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1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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Buchbesprechungen, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 46, <strong>1996</strong> 257<br />

gen auf die Schatz- und Kuriositätenkammern der mittelalterlichen Herrscherhäuser zurück.<br />

Erst Karl IX. von Valois (1560-74) ließ die auf verschiedene Schlösser verteilten königlichen<br />

Schätze zusammentragen, ein Inventar der Kleinode erstellen und das Amt eines<br />

Garde des medailles et antiques du Roi einrichten. Doch die Wirren der Religionskriege<br />

verstreuten einen Großteil der Sammlungsobjekte. Für einen Neubeginn und die eigentliche<br />

Begründung des Kabinetts sorgte Heinrich IV. (1589-1610), der den Juristen Rascas de<br />

Bagarris aus Aix-en-Provence nach Paris holte und ihm als Intendant des medailles et antiques<br />

den Ankauf etlicher privater Kollektionen übertrug. Während Heinrichs Nachfolger<br />

Ludwig XIII. den Kunstobjekten wenig Interesse entgegenbrachte, versäumte sein Bruder,<br />

Gaston d'Orleans, keine Gelegenheit, seine eigene Sammlung mit Schätzen aus aller Welt<br />

zu bereichern; diese Kollektion, eine der wertvollsten Europas, vermachte Gaston seinem<br />

Neffen, dem jungen König Ludwig XIV. (1643-1715), der das Kabinett zunächst in den<br />

Louvre, 1667 in die Räume der königlichen Bibliothek, 1684 in das Schloß von Versailles<br />

überführen ließ. Unter der Regentschaft des Sonnenkönigs erfuhr die Sammlung, geleitet<br />

von Benigne Bruno, später von Nicolas bzw. Louis Colbert, einen rapiden, großzügigen<br />

Ausbau: nicht nur herkömmliche Ankäufe und Übernahmen, sondern erstmals auch eine<br />

systematische Sammeltätigkeit in den Ländern des klassischen Altertums, in die die Antiquare<br />

des Königs eigens zum Zwecke des Antikenerwerbs gesandt wurden, vermehrten die<br />

königlichen Münzschätze.<br />

Die Geschichte des Kabinetts, seine Administration und seine Akquisitionen unter Ludwig<br />

XIV. und seinen Nachfolgern, in der Zeit der Revolution, des Konsulats, des Ersten<br />

Kaiserreichs, der Wiederherstellung des Königtums bis ins Jahr 1848, stehen im Mittelpunkt<br />

von Sarmants gründlicher, akribisch recherchierter Darstellung (die historischen Anfänge<br />

werden in einem eigenen Kapitel umrissen). Diese Arbeit ist umso begrüßenswerter,<br />

als bislang zwar vielfältige Abhandlungen zu Einzelaspekten der Kabinettshistorie vorliegen,<br />

für umfassendere Studien jedoch auf reichlich antiquierte Publikationen zurückgegriffen<br />

werden mußte, etwa auf Dumersans Histoire du Cabinet aus dem Jahr 1838. Detailliert<br />

in der Schilderung der einzelnen Begebenheiten, aber zugleich aufgelockert durch zahlreiche<br />

Zitate aus Literatur und Archivalien, beschreibt Sarmant die Aktivitäten der Kustoden<br />

und beleuchtet die Funktion der numismatischen Sammlung für die Interessenlage der jeweiligen<br />

Herrscher. Bedeutende Persönlichkeiten der numismatischen Forschungsgeschichte<br />

ziehen vorüber: Konservatoren wie Barthelemy, Letronne, Millin, Raoul-Rochette,<br />

Sammler wie Allier de Hauteroche, Caylus, Pellerin, aber auch weniger geläufige Namen<br />

werden dem Leser nähergebracht. Nicht selten wird die Geschichte anderer Museen berührt,<br />

z. B. der Sammlungen in London oder im Vatikan; ein besonderer Bezug besteht<br />

zum Münchner Münzkabinett, welches 1811 die ausgezeichnete (erste) Sammlung des französischen<br />

Diplomaten Cousinery mit antiken Geprägen aus Griechenland und dem östlichen<br />

Mittelmeerraum erworben hatte, nachdem ein Verkauf an das Cabinet des Medailles<br />

nicht zustande gekommen war. Eindrucksvoll vermittelt ein Zitat aus einem persönlichen<br />

Schreiben Cousinerys die Bitterkeit des Sammlers über die gescheiterten Verhandlungen<br />

mit den Vertretern des Pariser Kabinetts.<br />

Interessant ist auch ein weiteres konkretes Ergebnis von Sarmants Studien: der im frühen<br />

19. Jh. gefertigte riesige Münzschrank des Pariser Kabinetts, bislang meist dem Ebenisten<br />

George Jacob zugeschrieben, wird als Werk des deutschstämmigen Meisters Francois-<br />

Ignace Papst festgestellt und die Entstehungsgeschichte anhand von archivalischen Unterlagen<br />

präzise nachgezeichnet.<br />

Abgerundet wird der <strong>Band</strong> von einen ausführlichen Register- und Quellenteil: auf die<br />

Liste der eingesehenen Archivalien, keineswegs begrenzt auf den Aufbewahrungsort Paris,<br />

folgen die Bibliographie (mit über 200 Titeln), das Verzeichnis der Intendanten und Direktoren<br />

(von Bagarris, 1601-1620, bis Amandry, ab 1991), sowie ein ausführlicher Index,<br />

der insbesondere eine Vielzahl von Sammlern, Bibliotheks- und Kabinettsmitarbeitern anführt.

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