1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft
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226 Buchbesprechungen, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 46, <strong>1996</strong><br />
den Privatsammlers, Neil Kreitman, der sich besonders der Metallkunst des antiken Zentralasien<br />
verschrieben hat.<br />
Die Kapitel und die Objektbeschreibungen sind aus der Hand verschiedener Autoren<br />
(u. a. J. Boardman, N. Kreitman, E. A. Errington, C. Fabregues), für die Münzen zeichnen<br />
Osmund Bopearachchi und Joe Cribb verantwortlich. Ein einführendes Kapitel gibt einen<br />
Überblick über die geographischen Gegebenheiten und die Geschichte, wobei der Rolle des<br />
Griechentums, der Verbreitung des Buddhismus, den Münzen und der Rekonstruktion der<br />
Geschichte, schließlich noch der Chronologie eigene Abschnitte gewidmet sind.<br />
Gerade für die Erforschung des antiken Zentralasien kommt den Münzen eine große Bedeutung<br />
zu. Die Erforschung der zentralasiatischen antiken Münzen wird kurz dargestellt.<br />
Es folgen einige besonders markante Fälle neuer Erkenntnisse an Hand der Münzen. In einem<br />
eigenen Abschnitt über die Chronologie setzt sich Cribb mit dem so viel diskutierten<br />
Thema der Ära des Kushankönigs Kanishka auseinander. Er legt das Jahr 1 der Kanishka-<br />
Ara auf ca. 100 n. Chr. Es gibt Argumente für und gegen alle vorgeschlagenen Datierungen;<br />
für Diskussionen darüber kann hier nicht der Ort sein, ebensowenig wie darüber, ob<br />
Cribb den Prägeherrn der Soter-Megas-Münzen zu Recht als eigenen König streicht oder<br />
nicht.<br />
Ein zweites Kapitel ist der Kunstgeschichte gewidmet, gegliedert in die Rolle der Iraner<br />
und der Nomaden, die griechische Kunst in Zentralasien, die frühe indische Kunst, die<br />
Kushan-Kunst von Gandhara und ihre Verbindungen zur Kunst von Mathura und Satavahana,<br />
die indische Kunst der Gupta-Zeit, besondere Aspekte der buddhistischen Kunst<br />
(Kultsymbole, Architektur, die Entstehung des Buddhabildnisses), und schließlich noch die<br />
Münzbilder als Zeugnisse der Kunstgeschichte.<br />
Münzbilder mußten den Ansprüchen und Erwartungen des Publikums an eine Münze als<br />
Geldstück entsprechen, was dazu führt, daß „there is a in-built conservatism in coin designs<br />
which has kept in use many designs long after they have any true relevance for the<br />
study of local development of art motifs and designs". Trotz dieses interessanten Gedankens<br />
stellen die Autoren deutlich heraus, daß für unsere Kenntnis der Ikonographie und<br />
der Stilentwicklung gerade im antiken Zentralasien die Münzen von zentraler Bedeutung<br />
sind. Die von den Griechen eingeführte Münzbildkonvention — auf der Vorderseite ein<br />
Bildnis des Herrschers, auf der Rückseite eine Gottheit (oder ein mit ihr verbundenes Tier<br />
oder Attribut) — galt in Zentralasien die gesamte Zeit der Antike hindurch. Die Indo-Skythen<br />
und die Kushan variierten das königliche Porträt derart, daß sie nicht mehr die königliche<br />
Büste, sondern den König in ganzer Figur, auch zu Pferd, darstellten. Historisch bedeutsam<br />
sind die Veränderungen bei den Münzlegenden. Die Götter der Münzrückseiten<br />
standen in besonderer Beziehung zum Herrscher. Die Griechen in Baktrien und Indien bevorzugten<br />
Götter, die auch als Symbole der königlichen Macht verstanden werden konnten:<br />
Zeus, Herakles und die kriegerische Athena. Unter den Indo-Skythen erschienen weiterhin<br />
griechische Gottheiten, die aber teilweise nicht mehr den Normen der griechischen<br />
Ikonographie entsprechen. Hier könnte es sich um lokale Gottheiten in griechischer Gestalt<br />
handeln. Die Veränderungen bei der Auswahl der Götterbilder auf kushanischen<br />
Münzen waren von hoher politischer Relevanz.<br />
Am Anfang des Katalogteils steht eine Turmalingemme mit dem Porträt Alexanders des<br />
Großen aus dem späten 4. Jahrhundert v. Chr. Der Stein und eine sicher später angebrachte<br />
Brahmi-Inschrift zeigen die Herkunft der Gemme aus Baktrien-Indien. Es folgen insgesamt<br />
93 Münzen, die einen Überblick über die Geschichte und die Münzprägung Zentralasiens<br />
geben, mit erläuternden Kommentaren zu einzelnen Münzen oder Münzgruppen. Das<br />
Bildnis Alexanders des Großen wird anhand der Dekadrachmen aus Babylon auf die Siege<br />
in Indien und Tetradrachmen von Lysimachos und Ptolemaios I. vorgeführt. Die Reihe der<br />
in Baktrien umlaufenden Münzen wird in der Ausstellung eröffnet von Nachprägungen<br />
athenischer Tetradrachmen (hier auf 360 v. Chr. datiert, was aber umstritten ist; Nicolet