Handreichungen zu den Empfehlungen zur - individuelle Förderung
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Mittlerweile wissen wir auch, dass viele Auffälligkeiten ihren Sinn hatten und haben, dass <strong>zu</strong>m Beispiel<br />
das Schlagen etwas mit Selbststimulation <strong>zu</strong> tun hat, dass es aber auch ein Ausdruck von<br />
Schmerz sein kann. Wir versuchen, Richard in seinem Schmerz ernst <strong>zu</strong> nehmen und Abhilfe <strong>zu</strong><br />
schaffen. Wir wissen aber auch, dass das Schlagen irgendwann da<strong>zu</strong> benutzt wird, etwas <strong>zu</strong> erreichen<br />
oder <strong>zu</strong> vermei<strong>den</strong> und versuchen, diese Form des Schlagens <strong>zu</strong> ignorieren. Wir wissen inzwischen,<br />
dass manche Verhaltensauffälligkeiten ganz plötzlich auftreten, so<strong>zu</strong>sagen aus heiterem<br />
Himmel und ebenso plötzlich wieder verschwin<strong>den</strong>, ohne dass wir besonders eingreifen. Ich <strong>den</strong>ke,<br />
wir haben uns der Welt von Richard angepasst dadurch, dass wir gelernt haben, viele „Merkwürdigkeiten“<br />
<strong>zu</strong> verstehen und Richard hat sich „unserer Welt“ angepasst, dadurch, dass er sich an<br />
viele Dinge wohl oder übel gewöhnen musste.<br />
10.2. Sehprobleme<br />
Bei Richard haben wir, als er ein halbes Jahr alt war, ein leichtes Schielen und eine Kopfschiefhaltung<br />
festgestellt. Eine Schielbehandlung wurde von dem Augenarzt, <strong>den</strong> wir konsultiert hatten, erst<br />
mit 2 Jahren als notwendig erachtet. Also wurde mit 2 Jahren eine Schielbehandlung begonnen,<br />
<strong>zu</strong>nächst mit Atropintropfen, später mit Zukleben und <strong>zu</strong>letzt Brille. Zu Beginn dieser Behandlung<br />
wurde Richard plötzlich auffällig (extrem anhänglich, weinerlich u.s.w.). Wenn man weiß, dass<br />
durch Atropintropfen das Auge sehr lichtempfindlich wird, kann man im Nachhinein gut nachfühlen,<br />
wie belastend diese Behandlung für Richard war. Das Abkleben des besseren Auges oder das<br />
Tragen der Brille scheint Richard auch gestört <strong>zu</strong> haben. Nach der Schneeschmelze entdeckten<br />
wir einige Augenpflaster auf dem Pfad <strong>zu</strong>m Kindergarten. Er hatte auch einige Brillen verbogen<br />
und somit unbrauchbar gemacht. In der Kindergartenzeit fiel sein Augenbohren, das Wedeln der<br />
Hände seitlich der Augen, oft mit abgespreizten Fingern und ein „Durcheinenhindurchschauen“ auf.<br />
Öfter bohrte er auch in meinen Augen. Mit 6 Jahren, in der Zeit, als gar nichts mit ihm an<strong>zu</strong>fangen<br />
war, haben wir die Schielbehandlung aufgegeben.<br />
Bis <strong>zu</strong> 5 1/2 Jahren zeichnete Richard nicht spontan, höchstens im Kindergarten, wenn man es von<br />
ihm verlangte. Zu Hause überkritzelte er lediglich in Bilderbüchern Tiere, die er nicht sehen wollte.<br />
Er riss auch Teile, auf <strong>den</strong>en Tiere <strong>zu</strong> sehen waren, aus <strong>den</strong> Bilderbüchern, Fernsehen wollte er <strong>zu</strong><br />
dieser Zeit ebenfalls nicht. Ich hoffte, Richard eine kleine Hilfe <strong>zu</strong> geben, seine Ängste ab<strong>zu</strong>bauen,<br />
wenn ich ihn <strong>zu</strong>m Malen bringen könnte. Ich setzte mich eine ganze Woche lang neben ihn, zeichnete<br />
<strong>den</strong> Anfang eines Bildes (es war nach dem Skiurlaub, der ihn sehr beschäftigte): das Dach<br />
eines Kuhstalles, die Masten der Bergbahn. Richard zeichnete dann die Dinge, die ihn gleichzeitig<br />
faszinierten und ängstigten da<strong>zu</strong>: Kühe, Hunde, Gondeln. Spätere Themen, die dann spontan gezeichnet<br />
wur<strong>den</strong>, waren Zahnarzt mit Schlauch, Traubenabla<strong>den</strong> bei der Winzergenossenschaft<br />
mit Saugschlauch, Bademeister, der das Schwimmbecken aussaugt, Finger mit Gesichtern drauf<br />
(nach einem Fingerspiel „Das ist der Daumen“) und vor allem Tiere (Nashörner, Wölfe, Elefanten,<br />
Hunde). Nach dieser ersten Zeichenphase schaute sich Richard im Fernsehen die Hitparade und<br />
Daktari an und ließ sich aus Tierbüchern vorlesen.<br />
Dezember l972 (im Alter von 6 Jahren) kam es wieder <strong>zu</strong> einer Verschlechterung, die mit starken<br />
Angst<strong>zu</strong>stän<strong>den</strong> und mit einem Rück<strong>zu</strong>g in die dunkle Ecke des Spielzimmers verbun<strong>den</strong> war. Zunächst<br />
wurde überhaupt nicht mehr gezeichnet, dann wollte er, dass ich ihm die Tiere zeichnete.<br />
Er drehte sich dabei weg und betrachtete mein Zeichnen aus <strong>den</strong> Augenwinkeln, wie wenn er vor