1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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222 Buchbesprechungen, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 46, 1996 hagener Kopf auf. Daß hier Parallelen zwischen den kleinen Münzen und der gleichzeitigen Großplastik bestanden haben müssen, wurde ganz zu Unrecht bestritten. Am nächsten kommen dem Kopenhagener Kopf die Porträts Alexanders des Großen auf den zwischen 297 und 281 von Lysimachos geprägten Münzen. Die gezeigte Münze und der Kopenhagener Kopf verwenden auch in Details dieselbe Formensprache, ja diese Münze geht mit dem sog. „dramatischen" Stil sogar noch weiter als die Büste, ist noch stärker, „dramatischer", modelliert. Das Relief ist hoch, die Oberflächen sind stark betont modelliert, was zu extremen Licht-Schatten-Kontrasten führt. Bei späteren Lysimachos- Prägungen wird die Oberflächengestaltung ruhiger und feiner und entspricht damit noch mehr dem Kopenhagener Kopf. Auch die zeitgleichen Münzporträts des Ptolemaios I. zeigen denselben bewegten, dramatisch-modellierten Stil, die Plastizität ist noch mehr betont, mit starken Licht-Schatten- Kontrasten. M.E. zu Unrecht sieht Brown in dem Ptolemaios vermehrt individuelle Züge: es ist nicht minder idealisiert, es sind nur etwas andere Eigenschaften, die durch entsprechend abgewandelte Mittel dargestellt werden sollen. Von den 292/91-288 geprägten Porträtmünzen des Demetrios Poliorketes weisen nur diejenigen aus der Münzstätte Amphipolis in Thrakien den „dramatischen" Stil auf, wobei im Lauf der Zeit eine gewisse Abschwächung und ein Absinken der Qualität zu beobachten sind. Die Behandlung der großen pathetischen Augen erinnert genau an die Alexanderporträts auf den Münzen des Lysimachos. Brown unterscheidet bei der Bedeutung dieses Stilmittels — das gilt auch für die Münzen des Ptolemaios — sehr schön zwischen „göttlich" für Alexander und „göttlich inspiriert" bei den noch lebenden Herrschern. Der sog. „dramatische" Stil begegnet nun auch bereits vor der (in etwa) Generation des Pyrrhos. Die Münzen des Ptolemaios mit dem Kopf Alexanders des Großen im Elefantenskalp (ab 318) weisen bereits alle seine Merkmale auf, wenn auch noch nicht so prononciert wie spätere Porträts. Und diese Münzen des Ptolemaios wiederum fußen auf den Prägungen Alexanders des Großen mit der Heraklesbüste im Löwenfell auf der Vorderseite, die vom Beginn in Makedonien an eine frühere Form des dramatischen Stils zeigen. Die Ähnlichkeit erstreckt sich bis in Details der Gesichtszüge, die von diesem „Herakles" für den Alexander des Ptolemaios übernommen wurden. Brown erkennt diesen Herakles im dramatischen Stil wieder in dem Kopf des Herakles (Telephos?) vom Westgiebel des Athenatempels in Tegea, die dem Bildhauer Skopas zugeschrieben werden. Trifft dies zu, könnte in der Tat ein Einfluß des bekannten Bildhauers auf die Münzkunst vermutet werden. Die Frage, ob der Herakles auf den Münzen Alexanders ein Porträt des Königs darstellen könne, entscheidet Brown geschickt durch den Hinweis, daß Herakles hier als Ahnherr des makedonischen Königshauses, also Alexanders, erscheint. Die Gesichtszüge dieses Herakles variieren ihrer Ansicht nach aber zu stark, als daß hier ein Individualporträt hätte beabsichtigt sein können. Auch bei den Münzen des Ptolemaios mit Alexanderporträt kann die Physiognomie aber noch sehr unterschiedlich sein. Bereits 317/316, nach nur etwa einem Jahr mit Alexanderporträts im „dramatischen" Stil, wandelte sich der Stil der Porträts zu einem „glatten", klassischen, der an Büsten aus der zweiten und bei anderen Stücken sogar aus der ersten Hälfte des 5. Jhs. erinnert. Anlaß hierfür war die Veränderung der Rückseitendarstellung: anstelle des sitzenden Zeus erscheint nunmehr eine Athena Promachos in einem archaistischen Stil. Dieser erschien angemessen für die Götter, in Verbindung damit für den vergöttlichten Heroen Alexander der klassische Stil. — Unmittelbar nach dem Vorbild der frühen Alexanderporträts des Ptolemaios wurde noch um 300 eine kleine Goldemission des Seleukos gestaltet, die daher auch deren „dramatischen" Stil übernahm. Das früheste eigene Münzporträt des Ptolemaios, auf einem Goldstater von 305/304, weist dann sofort wieder alle Merkmale des „dramatischen" Stils auf. Dieser setzt sich dann in den späteren Ptolemaios-Porträts fort und wird noch bis zur Übertreibung weiter

Buchbesprechungen, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 46, 1996 223 gesteigert. Gleichzeitig mit diesen Goldmünzen wurden noch für ein Jahr weiterhin Silbermünzen mit dem „klassischen" Alexanderkopf geprägt. Der Stempelschneider all dieser Porträts von so unterschiedlichem Stil könnte ein und dieselbe Person sein, wenn die übliche Deutung eines kleinen Delta auf den Vorderseiten als Signatur zutrifft. Der „dramatische" Porträtstil der Diadochen leitet sich direkt von den Darstellungen des Herakles als Ahnherrn über die Porträts Alexanders des Großen her. Ihn für ihre eigenen Porträts zu übernehmen, war für seine Nachfolger ein Mittel zur Betonung ihrer Legitimation. Daß dieser „dramatische" Stil nur in den Münzbildern, nicht aber in der gleichzeitigen Großplastik existiert haben könne, wird von Brown zu Recht zurückgewiesen; in der Tat entwickelten sich der Stil von Münzbildern und Plastik in der Antike stets parallel und nie getrennt, bewußte Archaismen ausgenommen. Der dramatische Stil hat, Brown betont es explizit, eine politische Bedeutung: er präsentiert den König in betonter Dynamik, belebt von einer besonderen Energie und — durch das übergroße Auge — von göttlichem Geist beseelt. Mit dem Aussterben der Diadochen-Generation bis 281 v. Chr. kam auch das Ende des „dramatischen" Porträtstils. Letzte Beispiele sind postume Prägungen für Seleukos I. aus Sardeis und Pergamon; ihr Stil ist bewußt retrospektiv auf die zu Lebzeiten des Seleukos geschaffenen Porträts. Bei den weiterhin geprägten Diadochen-Münztypen (Kopf Alexanders des Großen und Ptolemaios I.) paßt sich der Stil im Lauf der Zeit den aktuellen Vorstellungen an. Münzporträts des Antiochos I. zeigen von Anfang an einen neuen Stil: keine Auflösung mehr in viele Einzelformen mit starken Licht-Schatten-Effekten, vielmehr hart und klar, vereinfacht und abstrahiert. Das Auge ist zwar nach wie vor übergroß, aber das Leben fehlt, es wirkt wie eine geometrische Form. Auch die gleichzeitigen Münzporträts der Ptolemäer wie z. B. das der Arsinoe II. übernehmen diesen Stil. Das zur selben Zeit in Pergamon auf die Münzen gesetzte postume Porträt des Philetairos ist zwar weniger schematisiert und hat eine betontere Binnenstruktur, ist aber klar und hart wie bei den Seleukiden und Ptolemäern. Brown betont die große Ähnlichkeit des Philetairos mit dem Kopf der Demosthenes- Statue von 280/79, dem Musterbeispiel des sog. „schlichten" Stils. Diese Ähnlichkeit reicht vom allgemeinen Aufbau (aus flachen, langen Kurven) bis zur Gestaltung von Details. Auch die Köpfe des Antiochos I. und der Arsinoe gehören zum „schlichten" Stil, bei Antiochos geht er noch weiter bis zur Reduzierung auf die geometrischen Grundformen. Das Aufkommen dieses „schlichten" Stils bei den Porträts der Könige der zweiten Generation erklärt Brown mit den anderen politischen Grundlagen ihrer Herrschaft, die ein anderes „Image" erforderten. Leitbild ist nicht mehr der „göttlich inspirierte Abenteurer" wie in der Vätergeneration, sondern der als Abkömmling aus königlichem Haus legitimierte Herrscher. Das damit verbundene auf eine Tradition zurückgreifende „gesetztere" Image drückt sich bei den Porträtdarstellungen durch eine Anlehnung an den „strengen" Stil der frühklassischen Periode aus, freilich umgesetzt in die frühhellenistische Formensprache. Die strengen, vereinfachten Formen dienen der Idealisierung, sie sollen eine vornehme Schlichtheit ausdrücken. Dieser Wechsel des hellenistischen Porträtstils um 280 ist augenfällig. Der Kopenhagener Kopf ist eindeutig dem „dramatischen" Stil zuzuordnen. Damit kann er auf vor 280 datiert und auch mit großer Sicherheit als ein Porträt des Pyrrhos identifiziert werden. Auch den „barocken" Köpfen des 2. Jhs. v.Chr. entspricht der Kopenhagener Pyrrhos nicht. Die typischsten Plastiken dieser Zeit stammen aus Pergamon. Der Fries des Pergamonaltars und eine Büste Alexanders des Großen aus Pergamon (Archäologisches Museum Istanbul) sind antiker „Barock", gehen in Pathos, Reichtum der Oberflächenstruktur, beim Gegensatz von Licht und Schatten, der Modellierung und Bewegung weit über den Kopenhagener Pyrrhos hinaus.

Buchbesprechungen, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 46, <strong>1996</strong> 223<br />

gesteigert. Gleichzeitig mit diesen Goldmünzen wurden noch für ein Jahr weiterhin Silbermünzen<br />

mit dem „klassischen" Alexanderkopf geprägt. Der Stempelschneider all dieser<br />

Porträts von so unterschiedlichem Stil könnte ein und dieselbe Person sein, wenn die übliche<br />

Deutung eines kleinen Delta auf den Vorderseiten als Signatur zutrifft.<br />

Der „dramatische" Porträtstil der Diadochen leitet sich direkt von den Darstellungen<br />

des Herakles als Ahnherrn über die Porträts Alexanders des Großen her. Ihn für ihre eigenen<br />

Porträts zu übernehmen, war für seine Nachfolger ein Mittel zur Betonung ihrer Legitimation.<br />

Daß dieser „dramatische" Stil nur in den Münzbildern, nicht aber in der gleichzeitigen<br />

Großplastik existiert haben könne, wird von Brown zu Recht zurückgewiesen; in<br />

der Tat entwickelten sich der Stil von Münzbildern und Plastik in der Antike stets parallel<br />

und nie getrennt, bewußte Archaismen ausgenommen. Der dramatische Stil hat, Brown betont<br />

es explizit, eine politische Bedeutung: er präsentiert den König in betonter Dynamik,<br />

belebt von einer besonderen Energie und — durch das übergroße Auge — von göttlichem<br />

Geist beseelt.<br />

Mit dem Aussterben der Diadochen-Generation bis 281 v. Chr. kam auch das Ende des<br />

„dramatischen" Porträtstils. Letzte Beispiele sind postume Prägungen für Seleukos I. aus<br />

Sardeis und Pergamon; ihr Stil ist bewußt retrospektiv auf die zu Lebzeiten des Seleukos<br />

geschaffenen Porträts. Bei den weiterhin geprägten Diadochen-Münztypen (Kopf Alexanders<br />

des Großen und Ptolemaios I.) paßt sich der Stil im Lauf der Zeit den aktuellen Vorstellungen<br />

an.<br />

Münzporträts des Antiochos I. zeigen von Anfang an einen neuen Stil: keine Auflösung<br />

mehr in viele Einzelformen mit starken Licht-Schatten-Effekten, vielmehr hart und klar,<br />

vereinfacht und abstrahiert. Das Auge ist zwar nach wie vor übergroß, aber das Leben<br />

fehlt, es wirkt wie eine geometrische Form. Auch die gleichzeitigen Münzporträts der Ptolemäer<br />

wie z. B. das der Arsinoe II. übernehmen diesen Stil. Das zur selben Zeit in Pergamon<br />

auf die Münzen gesetzte postume Porträt des Philetairos ist zwar weniger schematisiert<br />

und hat eine betontere Binnenstruktur, ist aber klar und hart wie bei den Seleukiden<br />

und Ptolemäern.<br />

Brown betont die große Ähnlichkeit des Philetairos mit dem Kopf der Demosthenes-<br />

Statue von 280/79, dem Musterbeispiel des sog. „schlichten" Stils. Diese Ähnlichkeit<br />

reicht vom allgemeinen Aufbau (aus flachen, langen Kurven) bis zur Gestaltung von Details.<br />

Auch die Köpfe des Antiochos I. und der Arsinoe gehören zum „schlichten" Stil,<br />

bei Antiochos geht er noch weiter bis zur Reduzierung auf die geometrischen Grundformen.<br />

Das Aufkommen dieses „schlichten" Stils bei den Porträts der Könige der zweiten Generation<br />

erklärt Brown mit den anderen politischen Grundlagen ihrer Herrschaft, die ein anderes<br />

„Image" erforderten. Leitbild ist nicht mehr der „göttlich inspirierte Abenteurer"<br />

wie in der Vätergeneration, sondern der als Abkömmling aus königlichem Haus legitimierte<br />

Herrscher. Das damit verbundene auf eine Tradition zurückgreifende „gesetztere" Image<br />

drückt sich bei den Porträtdarstellungen durch eine Anlehnung an den „strengen" Stil der<br />

frühklassischen Periode aus, freilich umgesetzt in die frühhellenistische Formensprache.<br />

Die strengen, vereinfachten Formen dienen der Idealisierung, sie sollen eine vornehme<br />

Schlichtheit ausdrücken.<br />

Dieser Wechsel des hellenistischen Porträtstils um 280 ist augenfällig. Der Kopenhagener<br />

Kopf ist eindeutig dem „dramatischen" Stil zuzuordnen. Damit kann er auf vor 280 datiert<br />

und auch mit großer Sicherheit als ein Porträt des Pyrrhos identifiziert werden.<br />

Auch den „barocken" Köpfen des 2. Jhs. v.Chr. entspricht der Kopenhagener Pyrrhos<br />

nicht. Die typischsten Plastiken dieser Zeit stammen aus Pergamon. Der Fries des Pergamonaltars<br />

und eine Büste Alexanders des Großen aus Pergamon (Archäologisches Museum<br />

Istanbul) sind antiker „Barock", gehen in Pathos, Reichtum der Oberflächenstruktur, beim<br />

Gegensatz von Licht und Schatten, der Modellierung und Bewegung weit über den Kopenhagener<br />

Pyrrhos hinaus.

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