 16 Jahre alt wird, nehmen u.a. seine Verhaltensprobleme, die mit seiner Hörempfindlichkeit<br />

<strong>zu</strong>sammenhängen, <strong>zu</strong>. Er führt viele Selbstgespräche, Selbstbeschuldigungen. Er<br />

schreit nächtelang, beschimpft sich, wobei man am Tonfall und am Inhalt erkennen kann, wen er<br />

mit seinen Beschimpfungen nachahmt. Er schlägt seinen Kopf an die Autotür, an die Wand,<br />

schlägt sich auf <strong>den</strong> Kopf, schlägt Scheiben ein und tritt Löcher in die Türen. An seinen Fragen<br />

kann man erkennen, dass ein Zusammenhang mit unerträglichen Geräuschen, mit Erkältungskrankheiten<br />

und mit Problemen in der Werkstatt (Holzraum, laute Mitschüler, Zurechtweisungen)<br />

besteht. Manchmal fragt er, ob er Scheibenwischergeräusche, Herr-Kuhn-Geräusche oder Assi-<br />

Geräusche (Hund von Herrn Kuhn) machen dürfe.

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