1996 Band XLVI - Bayerische Numismatische Gesellschaft
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102 Konstantin Olbrich<br />
Die erste Alternative möchte ich ausschließen. Zwar weist die Münze<br />
stilistische Besonderheiten vor allem bei der Zeichnung der Kaiserbüste<br />
und der Legende auf, jedoch ist der Stempelschnitt viel zu routiniert, um<br />
als Beischlag gelten zu können. Beispielsweise soll auf die Darstellung der<br />
Victoria hingewiesen werden: Hier vermag der Graveur die Struktur des<br />
menschlichen Körpers — erkennbar besonders am Spielbein der Figur —<br />
auch durch die Bekleidung hindurch darzustellen. Dieses Qualitätskriterium<br />
guter plastischer Kunst taucht zu dieser Zeit allenfalls in Konstantinopel<br />
auf, aber nicht auf imitativen Münzen bzw. im Westen, wo der<br />
Kontrapost weit weniger ausgeprägt ist.'<br />
Die Legende ist fehlerfrei, wenn auch gewisse Unsicherheiten bei der<br />
Raumausnutzung sichtbar werden. Besonders stark gegen eine Imitation<br />
sprechen das seltsame Ende der Reverslegende sowie die Abschnittslegende:<br />
Der Offizinsbuchstabe scheint hier untypisch in den Abschnitt gerutscht<br />
zu sein, während sein angestammter Platz nach dem Legendenbestandteil<br />
AVGGG von einem Kringel eingenommen wird. Dieser Kringel<br />
erweist sich bei genauer Betrachtung als ein zu klein geratenes 0, da bei<br />
diesem Stück alle sich in den Legenden befindlichen O's ebenso klein und<br />
meines Erachtens genau gleichförmig sind.2 Nähme man nun an, bei dem<br />
Stück handelte es sich um eine zeitgenössische Imitation, dann muß man<br />
sagen, daß es technisch und epigraphisch perfekt ausgeführt ist. Wenn<br />
aber beim Hersteller eines imitativen Gepräges die entsprechenden technischen<br />
und bildungsmäßigen Voraussetzungen in dieser Weise vorhanden<br />
sind, ist immer wieder zu beobachten, daß sich die wirklich reine Imitation<br />
streng, bisweilen sogar sklavisch, an das kopierte Vorbild hält.3 Et-<br />
Für Hilfe und Rat bei der Fertigstellung dieses Artikels danke ich an erster Stelle meiner<br />
Frau Ulrike Olbrich, insbesonders aber auch Ingrid Franke, Hans Roland Baldus, Florian<br />
Eggers, Bernhard Overbeck, Gerd Stumpf sowie Fa. Numismatik Lanz für die Lieferung<br />
der Abbildungen.<br />
Für westliche Stile der fraglichen Periode vgl. z.B. J. P. C. Kent, RIC X, London 1994,<br />
3201-3208.<br />
2 Möglicherweise liegt tatsächlich bei dem Buchstaben 0, und nur bei diesem, eine Punzierung<br />
vor - ein Phänomen, das ich bisher bei spätantiken Geprägen noch nicht mit Überzeugung<br />
feststellen konnte. Ohne an dieser Stelle auf den Meinungsstand eingehen zu<br />
können, sei verwiesen auf R. Göbl, Antike Numismatik, München 1978, S. 52 mit weiteren<br />
Nachweisen.<br />
3 Vergleiche zum Beispiel die oft sehr guten Imitationen Mailänder Siliquen im Namen von<br />
Arcadius und Honorius des Typus VIRTVS RO-MANORVM/MDPS, die in britannischen<br />
Funden zahlreich vertreten sind (zum Vorbild Kent [o. Anm. 1] 1227 u. 1228), oder<br />
auch die westgotischen Solidi der Zeit von 414-425 n.Chr. (Kent 3704 und 3710, zum<br />
Vorbild 1287, 1801, 1803). Siehe auch die frühen fränkischen Nachahmungen in Ph.<br />
Grierson - M. Blackburn, Medieval European Coinage I, Cambridge 1986, Nrn. 343 und<br />
344).