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1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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Buchbesprechungen, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 46, <strong>1996</strong> 241<br />

historisches Phänomen. Er erörtert dann vor allem die Fragen nach dem Kreis jener Personen,<br />

die über die Typen von Münzen entschieden, nach der Intention bestimmter Typen,<br />

nach den Chiffren ihrer Bilder- und Legendensprache wie auch nach den Rezipienten und<br />

ihrer Kompetenz für Traditionen auf Münzen. Hervorheben möchte ich jenes Kapitel, das<br />

sehr umsichtig das umstrittene Problem behandelt, ob hinter den Prägungen der römischen<br />

Kaiserzeit propagandistisches Wollen oder lediglich Selbstdarstellung stand. Howgego<br />

kommt zu dem Schluß: „At a minimum it should not be controversial that coin types may<br />

reflect what we may as well call propaganda."; er läßt aber kaum einen Zweifel daran, daß<br />

er hinter vielen Prägungen durchaus den Willen erkennt, möglichst viele Menschen bei der<br />

Verwendung von Geld in ihrer Einstellung zum Prägeherrn zu beeinflussen. Der Verf.<br />

weist darauf hin, daß die politische Intention von Münzen methodisch immer dann gut<br />

aufgeschlossen wurde, wenn die numismatische Forschung Bilder und Legenden von Münzen<br />

in Zusammenhang mit anderen Zeugnissen stellte.<br />

Das Kapitel über Geldverkehr und Geldumlauf geht auf eine Reihe wichtiger Fragestellungen<br />

ein, will aber vor allem zeigen, daß Münzfunde, die weitgehend von Zufällen abhängig<br />

sind, und der schwer kalkulierbare Ausstoß einzelner Münzstätten nur sehr bedingt<br />

zu gesicherten Aussagen über wirtschaftliche Entwicklungen, Handelsbeziehungen und militärische<br />

Bewegungen führen.<br />

In einem abschließenden Kapitel untersucht Ch. Howgego die monetäre Reaktion von<br />

Staaten auf Krisensituationen. Er behandelt die Einführung von Gold- und Bronzemünzen<br />

in Notzeiten wie die Reduzierung von Feingehalt und Gewicht. Im Mittelpunkt steht die<br />

Krise des 3. Jhdts. n. Chr., deren zentrale Probleme der Verf. vorstellt.<br />

Natürlich kann Ch. Howgego nicht alle der angesprochenen Probleme abschließend lösen,<br />

z. B. die um die Anfänge der Münzprägung oder die um die Gründe und den Verlauf<br />

der Inflation im Römischen Kaiserreich. Er gibt aber auch nicht vor, dies tun zu können,<br />

sondern beschränkt sich darauf, Streitpunkte zu skizzieren, Fragestellungen herauszuarbeiten<br />

und vorgeschlagene Lösungen zu diskutieren. Es ist nicht zuletzt diese Bescheidenheit<br />

auf hohem Niveau, die beim Umgang Howgegos mit seinem Thema besticht. Sein sensibler<br />

Angang an historische, ökonomische und numismatische Phänomene ist mustergültig; nirgends<br />

monokausales Erklären, unkritisches Spekulieren oder Vermengen von Fakten und<br />

Hypothesen.<br />

Ch. Howgego beklagt in seinem Vorwort, daß Numismatik nur noch von Spezialisten in<br />

Museen betrieben wird und an den Universitäten kein Zuhause mehr hat. Das gilt nicht<br />

nur für England, sondern, wie ich selber weiß, auch für Deutschland. Wer nach der Lektüre<br />

dieses Buches noch immer nicht verstanden hat, daß Numismatik für die Alte Geschichte<br />

grundlegend ist und die Erschließung des Münzmaterials und seine historische Auswertung<br />

großartige Erkenntnisfortschritte bringen kann, dem ist nicht mehr zu helfen. Bei seiner<br />

Ablehnung numismatischer Forschung läßt er sich offensichtlich von ganz anderen Interessen<br />

als denen seines Faches leiten. Numismatisch-historische Studien sind mühevoll,<br />

das vermag das Buch von Ch. Howgego zu vermitteln, und wer sich diesen Mühen nicht<br />

unterziehen will, bestreitet lieber die Nützlichkeit solcher Arbeiten, als daß er seine Inkompetenz<br />

und mangelndes Engagement zugibt. Ignoranten werden es nach dem Buch von<br />

Ch. Howgego schwerer haben, numismatischen Arbeiten Unerheblichkeit für die Alte Geschichte<br />

vorzuwerfen. Ob das aber die Inhaber der ‚großen' Fragestellungen bei ihrem<br />

Max-Weber-gesteuerten Überflug über die Alte Geschichte wie auch ihren unheilvoll einflußreichen,<br />

meist der Althistorie fernstehenden Anhang davon abhalten wird, den letzten<br />

im Geruch der Numismatik (oder solider Quellenkenntnisse) stehenden Historiker von<br />

deutschen Universitäten vertreiben zu wollen, darf bezweifelt werden.<br />

Zu empfehlen ist Ch. Howgegos Buch jedem, sowohl dem Wissenschaftler als auch dem<br />

Sammler; eine Übersetzung in die deutsche Sprache wäre vielleicht einem größeren Kreis<br />

von Interessenten willkommen.<br />

Johannes Nolle

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