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1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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244 Buchbesprechungen, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 46, <strong>1996</strong><br />

Athena Ilias-Typen hinzuweisen, um die alle anderen Darstellungen geradezu ranken; auch<br />

die Münzen mit dem Flußgott Skamander und Zeus hätten Berücksichtigung finden müssen.<br />

Es ist methodisch völlig unhaltbar, die für die eigene Argumentation brauchbaren<br />

Münzen herauszuklauben, die wichtigsten Typen aber unbeachtet zu lassen. Mit dieser Vorgehensweise<br />

ist nicht an das religiös-politische Selbstverständnis einer kleinasiatischen<br />

Stadt heranzukommen. Insgesamt scheinen mir bei diesem ersten Teil der Untersuchung<br />

das in der eigenen Vergangenheit wurzelnde Selbstverständnis der Städte, die Suche nach<br />

einer stadtspezifischen Identität und die Bemühungen der gebildeten Honoratioren, diese<br />

in schöne Bilder umzusetzen und dabei ihre Paideia zu demonstrieren, bei den Überlegungen<br />

viel zu kurz gekommen zu sein. So ist ein verzerrtes Bild von der Prägetätigkeit Ilions<br />

und der auf den Münzen zur Darstellung gebrachten städtischen Identität entstanden.<br />

Auch zum Umgang von R. Lindner mit anderen von ihr in ähnlicher Weise behandelten<br />

Typen ließe sich vieles Kritische anmerken, wofür hier jedoch kein Raum ist. Bereits der<br />

erste Teil der Arbeit ist von vielen sehr gründlichen Motivuntersuchungen (Fluchtmotiv<br />

des Aeneas; Lupa Romana) durchzogen, die eine große Material- und Literaturkenntnis der<br />

Autorin belegen, die aber oft nicht auf das Thema der Arbeit bezogen werden, so den Gedankenfluß<br />

erheblich stören und damit die Rezeption des Buches nicht gerade leicht machen.<br />

Motivrecherchen gewinnen im zweiten Teil die Oberhand. Wie Städte durch ihre Münzemissionen<br />

eine spezifische Identität zum Ausdruck brachten, wird auch am Beispiel Nysas<br />

nicht klar, da die Verf. wiederum selektiv die ihr ins Konzept passenden Typen behandelt.<br />

Überhaupt nicht deutlich wird in diesem zweiten Teil, daß es bei den ‚mythischen'<br />

Darstellungen auf dem Theaterfries und den Götterbildern der Münzen von Nysa nicht in<br />

erster Linie um die Auswahl der von Archäologen unserer Tage definierten Bildtypen geht,<br />

sondern um die Darstellung religiös-politischer Identität, die in vielen religiösen Begehungen<br />

realisiert und gelebt wurde. Es sind in diesem Fall vor allem die akademische Ferne<br />

von antiken Lebenswelten und das säkularisierte Denken unserer Zeit, die die Verf. nicht<br />

zur religiösen Identität der Städte vorstoßen lassen.<br />

Die äußere Gestaltung des Buches ist durchweg ansprechend, die Qualität der Abbildungen<br />

gut, Schreibfehler sind selten; lediglich die Wiedergabe der griechischen Münzlegenden<br />

(vgl. etwa S. 138 QMAIQN CAFAAACCQN!) hätte einer sorgfältigeren Hand bedurft.<br />

R. Lindner kann nicht abgesprochen werden, daß sie immer wieder zu durchaus interessanten<br />

Erkenntnissen durchdringt und daß sie auch nützliche Motivuntersuchungen zu verschiedenen<br />

Münztypen vorgelegt hat, die durch gute Indices leicht greifbar sind. Es ist<br />

auch ihr Verdienst, das Bewußtsein für eine weitere Bezugsebene städtischer Mythendarstellungen<br />

auf Münzen und in der städtischen Bauplastik geweckt zu haben, wenn auch in<br />

einer Uberspitzung, die den Glauben an viele Einzelinterpretationen erschüttert. Allerdings<br />

ist es R. Lindner nicht gelungen, ein leicht und mit einigem Vergnügen lesbares Buch<br />

vorzulegen. Die vielen Einzelheiten werden weniger durch eine gedankliche Verknüpfung<br />

und logisches Fortschreiten der Argumentation auf ein bestimmtes Darstellungsziel hin<br />

zusammengehalten als durch die beiden Buchdeckel. Schon nach einigen Seiten Lektüre<br />

wird klar, daß der Käufer oder Leser dieses Buches in einen Steinbruch versetzt worden<br />

ist, in dem er einige gute Stücke Marmor, aber keine fertige Statue finden kann. Das Versprechen<br />

des Titels, daß dieses Buch Wesentliches zur Selbstdarstellung der Städte aufdeckt,<br />

wird nicht eingelöst. Der Fachmann, der sich mit kleinasiatischer Stadtgeschichte<br />

oder kleinasiatischer Numismatik beschäftigt, sollte sich den Mühen und Schwierigkeiten<br />

der Lektüre dieses Buches stellen, dem Sammler möchte ich es allerdings nicht oder nur<br />

sehr bedingt empfehlen.<br />

Johannes Nolle

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