1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft

1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft 1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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234 Buchbesprechungen, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 46, 1996 from Turkey` mehr gerecht werden. Dann stünde am Ende der Rezension auch nicht die Frage, wem man den Kauf eines verhältnismäßig teuren Buches mit so disparatem Material von unterschiedlichstem Wert und nur wenigen lesbaren numismatischen Untersuchungen empfehlen soll. Johannes Nolle Historische griechische Inschriften in Übersetzung, Band II: Spätklassik und früher Hellenismus (400-250 v. Chr.), von KAI BRODERSEN — WOLFGANG GÜNTHER — HAT- TO H. SCHMITT. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Texte zur Forschung Band 68, Darmstadt 1996, XVIII, 176 S. Der hier anzuzeigende Band II von „Historische griechische Inschriften in Übersetzung" schließt unmittelbar an den 1992 erschienenen Band I — siehe dazu JNG 44, 1994, 225 f. — an, in dem 154 Inschriften aus der Zeit um 700 bis etwa 400 v. Chr. präsentiert wurden. Im 2. Band mit insgesamt 151 Texten aus der Zeit 400 bis 250 v.Chr. wurde die Anlage des 1. Bandes beibehalten: S. XVI—XVIII werden die herangezogenen Inschriftensammlungen mit den verwendeten Abkürzungen aufgeführt, es folgen die Inschriften mit Nummer, Herkunftsort, Titel und Datierung, sodann Angaben zu den Publikationen, zum Textträger, Fund- und Bewahrort, zu Schrift und Sprache sowie die deutsche Übersetzung. Abgeschlossen wird der Band mit einem ausführlichen Glossar — S. 163-170 —, einem Ortsregister — S. 171 — und den Stellenkonkordanzen — S. 173-176. Insgesamt wurden 151 Inschriften politischen, religiösen und wirtschaftlichen Inhalts aufgenommen, die in vier Blöcke aufgeteilt sind: 1. datierbare Inschriften aus den Jahren 400 bis 301 (Nr. 201-283), 2. nicht datierbare Inschriften aus dem 4. Jahrhundert (Nr. 284- 296), 3. datierbare Inschriften aus den Jahren von 300 bis 250 v. Chr. (Nr. 297-336) und 4. nicht datierbare Inschriften aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts. Während in Band I der größte Teil der Inschriften, nämlich 90 von 154, aus Athen stammte, enthält der 2. Band nur noch 48 aus Athen, von diesen allerdings 39 aus der Zeit 400 bis 301. Aus numismatisch-geldgeschichtlicher Sicht sind drei Inschriften hervorzuheben: Nr. 203 aus Mytilene/Lesbos, Nr. 221 aus Athen und Nr. 288 aus Olbia. Nr. 203 ist eine Münzvereinbarung zwischen Mytilene auf Lesbos und Phokaia in Ionien vom Anfang des 4. Jahrhunderts („vor 394?"). Der überkommene Text ist am Anfang lükkenhaft, die das Münzwesen betreffenden Bestimmungen und Vereinbarungen sind aber erhalten oder können schlüssig ergänzt werden. Kernpunkt ist eine gemeinsame Edelmetallprägung, für die gegenüber beiden Poleis eine Person, deren Aufgabe das Legieren des Goldes ist, verantwortlich ist (Z. 4-6: Der, der legiert das Gold, soll verantwortlich sein beiden Städten).. Dieses Legieren des Goldes — zö xeiiotov x4Ivav — bedeutet, daß dem Gold Silber zugefügt wurde, d. h., das Elektron wurde künstlich hergestellt, s. dazu J. F. Healy, Actes Congr. Int. Num. Paris 1953, tome II, Paris 1957, 529 ff.; J. u. L. Robert, BE 1959, Nr. 291. Wenn der Legierer die Mischung absichtlich verfälscht, ist er mit dem Tod zu bestrafen (Z. 13-15), bei Fahrlässigkeit entscheidet das Gericht — entsprechend dem Antrag — über das Strafmaß (Z. 15-17). Ausdrücklich wird festgelegt, daß nur der Legierer und nicht die jeweils betroffene Stadt für die Verfehlung verantwortlich ist. Der Grund für diese Bestimmung ist darin zu sehen, daß die Elektronprägung in der Regel in die Zuständigkeit des „Münzbeamten" fiel und nicht in die der Stadt, s. dazu B. V. Head, Historia Numorum, Oxford 2 1 91 1 , LXXXIII. Die zuständigen Gerichte werden von allen Magistraten — -Kik anaig nalamg — gebildet, wobei diejenigen der Polis, in deren Zuständigkeit die

Buchbesprechungen, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 46, 1996 235 Verhandlung fällt, die Mehrzahl bilden. Der Prozeß muß innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Amtsjahres stattfinden (Z. 6-13). Unter Nr. 221 ist das athenische Münzgesetz des Jahres 375/4 v. Chr. aufgeführt, in dem Bestimmungen zum Geldumlauf und zur Begutachtung von Silbermünzen enthalten sind. Die Inschrift, gefunden bei den Ausgrabungen auf der Agora in Athen, ist einer der bedeutendsten epigraphischen Funde der letzten Jahrzehnte. Nach der Erstpublikation und Interpretation durch R. S. Stroud in Hesperia 43, 1974, 157 ff. hat sich über Jahre hinweg eine Vielzahl von Forschern mit dem Text auseinandergesetzt, s. dazu u. a. Rez., JNG 36, 1986, 23 ff. Text und Übersetzung von Stroud haben die Bearb. ihrer Übersetzung zugrunde gelegt. In Z. 3 und 4 wird bestimmt, daß athenisches Geld angenommen werden muß, wenn es aus Silber ist und es den gemeindlichen Prägestempel hat. Zwischen den Tischen der Geldwechsler sitzt ein staatlicher Prüfer — 6 Se boxeuni-1g 6 brilioaiog —, der ausländisches Silbergeld bei Vorlage zu prüfen hat: Hat dieses Geld denselben Stempel wie das attische oder wenn es rein, d. h. aus gutem Silber ist, ist es dem Vorlegenden zurückzugeben, wenn es aber einen Kern aus Bronze oder Blei hat oder sonstwie gefälscht ist, ist es zu entwerten und einzuziehen (Z. 8-13). Bei dem „fremden Geld" handelt es sich um die im ersten Viertel des 4. Jh. v. Chr. häufigen Nachprägungen athenischen Geldes, die gerade im Handel weitverbreitet waren, s. Rez. aaO. 30 m. Anm. 34. Zum Entwerten der schlechten Nachprägungen heißt es im griechischen Text Z. 11/12: otaXOJTTETW na[Qccu-rx oder eaXefilt] a, was die Bearb. in Anlehnung an Stroud (aaO. 173 f.) mit „soll er es un[verzüglich (?)] mit einer (entwertenden) Schrägkerbe versehen lassen" übersetzen. Was die Bearb. als „entwertende Schrägkerbe" ansehen, war in der Praxis der Münzprüfung ein Prüfhieb, mit dem sich der Dokimastes vergewisserte, ob das Innere der Münze aus edlem (Silber) oder unedlem Metall (z. B. Bronze) besteht, wie die u. a. vom Rez. aaO. Taf. 3, 2 und 5 abgebildeten Stücke zeigen. Der Imperativ Smzogt-the) in Z. 9 bedeutet hingegen, daß die — beanstandete — Münze in zwei Teile zu zerschlagen ist, s. auch LSJ s. V. olaXÖJLTELV. Das entwertete Geld wird zu Gunsten des Tempelschatzes eingezogen Weiterhin enthält das Gesetz detaillierte Straf- und Verfahrensbestimmungen sowohl für Pflichtversäumnisse des Prüfers als auch für die Nichtannahme geprüften und für gut befundenen Geldes sowie Pflichtverletzungen von Magistraten, die gegen die Bestimmungen des Gesetzes verstoßen. Schließlich werden noch die Einsetzung eines Dokimastes auch im Hafen Peiraieus und dessen Bezahlung vorgeschrieben sowie die Publikation des Gesetzes auf einer marmornen Stele. Aus numismatisch-geldhistorischer Sicht ist das Gesetz von 375/4 v. Chr. der bedeutendste Text in der Sammlung. Er zeigt, daß nach der vernichtenden Niederlage Athens im Peloponnesischen Krieg Nachprägungen und auch Fälschungen athenischer Münzen zu einer derartigen Verunsicherung der Händler und der Bevölkerung geführt hatten, daß die Polis zum Eingreifen gezwungen war — deutlich wird aber auch das politische und wirtschaftliche Wiedererstarken Athens. Ein weiterer Text mit Bestimmungen zum Geldwesen ist das „Gesetz über auswärtige Währungen" aus Olbia — Nr. 288 — aus dem 4. Jh. v. Chr. Ein- und Ausfuhr von geprägtem Gold und Silber sind erlaubt (Z. 4/5), der Handel damit, also der Umtausch, darf nur „auf dem Stein auf dem Volksversammlungsplatz" erfolgen (Z. 6-10). Eine wesentliche Bestimmung besteht darin, daß der Handel in Olbia ausschließlich mit der Bronze- oder Silberwährung der Stadt abgewickelt werden darf, Zuwiderhandlung wird bestraft (Z. 14 ff.). Lediglich der Wechselkurs für den Goldstater aus Kyzikos wird festgesetzt mit zehneinhalb Stateren — auf dem Stein Z. 24/25: [evhexa] / TO 1511.110TUTTIO0 - (der Stadt Olbia) — zu dem Wechselkurs Kyzikos/Olbia s. z. B. die Angaben bei R. Merkelbach, Die Inschriften von Kalchedon (I. K. 20), Bonn 1980, p. 32; 34 —, der Wert aller sonstigen Gold- oder Silbermünzen richtet sich danach, „wie sie sich einigen" (Z. 26-29). Die Wechselgeschäfte sind

234 Buchbesprechungen, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 46, <strong>1996</strong><br />

from Turkey` mehr gerecht werden. Dann stünde am Ende der Rezension auch nicht die<br />

Frage, wem man den Kauf eines verhältnismäßig teuren Buches mit so disparatem Material<br />

von unterschiedlichstem Wert und nur wenigen lesbaren numismatischen Untersuchungen<br />

empfehlen soll.<br />

Johannes Nolle<br />

Historische griechische Inschriften in Übersetzung, <strong>Band</strong> II: Spätklassik und früher Hellenismus<br />

(400-250 v. Chr.), von KAI BRODERSEN — WOLFGANG GÜNTHER — HAT-<br />

TO H. SCHMITT. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Texte zur Forschung <strong>Band</strong> 68,<br />

Darmstadt <strong>1996</strong>, XVIII, 176 S.<br />

Der hier anzuzeigende <strong>Band</strong> II von „Historische griechische Inschriften in Übersetzung"<br />

schließt unmittelbar an den 1992 erschienenen <strong>Band</strong> I — siehe dazu JNG 44, 1994, 225 f. —<br />

an, in dem 154 Inschriften aus der Zeit um 700 bis etwa 400 v. Chr. präsentiert wurden. Im<br />

2. <strong>Band</strong> mit insgesamt 151 Texten aus der Zeit 400 bis 250 v.Chr. wurde die Anlage des<br />

1. <strong>Band</strong>es beibehalten: S. XVI—XVIII werden die herangezogenen Inschriftensammlungen<br />

mit den verwendeten Abkürzungen aufgeführt, es folgen die Inschriften mit Nummer,<br />

Herkunftsort, Titel und Datierung, sodann Angaben zu den Publikationen, zum Textträger,<br />

Fund- und Bewahrort, zu Schrift und Sprache sowie die deutsche Übersetzung. Abgeschlossen<br />

wird der <strong>Band</strong> mit einem ausführlichen Glossar — S. 163-170 —, einem Ortsregister<br />

— S. 171 — und den Stellenkonkordanzen — S. 173-176.<br />

Insgesamt wurden 151 Inschriften politischen, religiösen und wirtschaftlichen Inhalts<br />

aufgenommen, die in vier Blöcke aufgeteilt sind: 1. datierbare Inschriften aus den Jahren<br />

400 bis 301 (Nr. 201-283), 2. nicht datierbare Inschriften aus dem 4. Jahrhundert (Nr. 284-<br />

296), 3. datierbare Inschriften aus den Jahren von 300 bis 250 v. Chr. (Nr. 297-336) und<br />

4. nicht datierbare Inschriften aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts. Während in<br />

<strong>Band</strong> I der größte Teil der Inschriften, nämlich 90 von 154, aus Athen stammte, enthält der<br />

2. <strong>Band</strong> nur noch 48 aus Athen, von diesen allerdings 39 aus der Zeit 400 bis 301. Aus numismatisch-geldgeschichtlicher<br />

Sicht sind drei Inschriften hervorzuheben: Nr. 203 aus Mytilene/Lesbos,<br />

Nr. 221 aus Athen und Nr. 288 aus Olbia.<br />

Nr. 203 ist eine Münzvereinbarung zwischen Mytilene auf Lesbos und Phokaia in Ionien<br />

vom Anfang des 4. Jahrhunderts („vor 394?"). Der überkommene Text ist am Anfang lükkenhaft,<br />

die das Münzwesen betreffenden Bestimmungen und Vereinbarungen sind aber erhalten<br />

oder können schlüssig ergänzt werden. Kernpunkt ist eine gemeinsame Edelmetallprägung,<br />

für die gegenüber beiden Poleis eine Person, deren Aufgabe das Legieren des Goldes<br />

ist, verantwortlich ist (Z. 4-6: Der, der legiert das Gold, soll verantwortlich sein beiden<br />

Städten).. Dieses Legieren des Goldes — zö xeiiotov x4Ivav — bedeutet, daß dem Gold<br />

Silber zugefügt wurde, d. h., das Elektron wurde künstlich hergestellt, s. dazu J. F. Healy,<br />

Actes Congr. Int. Num. Paris 1953, tome II, Paris 1957, 529 ff.; J. u. L. Robert, BE 1959,<br />

Nr. 291. Wenn der Legierer die Mischung absichtlich verfälscht, ist er mit dem Tod zu bestrafen<br />

(Z. 13-15), bei Fahrlässigkeit entscheidet das Gericht — entsprechend dem Antrag —<br />

über das Strafmaß (Z. 15-17). Ausdrücklich wird festgelegt, daß nur der Legierer und nicht<br />

die jeweils betroffene Stadt für die Verfehlung verantwortlich ist. Der Grund für diese Bestimmung<br />

ist darin zu sehen, daß die Elektronprägung in der Regel in die Zuständigkeit<br />

des „Münzbeamten" fiel und nicht in die der Stadt, s. dazu B. V. Head, Historia Numorum,<br />

Oxford 2 1 91 1 , LXXXIII. Die zuständigen Gerichte werden von allen Magistraten —<br />

-Kik anaig nalamg — gebildet, wobei diejenigen der Polis, in deren Zuständigkeit die

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