1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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92 Wolfgang Hahn Weiterentwicklung des Sonnenkreuzes des Ezanas, das seinerseits durch die Erscheinung des Jahres 348 inspiriert worden sein könnte. Die Kommunikation zwischen Jerusalem und Axum dürfte bereits in der Frühzeit des äthiopischen Christentums eine sehr enge gewesen sein,30 so daß nicht nur Nachrichten, sondern auch Münzen in beiden Richtungen ihren Weg gefunden haben können. Besonders merkwürdig ist jedenfalls, daß die bildliche und die schriftliche Nachricht vom sozusagen wiedererschienenen Siegeszeichen als so wichtig empfunden wurde; man hat dafür — ausnahmsweise — das heimische Geez verwendet, das in zierlichen Lettern erscheint und sogar mit den (sonst auf Münzen unüblichen) Worttrennungszeichen (Naget) versehen ist. Zum Königsnamen vgl. den nachstehenden Exkurs; im Gold begegnet er uns nur auf dieser Sondermünze, es ist aber nicht ausgeschlossen, daß um die gleiche Zeit griechisch beschriftete Normalemissionen, wie z. B. die unter dem Namen „Eon" laufende, geprägt wurden." Hat also schon die Rückseite der neuen Münze einigen Kommentar herausgefordert, so ist die Vorderseite mit dem Königsbild nicht minder aussagekräftig. Anscheinend hat man es nach den Regeln der Typenkomposition axumitischer Goldmünzen als erforderlich betrachtet, daß die nach links stehende Figur der einen Seite eine Entsprechung auf der anderen findet, somit einen nach links stehenden König. Dem verdanken wir eine ganzfigurige Darstellung des Königs, wie wir sie sonst nur noch einmal bei den Kupfermünzen des letzten münzprägenden Königs (also 2 Jahrhunderte später), Armeha, kennen, der aber nicht steht, sondern thront.32 Von besonderem Interesse sind beim stehenden Mhdys seine Attribute, von denen drei hervorzuheben sind: der König hält einen langen Speer" (das Pendant zum Kreuz der Rückseite), wie er auf den Gold- 30 Vgl. W. Hahn, Touto arese te chora — St. Cyril's Holy Cross cult in Jerusalem and the Aksumite coin typology, INJ 13 (im Druck). Sollte allerdings (wegen des Kreuzstabes) der Consularsolidus des Theodosius II., RIC 221 die eigentliche Vorlage für die axumitische Typenkopie geliefert haben, dann wäre doch beim Zeremonialcharakter dieses Stückes eher an ein Gesandtschaftsgeschenk zu denken (als an ein bloßes Pilgersouvenir); der Perserkrieg des Theodosius II. könnte wohl eine solche Gesandtschaft veranlaßt haben. Ob die Aufnahme des Erlasses über Gesandtschaftsreisen zu den Axumiten und Himyariten aus den Jahren 356/57 in den 429-38 zusammengestellten Codex Theodosianus aus Aktualitätsgründen erfolgte, ist bei der bekannten Kritiklosigkeit der Kompilatoren doch sehr zu bezweifeln. 31 Es handelt sich um den Typ Munro-Hay (o. Anm. 2) Nr. 59-62, bei dem nur der Familienname bisi Ianaph festzustehen scheint. Wahrscheinlich ist mit E. Littmann, Deutsche Aksum Expedition I, Berlin 1913, S. 55 der Königsname als Nee zu lesen; dazu ist eine spezielle Untersuchung geplant. " Typ Munro-Hay Nr. 152-153. 33 Ein byzantinischer Gesandtschaftsbericht bei Johannes Malalas, Chronographia XVIII (Patrologia Graeca 97, 670), der das Erscheinungsbild des axumitischen Königs Kaleb (6. Jahrhundert) schildert, erwähnt zwei Lanzen. Sie gehören zu den Regalien des Krö-

Eine axumitische Typenkopie 93 münzen zur Tiara gehört, und einen kleinen Rundschild," auf dem das selbe Tatzenkreuz zu sehen ist,35 wie auf den früheren Kupfermünzen des anonymen Typs, d. h. es handelt sich auch dabei um einen realen Clipeus. Schließlich sind die Hosen merkwürdig; auf den Kupfermünzen des Armeha erscheinen sie in ähnlicher Zeichnung, aber nicht so deutlich.36 Als Verzierung der Hosenbeine sind im Oberschenkelbereich die Ähren angebracht, die auf keiner axumitischen Goldmünze des Hauptnominales fehlen. Sie symbolisieren den irdischen Aspekt der königlichen Herrschaft; ursprünglich waren sie wohl als Zeichen der Erdgottheit Meder gedacht und konnten dann auch ins Christentum übernommen werden.37 Bildlich gesprochen, könnte man sagen, daß König Mhdys hier mit beiden Beinen auf der Erde steht. In der Geez Umschrift führt der König den Victor-Titel (mwa). Dieses auch von den römischen Kaisern geführte Herrscher-Epitheton kommt zwar auf axumitischen Königsinschriften zum Ausdruck, auf den Münzen fand man dafür aber (wie auch für die anderen Bestandteile der Königstitulatur) zu wenig Platz. Hier ist es wohl durch die Victoria-Darstellung der Rückseite angeregt worden. Diesen Victor-Titel haben auch die problematischen Silbermünzen38 des Mhdys in der Averslegende; als weitere Querverbindung zum Goldstück ist das Stabkreuz der Rückseite und die Version der Rs.-Legende zu sehen. Ein etwaiger Erfinder dieses Silbermünztyps müßte also ein Exemplar der Goldmünze als Inspirationsquelle gekannt haben. Die (von Munro-Hay bejahte) Frage der Echtheit läßt sich aber m.E. noch nicht zweifelsfrei entscheiden. Alle Stücke, die ich bisher gesehen habe, sind moderne Güsse (sogar auch in Gold") und selbst die als geprägt behaupteten Exemplare sind im Photo nicht als solche zu erkennen.4° Zudem passen nungszeremoniells, wo sie die Herrschaft über Leben und Tod versinnbildlichen, vgl. E. Haberland, Untersuchungen zum äthiopischen Königtum, Wiesbaden 1965, S. 145. 34 Der „kleine vergoldete Schild" findet sich ebenda erwähnt. 35 Munro-Hay (o. Anm. 2) schreibt in seinem Buch (p. 160): „a design apparently composed of five pellets", in seinem Artikel (p. 271) jedoch: „a design, possibly a cross with four equal arms." Dazu ist bloß anzumerken, daß die Prägung an dieser Stelle leicht verwischt erscheint, vielleicht durch Quetschung, vom Bildkonzept her aber eigentlich nur das Kreuz in Frage kommt. 36 Die beiden diesbezüglichen Bemerkungen bei Munro-Hay (o. Anm. 2) pp. 38 und 267 lassen offen, ob er diese Deutung für Armeha akzeptiert; relativ deutliche Exemplare für den Vergleich sind Sternberg 8, Nov. 1978, 378 und 18, Nov. 1986, 274. 37 Vgl. Reallexikon für Antike und Christentum I, Stuttgart 1950, 139 f. 38 Typ Munro-Hay Nr. 69. 39 Typ Munro-Hay Nr. 68. 40 Num. Circ. 99, 1991, 40, fig. 1 und 41, fig. 2.

Eine axumitische Typenkopie 93<br />

münzen zur Tiara gehört, und einen kleinen Rundschild," auf dem das<br />

selbe Tatzenkreuz zu sehen ist,35 wie auf den früheren Kupfermünzen des<br />

anonymen Typs, d. h. es handelt sich auch dabei um einen realen Clipeus.<br />

Schließlich sind die Hosen merkwürdig; auf den Kupfermünzen des Armeha<br />

erscheinen sie in ähnlicher Zeichnung, aber nicht so deutlich.36 Als<br />

Verzierung der Hosenbeine sind im Oberschenkelbereich die Ähren angebracht,<br />

die auf keiner axumitischen Goldmünze des Hauptnominales fehlen.<br />

Sie symbolisieren den irdischen Aspekt der königlichen Herrschaft;<br />

ursprünglich waren sie wohl als Zeichen der Erdgottheit Meder gedacht<br />

und konnten dann auch ins Christentum übernommen werden.37 Bildlich<br />

gesprochen, könnte man sagen, daß König Mhdys hier mit beiden Beinen<br />

auf der Erde steht.<br />

In der Geez Umschrift führt der König den Victor-Titel (mwa). Dieses<br />

auch von den römischen Kaisern geführte Herrscher-Epitheton kommt<br />

zwar auf axumitischen Königsinschriften zum Ausdruck, auf den Münzen<br />

fand man dafür aber (wie auch für die anderen Bestandteile der Königstitulatur)<br />

zu wenig Platz. Hier ist es wohl durch die Victoria-Darstellung<br />

der Rückseite angeregt worden.<br />

Diesen Victor-Titel haben auch die problematischen Silbermünzen38 des<br />

Mhdys in der Averslegende; als weitere Querverbindung zum Goldstück<br />

ist das Stabkreuz der Rückseite und die Version der Rs.-Legende zu sehen.<br />

Ein etwaiger Erfinder dieses Silbermünztyps müßte also ein Exemplar<br />

der Goldmünze als Inspirationsquelle gekannt haben. Die (von Munro-Hay<br />

bejahte) Frage der Echtheit läßt sich aber m.E. noch nicht zweifelsfrei<br />

entscheiden. Alle Stücke, die ich bisher gesehen habe, sind moderne<br />

Güsse (sogar auch in Gold") und selbst die als geprägt behaupteten<br />

Exemplare sind im Photo nicht als solche zu erkennen.4° Zudem passen<br />

nungszeremoniells, wo sie die Herrschaft über Leben und Tod versinnbildlichen, vgl.<br />

E. Haberland, Untersuchungen zum äthiopischen Königtum, Wiesbaden 1965, S. 145.<br />

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Der „kleine vergoldete Schild" findet sich ebenda erwähnt.<br />

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Munro-Hay (o. Anm. 2) schreibt in seinem Buch (p. 160): „a design apparently composed<br />

of five pellets", in seinem Artikel (p. 271) jedoch: „a design, possibly a cross with<br />

four equal arms." Dazu ist bloß anzumerken, daß die Prägung an dieser Stelle leicht<br />

verwischt erscheint, vielleicht durch Quetschung, vom Bildkonzept her aber eigentlich<br />

nur das Kreuz in Frage kommt.<br />

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Die beiden diesbezüglichen Bemerkungen bei Munro-Hay (o. Anm. 2) pp. 38 und 267<br />

lassen offen, ob er diese Deutung für Armeha akzeptiert; relativ deutliche Exemplare für<br />

den Vergleich sind Sternberg 8, Nov. 1978, 378 und 18, Nov. 1986, 274.<br />

37 Vgl. Reallexikon für Antike und Christentum I, Stuttgart 1950, 139 f.<br />

38 Typ Munro-Hay Nr. 69.<br />

39 Typ Munro-Hay Nr. 68.<br />

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Num. Circ. 99, 1991, 40, fig. 1 und 41, fig. 2.

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