1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft
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Das orientalische Heermeisteramt des Zeno 107<br />
Im Jahr 466 erschien der Isaurierfürst Tarasicodissa — der sich später<br />
Zeno nannte und unter diesem Namen den oströmischen Thron besteigen<br />
sollte — am Hof in Konstantinopel.15 Leo I. nutzte die sich bietende Gelegenheit,<br />
um sich von dem erdrückenden Einfluß der alanisch-gotischen<br />
Hofpartei unter Führung der Sippe des präsentalischen Heermeisters<br />
Aspar zu emanzipieren, und begann, Zeno mit seinen Isauriern als Gegengewicht<br />
zu den germanischen Militärs aufzubauen. Zeno erlebte einen<br />
rasanten Aufstieg auf Kosten der bisherigen Machthaber um Aspar: Er<br />
wurde comes domesticorum, magister militum per Thracias (467 n. Chr.)<br />
und Schwiegersohn des Kaisers. Im Jahr 468 wurde er zum Konsul für<br />
das folgende Jahr designiert. Sein rascher Aufstieg und die Gründung der<br />
isaurischen Exkubitengarde ermöglichten eine neue kaiserliche Politik<br />
auch gegen die germanischen Generale bei Hof: Trotz Aspars Widerstand<br />
wurde im Jahre 468 die gemeinsame Großoperation beider Reichshälften<br />
mit dem Ziel der Niederwerfung des afrikanischen Vandalenreiches in die<br />
Wege geleitet. Diese ungeheure militärische Kraftanstrengung endete bekanntlich<br />
wegen des Versagens des Befehlshabers Basiliscus in einem<br />
Fiasko. Damit war offenbar der Versuch Leos, zwischen beiden Heeresfraktionen<br />
ein System der „balance of power" herzustellen und somit politische<br />
Handlungsfreiheit zu gewinnen, gescheitert. Aspar, der von der<br />
Vandalenoperation abgeraten hatte, konnte seine Führungsrolle zurückfordern<br />
und nutzte die neue Situation aus: Auf seinen Druck hin wurde<br />
sein Sohn Patricius mit der jüngeren Kaisertochter Leontia verheiratet,<br />
zum Caesar erhoben und damit als potentieller Nachfolger designiert.<br />
Leo befand es offenbar für richtig, seinen „Favoriten" Zeno, aus dessen<br />
Ehe mit Ariadne mittlerweile ein Sohn hervorgegangen war und dessen<br />
Position unter den neuen Verhältnissen in der Hauptstadt nicht ungefährdet<br />
gewesen sein mag, zum magister militum per Orientem mit Sitz in<br />
Antiochia16 zu ernennen. Diese Position an der zum damaligen Zeitpunkt<br />
relativ ruhigen Perserfront war das einzige oströmische Heermeisteramt,<br />
in dem Zeno dem Zugriff seiner Gegenspieler halbwegs entzogen war.<br />
Zudem befand er sich dort nicht nur in der Nähe seiner isaurischen<br />
Machtbasis, sondern kontrollierte auch einen der bedeutendsten Großräume<br />
des Ostreiches — und war somit in der Auseinandersetzung um die<br />
Macht bei Hofe nach wie vor zu berücksichtigen. Von dort aus arbeitete<br />
15 Hierzu und zum folgenden Hintergrund siehe vor allem Lippold (o. Anm. 13), aber<br />
auch A. H.M. Jones, The Later Roman Empire, Oxford 1964, S. 222 f.; 0. Seeck, Die<br />
Geschichte des Untergangs der antiken Welt, Stuttgart 1920, Bd. VI, S. 368; J. B. Bury,<br />
History of the Later Roman Empire, 1922, New York 1958, Bd. I, S. 318.<br />
16 Zu Antiochia als Sitz des orientalischen Heermeisters: A. Demandt, Handbuch der Altertumswissenschaftten<br />
III. 6, Die Spätantike, München 1989, S. 190 u. 200.