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1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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238 Buchbesprechungen, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 46, <strong>1996</strong><br />

der stadtrömischen Münzbilder beschäftigt (S. 1), die in der Zeit zwischen dem Tode Sullas<br />

und dem Ausbruch des Bürgerkrieges geprägt wurden. Gerade die historische Interpretation<br />

der Münzbilder ist in dem grundlegenden Katalogwerk von M. Crawford, Roman Republican<br />

Coinage, Cambridge 1974, weitgehend vernachlässigt worden, ein Mangel, auf den<br />

die Kritik zu Recht hingewiesen hat. Zumindest für die stadtrömischen Münzen der Jahre<br />

78-50 v. Chr. bietet jetzt das Buch von Hollstein unter zusammenfassender Diskussion der<br />

älteren und jüngeren Forschungsmeinungen und Berücksichtigung der neuen Datierungen<br />

von Ch. Hersh — A. Walker, The Mesagne Hoard, ANSMN 29, 1984, S. 103 ff. einen gelungenen<br />

Kommentar zu den Nrn. 385-439 des Crawford'schen RRC, wobei er jeder der von<br />

ihm besprochenen 55 Münzemissionen zwischen einer (Nr. 417) und 21 Seiten (Nr. 426)<br />

widmet.<br />

Einleitend setzt sich der Autor mit der Frage der Münzen als Propagandamedium auseinander.<br />

Daß die Münzbilder schon in spätrepublikanischer Zeit als Propagandaträger<br />

dienten, sollte — darin ist Hollstein zuzustimmen — entgegen den bekannten Ausführungen<br />

von A. H. M. Jones und dem eher skeptischen Crawford (RRC II S. 726) im Ernst nicht<br />

bezweifelt werden. Denn gerade die große Typenvielfalt der spätrepublikanischen Münzen<br />

erklärt sich nur aus der Intention, die Bilder für die Verbreitung bestimmter politischer<br />

Inhalte zu nutzen. Allerdings muß die Wirkung der Münzpropaganda in spätrepublikanischer<br />

Zeit m. E. tatsächlich stärker relativiert bzw. die ,Zielgruppen` deutlicher bestimmt<br />

werden. Bei der sehr differenzierten Bildsprache der Denare dürfte der ,Mann von der<br />

Straße' nur wenig von der Aussage der Bilder verstanden haben. Mit den Münzbildern angesprochen<br />

werden sollten vielmehr die Angehörigen des ordo senatorius und des ordo<br />

equester. Aber selbst wenn diese — wie Jones meint — etwas Besseres zu lesen hatten als<br />

Denarlegenden, so ist für uns heute viel wichtiger, daß die Münzen Reflexe der auch mit<br />

anderen Mitteln (Reden, Flugschriften, Memoiren) betriebenen Selbstdarstellung der führenden<br />

Familien enthalten, die Rückschlüsse auf das gesellschaftlich-politische Selbstverständnis<br />

der herrschenden Schichten zulassen. Die Münzbilder bleiben also für den Historiker<br />

— was Propaganda und Selbstdarstellung der republikanischen Eliten betrifft — die<br />

wichtigste, kontinuierliche Primärquelle, ob die Bilder selbst nun in Wirklichkeit den ihnen<br />

zugeschriebenen Propagandawert besaßen oder nicht.<br />

Als ‚Faustregel` für die Interpretation der spätrepublikanischen Denartypen kann gelten,<br />

daß (fast immer) der ‚einfachen' bzw. aktuellen Lesart der Vorzug zu geben ist vor der historisch<br />

gelehrten. So hat Hollstein bestimmt Recht, wenn er die ältere Deutung des Denars<br />

Nr. 390/2 (L. Lucretius Trio: Neptunkopf/Cupido auf Delphin) ablehnt (S. 41), nach<br />

der die Münze an den im Jahr 181 v. Chr. zum duumvir navalis gewählten C. Lucretius<br />

Gallus, der im Jahr 171 v. Chr. als Prätor den Oberbefehl über die römische Flotte innehatte,<br />

erinnern soll. Ganz abgesehen von der Frage, ob der wenig berühmte Altvordere ein<br />

geeignetes Familienthema abgegeben hätte (S. 41 f.), hätte im Jahr 76 bzw. 74 (73?) v.Chr.<br />

selbst ein historisch gebildeter nobilis diese Verbindung kaum zu ziehen gewußt, ohne erst<br />

in seiner Bibliothek nachzuschlagen. Plausibler ist die vom Autor hergestellte aktuelle Verbindung<br />

zur Seeräuberproblematik (S. 42 ff.), die er auch als Hintergrund der Denare 391/<br />

3, (393/1), 395/1 und 399/1 annimmt. Denn wie er ganz richtig gegen Crawfords Auffassung<br />

(negotiatores-Bezug, vgl. RRC I S. 408. 411) etwa der Denare 395/1 aus dem Jahr 74<br />

bzw. 72 v. Chr. (Medusa/Bellerophon auf Pegasos) und 399/1 aus dem Jahr 72 bzw. 69<br />

(68?) v.Chr. (Amphitrite/Neptun in Seepferd-Biga) bemerkt: „Auch wenn die Bildmotive<br />

typisch für im Osten tätige Händler sein sollten, wäre diese Interpretation doch zu vordergründig<br />

und unter dem Gesichtspunkt Familiengeschichte bzw. -propaganda ohne Relevanz.<br />

Das Händlerdasein von Familienmitgliedern im Osten bedeutet keine besondere Leistung,<br />

derer sich der Münzmeister rühmen könnte" (S. 100). — Insgesamt kann Hollstein<br />

den Nachweis erbringen, daß gerade die Münzbilder der 70er Jahre von Aktualität beherrscht<br />

werden. Er erklärt dies mit der sozialen Stellung der Münzmeister, die ganz überwiegend<br />

aus weniger bekannten Familien stammten. Ab ca. 66 v. Chr. gehörten die Münz-

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