1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft
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216 Buchbesprechungen, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 46, <strong>1996</strong><br />
reip. ger. 808B) als ein reguläres Phänomen bezeugten förmlichen Homonoia-Vereinbarungen<br />
eine gleichfalls auf Münzen dokumentierte formlose Homonoia zu postulieren, die<br />
sich auch noch der gleichen, offenbar für die förmliche Homonoia entwickelten Ikonographie<br />
bedient hätte. Für die Annahme der Vf., daß die Homonoia-Verbindungen einem Fest<br />
mehr Glanz verleihen oder gar ein vom Kaiser (!) gewährtes Privileg „bestätigen" sollten,<br />
gibt es dagegen in der Überlieferung keine Anhaltspunkte. Die Münzen dokumentierten<br />
den Abschluß oder das Bestehen einer Homonoia und sollten offenbar auch nicht mehr als<br />
dies — abgesehen von ihrer monetären Funktion, auf welche die Vf. leider zu wenig eingeht.<br />
Das 7. Kapitel gilt der Homonoia zwischen Mytilene und Pergamon. Die Vf. betont die<br />
überlieferte crunevact zwischen beiden Städten und vermutet als Anlaß der Homonoia eine<br />
Hilfe nach dem großen Erdbeben von 147/8, die Pergamon vielleicht gewährt hätte. Eine<br />
Homonoiaprägung unter Commodus mit der Tyche von Mytilene und der stehenden<br />
Meter, die unter dem Strategen Fu(lvius?) Hermolaos geschlagen wurde, wird wohl richtig<br />
auf die Homonoia mit Pergamon (und nicht mit Perge) bezogen. Interessant sind die Prägungen<br />
unter Valerian und Gallienus, deren Interpretation durch die Vf. allerdings nicht<br />
recht befriedigt. Was S. 73 oben über die Darstellung der Tyche von Mytilene auf einer<br />
Quadriga gesagt wird, ist reine Phantasie. Die Vf. stellt sich nie die Frage, ob auf den<br />
Münzen reale Vorgänge wiedergegeben sind oder mythische und symbolische Darstellungen<br />
abgebildet werden. Eine galoppierende Quadriga kann man sich schwer in einer Prozession<br />
vorstellen. Auch das Bild eines von Kentauren gezogenen Wagens, das die Vf. S. 37<br />
bespricht, paßt nicht in eine reale Prozession. Was diese Darstellungen wirklich besagen<br />
und ob sie, wie die Vf. offenbar annimmt, eine Entsprechung in einem realen Festzug haben,<br />
hätte eine eingehende Erörterung verdient. Bei den übrigen Rückseitendarstellungen<br />
ist der Pergamon eingeräumte Platz weniger auffällig als die unbekümmerte Herausstellung<br />
der thronenden Tyche ihrer Stadt durch Mytilene, das stolz seinen Rang als stcnbtri /1aßov<br />
betont. Fühlte sich die prosperierende Stadt den alten Metropolen Asias jetzt ebenbürtig?<br />
Warum Mytilene die ganze Zeit hindurch offenbar die Homonoia mit Pergamon,<br />
Ephesos und Smyrna, vorübergehend (?) auch mit Adramyttion gesucht hat (Münzen der<br />
kleinasiatischen Städte für Mytilene existieren nicht!), läßt die Vf. offen.<br />
Das 8. Kapitel behandelt die Homonoia Thyateiras mit Pergamon, das 9. Kapitel die Homonoia<br />
von Pergamon und Nikomedeia unter Gordian III., die ebenso wie die anderen<br />
Homonoia-Verbindungen Nikomedeias wohl anläßlich des Perserfeldzuges jenes Kaisers<br />
auf den Münzen dargestellt wurden (Zu den Schiffsdarstellungen auf den Münzen Nikomedeias<br />
fehlt ein Hinweis auf D. Kienast, Untersuchungen zu den Kriegsflotten der römischen<br />
Kaiserzeit, Bonn 1966, 106 m. A. 89). Das 10. Kapitel schließlich behandelt die Homonoiamünzen<br />
von Hierapolis unter Philippus I., welche die Vf. (nicht ganz überzeugend)<br />
mit einer Neokorieverleihung durch diesen Kaiser erklären will. Die in dem Buch vorgebrachten<br />
meist unbegründeten Behauptungen und Vermutungen werden schließlich dem<br />
Leser im letzten Kapitel noch einmal als „Ergebnisse" der Arbeit präsentiert.<br />
Wenigstens zwei sinnstörende Druckfehler seien noch korrigiert: S. 63 lies statt G. Kruse,<br />
RE X vielmehr B. groß Kruse, RE VA 2. S. 89 Z. 6 von unten lies 244 statt 245.<br />
Die Homonoiamünzen sind eine unschätzbare Quelle für die politischen und kulturellen<br />
Verhältnisse Kleinasiens in der Kaiserzeit. Ihre Interpretation verlangt jedoch eine genaue<br />
Kenntnis auch der epigraphischen und bes. der literarischen Quellen, vor allem aber Nüchternheit<br />
und methodische Strenge. Angesichts der Lückenhaftigkeit unserer Überlieferung<br />
wird ihre Deutung immer Raum für Kontroversen lassen. Dennoch sollte man jede noch so<br />
verlockende Vermutung deutlich als solche kennzeichnen und auf bloße Spekulationen von<br />
vornherein verzichten. Man darf hoffen, daß der von P. R. Franke im Vorwort des Buches<br />
angekündigte Kommentar zu dem in Vorbereitung befindlichen Corpus der Homonoiamünzen<br />
diesen Kriterien besser gerecht wird als die vorliegende Arbeit.<br />
Dietmar Kienast