1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft
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114 Konstantin Olbrich<br />
An dieser Stelle lohnt sich auch ein Blick auf des Kaisers Landsmann<br />
Illus, dessen Vita phasenweise der seines Herrn auffallend ähnelt. Tarsos<br />
spielt in der wechselvollen Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen<br />
den beiden Isauriern mehrmals eine wichtige Rolle. Um 479 n. Chr.<br />
entwich Illus vor den Nachstellungen Verinas, der Schwiegermutter des<br />
Kaisers, nach Isaurien. Er ließ sich erst zur Rückkehr nach Konstantinopel<br />
bewegen, als ihm Verina von dort als Geisel zugeschickt wurde. Er<br />
nahm seine Gefangene in Tarsos entgegen und verbrachte sie nach Dalisandus.<br />
Vier Jahre später proklamierten schließlich Illus und Verina — die<br />
sich mittlerweile gegen Zeno verbündet hatten — in Tarsos den Gegenkaiser<br />
Leontius.34 Beiden Fällen gemeinsam ist die Tatsache, daß sich ein<br />
einflußreicher isaurischer General, dem in Konstantinopel der Boden unter<br />
den Füßen zu heiß geworden war, in die Heimat zurückzog, um von<br />
Tarsos aus zu verhandeln oder seine politischen Aktivitäten zu koordinieren.<br />
Ebenso wie Zeno in den Jahren 475/476 n. Chr. wird er nicht zuletzt<br />
an den dort stationierten Legionen interessiert gewesen sein.<br />
Auch das vermehrte Auftauchen zeitgenössischer Architekturteile aus<br />
Konstantinopel in Tarsos wird mit dem besonderen Interesse des isaurischen<br />
Kaisers an der Region seiner Geburt erklärt.35<br />
Aus alledem müßte eine frühe Datierung der Emission innerhalb der<br />
Regierungszeit Zenos gefolgert werden. Das dürfte seine Bestätigung darin<br />
finden, daß ein Aversstempel aus einem Avers für Leo I. oder eher Leo<br />
II. mit Zeno umgeschnitten zu sein scheint: Bei einem Stück, das mit dem<br />
von Kent, RIC X 927 abgebildeten Exemplar stempelgleich ist, konnte<br />
ich unter dem rechten oberen Rand des ersten Buchstaben der Averslegende<br />
ein L klar erkennen, sowie zahlreiche weitere Buchstaben davor<br />
und danach. Jedenfalls der Name Leos ist mit ausreichender Bestimmtheit<br />
zu lesen. Möglicherweise lassen sich noch weitere Belege finden.<br />
Damit soll es sein Bewenden haben. Als ein Ergebnis der beiden in diesem<br />
Artikel versuchten Zuweisungen mag folgendes festgehalten werden:<br />
Zweimal zeigt sich, daß in der Tradition des Ostreiches eine von der<br />
Hauptstadt zu unterscheidende Prägestätte mit wenigen Ausnahmen am<br />
Ende der Reverslegende zu signieren pflegt. Dieser Brauch setzt sich bekanntlich<br />
unter östlichem Einfluß auf frühen ravennatischen Solidi des<br />
Odovacer und Mailänder Solidi des Theoderich fort. Am Ende dieser<br />
Entwicklung ist die im Westreich übliche Münzstättensignatur im Feld<br />
angesichts der neuen Praxis aus dem Osten völlig abgekommen.<br />
34 Bury (o. Anm. 15) S. 394 u. 39Z<br />
35 G. Dragon — D. Feissel, Inscriptions de Cilicie, Paris 1987, S. 232 u. 256.