CCall Report: Gesundheit fördern - Erfolg gestalten - Lasi
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CCall Report 9 Call Center: Gesundheit fördern - Erfolg gestalten VBG Verwaltungs- Berufsgenossenschaft
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<strong>CCall</strong> <strong>Report</strong> 9<br />
Call Center:<br />
<strong>Gesundheit</strong> <strong>fördern</strong> -<br />
<strong>Erfolg</strong> <strong>gestalten</strong><br />
VBG<br />
Verwaltungs-<br />
Berufsgenossenschaft
Das Projekt <strong>CCall</strong> wird gefördert durch das<br />
Der vorliegende Bericht wurde im Auftrag der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft<br />
erstellt durch:<br />
Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin<br />
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
Dipl. <strong>Gesundheit</strong>swirtin Sandra Denecke<br />
Dipl. <strong>Gesundheit</strong>swirtin Claudia Fenz’l<br />
Dipl.-Ing. Silvia Frisch<br />
Dipl.-Psych. Ralf Muellerbuchhof<br />
Prof. Dr. Wolfgang Quaas<br />
Dipl.-Ing. Carla Rodewald<br />
Hamburg, Mai 2002
Inhalt<br />
1 Einführung....................................................................................... 5<br />
2 <strong>Gesundheit</strong> und Arbeit................................................................... 7<br />
2.1 <strong>Gesundheit</strong> ................................................................................................................7<br />
2.2 Arbeit - ein Einflussfaktor auf die <strong>Gesundheit</strong>......................................................13<br />
2.2.1 Belastungen und Ressourcen...................................................................................15<br />
2.2.2 Beanspruchungen und Beanspruchungsfolgen ........................................................19<br />
2.2.3 Wandel der Arbeitswelt - Wandel der Belastungen ...................................................21<br />
3 Die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung .................................... 24<br />
3.1 Ziel............................................................................................................................24<br />
3.2 Strategie und Instrumente der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung .................26<br />
3.2.1 Handlungsstrategien.................................................................................................26<br />
3.2.2 Basisinstrumente Betrieblicher <strong>Gesundheit</strong>sförderung..............................................31<br />
3.3 Praktische Vorgehensweise im Unternehmen (step by step) ..............................35<br />
3.3.1 Handlungsbedarf erkennen ......................................................................................36<br />
3.3.2 Informieren, Partner suchen, Strukturen schaffen.....................................................36<br />
3.3.3 Analysieren und Gestaltungsschwerpunkte festlegen...............................................37<br />
3.3.4 Lösungen entwickeln und umsetzen.........................................................................43<br />
3.3.5 Evaluieren, verbessern, verstetigen..........................................................................43<br />
3.4 Der Nutzen Betrieblicher <strong>Gesundheit</strong>sförderung .................................................44<br />
4 Die Arbeit im Call Center – Analyse ........................................... 46<br />
4.1 Einführung...............................................................................................................46<br />
4.2 Analysen der Otto-von–Guericke-Universität Magdeburg ...................................49<br />
4.2.1 Analyseansatz und grundsätzliche Vorgehensweise ................................................49<br />
3
4.2.2 Untersuchungsfelder, Arbeitsaufgaben, allgemeine organisatorische Bedingungen .53<br />
4.2.3 Ermittlung psychischer Belastungen (Screening)......................................................62<br />
4.2.4 Ergonomische Arbeitsplatzanalyse (Screening)........................................................65<br />
4.2.5 Kurzfristige Fehlbeanspruchungsfolgen....................................................................66<br />
4.2.6 Ressourcen ..............................................................................................................68<br />
4.3 Analysen des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik .........................74<br />
Neuruppin...........................................................................................................................74<br />
4.3.1 Analyseansatz ..........................................................................................................74<br />
4.3.2 Methodische Vorgehensweise ..................................................................................77<br />
4.3.3 Untersuchungsfelder und Analyseergebnisse...........................................................79<br />
4.4 Zusammenfassung – Gestaltungsschwerpunkte .................................................96<br />
5 Interventionen und Lösungsvorschläge.................................... 97<br />
5.1 Einführung und Zielstellung...................................................................................97<br />
5.2 Partizipative Entwicklung von Lösungsvorschlägen ...........................................98<br />
5.2.1 Projektgruppenarbeit ................................................................................................99<br />
5.2.2 Entwicklung von allgemeinen Lösungsvorschlägen ................................................104<br />
5.2.3 Das Konzept „Lernarbeitsplatz“ ..............................................................................109<br />
5.2.4 <strong>Erfolg</strong>skriterien für die partizipative Gestaltung und Entwicklung ............................113<br />
5.3 Spezielle verhaltenspräventive Maßnahmen.......................................................114<br />
5.3.1 „Richtiges Bewegen“ im Call Center .......................................................................114<br />
5.3.2 Stimmtraining .........................................................................................................119<br />
5.3.3 Basics for Agents....................................................................................................121<br />
5.3.4 Wirksamkeit der Maßnahmen .................................................................................124<br />
5.3.5 Fazit .......................................................................................................................157<br />
6 Literatur/ Anlagen....................................................................... 160<br />
4
1 Einführung<br />
Der <strong>Erfolg</strong> eines Unternehmens ist in der heutigen Zeit nicht nur von der Qualität der Produkte<br />
oder Dienstleistungen abhängig, sondern wird zunehmend auch daran gemessen, in<br />
welcher Art und Weise mit dem Kunden kommuniziert wird. Ständige Erreichbarkeit, qualitativ<br />
hochwertige Auskunftstätigkeit sowie die kompetente Beratung bei auftretenden Fragen<br />
und Problemen werden immer mehr zum unentbehrlichen Wettbewerbsfaktor.<br />
Die kostengünstige und effiziente Bereitstellung eines qualifizierten Kundenservices rund um<br />
die Uhr erfolgt zunehmend durch die Nutzung von Call Centern. Diese können als Abteilung<br />
eines Unternehmens (Inhouse Call Center) oder als eigenständiges Dienstleistungsunternehmen<br />
organisiert sein. In den Call Centern entstehen neue, modern ausgestattete Arbeitsplätze,<br />
gekennzeichnet durch den Einsatz multimedialer Kommunikationstechnologien. Der<br />
Call Center Agent stellt eine wichtige Schnittstelle zwischen dem Unternehmen, welches er<br />
vertritt, und dem Kunden dar. Seine Professionalität, Kompetenz, Motivation und sein Engagement<br />
sind entscheidend für die Qualität der Dienstleistung und beeinflussen somit auch<br />
den Unternehmenserfolg. Langfristiger wirtschaftlicher <strong>Erfolg</strong> wird nur jenen Call Centern<br />
beschieden sein, die erkennen, dass die „Human Resources“ einen wichtigen, wenn nicht<br />
den wichtigsten, <strong>Erfolg</strong>sfaktor eines Call Centers darstellt. Im Call Center der Zukunft werden<br />
anspruchsvolle Telefon- und Servicedienstleistungen zunehmen und einfache Auskunftsdienste<br />
mehr und mehr von hoch entwickelten technischen Systemen abgelöst. Die Call<br />
Center entwickeln sich zu Communication Centern.<br />
Motivierte, für Unternehmensziele engagierte und kreativ arbeitende und lernende Mitarbeiter<br />
als Hauptressource für die Zukunftssicherung von Unternehmen sind ohne gute körperliche<br />
und psychische <strong>Gesundheit</strong> ein illusionärer Wunschtraum. Wer Leistung und Kreativität<br />
erwartet und fordert, der muss <strong>Gesundheit</strong> und Wohlbefinden schützen und <strong>fördern</strong>.<br />
Die Arbeit und die Arbeitsbedingungen haben einen erheblichen Einfluss auf die <strong>Gesundheit</strong><br />
des einzelnen. Sie können einerseits gesundheitsschädigende Faktoren (Risikofaktoren) und<br />
andererseits gesundheits<strong>fördern</strong>de Potentiale enthalten. Die Arbeit im Call Center ist noch<br />
relativ neu und enthält für die Wissenschaftsdisziplinen, welche sich mit dem Thema „Arbeit<br />
und <strong>Gesundheit</strong>“ beschäftigen, interessante Problem- und Fragestellungen. Zum Teil hohe<br />
Krankenstands- und Fluktuationsraten in den Unternehmen lassen vermuten, dass die Ausprägung<br />
bestimmter Gestaltungsfaktoren, wie z. B. die Arbeitsplatzgestaltung, die Aufgabenund<br />
Tätigkeitsgestaltung, die Arbeitszeit und Arbeitszeitnutzung, die Kommunikations- und<br />
5
Kooperationsbedingungen oder die Möglichkeiten zur Kompetenzentwicklung in der Praxis<br />
im Moment noch nicht immer günstig ausgeprägt sind.<br />
Im Rahmen des Projektes <strong>CCall</strong> werden die Arbeit und die Arbeitsbedingungen in ausgewählten<br />
Call Centern unter Nutzung arbeitswissenschaftlicher und arbeitspsychologischer<br />
Mittel analysiert und bewertet. Ziel ist es, einen Beitrag zur Schaffung gesundheitsförderlicher<br />
Arbeitsbedingungen in Call Centern zu leisten.<br />
Arbeitsgestaltungsmaßnahmen fokussieren immer seltener allein auf technische oder organisatorische<br />
Veränderungen, sondern begreifen zunehmend auch die Beschäftigten als<br />
wichtigstes Innovationspotential des Unternehmens. Schwerpunkt des Projektansatzes des<br />
Teilprojektes der Otto–von–Guericke-Universität Magdeburg ist es, die betroffenen Beschäftigten<br />
aktiv in den Analyse- und Gestaltungsprozess einzubeziehen. Es sollen dabei im Unternehmen<br />
Voraussetzungen geschaffen werden, die Arbeit und die Arbeitsbedingungen in<br />
den Call Centern selbständig unter bedarfs- und problemorientierter Nutzung externer Unterstützungen<br />
zu <strong>gestalten</strong>.<br />
Das Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin verfolgt mit seinem Teilprojekt<br />
das Ziel, einerseits ein Lösungsmodell zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung aufzustellen und<br />
andererseits zu untersuchen, welchen Einfluss verhaltenspräventive Maßnahmen auf den<br />
Abbau negativer arbeitsbedingter Belastungen haben.<br />
Der vorliegende <strong>Report</strong> stellt eine Zusammenfassung der im Rahmen des Projektes durchgeführten<br />
Analysen und Ergebnisse dar.<br />
Zunächst wird der Begriff <strong>Gesundheit</strong>, der Einfluss der Arbeit auf die <strong>Gesundheit</strong> und die<br />
betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung als Maßnahme, Methode und Strategie zur Schaffung<br />
gesundheitsförderlicher Arbeit- und Arbeitsbedingungen beschrieben. Es geht dabei nicht um<br />
die wissenschaftlich vollständige und exakte Abhandlung der Themengebiete, sondern viel<br />
mehr um die Vermittlung eines praxisrelevanten Grundwissens für den Anwender. Im Punkt<br />
4 erfolgt die Beschreibung der eingesetzten Analysemethoden, Vorgehensweisen und ausgewählter<br />
Ergebnisse der Untersuchungen in den einbezogenen Call Centern. Im weiteren<br />
Verlauf werden die im Rahmen der Projektlaufzeit durchgeführten Interventionen und<br />
entwickelten Gestaltungsmaßnahmen beschrieben. Die Interventionsmaßnahmen sind zum<br />
Zeitpunkt der Berichtsabfassung zum Teil noch nicht abgeschlossen.<br />
6
2 <strong>Gesundheit</strong> und Arbeit<br />
Was ist <strong>Gesundheit</strong> und wie wird dieser Begriff definiert? Welchen Einfluss hat die Arbeit auf<br />
die persönliche <strong>Gesundheit</strong>? Welche Auswirkungen haben neue Organisationsformen auf<br />
gesundheitliche Belastungen?<br />
2.1 <strong>Gesundheit</strong><br />
<strong>Gesundheit</strong> ist ein sehr hoch bewertetes persönliches wie betriebliches und gesamtgesellschaftliches<br />
Gut.<br />
Die <strong>Gesundheit</strong>svorstellungen sind<br />
nicht einheitlich, sondern abhängig von<br />
den jeweils unterschiedlichen Perspektiven<br />
in wissenschaftlichen Disziplinen<br />
bzw. von den Lebensweisen und<br />
-einstellungen der einzelnen Menschen.<br />
Historisch betrachtet hat sich der <strong>Gesundheit</strong>sbegriff<br />
durch soziokulturelle<br />
und historische Einflüsse und Veränderungen<br />
gewandelt (Schipperges 1990).<br />
In der Abbildung 1 sind beispielhaft<br />
<strong>Gesundheit</strong>sauffassungen bezogen auf<br />
die Zeitepochen zusammengestellt.<br />
Historie und Wandel der <strong>Gesundheit</strong>sauffassungen:<br />
Früheste Kulturen:<br />
-Körper und Geist bilden eine Einheit<br />
-Krankheit bedeutet, dass böser Geist über<br />
den Körper Besitz genommen hat<br />
Alte Griechen:<br />
-Säftelehre: Wenn die vier Säfte aus<br />
Balance geraten, wird der Mensch krank<br />
-Körper ist hauptverantwortlich für<br />
Krankheitsentstehung<br />
Mittelalter:<br />
-Krankheit als Strafe Gottes<br />
Renaissance bis Neuzeit:<br />
-Fortschritte in Technik und Medizin<br />
-Krankheit hat körperliche und / oder<br />
psychische Ursachen<br />
Abb.1: Wandel der <strong>Gesundheit</strong>sauffassungen<br />
Wissenschaftliche <strong>Gesundheit</strong>skonzepte<br />
Bis in die Mitte der 40er Jahre wird <strong>Gesundheit</strong> ausschließlich als Abwesenheit von Krankheit<br />
und Gebrechen definiert (pathogenetischer Ansatz). Im Jahre 1946 wird durch die Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) eine bis heute häufig verwendete <strong>Gesundheit</strong>sdefinition<br />
formuliert:<br />
<strong>Gesundheit</strong> ist der Zustand vollkommenden körperlichen, geistigen und sozialen<br />
Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.“<br />
(WHO, 1946)<br />
7
In der 1986 entwickelten Ottawa Charta zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung (WHO) heißt es:<br />
„Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist<br />
es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre<br />
Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern beziehungsweise<br />
verändern können.“<br />
Das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit stehen an zentraler Stelle. „Ganzheitlichkeit“<br />
wird zu einem neuen Begriff der <strong>Gesundheit</strong>sförderung. Neue Leitbilder, eine positive Definition<br />
des <strong>Gesundheit</strong>sbegriffs, innovative Methoden, Gemeinschafts- und Laienbeteiligung,<br />
Multisektoralität und Interdisziplinarität unter Berücksichtigung von sozialen und Umweltfaktoren<br />
sind einige Begriffe, welche in dieser Zeit entstanden und auch heute noch ihre Gültigkeit<br />
besitzen.<br />
Diese Definitionen sind sehr optimistisch, wenn nicht utopisch. Da diese absoluten und vollständigen<br />
Zustände des Wohlbefindens nicht dauerhaft („rund um die Uhr“) zu erreichen<br />
sind, wurde hier die Kritik an der Realitätsferne dieser Definition geübt, wenn man sie buchstabengetreu<br />
auslegt. Vorübergehende negative Emotionen (wie Traurigkeit, Ärger, Enttäuschung)<br />
gehören ebenso zur Realistik des Lebens. Demzufolge kann es realistisch gesehen<br />
nur um ein vorwiegendes Wohlbefinden gehen und um die Fähigkeit emotionale Tiefs schnell<br />
zu überwinden (die Fähigkeit der angemessenen Gefühlsregulation).<br />
<strong>Gesundheit</strong> ist ein Prozess, welcher lebensgeschichtlich und alltäglich immer wieder<br />
neu ausbalanciert werden muss.<br />
<strong>Gesundheit</strong> ist kein fernes Ziel, sondern Bestandteil des täglichen Lebens und liegt mit<br />
in der Eigenverantwortung des Einzelnen.<br />
<strong>Gesundheit</strong> steht für eine gelingende Lebensbewältigung und bezeichnet das Maß, wie<br />
Menschen mit ihren inneren Zuständen und ihren Umgebungsbedingungen fertig werden.<br />
Deshalb gehören die persönliche Verantwortung für die eigene <strong>Gesundheit</strong> und die soziale<br />
Chance, „gesund zu leben“ elementar zusammen (Ochs, Petrenz, Reindl 1996).<br />
8
<strong>Gesundheit</strong> ist demzufolge ein komplexer Zustand, der sich aus folgenden Komponenten<br />
zusammensetzt:<br />
1) körperliche und psychische Funktionstüchtigkeit (grundlegende körperliche<br />
und psychische Funktion der Sinnesorgane, der Mobilität und des Gedächtnisses)<br />
2) soziale Integration (Anzahl und Qualität sozialer Beziehungen und Unterstützung;<br />
wichtige Voraussetzung für Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit; <strong>Gesundheit</strong>sressource)<br />
3) körperliches und psychisches Wohlbefinden (komplexer subjektiver Bewusstseinszustand<br />
über die Einschätzung der persönlichen Lage; Abgleich zwischen<br />
IST- und SOLL-Zustand)<br />
4) allgemeine Handlungskompetenz (Fähigkeit und Bereitschaft zu eigenständiger<br />
Lebensführung)<br />
<strong>Gesundheit</strong> oder Störungen der <strong>Gesundheit</strong> ergeben sich innerhalb eines Kontinuums des<br />
Eigenzustandes des Menschen im Ergebnis der Mensch–Umwelt-Beziehungen unter dem<br />
Einfluss des Wirkens von Belastungen / Risikofaktoren / Stressoren einerseits und Ressourcen<br />
(personengebundene biologische, psychische und verhaltensmäßige sowie objektive<br />
organisationale / settingbezogene Ressourcen) andererseits (vgl. Pkt. 2.2.1 und Abb. 2).<br />
9
Stressoren<br />
Risikofaktoren<br />
Lebensprozess als Transaktionsprozess<br />
Mensch-Umwelt unter Inanspruchnahme<br />
körperlicher, psychischer (sinnlicher, geistiger,<br />
emotionaler, volitiver) und psycho-sozialer<br />
Funktionen und ihres Zusammenwirkens<br />
Ressourcen<br />
externe<br />
interne<br />
Bereich<br />
dominierender<br />
Krankheit<br />
Bereich<br />
dominierender<br />
<strong>Gesundheit</strong><br />
Krankheit<br />
(gestörte Funktionen)<br />
als Kontinuum<br />
aktueller Eigenzustand als Gradient ungestörter<br />
und gestörter Funktionen im Ergebnis der<br />
Relation Risikofaktoren/Stressoren und<br />
interne/externe Ressourcen<br />
<strong>Gesundheit</strong><br />
(ungestörte Funktionen)<br />
Abb. 2: <strong>Gesundheit</strong>s-Krankheitsmodell in Anlehnung an Antonowski und Nitzsche<br />
<strong>Gesundheit</strong> muss also immer wieder neu generiert werden und wird somit zur Aufgabe sowohl<br />
für das Individuum als auch – bezogen auf die Arbeit – für das Unternehmen / die Organisation.<br />
Die pathogenetische Sichtweise der <strong>Gesundheit</strong> (Was macht krank und beeinflusst das<br />
Wohlbefinden negativ) wird durch eine salutogenetische Sichtweise (Was erhält und stabilisiert<br />
die <strong>Gesundheit</strong>, teilweise auch trotz erheblicher Belastungen) ergänzt.<br />
10
¡<br />
¢<br />
£<br />
¤<br />
¥<br />
Franzowiack hat drei <strong>Gesundheit</strong>sdimensionen aufgestellt:<br />
<strong>Gesundheit</strong> als Funktionsaussage<br />
<strong>Gesundheit</strong> als Leistungs- und<br />
Arbeitsfähigkeit<br />
- Flexible Anpassungsfähigkeit des Körpers an<br />
sich verändernde Umweltbedingungen<br />
(Widerstandsfähigkeit)<br />
<strong>Gesundheit</strong> als Störungsfreiheit<br />
Gesund ist, wer nicht krank ist<br />
- medizinische (pathogenetische) Betrachtungsweise<br />
- Ermittlung und Beseitigung von Risikofaktoren<br />
zur Vermeidung von Krankheiten<br />
<strong>Gesundheit</strong> als Wertaussage<br />
<strong>Gesundheit</strong> als körperliches, seelisches<br />
und soziales Wohlbefinden<br />
- <strong>Gesundheit</strong> ist Lebensziel und<br />
höchster Wert<br />
Abb.3: Dimensionen der <strong>Gesundheit</strong> nach Franzowiack<br />
<strong>Gesundheit</strong> ist ein phänomenologisch mehrdimensionaler Sachverhalt und schließt die Komponenten<br />
der psychischen <strong>Gesundheit</strong> mit ein (vgl. Abb. 4).<br />
Was ist <strong>Gesundheit</strong>?<br />
Fehlen von Krankheiten und Gebrechen, Leidenszuständen<br />
Positiver körperlicher Zustand, Stärke, Energie, Fitness, Belastbarkeit<br />
Psycho-soziales Wohlbefinden, psychomentale Fitness, psychische Belastbarkeit,<br />
Fähigkeit zur Gefühlsregulierung, Lebensfreude und psychische <strong>Gesundheit</strong><br />
Fähigkeit zum eigenständigen Erfüllen sozialer und gesellschaftlicher<br />
Funktionen/Aufgaben, allgemeine Handlungskompetenz, Fähigkeit zu produktiver<br />
psychischer Bewältigung von Herausforderungen und Veränderungen<br />
Fähigkeit zur adäquaten physischen und psychischen Regeneration/Erholung<br />
Abb. 4: Fünf Dimensionen der Phänomenologie der <strong>Gesundheit</strong><br />
11
Subjektive <strong>Gesundheit</strong>skonzepte<br />
Unter subjektiven <strong>Gesundheit</strong>skonzepten versteht man die persönlichen Auffassungen zur<br />
<strong>Gesundheit</strong>, einschließlich den Sichtweisen über Ursachen von <strong>Gesundheit</strong>sstörungen (Was<br />
ist <strong>Gesundheit</strong>, was bewirkt <strong>Gesundheit</strong>, wie kann <strong>Gesundheit</strong> erhalten und gefördert werden,<br />
wodurch kann die <strong>Gesundheit</strong> geschädigt werden?). Faltermaier (1994) stellte nach<br />
seinen Untersuchungen vier verschiedene Typen von <strong>Gesundheit</strong>skonzepten von Erwachsenen<br />
verschiedener Altersgruppen auf (Abb.5). Die einzelnen Konzepte schließen sich nicht<br />
gegenseitig aus, da eine Person auch mehrere Konzepte gleichzeitig für sich als zutreffend<br />
angeben kann.<br />
Es ist wichtig, sich mit existierenden <strong>Gesundheit</strong>skonzepten in der Bevölkerung auseinanderzusetzen,<br />
da sie Handlungsanleitungen zum gesundheitsförderlichen Leben und Ansatzpunkte<br />
für Maßnahmen zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung liefern können.<br />
12
1. <strong>Gesundheit</strong> als Abwesenheit von Krankheit<br />
- geschätzte Verbreitung ca. 13 % (tendenziell<br />
häufiger in unteren sozialen Schichten)<br />
- <strong>Gesundheit</strong> wird nicht als eigene Qualität erlebt<br />
- beim Auftreten von Beschwerden wird erst <strong>Gesundheit</strong>sbewusstsein<br />
geschaffen<br />
2. <strong>Gesundheit</strong> als Energiereserve<br />
- geschätzte Verbreitung ca. 28 %<br />
- gesundheitliche Widerstandskraft wird<br />
als angeborenes oder erworbenes<br />
Potential angesehen<br />
- kann im Lebenslauf zu- oder abnehmen<br />
3. <strong>Gesundheit</strong> als Gleichgewicht oder<br />
Wohlbefinden<br />
- geschätzte Verbreitung ca. 40 % (tendenziell<br />
häufiger bei Frauen und Menschen<br />
mittleren Alters)<br />
- körperliches und seelisches Wohlbefinden,<br />
Ausgeglichenheit und Lebensfreude<br />
4. <strong>Gesundheit</strong> als funktionale Leistungsfähigkeit<br />
- geschätzte Verbreitung ca. 30 % (tendenziell<br />
häufiger in unteren sozialen Schichten,<br />
bei Männern und alten Menschen)<br />
- Arbeits- und Leistungsfähigkeit<br />
- Erfüllung alltäglicher Rollenverpflichtungen<br />
Abb. 5: Subjektive <strong>Gesundheit</strong>skonzepte Erwachsener (nach Faltermaier)<br />
2.2 Arbeit - ein Einflussfaktor auf die <strong>Gesundheit</strong><br />
Die persönliche <strong>Gesundheit</strong> hängt nicht nur vom Verhalten der eigenen Person ab, sondern<br />
sie wird in entscheidendem Maße auch von sozialen und Umweltbedingungen und somit<br />
auch von der Arbeit beeinflusst (Abb. 6).<br />
Das Verhältnis von Arbeit und <strong>Gesundheit</strong> ist zweiseitig. Einerseits sind die körperliche und<br />
geistige <strong>Gesundheit</strong> der Beschäftigten eine bedeutsame und unerlässliche Voraussetzung<br />
für die Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit von Unternehmen. Andererseits hat die Arbeit<br />
selbst und auch der unfreiwillige Ausschluss von gesellschaftlich nützlicher Arbeit wesentliche<br />
Auswirkungen auf die <strong>Gesundheit</strong> und das Wohlbefinden. <strong>Gesundheit</strong> bzw. <strong>Gesundheit</strong>sschädigung<br />
können insofern auch Ergebnis der Arbeit sein.<br />
13
Bereich der eigenen Person:<br />
- Veranlagungen<br />
- Konstitution<br />
- Lebenserfahrungen, Gewohnheiten,<br />
Meinungen<br />
- psych. Eigenschaften<br />
- Selbstbild<br />
usw.<br />
Persönliche<br />
<strong>Gesundheit</strong> als Ausdruck<br />
der Lebensbewältigung<br />
Bereich der sozialen<br />
Bedingungen:<br />
- Familie<br />
- Freunde<br />
- Lernen und Arbeit<br />
- Soziale Anerkennung, Unterstützung,<br />
Sicherheit<br />
- Freizeit usw.<br />
Bereich der Umwelt:<br />
- natürliche Bedingungen (Klima,<br />
Landschaft)<br />
- Wohnumwelt (Ruhe, Lärm, Sprache)<br />
usw.<br />
- Freizeitmöglichkeiten<br />
Abb.6: Determinanten von <strong>Gesundheit</strong> (nach: Hurrelmann 1990, S. 63)<br />
Die <strong>Gesundheit</strong>swirkungen, resultierend aus der Arbeitstätigkeit, können positiv oder negativ<br />
sein. Sie sind abhängig von objektiven Faktoren der Arbeit sowie von den Fähigkeiten und<br />
Kompetenzen des Einzelnen, auf Anforderungen zu reagieren und diese zu bewältigen (personale<br />
Bewältigungsfaktoren) sowie dem Gesamtkontext von Belastungen / Beanspruchungen<br />
und Erholung außerhalb der Arbeit.<br />
Objektive Faktoren der Arbeit<br />
- Arbeitsaufgaben und Arbeitsrollen (mit daraus resultierenden Tätigkeitsstrukturen, die<br />
Anforderungen und Belastungen beinhalten)<br />
- Gestaltungsgüte der Arbeitsbedingungen (u. a. ergonomische Gestaltungsgüte des<br />
Arbeitsplatzes und der Arbeitsmittel, physikalische Arbeitumweltbedingungen, Arbeitsorganisation)<br />
- Soziale Faktoren der Arbeit (Kommunikation, soziales Arbeitsklima, soziale Verhaltensmuster,<br />
soziale Anerkennung, soziale Unterstützung …)<br />
- Beschäftigungssicherheit und –perspektiven<br />
- Konstanz oder Dynamik in der Arbeitssituation (Flexibilitäts-, Lern- und Anpassungserfordernisse<br />
an die Arbeitspersonen)<br />
14
Personale Bewältigungsfaktoren<br />
- individuelle und kollektive Fähigkeiten / Kompetenzen<br />
- individuelle Formen des Arbeitserlebens und Arbeitsverhaltens<br />
- individuelle Zielorientierung und Motivierung<br />
- allgemeine psychische Bewältigungseigenschaften (z. B. Optimismus oder Pessimismus)<br />
- biologische Faktoren (Belastbarkeit, Robustheit, Verletzbarkeit …)<br />
In der Arbeitswissenschaft und der <strong>Gesundheit</strong>sförderung wird in diesem Zusammenhang<br />
von Belastungen, Ressourcen, Beanspruchungen und Beanspruchungsfolgen gesprochen.<br />
2.2.1 Belastungen und Ressourcen<br />
Unter Belastung wird jede von außen wirkende Einflussgröße verstanden, die akut im Menschen<br />
eine Wirkung hervorruft. In der Arbeitswelt sind Belastungen demzufolge alle von außen<br />
einwirkenden Arbeitsbedingungen: z. B. Umgebungseinflüsse (Lärm, Klima ...), psychische<br />
und physische Anforderungen aus der Arbeit, Arbeitsorganisation, Arbeitszeiten und<br />
soziale Beziehungen im Unternehmen (Führungsverhalten, Betriebsklima), die zu unmittelbaren<br />
physischen und/oder psychischen Reaktionen (Beanspruchungsprozessen) im Menschen<br />
führen (Rohmert und Rutenfranz 1975). Psychische Belastungen (Gesamtheit der<br />
erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und auf ihn psychisch<br />
einwirken) gehen im Unterschied zu den meisten anderen gesundheitsrelevanten Belastungsfaktoren<br />
im Arbeitsprozess nicht von einzelnen, eindeutig feststellbaren Bedingungen<br />
aus, sondern meist von komplexen qualitativ verschiedenartigen und teils schwer zu definierenden<br />
Tätigkeitsmerkmalen und psychosozialen Bedingungen (Bachmann 1990). Die Beschäftigten<br />
sind in der Regel mehreren Belastungen ausgesetzt, welche sich gegenseitig<br />
beeinflussen können und sowohl positive als auch negative Wirkungen haben können.<br />
Welche Belastungen bei einer Arbeitstätigkeit auftreten, hängt von der Art der Arbeitsaufgabe,<br />
vom Arbeitsinhalt und den vorherrschenden Arbeitsbedingungen ab.<br />
15
Leistungsvorgaben und<br />
Kontrolle<br />
Arbeitskultur, Führungsstil,<br />
soziales Klima<br />
Wiederholungsgrad<br />
der Arbeitsabläufe<br />
Arbeitsplatzgestaltung<br />
und Sehbedingungen<br />
Stimme<br />
Konzentrationsanforderungen<br />
Arbeit im Großraumbüro<br />
(Störgeräusche)<br />
Bildschirmarbeit<br />
einseitige Körperhaltung<br />
Bewegungsarmut<br />
Augen<br />
<strong>Gesundheit</strong><br />
Leistung<br />
Geist und Psyche<br />
Geringe zeitliche und inhaltliche<br />
Spielräume<br />
Einseitige oder vielfältige<br />
Arbeitsanforderungen<br />
Arbeitszeit- und Pausengestaltung<br />
Informationsverfügbarkeit<br />
Muskel- und<br />
Skelettsystem<br />
Kommunikationsmöglichkeiten<br />
Partizipation<br />
Umgang mit Kunden (Zuhören, Verstehen,<br />
Sprechen/ Emotionen)<br />
Abb.7: Mögliche Einflussfaktoren auf die <strong>Gesundheit</strong> und Leistungsfähigkeit im Call Center<br />
Unter Ressourcen werden bewältigungs<strong>fördern</strong>de, gesundheitsschützende, wiederherstellende<br />
personenbezogene (interne)<br />
und umweltbezogene (externe) Faktoren<br />
verstanden. Sie tragen dazu bei,<br />
Salutogenese ( Salus, lat.: Unverletztheit, Heil,<br />
Glück / Genese, griech.: Entstehung)<br />
die <strong>Gesundheit</strong> und das Wohlbefinden,<br />
trotz starker bzw. vielfältiger Belastungen,<br />
Das Konzept entwickelte der amerikanisch-<br />
aufrechtzuerhalten oder israelische Medizinsoziologe Aaron Antonowsky<br />
wiederherzustellen.<br />
(1923-1994). In der Sozialwissenschaft und Medizin<br />
- insbesondere bei der Prävention und <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
- gewann dieses Konzept in<br />
Somit werden Ansätze zur Bewältigung<br />
von Belastungen und Beanspruchungen<br />
den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit.<br />
des pathogenen Konzeptes<br />
Die Frage, warum Menschen trotz dem Vorhandensein<br />
belastender Faktoren gesund bleiben,<br />
(Welche Faktoren machen mich<br />
krank?) durch das Konzept der Salutogenese<br />
kennzeichnet die salutogenetische Perspektive.<br />
(Was erhält mich trotz Be-<br />
lastung gesund? / Antonowsky 1987)<br />
ergänzt.<br />
In der Salutogenese steht die Frage nach den<br />
Wirkfaktoren für den Erhalt der <strong>Gesundheit</strong> (Ressourcen)<br />
im Mittelpunkt.<br />
16
Ressourcen werden primär durch die individuelle Wertschätzung definiert. Durch die Sicherung<br />
und den effizienten Einsatz von externen und internen Ressourcen können Belastungen<br />
reguliert werden.<br />
Richter & Hacker (1997) haben Ressourcen nach organisationalen, sozialen und personalen<br />
Ressourcen gruppiert. Dabei wird in der modernen Arbeitswelt den sozialen Ressourcen<br />
eine besonders hohe Bedeutung und Wirkung zugemessen.<br />
Personale, organisationale und soziale Ressourcen sind von Rimann und Udris (1998) folgendermaßen<br />
definiert worden:<br />
Unter personalen Ressourcen werden Merkmale der Persönlichkeit (Vorstellungen, Meinungen,<br />
Selbstvertrauen) und das individuelle Verhalten (u. a. Bewältigungsstile, um mit<br />
Anforderungen und Belastungen umzugehen) verstanden, ebenso biologische Faktoren<br />
(z. B. starkes Immunsystem).<br />
Organisationale Ressourcen sind alle Tätigkeitsbedingungen, betriebliche Bedingungen<br />
und Hilfsmittel, die es einer Person erleichtern können, die Anforderungen der Arbeit zu bewältigen.<br />
Soziale Ressourcen (Unterstützung und Hilfe) existieren sowohl in der Arbeit im Unternehmen<br />
als auch im privaten Bereich und besitzen einen hohen Stellenwert, um mit Belastungen<br />
erfolgreich umzugehen und diese zu bewältigen.<br />
17
In der nachfolgenden Abbildung 8 werden einige Ressourcen aufgeführt.<br />
¦ Vollständige Tätigkeitsstrukturen<br />
¦ Ganzheitliche, komplexe Aufgaben<br />
Organisationale Ressourcen<br />
¦ Individuelle Gestaltbarkeit des Arbeitsplatzes<br />
¦ Beeinflussbarkeit der Arbeitssituation, Handlungsspielraum<br />
¦ Mitgestaltungsmöglichkeiten bei betrieblichen Veränderungen<br />
¦ Sinn der Arbeit<br />
Möglichkeiten für effiziente Entspannung, körperliche, geistige und seelische Erholung<br />
im Arbeitsumfeld (Pausengestaltung, Arbeitszeitgestaltung<br />
¦<br />
...)<br />
Personale Ressourcen<br />
¦ Wissen und Können zur effizienten Bewältigung der Arbeitsanforderungen<br />
¦ Individuelle Regulierbarkeit der Beanspruchungen<br />
¦ Individuelle und kollektive Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten<br />
¦ Zuversicht, Optimismus<br />
Subjektive Überzeugung, wichtige Ereignisse im Leben selbst beeinflussen zu<br />
¦<br />
können<br />
¦ Selbstvertrauen, positives Selbstwertgefühl<br />
¦ psychische Distanzierungsfähigkeit<br />
¦ Veränderungen werden positiv gesehen (Herausforderungen)<br />
Soziale Ressourcen<br />
¦ ausreichende, gefestigte und befriedigende soziale Beziehungen<br />
¦ Soziale Sicherheit der Arbeit<br />
¦ Ausreichende und befriedigende soziale Interaktion<br />
¦ Soziale Unterstützung durch Vorgesetzte und Mitarbeiter<br />
¦ Positives soziales Klima<br />
¦ Kooperative Führung<br />
¦ Leistungsanerkennung und persönliche Wertschätzung<br />
Feedback bei der Arbeit<br />
¦<br />
Abb.8: Zusammenstellung wichtiger Ressourcen (in Anlehnung an Hacker & Richter, Quaas)<br />
18
2.2.2 Beanspruchungen und Beanspruchungsfolgen<br />
Die individuellen Auswirkungen der Belastungen auf den menschlichen Organismus nennt<br />
man Beanspruchungen. Es werden physische (körperliche - Herz- Kreislauf, Muskeln, Skelett)<br />
und psychische (geistige, emotionale) Beanspruchungen unterscheiden. Sie können zu<br />
positiven oder negativen Beanspruchungsfolgen führen, die wiederum zeitlich befristet und<br />
reversibel oder langfristig und zum Teil irreversibel auftreten. Allgemein bekannt ist, dass<br />
verschiedene Menschen auf gleiche Belastungen unterschiedlich reagieren können. Die Beanspruchung<br />
ist also sowohl von der gegebenen Belastung als auch von den individuell verfügbaren<br />
Eigenschaften des Menschen zur Belastungsbewältigung und situationaler Faktoren<br />
(z. B. Belastung, Erholung außerhalb der Arbeit) abhängig.<br />
Beanspruchungsfolgen<br />
Positiv<br />
- Arbeitsergebnis (z. B.<br />
eine erfolgreiche Kundenberatung)<br />
- Erhalt und Erwerb<br />
geistiger und körperlicher<br />
Fähigkeiten/<br />
Fertigkeiten<br />
- körperliche und psychische<br />
Fitness<br />
- Arbeitsmotivation<br />
- Zufriedenheit<br />
Negativ<br />
- körperliches Unwohlsein<br />
(z. B. Kopfschmerzen,<br />
Rückenschmerzen)<br />
- psychosomatische<br />
Beschwerden / Erkrankungen<br />
- Burnout<br />
- psychische Sättigung<br />
- innere Anspannung,<br />
Stress, psychische<br />
Ermüdung, Monotonie<br />
<strong>Gesundheit</strong>, Wohlbefinden,<br />
Mitarbeiterzufriedenheit<br />
Unzufriedene Mitarbeiter,<br />
Krankheit, Fluktuation,<br />
Leistungsabfall<br />
Abb. 9: Beanspruchungsfolgen (beispielhaft)<br />
In Zeiten hoher und komplexer Anforderungen und Belastungen (z. B. durch die Intensivierung<br />
von Arbeitsprozessen, erhöhte Eigenverantwortung, hohe Flexibilitätsanforderungen)<br />
gewinnen psychische Beanspruchungen mehr und mehr an Bedeutung.<br />
19
In der DIN 33405 wird psychische Beanspruchung „... als die individuelle, zeitlich unmittelbare<br />
und nicht langfristige Auswirkung der psychischen Belastung im Menschen in Abhängigkeit<br />
von seinen individuellen Voraussetzungen und seinem Zustand.“ definiert.<br />
Psychische Beanspruchungen, die zu negativen Folgen auf die Leistung, Befindlichkeit und /<br />
bzw. auf die <strong>Gesundheit</strong> führen, werden als Fehlbeanspruchungen bezeichnet.<br />
Die kurzfristigen Fehlbeanspruchungsfolgen psychische Ermüdung, Monotonie, psychische<br />
Sättigung und Stress sowie die damit verbundenen und zu vermeidenden Anforderungs-<br />
bzw. Belastungsstrukturen werden in der DIN 33 405 „Psychische Belastung und Beanspruchung“<br />
(1987) und in dem internationalen Standard ISO 10 075 „Ergonomic principle<br />
related to mental workload“ (1996) verbindlich definiert (vgl. Richter Hacker 1998).<br />
Merkmale und Einflussmöglichkeiten sind in der Abbildung 10 dargestellt.<br />
Psych. Fehlbeanspruchungsfolge<br />
Erläuterung<br />
Mögliche Erholungsaktivitäten<br />
Psychische Ermüdung<br />
(Überforderung)<br />
Erschöpfung und Müdigkeit durch<br />
längere Tätigkeitsdauer und erhöhter<br />
Schwierigkeit<br />
Regeneration verbrauchter Ressourcen,<br />
Energie tanken z. B.<br />
durch Ausruhen, Bewegung, Sport<br />
Monotonie<br />
(Unterforderung, mangelnde<br />
Abwechslung)<br />
Langeweile und Interesselosigkeit<br />
durch eintönige, unterfordernde<br />
Tätigkeit<br />
Situationswechsel, etwas Anregendes<br />
machen<br />
Psychische Sättigung<br />
(Unterforderung)<br />
Unlustbetonte Gereiztheit bei<br />
erlebter Sinnlosigkeit der Tätigkeit,<br />
Widerwillen<br />
Abreagieren, Abwechslung, etwas<br />
Sinnvolles tun<br />
Stress<br />
(Überforderung)<br />
Erregt geängstigte Gespanntheit,<br />
innere Unruhe und Sorge um die<br />
Erfüllbarkeit der Aufgabe (Zeitdruck)<br />
Zur Ruhe kommen, Entspannung,<br />
lustbetonte Aktivitäten, Ablenkung,<br />
positives Selbstbild<br />
Abb. 10: Negative Beanspruchungsfolgen und Zuordnung von erforderlichen<br />
20
Erholungsaktivitäten (modifiziert nach Allmer 1996, S.45)<br />
Fehlbeanspruchungsfolgen können sich nicht nur auf den Mitarbeiter auswirken, sondern<br />
haben ihre Effekte auf das gesamte Unternehmen (siehe Abbildung 11).<br />
Folgen<br />
psychischer<br />
Fehlbeanspruchungen<br />
für den Mitarbeiter:<br />
aktuelle Folgen:<br />
- Psych. Ermüdung<br />
- Psychische Sättigung<br />
- Monotonie<br />
- Stress<br />
Langzeitfolgen:<br />
- Burnout<br />
- Psychische und<br />
Psychosomatische <strong>Gesundheit</strong>sschäden<br />
und<br />
weitere Erkrankungen<br />
• Leistungsschwankungen / Leistungsverluste<br />
Qualität, Quantität, Zunahme der Fehlerhäufigkeit,<br />
sinkende Kundenzufriedenheit<br />
• Arbeitsausfall<br />
Krankheit, Fluktuation<br />
• Betriebsklima<br />
Unzufriedenheit, Leistungsmotivation,<br />
soziale Konflikte, Mobbing<br />
Abb.11: Folgen negativer psychischer Beanspruchungen auf Mitarbeiter und Unternehmen<br />
(modifiziert nach SANUS-Handbuch)<br />
2.2.3 Wandel der Arbeitswelt - Wandel der Belastungen<br />
<strong>Gesundheit</strong>serhalt und –förderung in der Arbeitswelt bedeutet, negative Belastungen ab- und<br />
<strong>fördern</strong>de Faktoren (personale, soziale, organisationale) aufzubauen.<br />
Die neuen Arbeitsformen haben die Belastungen für den Menschen dahingehend verändert,<br />
dass der Anteil körperlicher Schwerarbeit zurückgeht und psychische / soziale Belastungen<br />
zunehmen.<br />
Nicht selten erreichen die psychischen und physischen Belastungskonstellationen der Arbeit<br />
die Qualität von Fehlbeanspruchungen. Es korrespondieren damit erhöhte Quoten so genannter<br />
Stresskrankheiten, wie massive Angstzustände, Erholungsstörungen und psychosomatischen<br />
<strong>Gesundheit</strong>sschädigungen.<br />
Die Zunahme von Intensität und Komplexität der Arbeitsanforderungen, insbesondere bezogen<br />
auf psychische Belastungen ist ein Trend in der modernen Arbeitswelt.<br />
21
§<br />
§<br />
§<br />
§<br />
§<br />
§<br />
§<br />
§<br />
§<br />
§<br />
Warum gerade die psychischen Belastungen einen immer höheren Stellenwert erlangen<br />
bringt die folgende Auflistung von Veränderungsprozessen nach Quaas (2000) zum Ausdruck.<br />
o Es erfolgt eine Zunahme des Leistungs-, Wettbewerbs- und Veränderungsdrucks, von<br />
Risiken und Ungewissheiten in vielen Bereichen der Arbeit (auf betrieblicher, oranisationaler<br />
Ebene und auf der Ebene der Mitarbeiter)<br />
o Strukturelle Veränderungen, welche sich auf die betrieblich organisationale und individuelle<br />
Ebene auswirken, wie zum Beispiel:<br />
Zunehmende Technisierung der Arbeit<br />
Neue Organisationsformen der Arbeit (z. B. virtuelle Strukturen, flexible<br />
Arbeit, Zeit- und Leiharbeit, Telearbeit, Call Center)<br />
Neue Arbeitsaufgaben, Arbeitsinhalte, Arbeitstätigkeiten mit veränderten<br />
Arbeitsanforderungen<br />
Oft erweiterte Arbeitsrolle (Erwartungen an die Beschäftigten zur permanenten<br />
Weiterbildung, zur aktiven Mitwirkung an Verbesserungsprozessen)<br />
Ein wichtiger Trend: Zunahme komplexer seelisch-geistiger Anforderungen<br />
Mehr Vernetzung von Arbeit und Freizeit<br />
o Veränderungen in den Arbeits- und Lebensbedürfnissen, <strong>Gesundheit</strong>sbewusstsein und<br />
Werteorientierungen<br />
Wert für Leistungsfähigkeit und Lebensqualität<br />
Verständnis für relativ ganzheitliches <strong>Gesundheit</strong>skonzept (wird assoziiert<br />
mit körperlichem und seelisch-geistigem Wohlbefinden und<br />
Leistungsfähigkeit; vgl. Pkt. 2.1)<br />
<strong>Gesundheit</strong>sfaktoren der Arbeit liegen vor allem im psycho-sozialen<br />
Bereich (soziales Klima, Zusammenarbeit, Information und Kommunikation)<br />
Bereitschaft, für die <strong>Gesundheit</strong> Zeit und Anstrengungen und finanzielle<br />
Mittel aufzuwenden<br />
22
§<br />
positive „lustbetonte“ Assoziationen zur <strong>Gesundheit</strong> (kein „Askesemodell“<br />
von <strong>Gesundheit</strong>)<br />
Somit besteht die permanente Aufgabe, gesundheitliche Risikofaktoren zu minimieren und<br />
<strong>Gesundheit</strong>spotentiale / Ressourcen der Arbeit auszuprägen, jeweils in der Einheit von verhältnis-<br />
und verhaltensbezogenen Faktoren, entsprechend dem aktuellen Stand wissenschaftlicher<br />
Erkenntnisse, der technisch-ökonomischen Möglichkeiten und der gesellschaftlichen<br />
Willensbildung, um die Vision „Gesunde Arbeit und gesundes Arbeiten“ auf einem anspruchsvollen<br />
Niveau zu erfüllen. Es ist eine Aufgabe, die nicht nur an die Arbeitgeber und<br />
Fachspezialisten des <strong>Gesundheit</strong>sschutzes gerichtet ist, sondern zugleich an alle Arbeitspersonen.<br />
Genau das ist auch allgemein der Ansatz der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung.<br />
23
3 Die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
Seit wann gibt es die betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung? Welche Zielstellung verfolgt sie?<br />
Auf welchen Gegenstand beziehen sich <strong>Gesundheit</strong>sförderungskonzepte und wie werden sie<br />
für die Organisationsentwicklung im Unternehmen umgesetzt? Mit welchen Instrumenten<br />
kann die Situation bezogen auf <strong>Gesundheit</strong> und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen<br />
analysiert werden? Wie kann das Konzept der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung im Unternehmen<br />
praktisch umgesetzt werden?<br />
3.1 Ziel<br />
Das Konzept der <strong>Gesundheit</strong>sförderung ist in den 70er und 80er Jahren neben den traditionellen<br />
Präventionsansätzen und der <strong>Gesundheit</strong>serziehung entstanden. Die stärker werdende<br />
Verbreitung von chronisch-degenerativen Erkrankungen und der gesellschaftliche Wandel<br />
der Arbeits- und Lebensbedingungen, konnte allein von den Programmen der <strong>Gesundheit</strong>serziehung<br />
nicht bewältigt werden. Demzufolge wurde nach neuen Konzepten gesucht, welche<br />
diese gesellschaftlichen Veränderungen beeinflussen können.<br />
Auf der 1. Internationalen Konferenz zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung wurde durch die WHO die<br />
„Ottawa Charta zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung“ ausgearbeitet. In der Ottawa Charta sind die<br />
grundlegenden Ziele, Handlungsstrategien und Handlungsbereiche der <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
formuliert. Dazu gehören sowohl Maßnahmen, die auf die Veränderung und Förderung<br />
des individuellen <strong>Gesundheit</strong>sverhaltens abzielen, als auch solche, die auf die Schaffung<br />
förderlicher Lebensbedingungen ausgerichtet sind. Die Menschen sollen mit Hilfe von Maßnahmen<br />
der <strong>Gesundheit</strong>sförderung befähigt werden, ihre eigene <strong>Gesundheit</strong> positiv zu beeinflussen<br />
und zu verbessern.<br />
<strong>Gesundheit</strong> ist demzufolge grundlegender Bestandteil des alltäglichen Lebens. <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
soll diese Grundbedingung ermöglichen. Deshalb liegt die Verantwortung<br />
nicht mehr allein im <strong>Gesundheit</strong>ssektor, sondern bezieht alle Lebensbereiche mit ein.<br />
So sind gesundheits<strong>fördern</strong>de Maßnahmen auf die Lebensbereiche ausgerichtet, in denen<br />
die Menschen den größten Teil ihrer Zeit verbringen und die von ihrer Struktur her die <strong>Gesundheit</strong><br />
maßgeblich beeinflussen. Diese sozialen Lebens- und Arbeitswelten werden als<br />
„Settings“ (wörtlich übersetzt: Rahmen oder Schauplatz) bezeichnet.<br />
24
¨<br />
¨<br />
¨<br />
Die Arbeitswelt ist ein „Setting“ und es finden sich in der Ottawa Charta folgende Aussagen:<br />
„...Die sich verändernden Lebens-, Arbeits- und Freizeitbedingungen haben entscheidenden<br />
Einfluss auf die <strong>Gesundheit</strong>. Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen<br />
und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der <strong>Gesundheit</strong> und nicht der<br />
Krankheit sein. <strong>Gesundheit</strong>sförderung schafft sichere, anregende, befriedigende und angenehme<br />
Arbeits- und Lebensbedingungen<br />
...“.<br />
Die betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
betrachtet die Qualität und die<br />
Beziehungen der Beschäftigten zum<br />
betrieblichen Umfeld. Es geht dabei<br />
um die Anforderungen, die an den<br />
Menschen gestellt werden und um<br />
die Bewältigung der Anforderungen.<br />
Risiken und Ressourcen können<br />
dabei entweder in der Person selbst<br />
oder in gestalterischen, organisationalen<br />
und sozialen Bedingungen<br />
des Arbeitsumfeldes liegen. Das<br />
Ziel der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
ist demzufolge der<br />
Erhalt und die Förderung der <strong>Gesundheit</strong><br />
und des Wohlbefindens der<br />
Beschäftigten und stellt somit eine in<br />
„Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung umfasst<br />
alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern,<br />
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung<br />
von <strong>Gesundheit</strong> und Wohlbefinden<br />
am Arbeitsplatz. Durch die Verknüpfung folgender<br />
Ansätze kann dieses Ziel erreicht werden:<br />
Verbesserung der Arbeitsorganisation<br />
und der Arbeitsbedingungen<br />
Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung<br />
Stärkung persönlicher Kompetenzen.“<br />
(Luxemburger Deklaration zur Betrieblichen<br />
<strong>Gesundheit</strong>sförderung in der EU, 1997)<br />
der heutigen Zeit notwendige und sinnvolle Ergänzung und Erweiterung des klassischen<br />
Arbeitsschutzes dar.<br />
Voraussetzungen für die <strong>Gesundheit</strong>sförderung sind Kenntnisse zu Einflussfaktoren auf <strong>Gesundheit</strong><br />
und / oder Krankheit (vgl. Pkt. 2). In Anlehnung an das Konzept der <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
in der „Ottawa Charta“ und aus den Erfahrungen der praktischen Umsetzung, werden<br />
für die <strong>Gesundheit</strong>sförderung in der Arbeitswelt Prioritäten, Ziele und Handlungsfelder<br />
entwickelt, die in der „Luxemburger Deklaration zur Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung“<br />
grundlegend definiert sind.<br />
25
§<br />
§<br />
§<br />
§<br />
3.2 Strategie und Instrumente der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
3.2.1 Handlungsstrategien<br />
Für die Umsetzung der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung sind in der Luxemburger Deklaration<br />
vier grundlegende Handlungsstrategien festgelegt, die nachfolgend aufgeführt und<br />
erläutert werden:<br />
Handlungsstrategien zur Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
Integration<br />
Bei allen wichtigen Entscheidungen und in allen Unternehmensbereichen sollten<br />
die Ziele der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung berücksichtigt werden<br />
Partizipation<br />
Die gesamte Belegschaft muss einbezogen werden<br />
Ganzheitlichkeit<br />
Die betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung beinhaltet sowohl verhaltens- als auch<br />
verhältnisorientierte Maßnahmen. Sie verbindet den Ansatz der Risikoreduktion<br />
mit dem des Ausbaus von Schutzfaktoren und <strong>Gesundheit</strong>spotentialen<br />
Projektmanagement<br />
Alle Maßnahmen und Programme müssen systematisch durchgeführt werden:<br />
Bedarfanalyse, Prioritätensetzung, Planung, Ausführung, kontinuierliche Kontrolle<br />
und Bewertung der Ergebnisse<br />
Abb. 12: Handlungsstrategien der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung (Luxemburger Deklaration<br />
1997)<br />
Integration:<br />
Die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung wird demnach grundsätzlich als Gesamtstrategie in<br />
der Personalentwicklung und Unternehmenskultur verstanden. <strong>Gesundheit</strong>sfragen werden<br />
bei der Festlegung langfristiger Organisationsziele und -strategien berücksichtigt und in Arbeitsorganisation<br />
und Personalwesen einbezogen. Anhand verschiedener Merkmale ist zu<br />
erkennen, welchen Stellenwert die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung im Unternehmen einnimmt<br />
bzw. inwieweit eine Integration im Unternehmen stattfindet:<br />
- Für BGF 1 sind geeignete Ressourcen im Unternehmen vorhanden (finanzielle Res-<br />
1 BGF - Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
26
sourcen, Weiterbildungsmaßnahmen, Freistellung von Mitarbeitern etc.).<br />
- BGF ist Bestandteil des innerbetrieblichen Berichtswesens, auch Führungskräfte informieren<br />
sich kontinuierlich über den Stand der BGF-Maßnahmen.<br />
- BGF ist Bestandteil der Aus- und Fortbildung.<br />
- Alle Mitarbeiter erhalten Angebote für die zur Aufgabenbewältigung notwendigen<br />
(auch gesundheitsbezogenen) Kompetenzen.<br />
- Durch die Organisation der Arbeit wird Über- und Unterforderung verhindert und zusätzliche<br />
Entwicklungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter (z. B. durch Aufgabenwechsel,<br />
Einführung von Gruppenarbeit usw.) geschaffen.<br />
- Alle Aktivitäten der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung sind transparent und für jeden<br />
Beteiligten nachvollziehbar gestaltet.<br />
Dies sind nur einige Merkmale, welche eine Basis für die erfolgreiche Umsetzung der betrieblichen<br />
<strong>Gesundheit</strong>sförderung darstellen.<br />
Partizipation und Ganzheitlichkeit:<br />
<strong>Gesundheit</strong>sförderung ist nur dann dauerhaft erfolgreich, wenn sie ganzheitlich (in der Einheit<br />
von Partizipation, Verhältnis- und Verhaltensprävention) betrachtet und umgesetzt wird<br />
und ein fester Bestandteil einer langfristigen Unternehmenspolitik ist.<br />
Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen<br />
Verhältnisprävention<br />
Stärkung und Nutzung persönlicher<br />
Fähigkeiten<br />
Verhaltensprävention<br />
Beteiligung der Beschäftigten<br />
an Verhältnis- und Verhaltensprävention<br />
Abb.13: Elemente der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
27
¨<br />
¨<br />
¨<br />
Verhältnisprävention<br />
Ziel der Verhältnisprävention im Rahmen der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung ist es, gesundheits-<br />
und wohlbefindensbeeinträchtigende Faktoren der Arbeit und der Arbeitsumgebung<br />
zu minimieren und gesunderhaltende und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen<br />
(Verhältnisse) zu schaffen und zu nutzen.<br />
Bei verhältnispräventiven Maßnahmen werden alle organisationalen, psychischen und sozialen<br />
Faktoren der Arbeit und der Arbeitsbewältigung berücksichtigt, die Einfluss auf Belastungserleben,<br />
Wohlbefinden und somit insgesamt auf die <strong>Gesundheit</strong> der Mitarbeiter haben<br />
können.<br />
Verhältnispräventive Maßnahmen sind sehr vielfältig und komplex und können sich<br />
beziehen auf:<br />
die gesundheitsgerechte Gestaltung und Optimierung von<br />
© Arbeitsplatz und Arbeitsumgebung<br />
© Aufgabeninhalt und Arbeitsablauf / Tätigkeitsstrukturen<br />
© Arbeitszeit und Pausen<br />
© Informationsfluss und –bereitstellung<br />
die Schaffung einer gesundheitsförderlichen Arbeits- und Unternehmenskultur<br />
© Transparenz betrieblicher Prozesse<br />
© soziale Beschäftigungssicherheit / -perspektiven<br />
Kommunikations- und Kooperationsprozesse und -bedingungen<br />
©<br />
Führungsstil<br />
©<br />
© Soziales Klima, soziale Unterstützung<br />
die Schaffung von Beteiligungsmöglichkeiten und -strukturen<br />
© Projektgruppen<br />
© <strong>Gesundheit</strong>s- / Verbesserungszirkel<br />
© Gruppenarbeit / Gruppengespräche<br />
Verhaltensprävention<br />
Ziel der Verhaltensprävention im Rahmen der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung ist es, bei<br />
den Beschäftigten Kompetenzen für eine positive Lebens- und Arbeitsbewältigung zu entwickeln<br />
und gesundheitsförderliche Verhaltensweisen zu <strong>fördern</strong> und zu trainieren.<br />
28
¨<br />
¨<br />
¨<br />
¨<br />
Maßnahmen der Verhaltensprävention basieren darauf, den Beschäftigten für seine persönliche<br />
<strong>Gesundheit</strong> sowie für Risikofaktoren zu sensibilisieren und Wissen, Fähigkeiten und<br />
Bewältigungsstrategien zu vermitteln.<br />
Verhaltenspräventive Maßnahmen sind z. B.:<br />
die Entwicklung von <strong>Gesundheit</strong>skompetenzen<br />
© Vermittlung von <strong>Gesundheit</strong>swissen und Fähigkeiten<br />
Erkennen und Beeinflussen gesundheitsschädigender<br />
©<br />
Verhaltensweisen<br />
© Sensibilisierung der Beschäftigten für Risikofaktoren ihrer Tätigkeit<br />
Aufzeigen und Trainieren gesundheitsgerechter Verhaltensweisen<br />
©<br />
und Bewältigungsstrategien<br />
Entwicklung und Förderung von Fach-, Handlungs-, Methoden- und<br />
Sozialkompetenzen zur optimalen Bewältigung der Arbeitsanforderungen<br />
Motivation der Beschäftigten zur aktiven Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen<br />
bedarfsorientierte Anwendung spezieller Verfahren und Techniken (z. B. Entspannungstechniken,<br />
Rückentraining …)<br />
Die Beschäftigten sind nicht nur ein „zu schützendes Objekt“ (wie im klassischen Arbeitsschutz:<br />
Schutz der Mitarbeiter vor Unfallgefahren usw.), sondern ein Subjekt, das arbeitsbedingte<br />
<strong>Gesundheit</strong>sgefahren mitunter selbst beeinflussen und sein Bewältigungsverhalten<br />
optimieren kann.<br />
Alle Maßnahmen der Verhaltens- und Verhältnisprävention sind sinnvoll aufeinander abzustimmen<br />
und zielgerichtet durchzuführen. Zielgerichtet heißt, sie müssen bedarfsgerecht sein<br />
und von den Beschäftigten akzeptiert werden. Der Bedarf an Veränderung und Verbesserung<br />
im Unternehmen kann mit Hilfe verschiedener Analysemethoden erfasst werden (siehe<br />
Pkt. 3.3.3). Akzeptanz bei den Mitarbeitern erreicht man in dem man sie im Prozess insgesamt<br />
beteiligt.<br />
Mitarbeiterbeteiligung (Partizipation):<br />
Mitarbeiterbeteiligung ist ein wesentliches Element der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung.<br />
Mitarbeiterbeteiligung im Call Center bedeutet beispielsweise, die Agents bei der Problemdefinition,<br />
Lösungsfindung und Umsetzung zu beteiligen. Sie sind die Betroffenen und besitzen<br />
das Erfahrungswissen bezüglich der <strong>Gesundheit</strong>sgefährdungen sowie Gestaltungs- und<br />
29
Bewältigungsmöglichkeiten (vgl. Scharf/Teske 1989, S. 73).<br />
Voraussetzung für die erfolgreiche Partizipation ist, dass die Beschäftigten zur Beteiligung<br />
fähig sind (Können), sich beteiligen wollen (Motivation) und innerbetriebliche Strukturen für<br />
Beteiligung vorhanden sind oder geschaffen werden (organisationale Bedingungen).<br />
Mitarbeiterbeteiligung kann zum Beispiel auf Teamsitzungen, Gesprächskreise, Workshops,<br />
Befragungen, Vorschlagwesen und <strong>Gesundheit</strong>s- und Qualitätszirkel verwirklicht werden.<br />
Folgende positive Effekte kann man durch die Beteiligung der Mitarbeiter erzielen:<br />
- Veränderungen, an denen man beteiligt war, werden eher realisiert.<br />
- Probleme und Belastungen können am ehesten dort erkannt und beseitigt werden,<br />
wo sie auftreten.<br />
- Mitarbeiter verfügen über umfangreiche Kenntnisse, Erfahrungen und Kreativität.<br />
- Mitarbeiter wünschen freiwillig an der Lösung ’eigener’ Probleme mitwirken zu<br />
können.<br />
- Durch Partizipation und Erfahrungsaustausch werden Veränderungen eher akzeptiert.<br />
(vgl. Krämer 1998, S.40)<br />
Mit Blick auf die Organisationsentwicklung kommt der Mitarbeiterbeteiligung eine zentrale<br />
Bedeutung zu, denn sie beruht als fortlaufender Prozess auf dieser.<br />
Projektmanagement:<br />
<strong>Gesundheit</strong>sförderungsprojekte in der Arbeitswelt weisen typische Abläufe und Merkmale<br />
auf, die sich sowohl aus den Eigenschaften des Konzepts als auch den spezifischen Bedingungen<br />
innerhalb des jeweiligen Unternehmens ergeben. Die wesentlichen Phasen, die den<br />
Projektablauf bestimmen, werden im Punkt 3.3 beschrieben.<br />
Die Einführung von Projekten ist eine Möglichkeit, mit Neuem zu experimentieren und Veränderungen<br />
einzuleiten. Projekte werden als soziale Systeme bezeichnet, die zur Einführung<br />
und Umsetzung spezifischer und begrenzter Aufgabenstellungen genutzt werden (Pelikan /<br />
Demmer / Hurrelmann 1993).<br />
Projekte werden im Rahmen von Entwicklungen und Innovationen und bei organisatorischen<br />
Veränderungen initiiert. Bei der Einführung und Umsetzung können allerdings Konfliktpotentiale<br />
entstehen. Für die erfolgreiche Umsetzung von Projekten ist es erforderlich, sich rechtzeitig<br />
mit möglichen auftretenden Problemen und Spannungen auseinandersetzen, um auf<br />
30
diese schnell und zielgerichtet reagieren zu können.<br />
Eine strukturierte und ganzheitliche Vorgehensweise sichert den <strong>Erfolg</strong> der Maßnahmen<br />
der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung.<br />
3.2.2 Basisinstrumente Betrieblicher <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
Die effektive und systematisch Nutzung von Basisinstrumenten, empfohlenen Vorgehensweisen<br />
und auch Analysemethoden (Pkt. 3.3) tragen zu einer erfolgversprechenden <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
bei.<br />
Die betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung basiert auf drei wesentlichen Elementen:<br />
Arbeitskreis<br />
<strong>Gesundheit</strong><br />
Betrieblicher<br />
<strong>Gesundheit</strong>sbericht<br />
<strong>Gesundheit</strong>szirkel<br />
Abb.14: Basiselemente der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
Betrieblicher <strong>Gesundheit</strong>sbericht<br />
Grundlage für eine unternehmensspezifische Ziel-, Prioritäten- und Maßnahmeplanung ist<br />
eine umfassende Prüfung der Ausgangs- und <strong>Gesundheit</strong>ssituation im Unternehmen. Primäres<br />
Anliegen des <strong>Gesundheit</strong>sberichtes ist das transparent machen der gesundheitlichen<br />
Situation im Unternehmen.<br />
Ziel ist es, die gesundheitliche Lage der Mitarbeiter, die Arten der Belastungen und Probleme<br />
aber auch die Wünsche und Ideen in Bezug auf die Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen<br />
zu identifizieren. Ebenso gilt es gesundheits<strong>fördern</strong>de Potentiale der Arbeit zu<br />
31
erkennen, die es ermöglichen, Herausforderungen zu bewältigen, mit Risiken umzugehen<br />
und somit einen positiven Einfluss auf das eigene Wohlbefinden der Mitarbeiter zu nehmen.<br />
Hier nutzt man intern und extern verfügbare Datenquellen und Erkenntnisse, wie zum Beispiel<br />
Daten zum Krankenstand von Krankenkassen, Gefährdungsanalysen, Erkenntnisse<br />
aus Untersuchungen des Arbeitsmedizinischen Dienstes, Interviews mit betriebsinternen<br />
Experten, Mitarbeitern und Führungskräften, ergonomische Untersuchungen und Messungen<br />
von Umgebungsvariablen, sowie die Auswertung von gezielt durchgeführten Mitarbeiterbefragungen<br />
(vergleiche Punkt 3.3.3 und 4.2.). Aus diesen ersten Informationen lassen sich<br />
Problem- und Belastungsschwerpunkte innerhalb der einzelnen Bereiche erkennen.<br />
Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong> (Steuerungsgremium)<br />
Damit Maßnahmen der <strong>Gesundheit</strong>sförderung wirkungsvoll umgesetzt werden können, wird<br />
empfohlen, dass unternehmensinterne und externe Partner, die über Entscheidungs-, Mitbestimmungs-<br />
und Fachkompetenzen in gesundheitsrelevanten Fragen verfügen, kooperativ<br />
in einem Steuerungsgremium zusammenarbeiten. Dieses Steuerungsgremium wird häufig<br />
als Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong> bezeichnet und stellt als Projektplanungs-, Steuerungs- und Koordinationsgremium<br />
die organisatorische Basis für die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung im<br />
Unternehmen dar.<br />
Typische Aufgaben des Steuerungsgremiums (Arbeitskreises <strong>Gesundheit</strong>) sind:<br />
- Aufbau einer funktionsfähigen gesundheits<strong>fördern</strong>den Infrastruktur im Unternehmen,<br />
in der Arbeitnehmer und Arbeitgeber konstruktiv zusammenarbeiten können,<br />
- Entwicklung einer gesundheits<strong>fördern</strong>den Gesamtpolitik (Leitbild) im Unternehmen,<br />
d. h. <strong>Gesundheit</strong> als wichtiges Kriterium in Entscheidungsprozesse einzubeziehen,<br />
- Formulierung von klaren kurzfristig, mittelfristig und langfristig erreichbaren Zielen,<br />
- Analyse der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>slage,<br />
- Ermittlung der <strong>Gesundheit</strong>sbedürfnisse der Beschäftigten,<br />
- Planung, Durchführung und Evaluation konkreter Maßnahmen zur Verhaltens- und<br />
Verhältnisprävention,<br />
- Festlegung von Verantwortlichkeiten bezüglich der gesundheits<strong>fördern</strong>den Maßnahmen,<br />
- aktive Einbeziehung der Belegschaft (Partizipation umsetzen).<br />
32
Unternehmensleitung<br />
Fachkraft für Arbeitssicherheit<br />
Externe Experten<br />
wie Krankenkassen,<br />
Berufsgenossenschaften,<br />
<strong>Gesundheit</strong>samt<br />
1.1.2 Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong><br />
• Analysesteuerung<br />
• Interventionssteuerung<br />
Vertreter der<br />
Personalabteilung<br />
Betriebsrat / Personalrat<br />
Betriebsarzt<br />
• Evaluation Sozialdienst<br />
Sonstige Interessenvertretungen<br />
(z. B. Jugendvertretung, Schwerbehindertenvertretung)<br />
Abb.15: Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong><br />
Insbesondere in kleineren Unternehmen, wie in vielen Call Centern, ist es nicht immer möglich<br />
die Idealstruktur eines Arbeitskreises <strong>Gesundheit</strong> zu gewährleisten. Wichtig ist es hierbei,<br />
dass betriebliche Akteure in Zusammenarbeit mit externen Akteuren die Steuerung der<br />
Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung in die Hand nehmen. Unverzichtbar ist die Beteiligung<br />
der Unternehmensleitung in diesem Prozess (vgl. Praxisbeispiel im Punkt 5.2).<br />
<strong>Gesundheit</strong>szirkel (Projektgruppe)<br />
Für die Planung konkreter Maßnahmen der Verhaltens- und Verhältnisprävention ist die Bildung<br />
problembezogener Projektgruppen empfehlenswert – sogenannte <strong>Gesundheit</strong>szirkel.<br />
In einem derartigen Gesprächskreis diskutieren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gemeinsam,<br />
wo im Unternehmen „der Schuh drückt“. Gleichzeitig haben Beschäftigte, die tagtäglich im<br />
Arbeitsprozess tätig sind Vorstellungen und Ideen, welche Möglichkeiten bestehen, Belastungsschwerpunkte<br />
abzubauen. <strong>Gesundheit</strong>szirkel sind problembezogene, ergebnisorientierte<br />
betriebliche Gesprächskreise, in denen die unmittelbar Betroffenen, in den Prozess der<br />
33
Problemaufdeckung und Lösungsfindung einbezogen werden. Sie ermöglichen eine präzise<br />
Problemanalyse und –bearbeitung.<br />
Eine gute Grundlage bildet dazu der <strong>Gesundheit</strong>sbericht, der Aufschluss über gesundheitliche<br />
Belastungen und Gestaltungsschwerpunkte im Unternehmen gibt. Darauf basierend<br />
kann im Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong> entschieden werden, in welchen Arbeitsbereichen bzw. zu<br />
welchen Problembereichen <strong>Gesundheit</strong>szirkel eine geeignete Herangehensweise darstellen.<br />
Auswahlkriterien können beispielsweise ein hoher Krankenstand oder Abteilungen mit besonderen<br />
Belastungsmerkmalen sein.<br />
Typische Aufgaben des <strong>Gesundheit</strong>szirkels sind:<br />
- Analyse der Arbeitssituation bzgl. der Auswirkungen auf die Arbeitspersonen<br />
- Ergründen der Ursachen für gesundheitliche Beschwerden am Arbeitsplatz (ausgehend<br />
von den Analyseergebnissen),<br />
- Austausch von Erfahrungen mit den ermittelten Belastungsfaktoren,<br />
- Erarbeitung von Vorschlägen zur gesundheitsgerechten Arbeitsgestaltung,<br />
- Zusammentragen technischer, ergonomischer, organisatorischer und personenbezogener<br />
Lösungsvorschläge.<br />
- Mitwirkung bei betrieblichen Veränderungsprozessen zur Gewährleistung gesundheitsgerechter<br />
Arbeitssituationen<br />
<strong>Gesundheit</strong>szirkel können unterschiedlich zusammengesetzt sein. Wichtig ist, dass die<br />
Hauptakteure im <strong>Gesundheit</strong>szirkel die Beschäftigten sind. Es ist ratsam, bei bestimmten<br />
Problemen weitere interne oder externe Experten hinzuzuziehen. Grundsätzlich sind es aber<br />
die Mitarbeiter (Agents) mit ihrem Erfahrungswissen, die Lösungsmöglichkeiten diskutieren<br />
und die herbeigeführten Vorschläge dem Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong> als Planungshilfe für konkrete<br />
Maßnahmen zuführen.<br />
Für die konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Mitglieder des <strong>Gesundheit</strong>szirkels<br />
ist es sinnvoll, für die Gruppendiskussionen Regeln aufzustellen.<br />
Diese Regeln können folgendermaßen aussehen:<br />
- Jeder ist Experte, uns zwar auf seinem Gebiet.<br />
- Jeder hat die Möglichkeit, seine Meinung frei zu äußern.<br />
- Meinungen sollten nicht der Person angelastet werden.<br />
- Die Diskussion sollte beim Thema bleiben.<br />
- Nicht alle geäußerten Meinungen und Ideen können verwirklicht werden.<br />
34
- Der Moderator nimmt nicht inhaltlich Stellung.<br />
- usw.<br />
Diese Regeln sollten nicht vom Moderator vorgegeben, sondern in der Gruppe erarbeitet<br />
werden. Das sichert die Akzeptanz der Umsetzung.<br />
3.3 Praktische Vorgehensweise im Unternehmen (step by step)<br />
Wie werden Konzept, Strategie und die Anwendung der Basisinstrumente konkret im Unternehmen<br />
umgesetzt? Eine berechtigte Frage des Praktikers. Deshalb erfolgt an dieser Stelle<br />
die Beschreibung der schrittweisen Vorgehensweise im Rahmen der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
im Unternehmen.<br />
1. Handlungsbedarf erkennen<br />
(Motive zur Durchführung gesundheitsförderlicher Maßnahmen)<br />
2. Informieren, Partner suchen, Strukturen schaffen<br />
(Eine gute Vorbereitung sichert Effektivität und <strong>Erfolg</strong>!)<br />
3. Analysieren und Gestaltungsschwerpunkte festlegen<br />
(Wo drückt der Schuh?)<br />
4. Interventionen und Entwicklung von Lösungen<br />
(Welche realistischen und von allen Akteuren akzeptierten<br />
Lösungsvorschläge sind denkbar? Einführung von Veränderungen)<br />
5. Evaluieren, verbessern, verstetigen<br />
(Hat die Umgestaltung den erwarteten <strong>Erfolg</strong> gebracht?)<br />
Abb.16: Ablauf der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
35
3.3.1 Handlungsbedarf erkennen<br />
Der erste Schritt im Prozess der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung ist die Erkenntnis, dass<br />
Handlungsbedarf besteht. Den Handlungsbedarf können unterschiedliche Akteure (z. B. Management,<br />
Betriebsrat, Personalabteilung) im Unternehmen feststellen und dementsprechend<br />
die Initiative für die Umsetzung des <strong>Gesundheit</strong>sförderungskonzepts in die Hand<br />
nehmen.<br />
Handlungsbedarf kann zum einen darin begründet sein, dass das Call Center seine Wettbewerbs-<br />
und Konkurrenzfähigkeit durch die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung steigern<br />
möchte. Denn gesundheitsförderliche Maßnahmen zielen grundsätzlich auf die Stärkung der<br />
Humanressource ab, die für die Leistungserbringung eines Call Centers ein entscheidender<br />
Faktor ist. Durch den Prozess der <strong>Gesundheit</strong>sförderung kann betriebswirtschaftliches und<br />
soziales Verbesserungspotenzial hervorgebracht werden, was heutzutage ein unverzichtbarer<br />
Wettbewerbsfaktor ist.<br />
Weitere Gründe können z. B. eine hohe Fehlzeitenquote, qualitative und quantitative Mängel<br />
in der Leistungserbringung, die Häufung sozialer Konflikte oder hohe Fluktuationsraten im<br />
Unternehmen sein. Dabei kann man entweder die Verminderung bestehender und erkannter<br />
Probleme im Visier haben oder aber die Vermeidung derartiger Probleme anstreben.<br />
3.3.2 Informieren, Partner suchen, Strukturen schaffen<br />
Ist der Handlungsbedarf erkannt, sind alle betrieblichen Akteure über das Vorhaben zu informieren.<br />
Das geschieht durch umfassende und frühzeitige Information von Management,<br />
Führungskräften, Teamleitern, Mitarbeitern und der Interessenvertretung (z. B. durch Informationen<br />
und Diskussionen auf Arbeitssitzungen, Teambesprechungen, Abteilungsbesprechungen<br />
aber auch durch Handzettel und Aushänge).<br />
Ziel ist es, allen Akteuren im Call Center den Handlungsbedarf und die angestrebten Ziele zu<br />
vermitteln. Somit wird eine wichtige Voraussetzung für die notwendige Akzeptanz und Unterstützung<br />
aller Beteiligten gegeben.<br />
In dieser Phase sollte bereits überlegt werden, mit welchen Partnern sich Kooperationen für<br />
die fachliche bzw. methodische Zusammenarbeit im Prozess anbieten. Externe Partner können<br />
z. B. Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Dienstleister, wissenschaftliche Einrichtungen<br />
(z. B. Universitäten) und die Gewerbeaufsicht sein. Als interne Partner eines Unternehmens<br />
kommen Mitarbeiter in Frage, die über spezifische Fachkenntnisse verfügen,<br />
wie z. B. der Betriebsarzt, die Fachkraft für Arbeitssicherheit und der Betriebsrat u. a.<br />
36
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen und<br />
Strukturen, um eine erfolgreiche Projektarbeit zu gewährleisten. Dazu gehört die Bereitstellung<br />
innerbetrieblicher Ressourcen, wie z. B. Zeit, Personal und eventuell finanzielle Mittel.<br />
Zum anderen ist es notwendig, die Verantwortlichkeiten und Aufgabenverteilung transparent<br />
zu machen.<br />
Zur Entwicklung eines wirksamen <strong>Gesundheit</strong>sförderungskonzeptes für das Unternehmen<br />
und die effektive Steuerung und Koordination des weiteren Projektablaufes, wird die Einrichtung<br />
eines Gremiums („Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong>“) empfohlen. Hier können entweder bestehende<br />
Gruppen genutzt oder neue Strukturen geschaffen werden. (vgl. auch Pkt. 3.2.2)<br />
Die Zusammensetzung der Gruppe spielt eine entscheidende Rolle für den <strong>Erfolg</strong> des Projektes.<br />
Es ist wichtig, dass Akteure einbezogen werden, die sich mit <strong>Gesundheit</strong>sfragen in<br />
der Organisation befassen (Betriebsarzt, Sicherheitsingenieur und andere), unverzichtbar ist<br />
die Beteiligung des Managements. Bestehende Expertenkenntnisse und unterschiedliche<br />
Interessen innerhalb des Arbeitskreises, sichern die Akzeptanz der Projektarbeit (Demmer<br />
1995).<br />
3.3.3 Analysieren und Gestaltungsschwerpunkte festlegen<br />
Die Erarbeitung von Präventionskonzepten und Interventionen erfordern zunächst die genaue<br />
Kenntnis der Ausgangssituation. Für die Analysen existieren zahlreiche Methoden und<br />
Instrumente, die sich hinsichtlich des Ansatzes, der Anwendung und des Gestaltungszieles<br />
unterscheiden. Wichtige Untersuchungsmethoden in der <strong>Gesundheit</strong>sförderung sind die<br />
schriftliche Befragung, das Experteninterview, die Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung inklusive<br />
der Gefährdungsbeurteilung, die Dokumentenanalyse und das Beobachten. Auch<br />
Projektgruppendiskussionen oder die Arbeit in <strong>Gesundheit</strong>szirkeln können Gestaltungsschwerpunkte<br />
im Unternehmen aufdecken (Pkt.3.2.2). Um mögliche Fehlerquellen und Ungenauigkeiten<br />
auszuschließen, bzw. zu minimieren wird empfohlen, mehrere Analysemethoden<br />
gleichzeitig einzusetzen. Welche Methoden tatsächlich zum Einsatz kommen. hängt von<br />
der konkreten Zielstellung und der jeweiligen betrieblichen Situation ab.<br />
37
Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung<br />
Beobachtung<br />
Tätigkeitsablaufanalyse<br />
Bildschirmarbeitsplatz<br />
analyse<br />
Experteninterview und<br />
Gruppengespräch<br />
Dokumentenanalyse<br />
Analyse der Arbeit<br />
und der Arbeitsbedingungen<br />
im<br />
Call - Center<br />
Schriftliche Befragung<br />
Abb.17: Methoden zur Analyse der Ausgangssituation und Feststellung von Gestaltungsbedarf<br />
im Call Center<br />
In den folgenden Ausführungen wird ein kurzer Einblick zu den Inhalten, Zielen und Besonderheiten<br />
der einzelnen Verfahren gegeben:<br />
a) Die Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung<br />
Die Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung ist ein unverzichtbares Analyseelement der betrieblichen<br />
<strong>Gesundheit</strong>sförderung, insbesondere dann, wenn externe Experten und Berater<br />
im Unternehmen unterstützend tätig sind. Die Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung liefert<br />
einen Überblick über den Gesamtbetrieb und Organisationsstrukturen, wie z. B. Art und Anzahl<br />
der Arbeitsbereiche und typische Arbeitsplätze. Des weiteren erhält man wichtige Hinweise<br />
zu Produkten, Aufträgen, der Personalstruktur, der Zeitorganisation und zur Führungskultur.<br />
b) Bildschirmarbeitsplatzanalyse<br />
Eine Bildschirmarbeitsplatzanalyse liefert umfassende Hinweise zu Gütekriterien hinsichtlich<br />
der ergonomischen Gestaltung der Bildschirmarbeit.<br />
Jeder Arbeitgeber hat nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbschG) und der Bildschirmarbeitsverordnung<br />
(BildschV) eine Analyse der Arbeitsbedingungen an allen Arbeitsplätzen, die mit<br />
einem Bildschirm ausgestattet sind, durchzuführen. In der arbeitswissenschaftlichen Fachliteratur,<br />
Broschüren der Unfallversicherungsträger, Informationsmaterialien von Unterneh-<br />
38
mensberatungen oder Interessenvertretungen sind zahlreiche Verfahren zur Bildschirmarbeitsplatzbeurteilung<br />
vorgestellt.<br />
Im Rahmen einer Bildschirmarbeitsanalyse erfolgt die systematische Erfassung wichtiger<br />
Kriterien in Hinblick auf die Hardwarekomponenten,<br />
wie z. B.<br />
Bildschirm (Größe, Zeichendarstellung, Gütesiegel)<br />
Art und Handhabbarkeit von Tastatur, Maus und Manuskripthalter<br />
Art und Anordnung von Arbeitstisch, Arbeitsstuhl, Fußstütze<br />
Sehbedingungen<br />
- Sehabstand<br />
- Anordnung des Arbeitsplatzes bezogen auf die Beleuchtung und die Fensterfront<br />
- Blendung und Spiegelung<br />
Beleuchtungssituation, Klima, Lärm<br />
Bewegungsfreiheit am Arbeitsplatz<br />
Gegebenenfalls sind auch Messungen (Klima, Lärm, Beleuchtung, Strahlung .....) durchzuführen.<br />
(vgl. <strong>Report</strong> und Leitfaden Ergonomie) Des weiteren sind Einschätzungen zur verwendeten<br />
Software und zu den psychischen Belastungen gefordert.<br />
In der Regel ist jeder Arbeitsplatz einzeln zu beurteilen.<br />
c) Dokumentenanalyse<br />
Die Dokumentenanalyse basiert auf Datenmaterial, welches nicht unmittelbar für den Untersuchungszweck<br />
erarbeitet wurde. Diesem Datenmaterial liegt demzufolge auch keine direkte<br />
Interaktion zwischen untersuchter Person und Untersuchern zugrunde und wird in der Sozialforschung<br />
zu den nicht-reaktiven Verfahren gezählt. (Petermann & Noack, 1987)<br />
Die Dokumentenanalyse kann sehr hilfreiches Material für die Vorbereitung von Beobachtungen<br />
oder Experteninterviews liefern. Häufig dient sie auch zur Ergänzung, Vertiefung und<br />
Bewertung von Ergebnissen und Informationen anderer Analysemethoden.<br />
39
Für die Dokumentenanalysen kommen Unterlagen in Frage wie z. B.<br />
- Informationsbroschüren des Unternehmens<br />
- Unternehmensleitbilder<br />
- Organigramme<br />
- Stellen und Tätigkeitsbeschreibungen<br />
- Hardwarekonfigurationen<br />
- Weiterbildungskonzepte und Qualifizierungsangebote<br />
- Unterlagen zum Arbeitszeitmodell<br />
- Unterlagen zur Leistungsbewertung u.s.w.<br />
d) Tätigkeitsablaufanalyse (Beobachtung)<br />
Die Beobachtungsmethode wird zur Analyse von Arbeitstätigkeiten und Arbeitsabläufen genutzt.<br />
Bei der Tätigkeitsablaufanalyse wird die Abfolge der Arbeitstätigkeit beobachtet und<br />
analysiert. Ziel ist es, detaillierte Aussagen über die zeitliche Abfolge und den zeitlichen Anteil<br />
der Teiltätigkeiten während eines verhältnismäßig langen Intervalls (am besten während<br />
der gesamten Arbeitsschicht) bei der Ausführung einer Tätigkeit zu erhalten.<br />
Die Auswertung von Tätigkeitsablaufanalysen erlaubt es, Aussagen über die Anzahl verschiedener<br />
Teiltätigkeiten, Gesetzmäßigkeiten und Muster in ihrer Abfolge, zeitliche Freiheitsgrade,<br />
Abwechslung und Anforderungsvielfalt einer Arbeitstätigkeit zu treffen.<br />
(Escher und Troxler in Strohm und Uhlich 1997)<br />
Methodische Basis ist die systematische, standardisierte Beobachtung. Dazu ist es notwendig<br />
im Vorfeld Kategorien für Teiltätigkeiten zu ermitteln um die entsprechenden beobachteten<br />
Zeitanteile diesen Kategorien zuzuordnen. Die zu wählenden Kategorien und Unterkategorien<br />
hängen von der Fragestellung der Untersuchungen ab. Die beobachtete Person sollte<br />
eingearbeitet, erfahren und über das Ziel der Analysen informiert sein. Nicht zu verwechseln<br />
sind Tätigkeitsablaufanalysen im Rahmen der <strong>Gesundheit</strong>sförderung mit Schichtaufnahmen<br />
zur Leistungserfassung, -beurteilung und –normung.<br />
40
d) Experteninterview und Gruppengespräche<br />
Das Interview ist eine verbreitete und häufig eingesetzte Methode zur Datenerhebung.<br />
Experteninterviews sind, wie der Name schon sagt, Gespräche mit Experten auf verschiedenen<br />
Ebenen.<br />
Betriebliche Experten sind:<br />
Führungskräfte<br />
z. B. - Teamleiter<br />
- Abteilungsleiter<br />
- Personalleiter<br />
Fachkräfte<br />
z. B. - FK f. Arbeitssicherheit<br />
- Systemexperten<br />
- Techniker .......<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
Experteninterviews dienen der Beschaffung von Informationen (z. B. zu betrieblichen Strukturen,<br />
organisatorischen Bedingungen, Aufträgen und Produkten, Arbeitmittel und Arbeitsverfahren,<br />
Arbeitsabläufe und Kooperationen).<br />
In der Praxis werden verschiedene Interviewformen unterschieden. Während strukturierte<br />
Interviews in Wortlaut und Fragenreihenfolge genau festgelegt sind, sind unstrukturierte<br />
Formen in dieser Hinsicht völlig vorgabefrei. ( Atteslander und Kopp 1987)<br />
Beim Gruppeninterview werden gleichzeitig mehrere Personen, z. B. Beschäftigte einer Arbeitsgruppe,<br />
befragt. Vorteile sind Zeit- und Kostenersparnis durch das gleichzeitige Befragen<br />
mehrerer Personen, die Möglichkeit widersprüchliche Aussagen zu diskutieren sowie<br />
Hinweise zur Kommunikationskultur zu erhalten.<br />
Hauptnachteile sind nach Escher (in Strohm und Uhlich 1997) die durch die Gruppenzusammensetzung<br />
beeinflussbare Atmosphäre, sowie die Gefahr, dass zurückhaltende Personen<br />
keinen Beitrag leisten und ein relativ hoher Zeitaufwand der Nachbereitung.<br />
Gruppeninterviews können fließend in Gruppendiskussionen übergehen. Voraussetzungen<br />
für erfolgreiche Gruppendiskussionen sind im Punkt 5.2.1 beschrieben.<br />
41
f) Die schriftliche Befragung<br />
Bei der schriftlichen Befragung werden den zu befragenden Personen schriftlich formulierte<br />
Fragen in Form eines Fragebogens vorgelegt. Diese Fragen sollen dann selbständig beantwortet<br />
werden.<br />
Da die betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung ein weitgehend partizipativer Prozess ist, gehören<br />
Mitarbeiterbefragungen zum Standardrepertoire.<br />
Vorteile der schriftlichen Befragung sind<br />
- eine gute Vergleichbarkeit der Daten<br />
- eine schnelle Auswertung<br />
- eine einfache Wiederholbarkeit (z. B. im Rahmen der Evaluation)<br />
- keine Beeinflussbarkeit durch den Untersucher.<br />
Nachteilig sind die durch Vorformulierungen der Antwortkategorien beschränkten Möglichkeiten<br />
zur Erfassung von betrieblichen Spezialproblemen bzw. Besonderheiten. Des weiteren<br />
bestehen kaum Möglichkeiten, Erläuterungen und Hinweise zur Beantwortung der Fragen<br />
zu geben.<br />
Die Einsatzmöglichkeiten der schriftlichen Befragung sind vielfältig. Es stehen zahlreiche<br />
Instrumente zur Erfassung, Bewertung bzw. zur Messung von<br />
z.B. - Ressourcen und Belastungen aus der Arbeitstätigkeit<br />
- Persönlichkeitsmerkmalen<br />
- Lern- und Persönlichkeitsförderlichkeit der Arbeit<br />
- Arbeitszufriedenheit<br />
- gesundheitliche Beeinträchtigungen und Beschwerden<br />
- psychischen Beanspruchung zur Verfügung (vgl. Anlage 1).<br />
Mit Hilfe von gezielt, entsprechend der Problemlage und des Analysezieles eingesetzten<br />
Befragungsinstrumentes können relativ schnell Aussagen getroffen und eine Situationseinschätzung<br />
gegeben werden. Entscheidend ist die richtige Auswahl des Befragungsinstrumentes.<br />
Unter Umständen können auch selbst erstellte und genau auf die Problematik zugeschnittene<br />
Befragungsinstrumente den Analyseprozess unterstützen.<br />
42
Ergebnis der Analyse ist eine Auflistung von auftretenden Problemen und Gestaltungsbedarf,<br />
aber auch positiver Gestaltungsansätze.<br />
Anschließend ist es notwendig, die Beschäftigten über die Ergebnisse und die weiteren<br />
Schritte zu informieren, um Akzeptanz und aktive Beteiligung zu <strong>fördern</strong> und zu sichern.<br />
3.3.4 Lösungen entwickeln und umsetzen<br />
Die Ergebnisse der Bedarfsanalyse bilden die Grundlage für die weitere Projektbearbeitung.<br />
Gestaltungslösungen können von Experten oder Expertenteams entwickelt und eingeführt<br />
werden. Das birgt allerdings die Gefahr, dass die fachlich fundierten und gut gemeinten Veränderungskonzepte<br />
auf Skepsis und wenig Akzeptanz bei den Beschäftigten stoßen. Aus<br />
diesem Grund ist es erfolgversprechender und im Sinne der <strong>Gesundheit</strong>sförderung, Gestaltungsmaßnahmen<br />
zusammen mit den Mitarbeitern zu entwickeln und einzuführen. Hierbei ist<br />
es empfehlenswert, die Projektgruppenarbeit zu nutzen. (vgl. Pkt. 3.2.2 und 5.2.1)<br />
Unter Beteiligung der Beschäftigten werden Probleme definiert und Prioritäten gesetzt.<br />
Im Prozess der Lösungsfindung kann festgestellt werden, dass entweder weitere spezielle<br />
Analysen notwendig sind oder betriebliche bzw. fachliche Informationen eingeholt werden<br />
müssen. Dies ist in der Projektgruppe zu koordinieren und durchzuführen. Wichtig dabei ist<br />
die Festlegung von Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten und eines Zeitrahmens.<br />
Entwickelte Lösungsvorschläge sind zunächst in Pilotbereichen zu erproben, auszuwerten<br />
und gegebenenfalls zu verbessern.<br />
Im Ergebnis von Projektgruppenprozessen entstehen erfahrungsgemäß praktische und von<br />
den Mitarbeitern akzeptierte Lösungsvorschläge. Diese können sowohl die Verhaltens- als<br />
auch die Verhältnisprävention betreffen. Im Punkt 5.2. ist die Vorgehensweise im Rahmen<br />
der Projektgruppenarbeit bei der Intervention und Lösungsfindung ausführlich beschrieben.<br />
3.3.5 Evaluieren, verbessern, verstetigen<br />
Nach der Einführung von Veränderungen ist zu prüfen ob sich der erwartete <strong>Erfolg</strong> eingestellt<br />
hat und ob die gesetzten Ziele erreicht werden konnten.<br />
43
Diese Ergebnisse sollten den Mitarbeitern und Arbeitsgruppen wiederum präsentiert werden.<br />
Dabei stehen folgende Fragestellungen im Vordergrund:<br />
- Wurden die Probleme gelöst?<br />
- Existieren noch ungelöste bzw. neue Probleme?<br />
- Gibt es weitere Verbesserungsvorschläge?<br />
3.4 Der Nutzen Betrieblicher <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
Wenn es gelingt, ganzheitliche Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderungsmaßnahmen in Unternehmen<br />
dauerhaft zu etablieren, so bieten diese nicht nur den Teilnehmern, sondern auch<br />
dem Unternehmen vielfältigen Nutzen. Sie sind ein Weg zur Humanisierung von Arbeitsplätzen<br />
und bieten gleichzeitig die Chance, die Attraktivität von Arbeitsplätzen zu verbessern, die<br />
Produktivität zu erhöhen sowie <strong>Gesundheit</strong>srisiken und Fehlzeiten zu mindern. <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
wird damit zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor und Qualitätsmerkmal von<br />
Unternehmen.<br />
...“<strong>Gesundheit</strong>sförderung lebt aus dieser Vielfalt, sie ist, wie Gerald Koller definiert, ein<br />
Strategienbündel. Keine einzelne Maßnahme allein kann daher ihrem umfassenden<br />
Ansatz gerecht werden. Weder planende, visionäre, politische Entscheidungsträger,<br />
noch engagierte Basisarbeiter reichen aus. Die Ganzheit entsteht aus der Vielfalt, der<br />
Kooperation.“...(Dr. Alex Trojovsky 1994).<br />
Die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung kann also aus Unternehmersicht und aus Sicht der<br />
Beschäftigten gewinnbringend sein. In der Abb. 18 sind mögliche Resultate beider Interessengruppen<br />
dargestellt.<br />
44
Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
Unternehmensinteresse<br />
„Effizienz der Arbeit“<br />
- langfristige Senkung des Krankenstandes<br />
bzw. Erhalt geringen<br />
Krankenstandes<br />
- höhere Mitarbeitermotivation<br />
- erhöhte Personalverfügbarkeit<br />
- höhere Leistungskapazität<br />
- höhere Flexibilität<br />
- bessere Dienstleistungsqualität<br />
- kontinuierliche Verbesserung der<br />
Arbeitsprozesse<br />
- höhere Konkurrenzfähigkeit<br />
- Imageverbesserung<br />
Beschäftigteninteresse<br />
„Attraktivität der Arbeit“<br />
- verbesserter <strong>Gesundheit</strong>szustand<br />
- verbessertes Betriebsklima<br />
- geringere Belastungen<br />
- bessere Bewältigung von Belastungen<br />
- höhere Arbeitszufriedenheit<br />
- gesteigertes Wohlbefinden<br />
- mehr Selbstbestimmung<br />
- bessere Arbeitsinhalte<br />
- HÖHERE QUALIFIKATION<br />
- bessere Arbeitsbedingungen<br />
- bessere Sozialbeziehungen<br />
Abb. 18: Mögliche Auswirkungen von Maßnahmen der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
im Unternehmen (in Anlehnung an Nieder 1997, S. 20 und 115)<br />
45
4 Die Arbeit im Call Center – Analyse<br />
4.1 Einführung<br />
Problemlage<br />
Kennzeichnend für die Tätigkeit im Call Center sind die Arbeit am Bildschirm und das ganztägige<br />
Telefonieren im Großraumbüro nach überwiegend inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben.<br />
Daraus ergeben sich besondere Anforderungen an die Beschäftigten. Die Einflussfaktoren<br />
sind vielfältig und können sich sowohl positiv als auch negativ auf die <strong>Gesundheit</strong> und<br />
die Leistungsfähigkeit des Einzelnen auswirken. Aufgrund der Neuartigkeit dieser Tätigkeitsfelder<br />
sind Langzeitwirkungen noch nicht hinreichend erforscht.<br />
Arbeitende am Bildschirmgerät klagen sehr häufig über Kopfschmerzen und über Schmerzen<br />
im Nacken-, Schulter- und Rückenbereich (vgl. Spießbach, Knebelau und Bender 1999). In<br />
erster Linie werden Beschwerden des Bewegungsapparates und des Sehorgans mit der Arbeit<br />
am Bildschirm, dem ganztägigen Sitzen und ungünstigen ergonomischen Bedingungen<br />
in Verbindung gebracht. Dass derartige gesundheitliche Beeinträchtigungen komplexer bedingt<br />
sind und auch in erheblichem Maße durch die Arbeitsorganisation beeinflusst werden<br />
können, wird z. B. von Ertel, Junghans und Ullspringer (1994, 1997) beschrieben. Auch industrielle<br />
Befunde belegen, dass Muskel- und Skelettbeschwerden neben ergonomischen<br />
Defiziten auch mit fehlenden inhaltlichen und zeitlichen Freiheitsgraden und fehlender Abwechslung<br />
in den Arbeitsaufgaben begründet werden können (Lehnhardt, Ekeles, Rosenbrock<br />
1997; Lundberg 1996).<br />
Es stellt sich nun die Frage, inwieweit in den Call Centern Gestaltungsmaßnahmen erforderlich<br />
und möglich sind, um gesundheitsgerechte, beanspruchungsgünstige und lernförderliche<br />
Arbeitsbedingungen und Tätigkeitsinhalte zu schaffen. Um Antworten auf diese Fragen zu<br />
finden ist es unerlässlich die Tätigkeiten umfassend zu analysieren und neben dem Expertenwissen,<br />
die Kenntnisse, Erfahrungen und Einschätzungen der in den entsprechenden<br />
Arbeitsbereichen beschäftigten Mitarbeiter zu berücksichtigen.<br />
46
Analyseziele im Rahmen der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
Analysen im Rahmen der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung dienen vor allem der Bedarfsermittlung<br />
in bezug auf geeignete Maßnahmen zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung sowie zur Aktivierung<br />
und Motivationsbildung (Antje Ducki 2000). Im Mittelpunkt derartiger Betrachtungen<br />
stehen einerseits das subjektive Befinden der Mitarbeiter, ihre Beschwerden sowie die von<br />
ihnen erlebten positiven und negativen Einflüsse der Arbeit auf das persönliche Wohlbefinden<br />
und andererseits die Beschreibung der betrieblichen Situation im Hinblick auf gesundheitsrelevante<br />
Aspekte der Arbeit.<br />
Die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsumgebung tragen zu einer<br />
schädigungsfreien Arbeit und zur Vorbeugung von <strong>Gesundheit</strong>sgefahren bei und sind eine<br />
notwendige Voraussetzung für die gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung. Ein weiterer<br />
wichtiger Indikator für <strong>Gesundheit</strong>, Wohlbefinden und Arbeitszufriedenheit sind die Art und<br />
Struktur der Arbeitsaufgabe und die Arbeitsorganisation. Günstig bzw. ungünstig gestaltete<br />
Arbeitsaufgaben können gleichzeitig Leistungskriterien wie die Motivation, die Qualifikation<br />
und die Flexibilität <strong>fördern</strong> bzw. behindern. Sie sind deshalb ein nicht zu unterschätzendes<br />
Mittel, die Personalressourcen eines Unternehmens in ökonomisch sinnvoller Weise einzusetzen<br />
und zu entwickeln.<br />
Allgemein bekannt ist, dass gesunde, zufriedene Mitarbeiter, die Spaß an der Arbeit haben<br />
und sich mit ihrer Arbeitstätigkeit identifizieren auch hinsichtlich der Arbeitsleistung beste<br />
Ergebnisse erzielen. Natürlich kann man auch bei ungünstig gestalteter Arbeit und Arbeitsbedingungen<br />
mit Leistungsdruck und insbesondere unter den Bedingungen einer sehr hohen<br />
Arbeitslosenzahl der Region, Mitarbeiter zur Erbringung höchster Leistungen motivieren. Es<br />
besteht allerdings die Gefahr, dass dies auf Dauer auch zu negativen Begleiterscheinungen<br />
wie Unlust, Demotivation, Krankenstandserhöhung und einer erhöhten Fluktuation führen<br />
kann, wenn entsprechende Ressourcen fehlen.<br />
Analyseziel ist es, die Arbeit und die Arbeitsbedingungen in den einzelnen Call Centern unter<br />
Nutzung arbeitswissenschaftlicher und arbeitspsychologischer Mittel und unter Beteiligung<br />
der Beschäftigten zu beschreiben. Davon ausgehend soll ein wirksames Präventionskonzept<br />
entwickelt werden, welches Veränderungsbedarf identifiziert aber auch vorhandene positive<br />
Gestaltungsansätze dokumentiert und bewertet.<br />
47
Von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und vom Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik<br />
Neuruppin werden Analysen in insgesamt acht Call Centern durchgeführt.<br />
Während das Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik in Neuruppin in erster Linie die<br />
klassische Arbeitsplatzgestaltung und die Entwicklung und Einführung spezieller verhaltenspräventiver<br />
Maßnahmen im Visier hat, stehen bei den Analysen der Otto-von-Guericke-<br />
Universität Magdeburg die partizipativ-partnerschaftliche Bewertung und Gestaltung der Arbeitsbedingungen,<br />
der Arbeitsaufgabe und der Arbeitsorganisation sowie die Arbeitskultur im<br />
Vordergrund. Das Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin hat sich weiterhin<br />
zur Aufgabe gestellt, ein Analyseinstrument zu entwickeln, womit Unternehmer und Sicherheitsexperten<br />
schnell und unkompliziert unter Beteiligung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
Gestaltungsbedarf in den einzelnen Unternehmensbereichen erkennen können.<br />
In der Abbildung 19 sind die Kernelemente der jeweiligen Aufgabenstellungen noch einmal<br />
zusammengefasst dargestellt.<br />
Institution<br />
Aufgabenstellung im Rahmen des<br />
Verbundprojektes<br />
Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg<br />
- Ganzheitliche arbeitswissenschaftliche Analysen in<br />
ausgewählten Call Centern Sachsen-Anhalts<br />
- Partizipativ-partnerschaftliche Entwicklung von<br />
Gestaltungslösungen für die Arbeit<br />
und der Arbeitsbedingungen in den einzelnen Untersuchungsbereichen<br />
Amt für Arbeitsschutz und<br />
Sicherheitstechnik Neuruppin<br />
- Beurteilung der ergonomischen Arbeitsbedingungen<br />
in ausgewählten Call Centern<br />
- Entwicklung eines Erhebungsinstrumentes<br />
- Ermittlung des Einflusses verhaltenspräventiver Maßnahmen<br />
auf die Gesamtproblematik „Abbau arbeitsbedingter<br />
<strong>Gesundheit</strong>sgefahren“<br />
Abb. 19: Zielstellungen der Untersuchungsteams<br />
48
4.2 Analysen der Otto-von–Guericke-Universität Magdeburg<br />
4.2.1 Analyseansatz und grundsätzliche Vorgehensweise<br />
Die arbeitswissenschaftliche Untersuchung erfolgt schrittweise. Ziel ist die Ableitung von<br />
Gestaltungshinweisen für eine verbesserte Arbeitssituation bzw. das Auffinden von empfehlenswerten<br />
Gestaltungslösungen im Sinne von Good Practice. In einem ersten Schritt werden<br />
mit orientierenden Analysen die Untersuchungsschwerpunkte festgestellt. In Abhängigkeit<br />
der Ergebnisse und in Abstimmung mit den jeweiligen Unternehmen folgen spezielle<br />
Analysen.<br />
Ausgangspunkt der Betrachtungen ist das Bewertungssystem für Arbeitstätigkeiten in Anlehnung<br />
an Hacker und Richter (1980), welches die Bewertungsebenen (1) Ausführbarkeit, (2)<br />
Schädigungslosigkeit, (3) Beeinträchtigungsfreiheit und (4) <strong>Gesundheit</strong>sförderung und Lernförderlichkeit<br />
in ein hierarchisches System zusammenfasst. Der Hierarchische Aufbau bedeutet,<br />
dass vor der Beurteilung einer höheren Stufe geprüft werden muss, ob die Mindestanforderungen<br />
der darunter liegenden Ebene erfüllt sind. Interventionen sollten darauf ausgerichtet<br />
sein, dass immer erst die Mindestanforderungen zu erfüllen sind.<br />
Bewertungsebene<br />
4 Persönlichkeits- und <strong>Gesundheit</strong>sförderlichkeit<br />
3 Beeinträchtigungsfreiheit<br />
2 Schädigungslosigkeit<br />
1 Ausführbarkeit<br />
Abb.20: Bewertungssystem für Arbeitstätigkeiten in Anlehnung an Hacker und Richter<br />
(1980)<br />
(1) Ausführbarkeit<br />
Die vom Menschen ausgeübten Arbeitsfunktionen müssen auf der Grundlage, der beim gesunden<br />
Menschen vorhandenen Leistungsvoraussetzungen und den zur Verfügung stehen-<br />
49
den Ausstattungsmitteln (einschließlich Informationen), zuverlässig und langfristig erwartungsgerecht<br />
ausführbar sein. Menschbezogene Ausführbarkeitseinschränkungen können<br />
vorliegen, wenn gegen biologische, (darunter anthropometrische 2 ) Normative verstoßen wird<br />
oder wenn notwendige psychophysiologische und psychologische Leistungsbedingungen<br />
fehlen. Eingeschränkte Ausführbarkeit führt zu Effektivitätsminderungen und Fehlhandlungen.<br />
Die Arbeitsbedingungen, -mittel und die Aufgaben müssen so gestaltet sein, dass die Ausübung<br />
der Arbeit, entsprechend anthropometrischer Normative und psychophysiologischer<br />
Voraussetzungen, uneingeschränkt ausführbar ist.<br />
(2) Schädigungslosigkeit<br />
Hier wird geprüft, ob die langfristige Ausübung der Tätigkeit zu körperlichen und / oder psychonervalen<br />
<strong>Gesundheit</strong>sschäden führen kann. Diese Schädigungen können z. B. durch<br />
Lärm im Arbeitsraum, unzulässige chemische Schadstoffkonzentrationen in der Luft oder<br />
ungünstige Beleuchtungsverhältnisse bedingt ( sein <strong>Report</strong> und Leitfaden „Arbeitsumgebung<br />
und Ergonomie). Untersuchungen zeigen, dass rechnergestützte Arbeitstätigkeiten<br />
häufig mit einförmiger Körperhaltung bzw. körperlicher Zwangshaltung verbunden ist. Kurzzeitig<br />
kann solche Arbeit ausführbar sein, es besteht jedoch die Gefahr, dass hier bei dauerhafter<br />
Fehlanforderung Haltungsschäden (z. B. Bandscheibenvorfall) oder andere skelettmotorische<br />
Überlastungsschäden (z. B. Sehnenscheidenentzündungen) mit Schmerzen im<br />
Hals- / Nacken- / Rückenbereich auftreten.<br />
(3) Beeinträchtigungsfreiheit<br />
Kriterien dieser Bewertungsebene prüfen insbesondere das Auftreten aktueller Beeinträchtigungen<br />
durch die Arbeitssituation.<br />
Beeinträchtigungen sind<br />
- Befindlichkeitsbeeinträchtigungen<br />
- Beeinträchtigungen des aktuellen Leistungsprozesses (insbesondere Destabilisierungen<br />
in physischen und psychischen Regulationsprozessen der Arbeit)<br />
- Beeinträchtigung in der Akzeptanz und Zumutbarkeit.<br />
2 Anthropometrie – Lehre von den Körpermaßen<br />
50
Werden die Beschäftigten über einen gewissen Zeitraum bei der Ausübung ihrer Tätigkeit<br />
beeinträchtigt und fehlen geeignete Bewältigungsstrategien spricht man von Fehlbeanspruchungsfolgen.<br />
Folgen der Fehlbeanspruchung sind psychische Ermüdung oder auch ermüdungsähnliche<br />
Zustände, wie Monotonie und psychische Sättigung oder Stress. (vgl. Pkt<br />
2.2.2)<br />
(4) Persönlichkeits- und <strong>Gesundheit</strong>sförderlichkeit<br />
Anhand von Kriterien dieser Bewertungsebene können die langfristigen psychischen Auswirkungen<br />
von Belastungsfaktoren geprüft werden. Die Arbeitstätigkeit soll auch den Erhalt und<br />
die Weiterentwicklung von Leistungsvoraussetzungen (Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten,<br />
Einstellungen) ermöglichen und der umfassenden <strong>Gesundheit</strong>sstabilisierung und -förderung<br />
dienen. Merkmale für Lernförderlichkeit sind:<br />
− Ausreichender Tätigkeits- (Entscheidungs-) Spielraum für eigenständige Zielsetzungen<br />
(Kontrolle),<br />
− mentale und physische Anforderungsvielfalt und Anforderungsabwechslung,<br />
− ganzheitliche Aufträge mit erkennbarer sozialer Bedeutung für andere,<br />
− erfolgsbezogene, sozial vermittelte Rückmeldungen,<br />
− zwangsfreie Möglichkeiten zu unterstützender Kooperation,<br />
− Vorhersehbarkeit der Anforderungen,<br />
− Durchschaubarkeit der Arbeitssituation,<br />
− widerspruchsfreie Aufträge einschließlich der Rolleneindeutigkeit,<br />
− trainierende Nutzung der vorhandenen Qualifikationen.<br />
(Pohlandt, Quaas, Schönborn 2001)<br />
Die Schaffung beeinträchtigungsfreier, persönlichkeits- und gesundheitsförderlicher Arbeitund<br />
Arbeitsbedingungen gehören in das primäre Handlungsfeld der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung.<br />
Die Hierarchie der Bewertungsebenen macht allerdings auch deutlich, wie<br />
eng die <strong>Gesundheit</strong>sförderung mit dem betrieblichen Arbeitsschutz und der Arbeitsmedizin<br />
(Schaffung schädigungsloser Arbeitsbedingungen) und den ingenieurtechnischen Aufgaben<br />
(Planung und Projektierung ausführbarer Arbeitsbedingungen) verknüpft ist.<br />
Ganzheitliche Analyseprozesse setzen voraus, dass sie so strukturiert sind und die Analyseinstrumente<br />
so gewählt sind, dass Aussagen zu allen Bewertungsdimensionen gemacht<br />
werden können. Um einerseits subjektiv verzerrte Aussagen zu vermeiden, aber anderer-<br />
51
seits individuelles Wissen der Kundenberater zu erfassen, wird bei der Analyse eine Kombination<br />
von objektiven und subjektiven Verfahren ausgewählt. Daraus ergibt sich folgender<br />
Analyseplan für die betrieblichen Untersuchungen.<br />
Die in den einzelnen Call Centern eingesetzten Verfahren und Methoden werden entsprechend<br />
des Projektauftrages (vgl Pkt. 3.3.3) bzw. der jeweiligen Problemstellung in den einzelnen<br />
Unternehmen ausgewählt.<br />
Ziel/ Fragestellung Eingesetzte Verfahren und Methoden 3<br />
(0) Bestimmung der Untersuchungsschwerpunkte<br />
(1) Sind die Tätigkeiten langfristig,<br />
zuverlässig ausführbar?<br />
(Bewertung der Ausführbarkeit)<br />
(2) Sind arbeitsbedingte <strong>Gesundheit</strong>sgefahren<br />
ausgeschlossen?<br />
(Bewertung der<br />
Schädigungslosigkeit)<br />
Auftrags- und Bedingungsanalyse<br />
- Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung<br />
- Dokumentenanalyse<br />
- Experteninterviews<br />
- mit Fach und Führungskräften<br />
(unstandardisiert)<br />
- mit Beschäftigten<br />
(Verfahren BEBA - halbstandardisiert)<br />
- Beobachtung und Tätigkeitsablaufanalysen<br />
Ergonomische Beurteilung/<br />
Einschätzung und Prüfung der<br />
Arbeitsbedingungen<br />
durch<br />
- Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung<br />
- Bildschirmarbeitsanalyse<br />
(Verfahren SAHIB)<br />
- Messung<br />
- Befragung<br />
3 Beschreibung der Analysenmethoden im Pkt. 3.3.3 ; Kurzübersicht der eingesetzten Verfahren in der<br />
Anlage1<br />
52
Ziel/ Fragestellung Eingesetzte Verfahren und Methoden 4<br />
(3) Treten psychische Beeinträchtigungen<br />
auf?<br />
(Bewertung der<br />
Beeinträchtigungsfreiheit)<br />
- Messung der Beanspruchung durch<br />
Befragung<br />
- Ermüdung, Monotonie, Sättigung,<br />
Stress<br />
(Verfahren BMS)<br />
(4) Gibt es Verbesserungsmöglichkeiten,<br />
die Tätigkeit lern- und gesundheitsför<br />
derlich zu <strong>gestalten</strong>?<br />
(Bewertung der Lern- und<br />
<strong>Gesundheit</strong>sförderlichkeit)<br />
- Ermittlung von <strong>Gesundheit</strong>sressourcen<br />
durch Befragung<br />
(Verfahren SALSA)<br />
Abb. 21: Gesamtablaufplan für die Untersuchungen<br />
4.2.2 Untersuchungsfelder, Arbeitsaufgaben, allgemeine organisatorische Bedingungen<br />
Untersuchungsfelder:<br />
Von der Otto-von-Guericke-Universität werden vier Call Center akquiriert, in denen Analyseund<br />
Gestaltungsprozesse durchgeführt werden. Den Unternehmen wird die vollständige A-<br />
nonymität zugesichert. Wichtig für die Betrachtungen, Einschätzungen und Auswertungen<br />
der Analyseergebnisse sind allerdings Kenntnisse zum Aufgabenspektrum und zu den allgemeinen<br />
organisatorischen Bedingungen der einbezogenen Call Center.<br />
4 Beschreibung der Analysenmethoden im Pkt. 3.3.3 ; Kurzübersicht der eingesetzten Verfahren in der<br />
Anlage 1<br />
53
Eine Kurzcharakteristik der Call Center ist der Abb. 22 zusammengestellt:<br />
CCM1<br />
Dienstleister, (vorwiegend Inbound)<br />
z. Z. ca. 300 Beschäftigte (Vollzeit und Teilzeit)<br />
Leistungsspektrum:<br />
Kundenservice, Auskunftsdienste, Informationsdienst, Gerätehandling, Beschwerdemanagement,<br />
Bestellannahme<br />
CCM2<br />
Inhouse Call Center (Inbound)<br />
z. Z. ca. 100 Beschäftigte im Bereich Kundenberatung (Vollzeit)<br />
Leistungsspektrum:<br />
Kundenservice, Kundenbindung, Auskunft, Beratung, Auftragsannahme,<br />
Beschwerdemanagement, Verkauf<br />
CCM3<br />
Inhouse Call Center, (fungiert z. T. auch als Dienstleister)<br />
(Inbound und Outbound)<br />
z. Z. ca. 130 Beschäftigte vorwiegend Teilzeit<br />
Leistungsspektrum:<br />
Kundenservice, Kundenbindung, Bestellannahme, Auskunft, Beratung, Beschwermanagement,<br />
Postbearbeitung, Kundengewinnung, Verkauf, Adressqualifizierung,<br />
Produkt- und Servicewerbung<br />
CCM4 5<br />
Inhouse Call Center eines Großunternehmens (vorwiegend Inbound)<br />
z. Z. ca. 200 Beschäftigte (im Aufbau) vorwiegend Vollzeit<br />
Leistungsspektrum:<br />
Kundenservice, Kundenbetreuung, Gerätehandling, Auskunft, Beratung,<br />
Beschwerdemangement,<br />
Abb. 22: Kurzcharakteristik der Untersuchungsfelder<br />
5 im Call Center CCN4 wurde nur eine Grobanalyse durchgeführt<br />
54
Da es im Call Center 3 einen Inbound und einen Outboundbereich gibt und sich diese Tätigkeiten<br />
hinsichtlich der Anforderungen unterscheiden, werden diese Bereiche in den folgenden<br />
Ausführungen und den weiteren Auswertungen getrennt betrachtet.<br />
Das Call Center 4 wurde nur in der Anfangsphase in die Analysen einbezogen (Gespräche<br />
mit Teamleitern und Vorgesetzten, Arbeitsplatzbegehung, Schichtbeobachtung).<br />
Spezifische Situation in Sachsen Anhalt:<br />
Die in die Analysen einbezogenen Call Center sind junge Unternehmen / Unternehmensbereiche.<br />
Sehr viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind erst kurze Zeit im Call Center beschäftigt<br />
bzw. befinden sich in der Einarbeitungsphase bzw. Probezeit. Die Arbeitslosenquote<br />
in Sachsen Anhalt ist mit ca. 20 % eine der höchsten in der Bundesrepublik. Die Mitarbeiter<br />
sind zum großen Teil aus der Arbeitslosigkeit bzw. von der Arbeitslosigkeit bedrohten<br />
Beschäftigungsverhältnissen rekrutiert.<br />
Arbeitsaufgaben:<br />
Das Telefonieren ist die Haupttätigkeit eines Call Agenten. Im Inbound-Bereich gehen Anrufe<br />
ein und im Outbound werden die Kunden gezielt angerufen, um z. B. Meinungsumfragen<br />
oder Verkäufe zu tätigen. Der Ablauf eines Kundengespräches ist in seiner Grundstruktur in<br />
jedem Call Center ähnlich.<br />
In der Abbildung 23 ist ein typisches Kundengespräch (Inbound) vereinfacht dargestellt. Es<br />
wird deutlich, dass der Agent in der Regel mehrere Handlungen gleichzeitig ausführt. Während<br />
des Kundengespräches werden z. B. Informationen beschafft, Gesprächsverläufe dokumentiert<br />
bzw. Kundendateien gepflegt. Fast in jedem Call Center besteht die Auflage,<br />
Nachbearbeitungszeiten möglichst kurz zu halten, deshalb versucht der Agent in der Regel<br />
möglichst alle Nachbereitungstätigkeiten schon während des Gespräches auszuführen.<br />
55
Kundengespräch<br />
z.B.<br />
- Problem erfassen,<br />
- Nachfragen,<br />
- Auskunft erteilen,<br />
- Handlungsanleitung<br />
geben,<br />
- Informationen<br />
aufnehmen,<br />
- aktive<br />
Produktwerbung,<br />
- Verkauf,<br />
- Terminvereinbarung<br />
Informationsbeschaffung<br />
(idR während des Gespräches)<br />
Kundendaten, Intranet, spezielle<br />
Informationssysteme, Bücher,<br />
Ordner, Handzettel, mündliche<br />
Nachfrage bei Kollegen und/oder<br />
Vorgesetzten)<br />
Nachbearbeitung<br />
(häufig schon während des Gespräches)<br />
- Aktualisierung von Kundendaten,<br />
- Gesprächsdokumentation,<br />
- Weiterleiten von Informationen<br />
[Email, Fax, Telefon],<br />
- Problemlösungen mit Fachabteilungen,<br />
- Rückruf<br />
Warten<br />
- Erledigung sonstiger Sachbearbeitertätigkeiten<br />
(z. B. Prospektversand, Postbearbeitung)<br />
- Nutzung der Wartezeit zur Regeneration<br />
Abb. 23: Ablauf eines Calls (Inbound)<br />
56
Dennoch ergeben sich Unterschiede in der Arbeitstätigkeit / Arbeitsausführung aus:<br />
der Variabilität der Kundenanfragen und den Kompetenzen der Beschäftigten<br />
- Anzahl der Auftraggeber<br />
- Niveau der Kundenanfragen<br />
- Entscheidungsspielräume bei der Problemlösung<br />
den Bedingungen der Informationsbeschaffung<br />
- Anzahl und Aufbau der zu nutzenden Informationssysteme<br />
- Zugriffsmöglichkeiten zu speziellen Informationen<br />
- Nutzung von Expertenwissen bei speziellen Problemen (z. B. durch gezielte<br />
Nachfrage in Fachabteilungen)<br />
den Bedingungen der Nachbearbeitung<br />
- Kompetenzen, Vorgaben<br />
- inhaltliche und zeitliche Spielräume ( z. B. Möglichkeit der Weiterverfolgung<br />
eines Kundenproblems)<br />
- Tätigen von Rückrufen (z. B. vollständige Bearbeitung eines Kundenproblems)<br />
- Kommunikationsmöglichkeiten z. B. mit Fachabteilungen, um z. B. ein Problem<br />
selbständig (vollständig) zu lösen<br />
den Anteil und die Nutzung von Wartezeiten<br />
- Ausruhen, Erholung, private Dinge, Gespräche mit Kollegen<br />
- Qualität, Quantität und Ausführungsbedingungen von zusätzlichen Tätigkeiten<br />
Die Dauer eines Gespräches richtet sich je nach der Komplexität der Anfrage und nach der<br />
Notwendigkeit des Einholens zusätzlicher Informationen und dauert in der Regel ein bis fünf<br />
Minuten.<br />
Tätigkeiten zur Vor- und Nachbereitung der Aufträge<br />
Insgesamt ist festzustellen, dass von den Beschäftigten sehr wenig vor- und nachbereitende<br />
Tätigkeiten ausgeführt werden. Teilweise erfolgen diese Erledigungen sogar außerhalb der<br />
regulären Arbeitszeit. Folgende Tätigkeiten sind der Vor- bzw. Nachbereitung zuzuordnen:<br />
- PC hochfahren / herunterfahren<br />
57
- Programme einstellen<br />
- Passwörter eingeben / Anmelden / Abmelden<br />
- Änderungen (Informationen, Tarife) aufnehmen<br />
- Updates herunterladen<br />
Überprüfung des eigenen Arbeitsergebnisses<br />
Zur Selbstkontrolle haben die Beschäftigten in einigen Fällen die Möglichkeit, die eigene<br />
Tagesleistung einzusehen. (Anzahl der Calls, Länge der Calls, genutzte Nachbearbeitungszeiten).<br />
Bei Verkaufstätigkeiten werden von den Beschäftigten selbständig Statistiken geführt.<br />
Kooperation / Zusammenarbeit<br />
Zusammenarbeit und Kooperationsmöglichkeiten der Kollegen und Kolleginnen untereinander<br />
sind gegeben. Organisierte Teambesprechungen erfolgen eher selten (z. B. alle zwei<br />
Monate). Die Kooperationsmöglichkeiten mit Fachabteilungen sind eher gering. Diese Defizite<br />
werden von den Beschäftigten negativ beurteilt.<br />
Allgemeine organisatorische Bedingungen:<br />
Arbeitszeit:<br />
Relevante Kenngrößen der Arbeitszeitgestaltung sind:<br />
(a) die Länge der Arbeitszeit<br />
(b) die Lage der Arbeitszeit und<br />
(c) die Vorhersehbarkeit von Arbeitszeit<br />
(a) Länge der Arbeitszeit<br />
In den untersuchten Call Centern sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen voll- bzw. teilzeitbeschäftigt.<br />
Bei den Teilzeitbeschäftigten wird zwischen den festangestellten in der Regel mit<br />
30 Wochenstunden und den geringfügig Beschäftigten (Studenten) unterschieden. Die Einteilung<br />
zur Arbeit bezogen auf die Arbeitslänge erfolgt in den Untersuchungsbereichen entsprechend<br />
der vertraglichen Regelungen. Die Leistung von Überstunden ist die Ausnahme.<br />
58
(b) Lage der Arbeitszeit<br />
Die Hauptarbeitszeit liegt je nach Aufgabenstruktur im Call Center zwischen 9.00 / 11.00 Uhr<br />
und 18.00 / 20.00 Uhr. In den Zeiten zwischen 6.00 Uhr und 9.00 Uhr und 20.00 Uhr bis<br />
22.00 Uhr sind die Call Center ebenfalls besetzt, aber mit stark verminderter Kapazität. Nur<br />
in einem der analysierten Bereiche wird auch nachts, allerdings ebenfalls mit stark verminderter<br />
Kapazität, gearbeitet.<br />
(c) Vorhersehbarkeit<br />
In allen vier Call Centern erfolgt die Einteilung der Beschäftigten zur Arbeit in der Regel in<br />
einer monatlichen Vorausschau. Nur selten werden kurzfristige Anpassungen vorgenommen.<br />
Zwei flexible Arbeitszeitsysteme werden praktiziert:<br />
1. Gleitzeitsystem: Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden in 8 Schichten im regelmäßigen<br />
Wechsel eingeteilt. Je nach Schichtlage besteht die Möglichkeit, die Arbeitszeit zum Beginn<br />
und zum Ende der Schicht in begrenztem Rahmen (0,5 bis 2,5 Stunden) eigenverantwortlich<br />
zu variieren.<br />
2. Wahl von Wunschschichten: Die Call Agenten haben hier die Möglichkeit, sich in einer<br />
monatlichen Vorausschau einer Wunschschicht zuzuordnen. Eine rechnergestützte Bedarfsanalyse<br />
ermöglicht einen Vergleich zwischen Wunsch- und benötigten Schichten. Zu ca.<br />
80 % können die bevorzugten Schichtzeiten der Beschäftigten realisiert werden. Des weitern<br />
gibt es unbegrenzt die Möglichkeit, Schichten zu tauschen. Voraussetzung ist dabei die Einhaltung<br />
der gesetzlichen Vorschriften in Bezug auf die Ruhezeiten sowie eine Information an<br />
den Schichtverantwortlichen. Die Koordination des Arbeitszeitmanagements wird von einer<br />
speziell dafür eingesetzten Person durchgeführt. Als Nachteil wird von den Beschäftigten<br />
angegeben, dass besonders bereitwillige (gutmütige) Mitarbeiter häufig Schichten tauschen<br />
und die eigenen Interessen zurückstellen.<br />
Pausen:<br />
Bei den Pausen wird zwischen der gesetzlich vorgeschriebenen, nicht zur Arbeitszeit gehörenden<br />
Pause (nach spätestens sechsstündiger Tätigkeit) und den zusätzlichen Kurzpausen<br />
zur Erledigung persönlicher Bedürfnisse bzw. der Bildschirmpause nach der Bildschirmarbeitsverordnung<br />
unterschieden.<br />
59
Die Lage der gesetzlichen Pause wird bis auf eine Ausnahme in den Call Centern zu Beginn<br />
der Arbeitsschicht bekannt gegeben. In einem Fall entscheiden die Mitarbeiter aufgrund des<br />
Anrufaufkommens über die Lage ihrer Pause. Nach Aussagen der Beschäftigten kommt sehr<br />
selten vor, dass gesetzliche Pausen nicht wahrgenommen werden können.<br />
Sehr unterschiedlich gehandhabt wird die Gewährung und die Nutzung von zusätzlichen<br />
Erholzeiten. Bildschirmpausen nach der Bildschirmarbeitsverordnung werden in keinem Call<br />
Center planmäßig gewährt.<br />
Nach Auskunft der Führungskräfte können Erholungszeiten jedoch von jedem Beschäftigten<br />
regelmäßig genutzt werden.<br />
Die Richtwerte dafür sind unterschiedlich:<br />
4x 10 min über den Tag verteilt<br />
5 % der Arbeitszeit<br />
nach Bedarf aber möglichst wenig<br />
in Absprache mit dem Team<br />
Die Mitarbeiter, insbesondere die Nichtraucher erleben bezüglich der zusätzlichen Kurzpausen<br />
eine gewisse Unsicherheit. Insbesondere Beschäftigte, die erst kurze Zeit im Call Center<br />
tätig sind, schöpfen diese Möglichkeiten aus Angst um den Arbeitsplatz nicht aus. Im übrigen<br />
ist das Gefühl verbreitet, Kurzpausen sind eigentlich unerwünscht und die häufige Nutzung<br />
wirkt sich auf die persönliche Arbeitssituation negativ aus.<br />
Leistungsbewertung:<br />
Die Leistungsbewertung erfolgt unterschiedlich. Leistungskriterien sind dabei<br />
- Anzahl der Calls<br />
- Dauer der Calls<br />
- Pausenverhalten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
- Anzahl der Verkäufe<br />
- Erreichbarkeit<br />
- Länge der Nachbearbeitungszeiten<br />
- Anzahl der zusätzlich bearbeiteten Post<br />
- Kundenzufriedenheit<br />
60
Eine reine leistungsbezogene Entlohnung erfolgt in keinem der vier Call Center. In zwei Untersuchungsbereichen<br />
werden die Ergebnisse ausschließlich teambezogen ausgewertet. Die<br />
Gehaltsentwicklung wird dadurch nicht beeinflusst. In einem Unternehmen erfolgt zwar eine<br />
personenbezogene Auswertung der Arbeitsleistung, diese wirkt sich allerdings nicht auf das<br />
aktuelle Gehalt aus (jedoch auf die allgemeine Gehaltsentwicklung). In einem weiteren Call<br />
Center wird eine vierteljährliche, personenbezogene Auswertung vorgenommen. Das Ergebnis<br />
beeinflusst den Prämienbestandteil des Entgeltes.<br />
Zusammenfassung - Merkmale der Untersuchungsbereiche<br />
Call Center ist nicht gleich Call Center. Jedes Unternehmen hat seine spezifischen Bedingungen<br />
und Besonderheiten. In der Abbildung 24 sind einige ausgewählte Merkmale, welche<br />
zum Verständnis der Analyseergebnisse notwendig sind, zusammengefasst, bezogen auf die<br />
in die Untersuchung einbezogenen Call Center dargestellt.<br />
Aufgaben / Organisation<br />
CCM1<br />
inbound<br />
CCM2<br />
inbound<br />
CCM3<br />
inbound<br />
CCM3<br />
outbound<br />
CCM4<br />
inbound<br />
Datenerfassung und Verwaltung x X X x X<br />
Beratung und Problemlösung X X x X<br />
Verkauf von Produkten X X<br />
Analyse von Markt- und Verbraucherverhalten<br />
X<br />
Beschwerdemanagement X X X X<br />
Zusätzliche Tätigkeiten (Sachbearbeitung) x X X<br />
Komplexität der Arbeitsaufträge (Grobeinschätzung)<br />
Komplexität der Informationssysteme<br />
(Grobeinschätzung)<br />
Arbeitszeit<br />
gering mittel gering gering hoch<br />
mittel hoch gering gering hoch<br />
Gleitzeit<br />
Wunschschicht<br />
Erläuterung<br />
x<br />
X<br />
X<br />
wird durchgeführt, spielt insgesamt eine untergeordnete Rolle<br />
Bestandteil der Tätigkeit<br />
dominierender Bestandteil der Arbeitsaufgabe<br />
Abb. 24: Unternehmensmerkmale<br />
61
Die Analyse der Arbeitsaufgaben und der Organisation stellen unter anderem auch Ausgangspunkte<br />
für verhältnispräventive Maßnahmen dar.<br />
4.2.3 Ermittlung psychischer Belastungen (Screening)<br />
Die Ermittlung von leistungsmindernden und gesundheitsbeeinträchtigenden Belastungsfaktoren<br />
erfolgte mit Hilfe des Befragungsverfahrens BEBA (Belastungsanalyse bei Bildschirmarbeit;<br />
Pohlandt, Jordan, Maßloch, Ott und Hacker, 1997). Dieses Verfahren ist ein<br />
Screening-Verfahren und gibt erste Hinweise auf Schwachstellen in der Arbeitsgestaltung.<br />
Es entstand im Rahmen des Projektes SANUS und wurde im Jahr 2000 von Pohlandt mit<br />
einem Zusatzmodul „Kundenarbeit“ für die Tätigkeiten im Call Center angepasst.<br />
Mit Hilfe dieses Verfahrens werden erlebte kritische Belastungsquellen und arbeitsbedingte<br />
<strong>Gesundheit</strong>sgefahren erhoben.<br />
Kriterien sind z. B.:<br />
- Erlebte Ganzheitlichkeit der Arbeitsaufgabe<br />
(selbständiges Planen, Organisieren, Ziele setzten)<br />
- Qualifikationsnutzung und -entwicklung<br />
(Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten; Nutzung vorhandenen Wissens)<br />
- Beteiligungsmöglichkeiten bei der Arbeitsgestaltung<br />
(Beteiligung der Beschäftigten bei der Gestaltung von Arbeitsplatz,<br />
Arbeitsorganisation, Arbeitszeit .....)<br />
- Zeitliche Spielräume<br />
(Vorhandensein zeitlicher Spielräume bei der Erledigung der Aufgaben)<br />
- Informationsverfügbarkeit<br />
(alle notwendigen Informationen stehen rechtzeitig zur Verfügung)<br />
- Soziale Unterstützung<br />
(Kommunikation und Kooperation sind möglich und notwendig)<br />
- Emotionale Belastung durch Kundenarbeit<br />
(auch unangenehme Kundenkontakte (verärgerte Kunden)<br />
- Benutzerfreundlichkeit der Technik<br />
62
(Technische Systeme sind durchschaubar, beherrschbar und<br />
nachvollziehbar)<br />
Dieses Verfahren wird in den Call Centern CCM1 bis CCM3 eingesetzt. Als kritisch werden<br />
Belastungsfaktoren bewertet, wenn mehr als 50 % der Befragten eines Arbeitsbereiches diese<br />
Belastung erleben und benennen.<br />
Arbeitsaufgabe wird nicht ganzheitlich empfunden<br />
CCM1<br />
CC M2 CC M3<br />
outb.<br />
CCM3<br />
inb.<br />
X<br />
Zu wenig körperliche Abwechslung X X X X<br />
Zu geringe zeitliche Spielräume X X X X<br />
Zu wenig Beteiligungsmöglichkeiten bei AG X X<br />
Belastungen durch aggressives Kundenverhalten X X<br />
Mangelnde Informationsverfügbarkeit<br />
X<br />
Keine Störungsfreiheit X X X<br />
Defizite in der Qualifikationsnutzung/ Entwicklung X X<br />
Mangelnde Benutzerfreundlichkeit der Technik X X X X<br />
Abb. 25: Erlebte Belastungen bei der Arbeit bei jeweils mindestens 50 % der befragten<br />
Personen<br />
Die Angabe von kritischen Belastungen gibt erste Hinweise auf Mängel der Arbeitsaufgabenund<br />
der Arbeitsorganisationsgestaltung. Der Vergleich der Call Center in der Abbildung 25<br />
zeigt deutlich, dass übereinstimmend eine mangelnde körperliche Abwechslung, die geringen<br />
zeitlichen Spielräume sowie eine mangelnde Benutzerfreundlichkeit der Technik von<br />
den Beschäftigten als Belastung erlebt wird. Die „mangelnde Benutzerfreundlichkeit der<br />
Technik“ kann u. a. Defizite in der Gestaltung und Aufgabenangemessenheit der Softwaresysteme,<br />
aber auch eine zu geringe Leistung der Rechnersysteme zum Ausdruck bringen.<br />
Da es ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen ist, die Umwelt (hier das technische System)<br />
zu beherrschen, kann die erlebte mangelnde Benutzerfreundlichkeit auch auf Qualifika-<br />
63
tionsdefizite hinsichtlich des Umganges mit der Technik und den Programmsystemen deuten.<br />
Wenn die Aufgaben und Zielstellungen nebengeordneter Organisationseinheiten im Unternehmen<br />
vom Beschäftigten nicht durchschaut werden, kann es passieren, dass die eigene<br />
Arbeit als wenig sinnvoll erlebt wird. Interessant ist auch das Ergebnis, dass in zwei Call<br />
Centern mehr Beteiligung bei der Gestaltung und Organisation der Arbeit gewünscht wird.<br />
Insbesondere in Call Centern mit einer geringen Komplexität der Aufgaben und Informationssysteme<br />
wird auch die Nutzung eigener Qualifikationen nicht ausreichend empfunden.<br />
Die erlebten Belastungen können zu ungünstigen Beanspruchungsfolgen führen.<br />
Es wurden deshalb auch erlebte arbeitsbedingte Beschwerden und Beeinträchtigungen erhoben.<br />
Die Abbildung 26 zeigt, dass fast in allen Untersuchungsbereichen gesundheitliche<br />
Beschwerden und in allen Call Centern bei mindestens 50 % der befragten Personen psychische<br />
Beeinträchtigungen in Zusammenhang mit der Arbeit erlebt werden.<br />
<strong>Gesundheit</strong>liche Beschwerden und psychische<br />
Beeinträchtigungen während oder nach der<br />
Arbeit:<br />
<strong>Gesundheit</strong>liche Beschwerden<br />
- Rücken, Schulter, Nacken<br />
Mindestens 50 % der Beschäftigten des<br />
Untersuchungsbereiches geben derartige<br />
Beschwerden an:<br />
CCM1 CCM2 CCM3<br />
Outb.<br />
CCM4<br />
Inb.<br />
X X X<br />
- Kopfschmerzen<br />
Psychische Beeinträchtigungen<br />
- müde und abgespannt X X X X<br />
Abb. 26: Erlebte gesundheitliche Beschwerden und psychische Beeinträchtigungen<br />
Abgesehen von der sitzenden Tätigkeit sind die Ursachen je nach Struktur der Arbeitsaufgabe<br />
und der Ausführungsbedingungen in jedem Call Center unterschiedlich und können zum<br />
Beispiel Überforderung oder Unterforderung durch die Arbeitsaufgabe, fehlende inhaltliche<br />
oder zeitliche Freiheitsgrade, Qualifikationsdefizite beim Mitarbeiter sowie eine Kombination<br />
verschiedener Ursachen sein.<br />
64
Die fehlenden körperlichen Beschwerden im Call Center CCM1 können möglicherweise mit<br />
teilweise langen Wartezeiten (bis zu 5 min) zwischen zwei Kundengesprächen begründet<br />
werden. Diese Zeiten werden von den Beschäftigten zur Erholung, Entspannung, körperliche<br />
Bewegungen und Gespräche mit Kollegen genutzt und bilden somit eine wichtige Ressource.<br />
4.2.4 Ergonomische Arbeitsplatzanalyse (Screening)<br />
Hier wird ermittelt, inwieweit die Ausstattung des Arbeitsplatzes und die Bedingungen der<br />
Arbeitsumgebung (Klima, Lärm, Beleuchtung) eine gesundheitsgerechte Ausübung der Arbeitstätigkeit<br />
zulassen. Das beinhaltet natürlich auch die Ermittlung der Kenntnisse der Beschäftigten<br />
im richtigen Umgang mit den Arbeitsplatzelementen.<br />
Eingesetzt wird hier das Analyseinstrument SAHIB (System zur Analyse der Hardware-<br />
Komponenten am Bildschirmarbeitsplatz Kurtz, Buchheim & Hippmann, 1996). Es wurde<br />
eine Arbeitsplatzbegehung durchgeführt. Gespräche mit Beschäftigten bzw. Vorgesetzten<br />
ergänzten die Erhebungen.<br />
Da die in die Analysen einbezogenen Call Center sehr junge Unternehmen bzw. Unternehmensbereiche<br />
sind, wurden auch das Mobiliar und die Arbeitsmittel erst in den letzten Jahren<br />
angeschafft. Bezüglich der Ausstattung der Arbeitsplätze (Bildschirm, Tastatur, Maus, Tisch<br />
und Stuhl) sind kaum Defizite zu verzeichnen. In einem Call Center sind alle Arbeitsplätze<br />
mit höhenverstellbaren Tischen ausgestattet, was von den Beschäftigten sehr positiv bewertet<br />
wird.<br />
Einzelne, vom Untersuchungsteam identifizierte, nicht flimmerfreie Bildschirme wurden in<br />
den Unternehmen sofort geprüft und ggf. ausgetauscht. In einem Unternehmen sind Einschränkungen<br />
in bezug auf die Platz- und Bewegungsfreiheit festgestellt worden. Dort beeinträchtigt<br />
eine Ablage unter dem Tisch die Beinfreiheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.<br />
Trotz der relativ guten Ausstattungsbedingungen werden häufig physiologisch ungünstige<br />
Sitzhaltungen festgestellt, was auf Informations- und Wissensdefizite der Beschäftigten hinsichtlich<br />
einer gesunden rückenschonenden Sitzhaltung schließen lässt.<br />
Ein wesentlicher Schwachpunkt in der Gestaltung der Büroräume liegt in den vorgefundenen<br />
mangelhaften Beleuchtungs- und Sehbedingungen, dem als störend empfundenen Lärm<br />
(Geräusche) sowie der oftmals nicht im Behaglichkeitsbereich liegenden klimatischen Bedingungen.<br />
65
Die Anordnung der Arbeitsplätze im Großraumbüro kann selten für alle Beschäftigten gleichermaßen<br />
gute Sehbedingungen gewährleisten. In drei Call Centern ist die Lage der Arbeitsplätze<br />
zur Beleuchtungsanlage und zu den Fensterfronten ungünstig. Spiegelungen,<br />
Reflexionen und Blendungen stören und beeinträchtigen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.<br />
In bezug auf das Klima wird über trockene Luft, Zugluft und insbesondere im Sommer<br />
über zu hohe Raumtemperaturen geklagt. Einzelne Messungen hinsichtlich der Beleuchtung<br />
und des Lärms untermauern die Ergebnisse. Auf eine ausführliche Darstellung der Messungen<br />
und der Messergebnisse wird an dieser Stelle verzichtet, da ausführliche Beschreibungen<br />
zu dieser Thematik und detaillierte Lösungsvorschläge in dem Leitfaden „Ergonomie und<br />
Arbeitsumgebung“ zu finden sind.<br />
Die Gestaltung des Arbeitsplatzes ist ein sensibles Thema und sollte nicht ohne Einbeziehung<br />
der Beschäftigten erfolgen. Bei reinen Expertenlösungen besteht die Gefahr,<br />
dass gut gemeinte und fachlich richtige Lösungen von den Beschäftigten nicht<br />
akzeptiert werden und somit die erwünschte positive Wirkung ausbleibt bzw. neue<br />
negative Begleiterscheinungen auftreten können.<br />
Ein Beispiel dafür ist die Installation von Trennwänden zur Verminderung von Geräuschbelästigungen<br />
der Beschäftigten durch die Kundenarbeit der Kolleginnen und Kollegen im Arbeitsraum.<br />
Der störenden Geräuschentwicklung kann z. B. durch die Einrichtung von Trennwänden<br />
entgegengewirkt werden. Der Einrichtung von derartigen Lärmwänden steht oftmals<br />
das Bedürfnis und auch die Notwendigkeit der Möglichkeit zur Kommunikation mit benachbarten<br />
Arbeitsplätzen entgegen. Nach Kompromisslösungen ist zu suchen.<br />
4.2.5 Kurzfristige Fehlbeanspruchungsfolgen<br />
Orientierende Messungen zu den kurzfristigen Beanspruchungsfolgen erfolgen mit Hilfe der<br />
Beanspruchungsmessskalen BMS II (Plath & Richter, 1984). Ergänzend dazu werden die<br />
Beanspruchungsratings (Quaas in Anlehnung an Plath / Richter) eingesetzt. Die Ergebnisse<br />
der Beanspruchungsratings haben den Vorteil, dass auch bei vorsichtiger Beantwortung der<br />
Einzelfragen durch die Beschäftigten, Trends hinsichtlich auftretender Fehlbeanspruchungsfolgen<br />
erkennbar werden. Das ist insbesondere in den vorliegenden Untersuchungsfeldern<br />
sehr bedeutsam, da wie bereits im Punkt 4.2.2 beschrieben, viele Beschäftigte in den<br />
Call Centern zuvor arbeitslos waren und die Freude über einen Arbeitsplatz bzw. die Skepsis<br />
gegenüber derartigen Befragungsaktionen einen nicht zu unterschätzenden Einfluss darstellen<br />
kann.<br />
66
Bei der Entwicklung von Gestaltungsmaßnahmen spielt die Analyse kurzfristiger Fehlbeanspruchungsfolgen<br />
eine große Rolle (vgl. Pkt 2.2.2 und Abb. 10).<br />
Das Ergebnis der Analysen ist zusammengefasst in der Abbildung 27 dargestellt.<br />
CCM1<br />
CC M2<br />
Monotonie - mittlere Beeinträchtigung<br />
Psychische Ermüdung - leichte Beeinträchtigung<br />
Psychische Sättigung – starke Beeinträchtigung<br />
CC M3<br />
keine Beeinträchtigung (Tendenz Monotonie)<br />
(Inb.)<br />
CC M3<br />
Monotonie – leichte Beeinträchtigung<br />
(outb.)<br />
Abb. 27: Fehlbeanspruchungsfolgen<br />
Die Beanspruchungsfolge Monotonie ist gekennzeichnet durch Langeweile und Interesselosigkeit<br />
infolge eintöniger, unterfordernder Tätigkeit. Insbesondere in den Call Centern I und<br />
III, wo einfache Aufgabenstrukturen vorherrschen und häufige Wiederholung ähnlicher Kundenanfragen<br />
bzw. Handlungen erfolgen, tritt Monotonie bzw. die Tendenz dazu auf. Folgen<br />
von Monotonie können nachlassende Konzentration, Unlustgefühl, Interesselosigkeit und<br />
eine verringerte Arbeitszufriedenheit sein.<br />
Im Call Center II treten die Beanspruchungsfolgen psychische Ermüdung und psychische<br />
Sättigung auf. Die Beanspruchungsfolge psychische Ermüdung wird als Zustand der Erschöpfung<br />
und Müdigkeit definiert, die nach längerer Tätigkeitsdauer bzw. erhöhter Schwierigkeit<br />
entsteht. Die Aktivierung ist bei diesem psychophysiologischen Zustand anfangs kompensatorisch<br />
erhöht, bei längerer Dauer gesenkt. Im Zusammenhang mit psychischer Ermüdung<br />
treten insbesondere Leistungsschwankungen und Fehlhandlungen auf.<br />
Psychische Sättigung ist ein Zustand unlustbetonter Gereiztheit bei erlebter fehlender Sinnhaftigkeit<br />
der Aufgabe. Die Fehlbeanspruchungsfolge ist in der Regel mit Arbeitsunzufriedenheit,<br />
Demotivation und "Dienst nach Vorschrift" verbunden.<br />
Die Beanspruchungsfolgen „Psychische Sättigung“ und Psychische Ermüdung im Call Center<br />
II deuten möglicherweise auf eine mangelnde Lernförderlichkeit der Arbeit, wenig Beteili-<br />
67
gung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei der Gestaltung der Arbeit sowie einseitige körperliche<br />
Belastungen hin.<br />
Vertiefende Informationen und weitere detaillierte Analyseergebnisse zu Fehlbeanspruchungsfolgen<br />
im Call Center sind in dem <strong>Report</strong> „Effektive Arbeitsgestaltung“ und „Psychische<br />
Belastungen und Beanspruchungen im Call Center“ des Verbundes der Universitäten<br />
Dresden, Potsdam und Wuppertal beschrieben.<br />
4.2.6 Ressourcen<br />
Ressourcen sind Bedingungen und Schutzfaktoren, die dazu beitragen, die <strong>Gesundheit</strong> und<br />
das Wohlbefinden des Einzelnen trotz Belastungen aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen.<br />
<strong>Gesundheit</strong> ist ein Prozess der Erzeugung, Aufrechterhaltung und Wiederherstellung<br />
einer dynamischen Balance und setzt das permanente Nutzen oder Beeinflussen von personalen<br />
und situativen Bedingungen voraus (Riemann und Udris in Strohm und Ulich 1998).<br />
Dieser Prozess ist abhängig von der Verfügbarkeit bzw. Nutzung innerer (personaler) und<br />
äußerer (situativer, organisationaler und sozialer) Ressourcen von <strong>Gesundheit</strong>. (vgl. Pkt<br />
2.2.1)<br />
Der Fragebogen „Salutogenetische Subjektive Arbeitsanalyse“ (SALSA; Udris & Rimann,<br />
1999) erfasst Arbeitsanforderungen und Arbeitsbelastungen einer Tätigkeit sowie <strong>Gesundheit</strong>sressourcen<br />
im persönlichen, im sozialen und organisationalen Bereich.<br />
Es wird das von den Befragten wahrgenommene Merkmal und nicht das von Außenstehenden<br />
beobachtete oder eingeschätzte Merkmal erfasst. Das Erhebungsinstrument SALSA<br />
wird in den Call Centern CCM1 bis CCM3 eingesetzt. Eine Auswahl der Ergebnisse ist in<br />
den Abbildungen 28 bis 31 dargestellt und werden mit den gemittelten Werten von 955<br />
Dienstleistungstätigkeiten (Vgl.955) verglichen. Die Beschreibung der dargestellten Skalen<br />
und Merkmale erfolgt jeweils in Anlehnung an Riemann und Udris in Strohm und Ulich 1998.<br />
68
1. Aufgabencharakteristika<br />
Skalen<br />
Ganzheitlichkeit der Aufgaben: Es wird der Grad erfasst, in dem bei der Arbeit<br />
eine Aufgabe vollständig erledigt wird. (Bearbeitung der Aufgabe von<br />
Beginn bis zum Ende und mit erkennbarem Ergebnis).<br />
Qualifikationsanforderungen: Erfasst wird, inwieweit die Erledigung der Aufgaben<br />
eine besondere Ausbildung, spezielle Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />
bzw. eine selbständige Planung und Entscheidungen verlangen.<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
Ganzheitlichkeit<br />
Qualifikationsanforderungen<br />
CCM1 CCM2 CCM3_in CCM3_out Vgl. 955<br />
Abb.28: Aufgabencharakteristika (Ergebnis der Analyse mit dem Erhebungsinstrument<br />
SALSA<br />
Erwartungsgemäß ist festzustellen, dass fast alle Einschätzungen in bezug auf die Ganzheitlichkeit<br />
der Arbeitsaufgabe und alle Einschätzungen bezüglich der Qualifikationsanforderungen<br />
geringer ausfallen, als die der Vergleichsgruppe. Die Beschäftigten im Call Center<br />
CCM2 erleben ihre Tätigkeit wenig ganzheitlich und trotzdem werden die Qualifikationsanforderungen<br />
hoch eingeschätzt. Möglicherweise werden Qualifikationsdefizite erlebt, weil<br />
Kundenanfragen aufgrund der Komplexität teilweise an Spezialisten (back-office) weitergeleitet<br />
werden müssen. Daraus kann sich dann auch die gleichzeitig unvollständig erlebte Erledigung<br />
der Arbeitsaufgaben erklären. Demgegenüber werden die Tätigkeiten im Outbound<br />
relativ ganzheitlich bewertet, jedoch spielen Qualifikationsanforderungen eine untergeordnete<br />
Rolle.<br />
69
2. Arbeitsbelastung<br />
Dieser Bereich bezieht sich auf Belastungen aus der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsorganisation<br />
bzw. auf soziale Belastungen.<br />
Überforderung durch die Arbeitsaufgabe:<br />
Quantitativ: Hierunter fallen Belastungen durch das anfallende Arbeitsvolumen,<br />
durch die parallele Erledigung mehrerer Aufgaben sowie durch Zeitdruck.<br />
Qualitativ: Eine qualitative Überforderung liegt vor, wenn zur Aufgabenerledigung<br />
andere Qualifikationen benötigt werden als die vorhandenen.<br />
Skalen<br />
Unterforderung (qualitativ)<br />
In dieser Skala wird die Nichtnutzung vorhandener Qualifikationen erfasst.<br />
Belastendes Sozialklima:<br />
Es werden Belastungen angesprochen, die durch den Umgang mit den Arbeitskollegen<br />
und Kolleginnen erlebt werden.<br />
Belastendes Vorgesetztenverhalten:<br />
Es sind Belastungen gemeint, die durch den Umgang mit Vorgesetzten erlebt werden.<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
Überforderung Unterforderung Belastendes Sozialklima Belastendes<br />
Vorgesetztenverhalten<br />
CCM1 CCM2 CCM3_in CCM3_out Vgl. 955<br />
Abb.29: Arbeitsbelastungen (Ergebnis SALSA)<br />
70
Im Call Center CCM2 zeigt sich im Bereich der Arbeitsbelastungen, bedingt durch die Aufgabencharakteristik,<br />
eine Kombination von Überforderung und Unterforderung. Angegeben wird<br />
teilweise Überforderungserleben durch die Arbeitsaufgabe sowohl quantitativ als auch qualitativ.<br />
Gleichzeitig wird aber auch eine Unterforderung angegeben, eventuell begründet<br />
durch die einseitig erlebte Tätigkeit. In den Call Centern CCM1 und im Outbounbereich des<br />
CCM3 wird gegenüber der Vergleichsgruppe eine starke Unterforderung erlebt, was wiederum<br />
mit der geringen Komplexität der Kundenanfragen erklärt werden kann.<br />
Sozialklima und Vorgesetztenverhalten werden fast durchweg positiv beurteilt.<br />
Die kritische Ausprägung der sozialen Belastung im Call Center CCM2 ist möglicherweise<br />
weniger auf Schwierigkeiten bei der unmittelbaren Abstimmung und Zusammenarbeit in der<br />
Gruppe zurückzuführen, sondern ist auf das Verhältnis zu vor-, nach-, neben- oder übergeordneten<br />
Stellen und Bereichen bezogen.<br />
3. Organisationale Ressourcen<br />
Zu den wichtigsten organisationalen Ressourcen zählen Wahlmöglichkeiten, die den Beschäftigten<br />
zur Erledigung einer Tätigkeit zur Verfügung stehen. Diese Wahlmöglichkeiten<br />
werden in der Literatur mit z. B. Handlungs-, Entscheidungs-, und Gestaltungsspielraum,<br />
Freiheitsgrade oder Autonomie beschrieben (z. B. Hacker 1986, Semmer 1990, Ulich, 1994).<br />
Aufgabenvielfalt<br />
Es wird die qualitative Vielfalt der anfallenden Aufgaben erfasst. Fallen stets<br />
ähnliche Aufgaben an oder wird immer wieder etwas anderes getan?<br />
Skalen<br />
Qualifikationspotential der Arbeitstätigkeit<br />
Es wird nach dem Fähigkeitszuwachs bzw. Verlust durch die Arbeitstätigkeit<br />
gefragt sowie Lernmöglichkeiten bei der Arbeit erfasst, die auch als berufliche<br />
Zukunftschancen begriffen werden können.<br />
Tätigkeitsspielraum (Entscheidungs- und Kontrollspielraum)<br />
Erfragt werden die Möglichkeiten Entscheidungen zu treffen, die Arbeit selbständig<br />
einzuteilen (einschl. Ausführungsvarianten).<br />
Partizipationsmöglichkeiten<br />
Es wird erfasst, inwieweit über Änderungen der Arbeitsorganisation informiert<br />
und inwiefern bei Veränderungen auch Eigeninitiative, Mitsprache und Beteiligung<br />
möglich sind.<br />
71
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
Aufgabenvielfalt Qualifikationspotential Tätigkeitsspielraum Partizipationsmöglichkeiten<br />
CCM1 CCM2 CCM3_in CCM3_out Vgl. 955<br />
Abb.30: Organisationale Ressourcen im Betrieb (SALSA)<br />
Die organisationale Ressourcen werden im Vergleich zu allgemeinen Sachbearbeitertätigkeiten<br />
insgesamt geringer eingeschätzt. Am geringsten wird der Tätigkeitsspielraum empfunden,<br />
gefolgt von der Aufgabenvielfalt und der Nutzung des Qualifikationspotentials. Die<br />
positive Bewertung der Partizipationsmöglichkeiten im CCM1 beruhen möglicherweise auf<br />
der Möglichkeit der Beschäftigten, bei der Gestaltung der Programminformationssysteme<br />
mitzuwirken.<br />
4. Soziale Ressourcen im Arbeitsbereich / Soziale Unterstützung im Betrieb<br />
Positives Sozialklima<br />
Ein positives Sozialklima beinhaltet gegenseitiges Interesse, Vertrauen, Offenheit<br />
und Humor im Umgang mit anderen Personen bei der Arbeit.<br />
Skalen<br />
Mitarbeiterorientiertes Vorgesetztenverhalten<br />
Es wird erfasst, inwieweit der Vorgesetzte für den Mitarbeiter zugänglich ist<br />
sowie ein faires und respektvolles Verhalten erlebt wird.<br />
Soziale Unterstützung durch Vorgesetzte und Arbeitskollegen<br />
Es wird jeweils erfasst, inwieweit der Vorgesetzte bzw. die Arbeitskollegen ein<br />
offenes Ohr für den Beschäftigten haben und bereit ist zu helfen.<br />
72
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
Positives Sozialklima<br />
positives<br />
Vorgesetztenverhalten<br />
Soziale Unterstützung<br />
Vorgesetzte<br />
Soziale Unterstützung<br />
Kollegen<br />
CCM1 CCM2 CCM3_in CCM3_out Vgl. 955<br />
Abb. 31: Soziale Ressourcen SALSA<br />
Im Durchschnitt recht hohe Ressourcen werden im sozialen Bereich der Arbeit erlebt. Sowohl<br />
ein gutes soziales Klima (d.h. gegenseitiges Interesse, Vertrauen und Offenheit), als<br />
auch die soziale Unterstützung durch Kollegen wird positiv eingeschätzt. Hoch wird die soziale<br />
Unterstützung durch Vorgesetzte und ein mitarbeiterorientiertes Vorgesetztenverhalten<br />
gesehen. Die überdurchschnittliche Ausprägung der Merkmale gegenüber der Vergleichsgruppe<br />
ist möglicherweise auch auf die relativ jungen Unternehmen und auf die Rekrutierung<br />
der Beschäftigten aus der Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Das Call Center CCM2 existiert<br />
am längsten und die Ergebnisse liegen denen der Vergleichsgruppe am nächsten.<br />
73
4.3 Analysen des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik<br />
Neuruppin<br />
4.3.1 Analyseansatz<br />
Wenn von Verbesserungen der Arbeitsbedingungen gesprochen wird, assoziiert der Unternehmer<br />
damit in aller Regel die Verbesserung der materiell-technischen Ausstattung. Auf<br />
eine gleichwertige Verhaltensbeeinflussung der Agenten zur Stabilisierung ihrer <strong>Gesundheit</strong><br />
wurde aus Unkenntnis der Sachlage in der Praxis wenig Wert gelegt, wie bisherige Untersuchungen<br />
des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin (AAS) belegen können.<br />
Es dürfte daher nicht verwunderlich sein, dass trotz optimal gestalteter ergonomischer<br />
Bedingungen oft gesundheitliche Probleme auftreten können, deren Ursachen neben der<br />
hohen psychischen Beanspruchung auch im individuellen (Fehl)verhalten der Agents zu sehen<br />
sind. Reserven für die Verbesserung der Mitarbeitergesundheit liegen demnach neben<br />
der Verbesserung der Arbeitsbedingungen (Verhältnisprävention) auch in der positiven Veränderung<br />
des Verhaltens der Mitarbeiter (Verhaltensprävention).<br />
Verhältnis- und Verhaltensprävention sind untrennbar miteinander verbunden. Es stellt sich<br />
die Frage, an welcher Stelle die Verhaltensprävention die Verhältnisprävention unter den<br />
speziellen Bedingungen im Call Center sinnvoll ergänzen kann.<br />
Durch das AAS wurde das Ziel verfolgt, zum einen den Einfluss der Verhaltensprävention auf<br />
die Gesamtproblematik Abbau arbeitsbedingter <strong>Gesundheit</strong>sgefahren zu untersuchen und<br />
zum anderen ein Analyseinstrument zu entwickeln, womit Unternehmer und Sicherheitsexperten<br />
schnell und unkompliziert unter Beteiligung der Mitarbeiter Gestaltungsbedarf in den<br />
einzelnen Unternehmensbereichen erkennen können.<br />
Der Interventionsbedarf wurde anhand eines Expertenurteils ermittelt. Andererseits wurde<br />
unter Einbeziehung der Mitarbeiter deren subjektive Sichtweise bezüglich der Einflussfaktoren<br />
bei der Arbeit abgefragt. Grundgedanke war, die Arbeitsbedingungen zum einen aus<br />
Sicht der Fachexperten (z. B. Arbeitsschutzexperten, Arbeitsorganisationspsychologen, Betriebsärzte,<br />
Fachkräfte für Arbeitssicherheit) beurteilen zu lassen und das Ergebnis zum anderen<br />
den subjektiven Aussagen aus Mitarbeiterbefragungen der Call Center Agents gegen-<br />
74
überzustellen. Auf diese Weise wurden objektiv vorhandene, zum Teil auch konkret messbare<br />
Faktoren und subjektiv empfundene Belastungen aufeinander bezogen. Aus der Synthese<br />
beider Ergebnisse wurden dann gezielt Lösungen entwickelt, mit denen sowohl die allgemeinen<br />
Arbeitsbedingungen als auch das persönliche Verhalten der Mitarbeiter positiv verändert<br />
werden können. Nicht jedes Defizit in den Arbeitsbedingungen wurde von den Agents als<br />
Belastung empfunden. Umgekehrt konnten selbst an ergonomisch gut gestalteten Arbeitsplätzen<br />
subjektiv wirkende Faktoren wahrgenommen werden, die das Wohlbefinden der A-<br />
gents in individuell unterschiedlicher Ausprägung beeinträchtigten. Basierend auf dieser Tatsache<br />
ergaben sich Schwerpunkte für die Maßnahmenumsetzung nach Dringlichkeit und<br />
Kostenaufwand.<br />
Die Abbildung 32 zeigt die Vorgehensweise in einer Übersicht. Sie wurde in Anlehnung an<br />
Empfehlungen aus dem SANUS-Handbuch (BAUA 1997) entwickelt.<br />
Abgeleitet von diesem Ansatz stellte sich das AAS die Aufgabe, auf Call Center zugeschnittene<br />
verhaltenspräventive Maßnahmen der <strong>Gesundheit</strong>sförderung einem Praxistest zu unterziehen.<br />
In mehreren Call Centern erfolgte eine Evaluationsstudie zur Wirkung von Trainingsmaßnahmen<br />
auf die physische und psychische <strong>Gesundheit</strong> der Agents. Eine<br />
Vorher- / Nachhermessung sollte neben der Bewertung der Teilnehmerzufriedenheit zu erwartende<br />
Verbesserungen des <strong>Gesundheit</strong>szustandes im Rückschluss auf die einzelnen<br />
Maßnahmen aufzeigen.<br />
75
Fachexpertenbeteiligung<br />
Mitarbeiterbeteiligung<br />
(Partizipation)<br />
Vorbereitung und Planung<br />
Mitarbeiterinformation über Sinn<br />
und Zweck des Vorhabens<br />
Grobanalysen<br />
Physische und psychische<br />
Belastung<br />
Mitarbeiterbefragung zum Belastungsempfinden<br />
und Beschwerdebildern<br />
ggf. Feinanalyse<br />
Schwerpunktmäßige Maßnahmeentwicklung als Synthese aus Expertenbeurteilung<br />
und Mitarbeiterbefragung<br />
Maßnahmeauswahl unter Mitarbeiterbeteiligung<br />
Maßnahmeumsetzung<br />
<strong>Erfolg</strong>skontrolle<br />
Prozessstabilisierung durch Wiederholung der Mitarbeiterbefragung in definierten Zeitabständen<br />
sowie Expertenanalyse bei Änderung der Arbeitsbedingungen<br />
Abb. 32 Grundsätzliche Vorgehensweise<br />
76
4.3.2 Methodische Vorgehensweise<br />
Die Analysen wurden unter Fachexpertenbeteiligung und unter Mitarbeiterbeteiligung durchgeführt.<br />
Dabei kam einerseits bereits vorhandenes Methodeninventar zum Einsatz und andererseits<br />
entsprechend des Projektauftrages ein seitens des AAS entwickeltes Analyseinstrument.<br />
Das vom AAS entwickelte Instrument wurde im Projektverlauf hinsichtlich seiner Eignung<br />
erprobt und steht als Tool „Arbeitsschutz im Call Center-Screening“ zur Verfügung. Es<br />
handelt sich dabei um ein Instrument zur anonymen schriftlichen Mitarbeiterbefragung.<br />
Grundsätzlich lässt sich die Vorgehensweise je nach Unternehmenserfordernissen in den<br />
Analysemethoden variieren.<br />
Zunächst werden die angewendeten Methoden der Fachexpertenbeteiligung beschrieben<br />
und anschließend die Methoden der Mitarbeiterbeteiligung.<br />
Fachexpertenbeteiligung<br />
Erfassung der Arbeitsumgebungsbedingungen<br />
Für die Analyse der Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen steht eine Vielzahl gut aufgearbeiteter<br />
Checklisten, die je nach Ziel anwendbar sind, zur Verfügung.<br />
Z. B.:<br />
• Beurteilung der Arbeitsbedingungen für Arbeitsplätze in Büro und Verwaltung<br />
G + S Gesund und Sicher 10/97, S. 302<br />
• Arbeitsblatt „Bildschirmarbeit“<br />
Handlungsanleitung zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei der Bildschirmarbeit<br />
LASI - Veröffentlichung 14. Oktober 1997<br />
• Sichere und gesundheitsgerechte Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen<br />
BAGUV Oktober 1997<br />
Das AAS hat sich für die Untersuchungen in den Call Centern entsprechend der Problemstellung<br />
in den Unternehmen für das Verfahren SAHIB 96 zur Beurteilung der Bildschirmarbeitsplätze<br />
entschieden (s. Anlage 1). Eine Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung bildete die<br />
Grundlage für die ergänzende Analyse wichtiger Randbedingungen. Dazu wurden o. g.<br />
Checklisten oder Teilabschnitte der Checklisten verwendet.<br />
! "#$ % % & '" <br />
Die Messung physikalischer Einflussfaktoren erfolgte durch die Mitarbeiter des AAS. Folgende<br />
Messgeräte kamen zum Einsatz:<br />
77
1. Lärm: integrierender Präzisionsschallpegelmesser Typ 2236<br />
2. Klima: Sekunden - Anemometer „testo 452“<br />
3. Beleuchtung: Luxmeter 106e mit externem Photometer-Kopf<br />
Hinweis:<br />
Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind in der Regel ebenfalls in der Lage, Messungen durchzuführen,<br />
ebenso die zuständige Berufsgenossenschaft.<br />
Beobachtung verhaltensbedingter Einflussfaktoren<br />
Mögliche verhaltensbedingte Einflussfaktoren wurden vom Projektteam durch Beobachtung<br />
und Befragungen in den Unternehmen ermittelt.<br />
Die Erfassung verhaltensbedingter Einflussfaktoren ist in der Praxis unüblich und bisher in<br />
keiner Weise normiert und in Fragebögen erfasst. Wie aus Punkt 3 Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
hervorgeht, stehen Verhältnis- und Verhaltensprävention in einem engen,<br />
untrennbaren Zusammenhang und deshalb wurde hier das Verhalten der Mitarbeiter in die<br />
Betrachtung einbezogen.<br />
Durch Beobachtung von z. B. Sitzhaltungen, Stuhleinstellungen, Haltungswechseln wurde<br />
immer wiederkehrendes Fehlverhalten mit zu erwartenden gesundheitlichen Auswirkungen<br />
sichtbar.<br />
Bei der Beobachtung sind Vorkenntnisse zur Problemerkennung erforderlich. Deshalb wurden<br />
Betriebsärzte, Physiotherapeuten und Sportwissenschaftler einbezogen. Diese waren in<br />
der Lage, sowohl allgemeine als auch ganz individuelle Probleme der Mitarbeiter zu erkennen<br />
und konkrete Maßnahmen beispielsweise zum Belastungsabbau zu empfehlen.<br />
Mitarbeiterbeteiligung<br />
Mitarbeiterbefragung<br />
Vor Projektbeginn wurde auf eine detaillierte Information der Mitarbeiter zum Projekt, seinen<br />
Zielen und seinem Verlauf Wert gelegt. Die Befragung wurde anonym durchgeführt. Um die<br />
Anonymisierung zu gewährleisten und bei Wiederholung der Befragung die Aussagen der<br />
Agenten vergleichen zu können, wurde eine Codierung der Fragebögen vorgenommen (siehe<br />
Tool 2 „Arbeitsschutz im Call Center–Screening“).<br />
78
(<br />
(<br />
(<br />
(<br />
(<br />
(<br />
Die Codierung wurde bewusst so gewählt, dass Rückschlüsse auf in der Personalakte enthaltene<br />
Daten nicht möglich sind.<br />
Die Mitarbeiterbefragung erfolgte auf freiwilliger Basis und erfasste folgende Schwerpunkte:<br />
Demographische Daten: persönliche Voraussetzungen, der Call Center Agenten wie<br />
Geschlecht, Alter, soziale Einbindung, Schul- und Berufsabschluss, durchgeführte Weiterbildungsmaßnahmen<br />
<strong>Gesundheit</strong>szustand: Krankheiten und Beschwerden sowie daraus resultierende<br />
Fehltage im Unternehmen<br />
Arbeitsplatzumgebungsbedingungen, die sich aufgrund des Vorhandenseins belastend<br />
auswirken oder zu Beschwerden führen<br />
Subjektive Einschätzung der ausgeführten Tätigkeit, Entlohnung, Schicht- und Pausenregime<br />
Teilnahme an gesundheitsförderlichen Maßnahmen bzw. die diesbezüglichen Wünsche<br />
Verbale Änderungs- oder Verbesserungsvorschläge zur Arbeits- und Arbeitsplatzgestaltung<br />
Ermittelte Übereinstimmungen in den subjektiven Aussagen der Call Center Agenten (Mitarbeiterbeteiligung)<br />
mit den nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen objektiv ermittelten<br />
Defiziten (Fachexpertenbeteiligung) galten als sicheres Indiz dafür, die Arbeitsbedingungen<br />
positiv verändern zu können. Außerdem konnte dadurch eine Rang- und Reihenfolge der<br />
Maßnahmen entsprechend der erlebten Wichtigkeit von den Mitarbeitern aufgestellt werden.<br />
Welche Maßnahmen dabei konkret zur Umsetzung kamen, entschied sich nach den Bedingungen<br />
des Einzelfalls unternehmens- und anlassbezogen.<br />
4.3.3 Untersuchungsfelder und Analyseergebnisse<br />
In die Untersuchung waren 4 Call Center einbezogen. Sie wiesen hinsichtlich ihrer Aufgabenstruktur,<br />
Unternehmensgröße usw. erhebliche Unterschiede auf. Mit diesen unterschiedlichen<br />
Untersuchungsvoraussetzungen konnte der Einfluss arbeitsbedingter Belastungen auf<br />
den <strong>Gesundheit</strong>szustand der Mitarbeiter unter verschiedenen Rahmenbedingungen ermittelt<br />
werden.<br />
Die in folgender Tabelle charakterisierten Call Center wurden in das Projekt involviert:<br />
79
CCN1<br />
CCN2<br />
CCN3<br />
CCN4<br />
Dienstleister<br />
Inbound / Outbound (je nach Auftragslage)<br />
z. Z. ca. 58 Beschäftigte<br />
Leistungsspektrum: Kundengewinnung, Adressqualifizierung, Marktforschung,<br />
Marktumfrage, Bestellannahme, Reklamation, Produktinformation, Service-<br />
Hotline<br />
Dienstleister<br />
Primär Inbound, wenig Outbound<br />
z. Z. ca. 28 Mitarbeiter<br />
Leistungsspektrum: Störungsannahme, Produkt-Hotline, Vetriebs - Hotline,<br />
Kundenbefragungen (alles im Bereich TK - Anlagen und Endgeräte)<br />
Dienstleister<br />
Vorwiegend Outbound (90 %), Inbound (10 %)<br />
z. Z. ca. 60 Mitarbeiter (vorwiegend 30h / Woche beschäftigt)<br />
Leistungsspektrum: Kundenservice, Kundenbindung, Kundengewinnung, Bestellannahme,<br />
Buchungsservice, Verkauf, Beschwerdemanagement, Mahnwesen,<br />
Arbeit mit E-Mail und Internet, Postbearbeitung<br />
Dienstleister<br />
Outbound / Inbound (je nach Auftragslage)<br />
z. Z. ca. 550 Mitarbeiter<br />
Leistungsspektrum: Verkauf, Kundenservice, Kunden-Hotline, Telemarketing,<br />
Zufriedenheitsanalysen, E-Mail-Bearbeitung, Produkt-/Servicewerbung, Postbearbeitung<br />
Abb.33: Kurzcharakteristik der Untersuchungsfelder<br />
Fachliche Grundlage für das Expertenurteil bildeten gesetzliche Grundlagen und arbeitswissenschaftliche<br />
Erkenntnisse. Es wurden jeweils Ist-Zustände erfasst, die mit vorhandenen<br />
Normen und Grenzwerten zu vergleichen waren. Das traf nicht zu bei verhaltensbedingten<br />
Belastungen, für die es keine entsprechenden Richtlinien gibt.<br />
Die Mitarbeiterbefragungen sollten hauptsächlich Aufschluss darüber geben, welche Arbeitsbedingungen<br />
von den Call Center Agenten in besonderem Maße als belastend eingeschätzt<br />
wurden und zu welcher Art der individuell erlebten Beanspruchung diese Bedingungen führten.<br />
Daraus wurden für die in Punkt 5.3 beschriebenen Trainingsmaßnahmen auch die verhaltenspräventiven<br />
Maßnahmen abgeleitet und zur Umsetzung empfohlen.<br />
80
Verbale Meinungsäußerungen der Mitarbeiter verdeutlichten ergänzend latente Unzulänglichkeiten<br />
in den Unternehmen sowie persönliche Wünsche der Call Center Agents und enthielten<br />
vielfach bereits Lösungsvorschläge und -ansätze. Die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung<br />
zeigten den Unternehmen ganz eindeutig die dringendsten Probleme, die demnach<br />
auch zuerst gelöst werden sollten.<br />
Die wesentlichen Ergebnisse der Fachexpertenbeteiligung und der Mitarbeiterbefragung<br />
werden entsprechend der Vorgehensweise in den nachfolgenden Tabellen gegenübergestellt<br />
und erläutert.<br />
Abbildung 34 zeigt noch einmal die spezielle Vorgehensweise in den untersuchten Call<br />
Centern in einem Überblick.<br />
Fachexpertenbeteiligung<br />
Vorbereitung und Planung<br />
Projektvorstellung im Unternehmen –<br />
Projektskizze<br />
Grobanalyse –<br />
Ermittlung der Arbeitsplatzbedingungen<br />
- Klimamessung<br />
- Beleuchtungsmessung<br />
- Lärmmessung<br />
- Ermittlung von Defiziten gemäß<br />
Arbeitsstättenverordnung,<br />
Bildschirmarbeitsverordnung<br />
- Verhaltensanalyse durch Beobachtung<br />
und Befragung (z. B.<br />
Sitzen, Pausenverhalten,<br />
Kurzpausen)<br />
ggf. Feinanalyse<br />
- in einigen Call Centern Beleuchtungsmessungen<br />
Mitarbeiterbeteiligung<br />
Mitarbeiterinformation<br />
durch Experten selbst und durch Unternehmensleitung<br />
bzw. Teamleiter<br />
Mitarbeiterbefragung zu Belastungsempfindungen<br />
und Beschwerden (anonym,<br />
codiert) vom AAS Neuruppin<br />
- demographische Daten<br />
- qualifikatorische Voraussetzungen<br />
- Weiterbildungsmaßnahmen<br />
- <strong>Gesundheit</strong>szustand<br />
- Arbeitsplatzbedingungen (Vorkommen<br />
und individuelles Belastungsempfinden)<br />
- Angebote und Nutzung von<br />
gesundheitlichen Maßnahmen<br />
- Zufriedenheit mit der Tätigkeit,<br />
Arbeitszeiten, Software, Vorgesetzen<br />
- Verbale Änderungsvorschläge zur<br />
Arbeits- und Umgebungsgestaltung<br />
Auswertung<br />
Abb. 34: Spezielle Vorgehensweise in den Call Centern<br />
81
Im Folgenden wurden die Ergebnisse der Expertenbeurteilung und der Mitarbeiterbefragung<br />
tabellarisch dargestellt.<br />
Der Auswertung der Analyseergebnisse vorangestellt wurde jeweils eine Allgemeincharakteristik<br />
des Unternehmens bezüglich des Alters der Mitarbeiter, der täglichen Arbeitszeit und<br />
der Büroausstattung.<br />
In der Spalte Parameter der Tabellen sind die hauptsächlichen Untersuchungsparameter<br />
aufgeführt, die in jedem Call Center entweder von den Experten oder von den Call Center<br />
Agenten als mangelbehaftet bzw. störend oder belastend eingeschätzt wurden.<br />
Die Spalte Expertenbeurteilung enthält bewertete Aussagen aus einem Ist-Soll-Vergleich<br />
gesetzlicher Grenzwerte und Normen bezüglich der vorgefundenen Zustände im Unternehmen.<br />
Diese wird der Mitarbeiterbefragung gegenübergestellt, die das subjektive Empfinden<br />
dazu widerspiegelt.<br />
CCN 1<br />
Allgemeine Ergebnisse<br />
Mitarbeiter:<br />
Arbeitszeit:<br />
- überwiegende Altersgruppe 35-44 Jahre<br />
- in der Regel 8 Stunden täglich (auftragsabhängig),<br />
- starre Pausenzeiten, keine Kurzpausen<br />
Büroausstattung:<br />
- Nutzung eines vorhandenen Bürogebäudes ohne aufwändige Umbauten<br />
- Großraumbüros<br />
- Nutzung bereits vorhandener Arbeitstische und Arbeitsdrehstühle<br />
- keine schalldämmenden Zwischenwände am Arbeitsplatz vorhanden<br />
- keine Klimaanlage, Lüftung über Fenster<br />
- Spiegelrasterleuchten<br />
82
Analyseergebnisse<br />
Parameter Expertenbeurteilung Ergebnis Mitarbeiterbefragung<br />
Beleuchtung Allgemeinbeleuchtung ist ausreichend<br />
– wird selten genutzt<br />
Starke Blendung/Reflexion durch<br />
Leuchten/Fenster<br />
Stofflamellen bieten keinen ausreichenden<br />
Sonnenschutz<br />
Temperatur • etwas zu warm<br />
Luftfeuchte • Luftfeuchte liegt im unteren<br />
Drittel des empfohlenen Normbereiches<br />
Lärm • empfohlener Grenzwert überschritten<br />
Möblierung • Tische nicht höhenverstellbar<br />
• 7 unterschiedliche Stuhlmodelle<br />
mit Mängeln<br />
• Fußstützen fehlen<br />
Sonstige gesundheitsrelevantgungsmangel<br />
• statische Körperhaltung, Bewe-<br />
Bedingungen • Beobachtung falscher Sitzungshaltungen<br />
• kaum theoretische Kenntnisse<br />
zu gesundem Sitzen vorhanden<br />
• falsche Stuhleinstellung<br />
• bisher keine gesundheitsförderlichen<br />
Maßnahmen angeboten<br />
Vorgesetztenverhalten<br />
• im Projektverlauf gegenüber<br />
Projektpartnern kaum<br />
kooperativ<br />
wird subjektiv als grell und blendend<br />
empfunden<br />
Blendung und Reflexion stören<br />
65,2 % der Mitarbeiter am häufigsten<br />
[Mitarbeitervorschläge: Bildschirmfilter]<br />
• ohne Beanstandungen<br />
• stört 47,8 % der Mitarbeiter<br />
[Mitarbeitervorschläge: bessere<br />
Headsets, Schallschutz]<br />
• 43,5 % der Mitarbeiter fühlen<br />
sich beeinträchtigt<br />
• ständiges Sitzen stört 13 %<br />
der Mitarbeiter sogar sehr,<br />
[Mitarbeitervorschläge:<br />
abwechslungsreiche Tätigkeit,<br />
bessere Stühle, höhenverstellbare<br />
Tische, Beinfreiheit schaffen]<br />
Wesentliche <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden<br />
– Rangfolge<br />
- Nackenschmerzen<br />
- Nasenbeschwerden<br />
- Bandscheibenerkrankungen<br />
- Stimmprobleme<br />
- Sehstörungen<br />
- Erschöpfung, Schlafstörungen,<br />
Unruhe<br />
• 43,5 % der Befragten waren<br />
mit dem Verhalten unzufrieden<br />
83
Die Allgemeinbeleuchtung entsprach an allen Arbeitsplätzen den gesetzlichen Vorgaben. Sie<br />
wurde dennoch ungern genutzt, da sie subjektiv von den Mitarbeitern als grell und blendend<br />
empfunden wurde. Das war u. a. zurückzuführen auf die Reflexion der Leuchten auf den<br />
Bildschirmen. Die Mitarbeiter fühlten sich am häufigsten durch Blendung und Reflexionen<br />
gestört, was objektiv auch als ein Schwerpunkt in der Expertenbeurteilung zum Ausdruck<br />
kam. Die ungünstige Anordnung der Spiegelrasterleuchten über den Bildschirmarbeitsplätzen<br />
und die unzureichenden Sonnenschutzmaßnahmen hatten weitere negative Auswirkungen<br />
zur Folge. Um Bildschirmzeichen besser erkennen zu können, wurde nicht selten eine<br />
verdrehte und verkrampfte Sitzhaltung eingenommen.<br />
Die Lärmmessungen ergaben zum Teil recht hohe Überschreitungen des empfohlenen<br />
Grenzwertes, was auch von den Mitarbeitern am zweithäufigsten als Störfaktor genannt wurde.<br />
Das ständige Sitzen unter ergonomisch mangelhaften Bedingungen und unter dem Aspekt<br />
der starren Pausen (ohne Kurzpausen) war für die Hälfte der Mitarbeiter ein Belastungsfaktor.<br />
Zu beobachten war auch, dass bei erhöhtem Schalldruckpegel die Call Center Agents<br />
lauter zu sprechen begannen. Das zeigt sich nicht zuletzt in den Stimmproblemen, die in der<br />
Rangfolge der Beschwerden bei den Call Center Agents auf Platz 4 anzutreffen waren.<br />
Vom Unternehmen wurden keine gesundheitsförderlichen Maßnahmen angeboten und auch<br />
nicht für notwendig erachtet. Die Expertenbeobachtungen und -befragungen zeigten, dass<br />
die Mitarbeiter für das Thema Verhaltensprävention unzureichende theoretische Kenntnisse<br />
besaßen.<br />
Falsche Einstellungen der Stühle und verkrampfte Sitzhaltungen waren gehäuft zu sehen. In<br />
Korrelation dazu sind die wesentlichen <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden zu betrachten. Nackenschmerzen<br />
sind in der Rangfolge der Beschwerden an erster Stelle genannt worden. Die<br />
Bandscheibenerkrankungen (Rang 3) sind weiteres durch schlechte ergonomische Bedingungen<br />
oder ungünstige Sitzhaltung hervorgerufenes Kriterium.<br />
Insgesamt war knapp die Hälfte der Befragten mit dem Verhalten der Vorgesetzten nicht einverstanden.<br />
Mitarbeitervorschläge, die bereits akzeptable Lösungsansätze für die vorliegenden<br />
Probleme boten, blieben unberücksichtigt.<br />
Dieses Call Center musste für weitere Untersuchungen und Interventionsmaßnahmen aus<br />
dem Projekt herausgenommen werden, da die Unternehmensleitung entgegen erster Zusagen<br />
nicht bereit war, die seitens des AAS vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen.<br />
84
CCN 2<br />
Allgemeine Ergebnisse<br />
Mitarbeiter:<br />
Arbeitszeit:<br />
- überwiegende Altersgruppe 35-44 Jahre<br />
- 8 Stunden täglich im zeitlichen Versatz,<br />
Pausenzeiten flexibel, Probleme mit Kurzpausen<br />
Büroausstattung:<br />
- Nutzung eines vorhandenen Bürogebäudes, zwei mittelgroße Büroräume<br />
- Insellösungen (Dreiergruppen der Arbeitstische)<br />
- schalldämmende Zwischenwände am Arbeitsplatz vorhanden<br />
- keine Klimaanlage, Lüftung über Fenster<br />
- Spiegelrasterleuchten<br />
Analyseergebnisse<br />
Parameter Expertenbeurteilung Ergebnis Mitarbeiterbefragung<br />
Beleuchtung • Allgemeinbeleuchtung ist ausreichend<br />
– wird selten genutzt<br />
• Nutzung von Einzelplatzbeleuchtung<br />
• Blendung/Reflexion durch unzureichende<br />
Sonnenschutzmaßnahmen<br />
(Stofflamellen, Reflexionen<br />
auf Schrankoberflächen,<br />
Blickrichtung nicht parallel zum<br />
Fenster)<br />
Temperatur • wird zentral geregelt, Temperatur<br />
Luftfeuchte<br />
liegt über empfohlenen<br />
Werten<br />
• Luftfeuchte zu gering (liegt unter<br />
Normbereich)<br />
Lärm • liegt im Bereich des Grenzwertes<br />
• 50 % der Mitarbeiter fühlen<br />
sich gestört durch Reflexion<br />
und Blendung<br />
[Mitarbeitervorschläge:<br />
Beleuchtung ändern]<br />
• 38,5 % der Mitarbeiter empfanden<br />
das Raumklima zu<br />
warm und trocken, dazu<br />
kommt elektrostatische Aufladung<br />
• als Störfaktor Nr. 1 angegeben<br />
von 54 % der Mitarbeiter<br />
[Mitarbeitervorschlag:<br />
Büros verkleinern]<br />
85
Möblierung • Stühle: neu, aber stark mängelbehaftet<br />
• ständiges Sitzen stört 30 %<br />
sehr, 50 % fühlen sich leicht<br />
• Pausenraum: „unwohnlich“, beeinträchtigt<br />
wird dadurch kaum genutzt [Mitarbeitervorschlag an 1. Stelle:<br />
bessere Stühle anschaffen, 2.<br />
Pausenraum <strong>gestalten</strong>]<br />
Sonstige gesundheitsrelevante<br />
Bedingungen<br />
Vorgesetztenverhalten<br />
• keine gesundheitsförderlichen<br />
Maßnahmen angeboten<br />
wesentliche <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden<br />
– Rangfolge<br />
• kaum theoretische Erkenntnisse<br />
zu gesundheitsgerechtem Verhalten<br />
vorhanden<br />
- Nackenbeschwerden<br />
- Bandscheibenerkrankungen<br />
- Kopfschmerzen<br />
• Bildschirmschoner mit Übungsvorschlägen<br />
wird nicht genutzt<br />
- Sehstörungen<br />
- Magen-Darmerkrankungen<br />
• wenig Haltungswechsel möglich - Herz-Kreislaufbeschwerden<br />
• falsche Stuhleinstellung - Stimmprobleme<br />
• falsche Sitzhaltung<br />
[Mitarbeitervorschlag:<br />
Pausengymnastik]<br />
• sehr kooperativ kaum Kritik am Vorgesetztenverhalten<br />
Die Allgemeinbeleuchtung entsprach bis auf wenige Ausnahmen an den Arbeitsplätzen den<br />
gesetzlichen Vorgaben. Sie wurde dennoch ungern genutzt, da sie von den Mitarbeitern<br />
subjektiv als grell und blendend empfunden wurde. Bereitgestellte Arbeitstischleuchten, die<br />
das Arbeitsfeld ausleuchteten, fanden eher Akzeptanz. Das war u. a. zurückzuführen auf die<br />
Reflexion der Leuchten auf den Bildschirmen und den Telefondisplays. In diesem Call Center<br />
fühlten sich die Mitarbeiter am zweithäufigsten durch Reflexion und Blendung stört, was objektiv<br />
auch als Schwerpunkt durch die Experten ermittelt wurde.<br />
Durch die Insellösung und die parallele Anordnung der Spiegelrasterleuchten kam es von<br />
vornherein zu ergonomisch ungünstigen Beleuchtungsverhältnissen. Unzureichende Sonnenschutzmaßnahmen<br />
verstärkten Blendung und Reflexion.<br />
Obwohl die Temperatur und Luftfeuchte objektiv nicht den Normen entsprach, wurden diese<br />
von den Mitarbeitern nicht als belastend eingeschätzt.<br />
Über die Hälfte der Mitarbeiter stört der Lärm, der jedoch messtechnisch nur vereinzelt geringfügig<br />
überschritten wurde.<br />
86
Trotz neuer Arbeitsstühle (jedoch mängelbehaftet) haben insgesamt 80 % der Mitarbeiter<br />
Probleme mit dem ständigen Sitzen, ein alarmierend hoher Prozentsatz. Die Beobachtungen<br />
und Befragungen zeigten, dass die Mitarbeiter für das Thema Verhaltensprävention unzureichende<br />
theoretische Voraussetzungen besaßen. Falsche Einstellungen der Stühle und verkrampfte<br />
Sitzhaltungen waren gehäuft zu beobachten. Nackenbeschwerden und Bandscheibenerkrankungen<br />
wurden in der Rangfolge der Beschwerden an den ersten beiden Stellen<br />
genannt und unterstreichen die Problemlage.<br />
Auch in diesem Call Center gibt es bereits akzeptable Problemlösungsvorschläge der Mitarbeiter,<br />
um den <strong>Gesundheit</strong>sbelastungen wirksam zu begegnen. Probleme mit dem Vorgesetztenverhalten<br />
waren aufgrund der Mitarbeiteräußerungen nicht erkennbar. Die Unternehmensleitung<br />
zeigte sich im Projekt sehr kooperativ. Im CCN 2 wurde aufgrund der Ergebnisse<br />
eine Rückenschule vorgeschlagen und durchgeführt, Angaben zu deren Verlauf sind unter<br />
Punkt 5.3.1 nachzulesen.<br />
CCN 3<br />
Allgemeine Ergebnisse<br />
Mitarbeiter:<br />
Arbeitszeit:<br />
Büroausstattung:<br />
- überwiegende Altersgruppe 35-44 Jahre<br />
- in der Regel 6 Stunden täglich, Anfangszeiten regelbar,<br />
Pausenzeiten individuell bestimmbar, Pausen auch bei 6 Stunden<br />
Arbeitszeit angeordnet, individuelle Kurzpausenregelung, Zeitguthaben für<br />
Pausen vom Unternehmen zur Verfügung gestellt<br />
- Nutzung eines neu errichteten Bürogebäudes<br />
- zwei neu eingerichtete Großraumbüros<br />
- schalldämmende Zwischenwände am Arbeitsplatz vorhanden<br />
- Klimaanlage vorhanden und Lüftung über Fenster möglich<br />
- direkt-indirekt Beleuchtung<br />
87
Analyseergebnisse<br />
Parameter Expertenbeurteilung Ergebnis Mitarbeiterbefragung<br />
Beleuchtung Allgemeinbeleuchtung ausreichend,<br />
homogen und blendfrei<br />
• Reflexion und Blendung<br />
stört 38,6 % der Mitarbeiter<br />
z. T. nicht genutzt,<br />
Blendung vorwiegend durch<br />
[Mitarbeitervorschlag:<br />
Beleuchtung verbessern]<br />
helle Fensterflächen,<br />
Raumzuschnitt gestattet nicht<br />
immer parallele Blickrichtung<br />
zum Fenster<br />
Temperatur<br />
Luftfeuchte<br />
• Temperatur liegt über empfohlenen<br />
Werten<br />
• empfundene schlechte Luftqualität<br />
bei 47 % der Mitarbeiter<br />
• Luftfeuchte zu gering (liegt<br />
unter Normbereich)<br />
• 40 % fühlen sich stark belastet<br />
• Zuglufterscheinungen durch<br />
Klimaanlage<br />
• zu trockene Luft geben 30 %<br />
der Mitarbeiter an<br />
[Mitarbeitervorschlag:<br />
an erster Stelle bessere Be- und<br />
Entlüftung schaffen]<br />
Lärm<br />
• lag abhängig von der Anwesenheit<br />
der Mitarbeiter im<br />
• 20,5 % geben Lärm als störend<br />
an<br />
Grenzwertbereich bzw. leicht<br />
darüber<br />
Möblierung • Tische nicht höhenverstellbar<br />
• sehr gute ergonomische<br />
Stühle vorhanden<br />
• ständiges Sitzen stört 20 %<br />
sehr, 40 % fühlen sich leicht<br />
beeinträchtigt<br />
88
Sonstige gesundheitsrelevante<br />
Bedingungen<br />
Vorgesetztenverhalten<br />
• wenig theoretische Kenntnisse<br />
zu gesundheitsförderlichen<br />
Maßnahmen vorhanden<br />
• dynamisches Sitzen in Ansätzen<br />
erkennbar<br />
• falsche Sitzhaltungen und<br />
Stuhleinstellungen<br />
• Wasserspender bereitgestellt<br />
• sehr kooperativ<br />
wesentliche <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden<br />
– Rangfolge<br />
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
- Sehstörungen, Bindehautentzündung,<br />
Augentränen<br />
- Nackenschmerzen<br />
- Durchblutungsstörungen der<br />
Beine<br />
- Müdigkeit, Erschöpfung<br />
- Kopfschmerzen<br />
- Stimmprobleme<br />
• wenig Kritik am Vorgesetztenverhalten<br />
Die Allgemeinbeleuchtung entsprach an allen Arbeitsplätzen den gesetzlichen Vorgaben,<br />
war homogen und weitestgehend blendfrei. Die Akzeptanz der Kombination von direkter und<br />
indirekter Beleuchtung war bei den Mitarbeitern des CCN 3 wesentlich höher als in den anderen<br />
Call Centern. Reflexionen und Blendung waren durch unzureichende Sonnenschutzmaßnahmen<br />
verursacht und stört einen vergleichsweise geringeren Anteil der Mitarbeiter.<br />
Das Hauptproblem ist in diesem Call Center die Klimaanlage, die an etlichen Arbeitsplätzen<br />
Zuglufterscheinungen auslöst. Da die Klimaanlage bei geschlossenen Fenstern betrieben<br />
wird, wurde die Luftqualität durch etwa die Hälfte der Mitarbeiter als schlecht empfunden und<br />
über ein Drittel der Mitarbeiter fühlten sich dadurch stark belastet. Die zu trockene Luft wird<br />
ebenfalls als störend empfunden.<br />
Obwohl auch in diesem Call Center der gemessene Lärmpegel geringfügig überschritten<br />
war, fühlten sich nur ein Fünftel der Mitarbeiter davon gestört.<br />
Ständiges Sitzen wird auch trotz der ergonomischen Arbeitsstühle von mehr als der Hälfte<br />
der Mitarbeiter als störend empfunden. Anzunehmen ist, dass in diesem Call Center die sehr<br />
guten ergonomischen Bedingungen und bereits vorhandene theoretische Grundkenntnisse<br />
über dynamisches Sitzen dazu beigetragen haben, dass die Nackenschmerzen im Gegensatz<br />
zu den anderen Call Centern erst an Rangstelle 3 hinter Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
und Augenbeschwerden genannt wurden. Augenbeschwerden können durchaus durch Zuglufterscheinungen<br />
der Klimaanlage und die trockene Raumluft verstärkt worden sein, dieser<br />
Fakt war hier offensichtlich das vorrangige Problem.<br />
89
Dieses Call Center wies im Vergleich zu den anderen untersuchten Unternehmen sehr gute<br />
ergonomische Voraussetzungen auf. Unter dem Aspekt Verhaltensprävention und seiner<br />
Wirkungen wurde hier bewusst eine Rückenschule durchgeführt, um die Beschwerden des<br />
Muskel-Skelettsystems auf dem Niveau zu halten bzw. weiter zu minimieren.<br />
CCN 4<br />
Allgemeine Ergebnisse<br />
Mitarbeiter: - überwiegende Altersgruppe bis 24 Jahre<br />
Arbeitszeit: - 6 – 8 Stunden täglich<br />
- starre Pausenzeiten, keine Kurzpausen<br />
Büroausstattung:<br />
- Nutzung eines neu errichteten Bürogebäudes<br />
- 3 Großraumbüros (750 m² - 1000 m²)<br />
- niedrige schalldämmende Zwischenwände an den Arbeitsplätzen<br />
- Klimaanlage vorhanden und Lüftung über Fenster möglich<br />
- Spiegelrasterleuchten<br />
Analyseergebnisse<br />
Parameter Expertenbeurteilung Ergebnis Mitarbeiterbefragung<br />
Beleuchtung Allgemeinbeleuchtung ausreichend<br />
war nicht an allen Plätzen der<br />
Tischanordnung angepasst<br />
wird zu grell empfunden<br />
31,8 % der Mitarbeiter empfinden<br />
Reflexionen und Blendungen als<br />
störend<br />
dadurch mitunter zu geringe<br />
Beleuchtungsstärke und Abschattungen<br />
Temperatur • Klimaanlage war defekt, • störend wirkten:<br />
Luftfeuchte<br />
nicht in Betrieb<br />
- schlechte Luftqualität (57,6 %)<br />
• Effektive Durchlüftung der - Zugluft (51,8 %)<br />
Räume war trotz geöffneter - trockene Luft (50,2 %)<br />
Fenster nicht möglich (abh. - zu kalt (46,7 %)<br />
von Raumgröße und –tiefe) - zu warm (41,2 %)<br />
• auf Messung wurde verzichtet<br />
[Mitarbeitervorschläge gehäuft:<br />
Klimaanlage überprüfen und einstellen]<br />
90
Lärm • lag bei voll besetztem Raum<br />
deutlich über dem Grenzwert<br />
Möblierung • Tische höhenverstellbar,<br />
aber schlechte Handhabbarkeit<br />
(kaum genutzt)<br />
• zu geringe Tischfläche<br />
• Tastatur ausziehbar –<br />
schränkt Beinraum ein<br />
• Bildschirm zu hoch angeordnet<br />
• ergonomische Anpassung<br />
von Mobiliar und Körperhaltung<br />
nicht möglich<br />
• Stühle sind neu, aber mit<br />
ergonomischen Mängeln<br />
• zu wenig Platz je Arbeitnehmer<br />
im Raum<br />
Sonstige gesundheitsrelevantnisse<br />
• wenig theoretische Kennt-<br />
zu gesundheitsförder-<br />
Bedingungen lichen Maßnahmen vorhanden<br />
• ergonomische Sitzhaltungen<br />
waren kaum zu beobachten<br />
• teilweise Zwangshaltungen<br />
(Kopf in den Nacken gelegt,<br />
Schultern hochgezogen)<br />
• wenig Haltungswechsel<br />
während der Arbeit möglich<br />
Vorgesetztenverhalten<br />
• teilweise kooperativ<br />
• ein hoher Geräuschpegel<br />
stört 32,5 % der Mitarbeiter<br />
• ständiges Sitzen stört 15,3 %<br />
der Mitarbeiter sehr und<br />
46,7 % fühlten sich leicht beeinträchtigt<br />
[Mitarbeitervorschläge: mehr<br />
Fläche am Arbeitsplatz,<br />
andere Stühle, bessere Ergonomie<br />
schaffen]<br />
Wesentliche <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden<br />
- Rangfolge<br />
- Nackenschmerzen<br />
- Nasenbeschwerden<br />
- Bandscheibenerkrankungen<br />
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
- Sehstörungen<br />
- Augentränen, Bindehautentzündungen<br />
- Stimmprobleme<br />
[Mitarbeitervorschläge:<br />
Bewegungsmöglichkeiten<br />
schaffen, Massagen anbieten]<br />
• kein Anhalt<br />
Die Allgemeinbeleuchtung entsprach nicht an allen Arbeitsplätzen den gesetzlichen Vorga-<br />
91
en, da durch Umstellung ganzer Tischreihen das optimale Verhältnis Beleuchtung und Arbeitsplatz<br />
verloren ging. Auch hier wird die Allgemeinbeleuchtung als grell empfunden und<br />
die auftretenden Reflexionen / Blendungen von ca. einem Drittel der Mitarbeiter als störend<br />
angegeben.<br />
Das vorrangige Problem sehen die Mitarbeiter in diesem Call Center in der schlechten Luftqualität,<br />
die von über der Hälfte als störend empfunden wird. Dazu kommen Zuglufterscheinungen,<br />
zu trockene Luft und das subjektive Empfinden der zu kalten oder zu warmen Luft.<br />
Auf eine Messung wurde verzichtet, da die Klimaanlage defekt war. Der Lärm, der bei voller<br />
Besetzung des Floors deutlich erhöht war, wurde nur von einem Drittel der Mitarbeiter störend<br />
wahrgenommen.<br />
Ein gravierendes Problem war in diesem Call Center die Ergonomie. Höhenverstellbare Tische<br />
waren vorhanden, die aber nicht mittels Knopfdruck, sondern von Hand durch Lösen<br />
von Schrauben, Umstecken der Tischplatten und neue Befestigung schwierig und aufwändig<br />
zu realisieren war. Da kein Call Center Agent seinen eigenen Arbeitsplatz zugewiesen bekam,<br />
hätte jeder Platz vor Arbeitsbeginn neu eingerichtet werden müssen, was aus Zeit- und<br />
Bequemlichkeitsgründen nicht geschah. Hinzu kam, dass die Tastaturhalterung ausziehbar<br />
unter dem Tisch befestigt war, wodurch der Beinraum großwüchsiger Mitarbeiter einschränkt<br />
wurde. Die Aufstellung des Bildschirmes auf dem Computer, der ebenfalls auf dem Tisch<br />
angeordnet war, bewirkte, dass die oberste Bildschirmzeile über der Augenhöhe lag. Eine<br />
natürliche Kopfhaltung war somit speziell für kleinere Personen nicht möglich. Die ergonomische<br />
Abstimmung von Mobiliar und Körperhaltung der Agents war damit allgemein unzureichend.<br />
Zwangshaltungen waren die Folge. Erschwerend hinzu kam ein starres Pausenregime,<br />
in dem individuelle Bedürfnisse kaum Berücksichtigung fanden sowie die Gestaltung<br />
von Tätigkeiten ohne Spielräume für Haltungswechsel.<br />
Die Auswirkungen der unergonomischen Arbeitshaltungen sind ganz deutlich ablesbar in der<br />
Rangfolge der <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden. An erster Stelle werden Nackenbeschwerden genannt<br />
und an Stelle 3 rangieren Bandscheibenerkrankungen. Die Tatsache, dass im CCN4<br />
überwiegend sehr junge Agents der Altersgruppe bis 24 Jahre beschäftigt waren und das<br />
Call Center erst seit 2 Jahren bestand geben der Aussage über die Beschwerden eine besondere<br />
Wichtung.<br />
Auch in diesem Call Center waren die Mitarbeiter selbst in der Lage, zweckdienliche Vorschläge<br />
zur Problemlösung beizusteuern. Es wurden Vorschläge zur Beschaffung besserer<br />
Arbeitsstühle unterbreitet, weiterhin zur Gewährleistung günstigerer Anpassung der Arbeitsplätze<br />
an die Körpermaße und die Schaffung von mehr Bewegungsmöglichkeiten.<br />
92
In diesem Call Center wurde bewusst ein Stimmtraining durchgeführt, da der Lärm bei voller<br />
Besetzung deutlich über dem empfohlenen Grenzwert lag und die Beschwerden, hervorgerufen<br />
durch die Stimme, ebenfalls häufig genannt wurden.<br />
CCN 5<br />
Dieses Call Center wurde in die allgemeinen projektbezogenen Analysen nicht einbezogen,<br />
da es bereits seit seinem Bestehen bezüglich der Sicherheit und des <strong>Gesundheit</strong>sschutzes<br />
durch das AAS begleitet war. Die Arbeitsgestaltungsverhältnisse wurden hier mit Umzug in<br />
einen Neubau gesetzlichen Grundlagen und arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst.<br />
Grundkenntnisse, z. B. zum Thema „Richtiges Sitzen“ und „Stimme“ waren aufgrund<br />
dessen bereits vorhanden.<br />
Auch mit diesem Call Center wurde die Durchführung einer gesundheitsförderlichen Maßnahme,<br />
diese allerdings auf der Ebene der Wissensvermittlung (Lernebene), vereinbart. Eine<br />
gesundheitliche Verbesserung sollte hier durch ein komplettes Seminarprogramm für die Call<br />
Center Agents zu allen Bereichen der Verhaltens- und Verhältnisprävention erreicht werden.<br />
Die anderen in die Untersuchung einbezogenen Call Center waren nicht bereit, das Programm<br />
„Basics for Agents“ durchführen zu lassen. Es wird vermutet, dass die Unternehmensleitungen<br />
sichtbare, positive Effekte erst einmal in der Veränderung der Verhältnisse<br />
und der Durchführung von konkreten praktischen Einzelmaßnahmen wie Rückenschule oder<br />
Stimmtraining erwarteten.<br />
Durch die bereits länger währende Zusammenarbeit mit dem AAS war im CCN5 aber ein<br />
Bewusstsein geschaffen worden, das über das gewöhnliche Maß hinaus die Durchführung<br />
von Interventionsmaßnahmen auf unterschiedlicher Ebene begünstigte. Das Programm „Basics<br />
for Agents“ wurde deshalb im CCN 5 durchgeführt und abweichend von den anderen<br />
Maßnahmen nicht hinsichtlich gesundheitsrelevanter Auswirkungen sondern aufgrund seiner<br />
Zielrichtung nur hinsichtlich der Teilnehmerzufriedenheit bewertet.<br />
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse<br />
Beurteilung der Arbeitsplatzbedingungen<br />
In allen untersuchten Call Centern gab es objektiv Probleme mit der Beleuchtung (Reflexion,<br />
Blendung), Lärm sowie Temperatur und Luftfeuchte. Die Intensität der Belastung durch o. g.<br />
Parameter wurde in jedem Call Center durch die Agents anders empfunden. Auch die Möblierung,<br />
die gesundheitsrelevanten Bedingungen sowie das Vorgesetztenverhalten ließen im<br />
Wesentlichen einen Zusammenhang zu gesundheitlichen Beschwerden erkennen.<br />
93
1. Die Allgemeinbeleuchtung wurde in allen Call Centern von den Mitarbeitern mehr oder<br />
weniger abgelehnt, da sie bei Einhaltung der Nennbeleuchtungsstärken als grell, blendend<br />
oder störend empfunden wurde (siehe dazu Fb 753). Die höchste Akzeptanz erzielte das<br />
Call Center mit einer kombinierten direkt-indirekt Beleuchtung.<br />
2. Die schlechte Luftqualität wurde insbesondere in den Call Centern mit Klimaanlage empfunden.<br />
Diese Call Center wiesen in dem Falle aber auch die größte Raumausdehnung der<br />
Büros auf. Infolge dessen ist ohne funktionierende Klimaanlage die Gewährleistung zuträglicher<br />
Atemluftqualität nicht mehr gegeben.<br />
3. Der Geräuschpegel lag in allen Call Centern leicht über den empfohlenen 55 dB (A) und<br />
wurde von den CCA der einzelnen Unternehmen in unterschiedlicher Intensität, zumeist aber<br />
als störend eingeschätzt.<br />
4. Die Möblierung war ausgenommen in einem der Call Center ergonomisch nicht zufriedenstellend.<br />
Der Zusammenhang zwischen optimal gestalteten Arbeitsplätzen und dem Abbau<br />
von gesundheitlichen Belastungen ist durch die Unternehmensleitungen nicht hinreichend<br />
erkannt worden, sonst wäre diesem Kriterium insbesondere bei der Neuanschaffung von<br />
Mobiliar Rechnung getragen worden.<br />
5. Unter den sonstigen gesundheitsrelevanten Bedingungen ist erkennbar, dass gesundheitsförderlichen<br />
Maßnahmen bis auf wenige Ansätze als sinnvolle Ergänzung zur Verhaltensprävention<br />
sowohl von der Unternehmensleitung als auch von den Agents wenig oder<br />
gar keine Bedeutung beigemessen wurde.<br />
6. Das Vorgesetztenverhalten war nur in einem Fall auffällig, in diesem Call Center kam es<br />
folglich nach den Eingangsanalysen nicht zur Umsetzung empfohlener ergonomischer und<br />
gesundheitsförderlicher Maßnahmen.<br />
<strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden aus den Mitarbeiterbefragungen<br />
1. Die Häufigkeit der Nackenbeschwerden und Bandscheibenerkrankungen trat bei den<br />
Agents der untersuchten Call Center in Abhängigkeit von der ergonomischen Ausstattung<br />
auf. Mängel in der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung und im Pausenregime wirkten sich<br />
nachweislich negativ aus. Trotzdem klagten auch die Agents des CCN 3 mit den besten ergonomischen<br />
Voraussetzungen über Beschwerden des Muskel-Skelettsystems.<br />
94
Das Ergebnis zeigt, dass ein alleiniges Bereitstellen von ergonomischen Arbeitsmitteln offensichtlich<br />
nicht zur Vermeidung, höchstens zu einer Abschwächung der Beschwerden<br />
führt.<br />
2. Stimmprobleme traten in den untersuchten Call Centern noch nicht vordergründig auf.<br />
Die Unternehmen bestanden zumeist noch nicht lange am Markt (ca. 2 bis 4 Jahre). Es wird<br />
vermutet, dass Stimmprobleme erst mit Zunahme der Dienstjahre der Agents relevant werden.<br />
In Auswertung der Analyseergebnisse ergab sich bezüglich der Verhaltensprävention folgendes<br />
Bild, was auch Grundlage für die weitere Intervention war:<br />
• In allen untersuchten Call Centern war die Wirkung verhaltenspräventiver Maßnahmen<br />
weitestgehend unbekannt.<br />
• Es fehlte das theoretische Wissen, die Sensibilisierung für die Probleme und die<br />
Selbstverantwortung für die <strong>Gesundheit</strong>, sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Arbeitnehmern.<br />
• Falsche Sitzhaltungen, Zwangshaltungen, wenig Haltungswechsel, falsche Stuhleinstellungen<br />
am Arbeitsplatz sind die Folge.<br />
• Bewegungsübungen, Rückenschulen o. ä. wurden bisher in keinem der Unternehmen<br />
angeboten.<br />
• Der gewünschte Bedarf ist in Ansätzen bei den Agents zu erkennen, Vorschläge zu<br />
Pausengymnastik und Massagen unterstreichen die Aussage.<br />
• Zur Verfügung gestellte Bildschirmschoner mit Bewegungsübungen, Hometrainer,<br />
Aushänge zur Stuhleinstellung u. ä. wurden von den Agents nicht genutzt.<br />
95
4.4 Zusammenfassung – Gestaltungsschwerpunkte<br />
In Auswertung der Analysen lassen sich zusammenfassend folgende Gestaltungsschwerpunkte/Gestaltungsbereiche<br />
im Call Center ableiten welche <strong>Gesundheit</strong>, Wohlbefinden und<br />
Leistungsfähigkeit der Beschäftigten positiv beeinflussen können:<br />
Schaffung von Beteiligungsmöglichkeiten der Mitarbeiter bei Zielsetzungen,<br />
Entscheidungen und Veränderungsmaßnahmen im<br />
)<br />
Unternehmen<br />
Entwicklung von akzeptierten Gestaltungsempfehlungen für die Büroräume<br />
)<br />
hinsichtlich der Beleuchtung, des Klimas und der Geräuschentwicklungen<br />
) Optimierung der Möglichkeiten zur Qualifikation und der Weiterbildung<br />
Schaffung lernförderlicher Arbeitsbedingungen / Förderung der Kompe<br />
)<br />
tenzentwicklung im Arbeitsprozess<br />
Förderung der Kompetenzentwicklung auch hinsichtlich einer<br />
)<br />
belastungsoptimalen Nutzung der Arbeitsmittel und Ausrüstungsgegenstände<br />
Schaffung von Möglichkeiten zur Arbeitsanreicherung der Arbeitsaufgaben<br />
)<br />
und zum Arbeitswechsel<br />
) Optimierung der Informationssysteme (Struktur und Handhabbarkeit)<br />
) Optimierung der Ausführungsbedingungen für zusätzliche Aufgaben<br />
Optimierung der Zusammenarbeit und Kooperation mit anderen<br />
)<br />
Abteilungen und Fachbereichen (Aufgabenverteilung)<br />
) Gewährung, Organisation und Gestaltung von Pausen und Kurzpausen<br />
Integration von gesundheitsförderlichen Maßnahmen / Förderung der<br />
)<br />
Akzeptanz bei Mitarbeitern und Geschäftleitung<br />
96
5 Interventionen und Lösungsvorschläge<br />
5.1 Einführung und Zielstellung<br />
In der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung ist der Prozess der Analyse bereits eine Intervention,<br />
denn jede Datenerhebung, Arbeitsplatzanalyse oder Befragung aber auch Evaluation,<br />
die zielorientiert durchgeführt wird, ist ein Eingriff in das betriebliche Geschehen und kann<br />
Veränderungen z. B. im Denken und Handeln der einbezogenen Personen bewirken.<br />
Analyse und Intervention sind demzufolge als integrierter Prozess zu betrachten (Bamberg,<br />
Ducki, Metz 1998).<br />
Die Analyseergebnisse entsprechend Punkt 4 weisen aus, dass in den Call Centern Gestaltungsbedarf<br />
in bezug auf die Schaffung beanspruchungsoptimaler Arbeit und Arbeitsbedingungen<br />
besteht. Dabei geht es einerseits um die Gestaltung ergonomischer Arbeitsbedingungen,<br />
die Gestaltung von Arbeitsmitteln und Informationssystemen und andererseits um<br />
die Optimierung der Arbeitsaufgabengestaltung und der Arbeitsorganisation. Empfohlen<br />
werden weiterhin die Bereitstellung und Nutzung verhaltenspräventiver Maßnahmen.<br />
Interventionen in der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung zielen nicht ausschließlich darauf<br />
ab, Problemlösungen zu entwickeln, sondern es geht auch insbesondere darum, bei den<br />
betrieblichen Akteuren z. B. im Call Center erkennbar werden zu lassen, dass Strukturen und<br />
Prozesse einer Arbeitsorganisation und deren Abläufe in hohen Maße durch menschliches<br />
Handeln konstituiert sind und, zumindest teilweise, veränderbar sind. Mitarbeiter und Führungskräfte<br />
sollen im Rahmen der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung motiviert und befähigt<br />
werden, aktiv im Lösungsfindungs-, Gestaltungs- und Veränderungsprozess mitzuwirken.<br />
Mit Hilfe von Expertenwissen können auf diese Weise verbesserte und von allen Beteiligten<br />
gleichermaßen akzeptierte Lösungen und Präventionsmaßnahmen entwickelt und eingeführt<br />
werden. Grundlagen dazu können insbesondere die speziell für Call Center im Rahmen des<br />
Projektverbundes entwickelten Gestaltungslösungen und aufgeführten Good Practice Beispielen<br />
in den fachspezifischen <strong>Report</strong>s (vgl. Kasten) sein.<br />
„Effektive Arbeitsgestaltung“<br />
„Stimme“<br />
„Ergonomie und Arbeitsgestaltung“<br />
„Softwareentwicklung“<br />
„Partizipation“<br />
Abb. 35 Veröffentlichte <strong>Report</strong>s im <strong>CCall</strong>- Projekt<br />
In den folgenden Ausführungen werden entsprechend des Projektauftrages Vorgehensweisen<br />
und Ergebnisse einer partizipativen Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen<br />
97
sowie die Entwicklung und Erprobung spezieller verhaltenspräventiver Maßnahmen beschrieben.<br />
5.2 Partizipative Entwicklung von Lösungsvorschlägen<br />
Zielstellung des Teilprojektes der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ist es, die betrieblichen<br />
Akteure aktiv in den Analyse- und Gestaltungsprozess einzubeziehen. Es sollen<br />
dabei im Unternehmen Voraussetzungen geschaffen werden, die Arbeit und die Arbeitsbedingungen<br />
selbständig, unter bedarfs- und problemorientierter Nutzung externer Unterstützungen,<br />
zu <strong>gestalten</strong> (Verhältnisprävention). Zugleich ist in einem bestimmten Ausmaß die<br />
aktive Einbeziehung der Beschäftigten in Analyse- und Gestaltungsprozesse ein Mittel zur<br />
Entwicklung bzw. Verbesserung persönlicher<br />
<strong>Gesundheit</strong>skompetenzen<br />
(Sensibilisierung, Motivierung, gesundheitsorientierte<br />
Kommunikation<br />
– Verhaltensprävention).<br />
Der allgemeine Projektverlauf ist in<br />
der Abbildung 36 dargestellt. In einem<br />
ersten Schritt erfolgt die Kontaktaufnahme<br />
mit dem jeweiligen<br />
Unternehmen. Nach der erklärten<br />
Bereitschaft aktiv mitzuwirken und<br />
ggf. Ressourcen bereitzustellen,<br />
Gestaltungsschwerpunkte<br />
bestimmt<br />
(vgl. Pkt 4).<br />
werden im Rahmen einer Grobanalyse<br />
in den vereinbarten Untersuchungsbereichen<br />
Die auf das jeweilige Unternehmen<br />
zugeschnittene<br />
Zwischenpräsentation<br />
erfolgt mit der Zielstellung, Mitarbeiter<br />
und Führungskräfte über erste<br />
Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen<br />
Durchführung Grobanalyse<br />
Planung, Durchführung und<br />
Auswertung<br />
Zwischenpräsentation<br />
Zusammenarbeit<br />
Unternehmen und<br />
externe Begleitung<br />
Entscheidung<br />
über die Durchführung<br />
weiterer<br />
Analysen<br />
Abb. 36: Projektverlauf<br />
Erarbeitung<br />
Bewertung, Einführung<br />
,<br />
Evaluation<br />
Information und teilweise Einbeziehung von<br />
Mitarbeitern, Führungskräften und betrieblichen<br />
Experten<br />
Ergebnisse zu informieren und Absprachen zur weiteren Vorgehensweise in der Projektarbeit<br />
zu treffen. Teilnehmer an dieser Präsentation sind im Idealfall sowohl Mitarbeiter als<br />
auch Fach- und Führungskräfte. Ist eine Beteiligung von Beschäftigten nicht möglich, sollten<br />
die Mitarbeiter auf anderem Wege (Flyer, Pinnwand, Poster) über die Analyseergebnisse<br />
informiert werden. Alle weiteren Schritte, z. B. die vertiefenden Analysen, die Erarbeitung<br />
98
von Gestaltungsvorschlägen und die Bewertung und Umsetzung der Ergebnisse, erfolgen<br />
unter intensiver Beteiligung von Vertretern des Unternehmens. Eine wesentliche Voraussetzung<br />
ist die Schaffung von Strukturen, die prozesssteuernd und -begleitend tätig sind.<br />
5.2.1 Projektgruppenarbeit<br />
In den Unternehmen werden Projektgruppen, bestehend aus betrieblichen Vertretern und der<br />
externen Begleitung (Otto-von-Guericke-Universität), gebildet. Diese Projektgruppen übernehmen<br />
die Steuerung und Begleitung aller weiteren Aktivitäten im Unternehmen<br />
(vgl. Abb. 37).<br />
1. Auswertung der<br />
Grobanalyse und<br />
Feststellung von<br />
weiterem Analyse<br />
bedarf<br />
6. Evaluation<br />
Projektgruppe<br />
Steuerungsgruppe<br />
2. Planung und Durch<br />
führung weiterer Analysen<br />
3. Auswertung und<br />
Schlussfolgerungen<br />
5. Durchführung und<br />
Prozessbegleitung<br />
der praktischen Um<br />
setzung<br />
4. Erarbeitung und<br />
Bewertung von Gestaltungsvorschlägen<br />
Abb. 37: Inhalte der Projektgruppenarbeit<br />
Die personelle Zusammensetzung des Gremiums kann unterschiedlich sein. Verschiedene<br />
Formen, wie z. B. primär auf der Ebene der Agents, primär auf der Ebene der Führungskräfte<br />
oder gemischte Strukturen, sind möglich.<br />
Im Rahmen der Projektbearbeitung kommen zwei grundsätzlich verschiedene Modelle zur<br />
Anwendung.<br />
99
A) PROJEKTGRUPPE PRIORITÄR AUF DER EBENE DER<br />
FÜHRUNGSKRÄFTE<br />
Analyseergebnisse, weitere Vorgehensweisen und Lösungsansätze werden auf der Ebene<br />
der Führungskräfte diskutiert. Die Projektgruppe besteht aus Vertretern der Unternehmensleitung,<br />
Teamleitern und Projektbearbeitern der Universität Magdeburg. Zur Klärung von<br />
Teilproblemen werden innerbetriebliche Experten, wie z. B. Verantwortliche für die Computer-Technik<br />
oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit, hinzugezogen.<br />
Innerbetriebliche<br />
Experten/<br />
Projektgruppe<br />
Ótto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg<br />
- Unternehmensleitung<br />
- Teamleiter<br />
Beschäftigte<br />
Abb. 38: Projektgruppenstruktur auf der Ebene der Führungskräfte<br />
Geplant ist auch die zeitweise Einbeziehung von Beschäftigten in die Projektgruppenarbeit.<br />
Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass dies nicht immer so durchführbar ist, wie ursprünglich<br />
geplant. Zum einen liegt es daran, dass der Stellenwert des Erfahrungswissens der Mitarbeiter<br />
und Mitarbeiterinnen in Bezug auf die Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen<br />
in der Führungskräfteebene sehr stark unterschätzt wird und andererseits ist es immer<br />
wieder ein Problem, die Beschäftigten aus dem Arbeitsprozess zu holen, um sie an Projektgruppensitzungen<br />
teilnehmen zu lassen.<br />
Ein weiterer Nachteil dieses Modells ist, dass Führungskräfte in modern organisierten Unternehmen<br />
unter chronischem Zeitmangel leiden und aus diesem Grund Projektgruppentreffen<br />
entweder häufig verschoben werden müssen bzw. mit verminderter Kapazität stattfinden.<br />
Wichtig in dieser Struktur ist die externe Begleitung des Gesamtprozesses, die als Motor,<br />
Initiator und fachlicher Berater fungiert. Entscheidender Vorteil dieser Projektgruppenzusammensetzung<br />
ist die schnelle Umsetzung beschlossener Veränderungen.<br />
100
B) PROJEKTGRUPPENSTRUKTUR AUF DER EBENE DER<br />
BESCHÄFTIGTEN<br />
In dieser Projektgruppenstruktur sind die Beschäftigten die Hauptakteure. Auf diese Weise<br />
wird gewährleistet, dass Maßnahmen und Programme zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung nicht an<br />
den tatsächlichen Erfordernissen und Bedürfnissen der Beschäftigten vorbei, durchgeführt<br />
werden. In der Abbildung 39 ist das Konzept der Projektgruppenstruktur auf Mitarbeiterebene<br />
dargestellt.<br />
Unternehmensleitung/<br />
Entscheidungsträger<br />
Die Projektgruppe trifft sich mindestens einmal im Monat (Abstände variieren zwischen 2 und<br />
5 Wochen, je nach Problemlage). In Absprache mit dem Management wird ein Zeitlimit<br />
(Größenordnung von 1 bis 1,5 Stunden) für die Dauer von Projektgruppensitzungen festgelegt.<br />
Die Erreichung einer optimalen Zeitausnutzung erfordert eine gründliche Vor- und<br />
Nachbereitung der Treffen. Inhaltliches und methodisches „Input“ liefert die Universität Magdeburg<br />
als externer Berater und Projektbegleiter. Kontinuierlich eingeladen werden Vertreter<br />
des Betriebsrates. Fach- und Führungskräfte beteiligen sich problemorientiert an Ergebnispräsentationen<br />
und Entscheidungsfindungsprozessen. Die Funktion des Projektgruppenleiters<br />
übernimmt ein Vertreter des Unternehmens (Mitarbeiter). So werden Voraussetzungen<br />
geschaffen, dass die Projektgruppe auch nach Beendigung des Projektes <strong>CCall</strong> bestehen<br />
bleibt.<br />
Es wird empfohlen, die erste Projektgruppensitzung dazu zu nutzen, die Ziele festzulegen<br />
und Regeln der Zusammenarbeit zu diskutieren. Diese Spielregeln sind gemeinsam zu erar-<br />
Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg<br />
Projektgruppe<br />
je ein Beschäftigter<br />
aus jedem Team<br />
Innerbetriebliche Experten/<br />
Betriebsrat<br />
Teamleiter und Mitarbeiter<br />
Abb. 39: Projektgruppenstruktur auf der Ebene der Beschäftigten<br />
101
eiten, zu visualisieren und jedem Projektgruppenmitglied auszuhändigen. Ein Beispiel dazu<br />
ist in der Abb. 40 dargestellt.<br />
Spielregeln für die Projektgruppenarbeit<br />
- Jeder sollte aktiv mitarbeiten<br />
- Keine falsche Zurückhaltung – jede Meinung ist wichtig<br />
- Toleranz gegenüber anderen Meinungen üben<br />
- Fairness<br />
- Es gibt keine richtigen und keine falschen Äußerungen<br />
- Keine verletzenden Abwertungen<br />
- Kurze sachliche Argumente (Zeit)<br />
- Ausreden lassen – zuhören<br />
- Vertraulichkeit<br />
- es wird gemeinsam entschieden, welche Gedanken zunächst in der<br />
Projektgruppe verbleiben und was nach außen getragen wird<br />
- Der Moderator bekommt etwas Zeit zum visualisieren<br />
- Dauer einer Sitzung ca. 1 h bis 1.5 h<br />
- Ein Projektgruppenmitglied informiert regelmäßig über den Fortgang<br />
der Zeit<br />
- In den letzten 10 Minuten werden Termin und Inhalte der nächsten<br />
Sitzung besprochen<br />
(von einer Projektgruppe selbst erarbeitet)<br />
Abb. 40: Spielregeln für die Projektgruppenarbeit (gemeinsam in der<br />
Projektgruppe erarbeitet)<br />
Der Ablauf eines Problemlöseprozesses in der Projektgruppe ist in der Abbildung 41 schematisch<br />
dargestellt. Nicht nur aufgrund des begrenzten Zeitvolumens für die Projektgruppensitzungen<br />
ist es erforderlich, die Zeiten zwischen den Veranstaltungen dazu zu nutzen,<br />
Probleme und Lösungsansätze projektgruppenübergreifend zu diskutieren. Auf diese Weise<br />
können die Erfahrungen und Meinungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Projektgruppenarbeit<br />
einfließen und es erhöhen sich die Chancen, von der Mehrheit akzeptierte<br />
Gestaltungskonzepte zu entwickeln.<br />
102
Projektgruppensitzung<br />
- Probleme und Veränderungsbedarf definieren<br />
- weiteren Analysebedarf ermitteln<br />
- Bedarf an Fachinformationen formulieren<br />
Projektgruppensitzung<br />
zwischen den Sitzungen<br />
- Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über<br />
Inhalte und Vorhaben im Projekt<br />
- Erarbeitung von Feinanalysekonzepten<br />
- Zusammenstellung von Fachinformationen<br />
- Vermittlung von Fachinformationen<br />
- Vorstellung von Analyseinstrumentarien/<br />
Vorgehensweisen, zu erwartende Ergebnisse<br />
- Festlegung weiterer Vorgehensweisen<br />
zwischen den Sitzungen<br />
- Information von Betriebsrat und Management über<br />
weitere Vorhaben<br />
- Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
- Durchführung und Auswertung der Analysen<br />
Projektgruppensitzung<br />
- Präsentation der Analyseergebnisse<br />
- Diskussion und Erarbeitung von Lösungskonzepten<br />
zwischen den Sitzungen<br />
- Systematisches Einholen von Meinungen und Erfahrungen<br />
der Beschäftigten und<br />
Vorgesetzten<br />
- z. B. Testphase (provisorische Umsetzung von<br />
Gestaltungsvarianten)<br />
Projektgruppensitzung<br />
- Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse<br />
- Fertigstellung des Konzeptes<br />
- Diskussion mit Fach- und Führungskräften<br />
- Festlegung der Einführungs- und<br />
Umsetzungsmodalitäten<br />
Umsetzung und Evaluation<br />
Abb. 41: Beteiligungsorientierter Veränderungsprozess<br />
103
*<br />
Die Zeiträume zwischen den Sitzungen werden von der Projektbegleitung (Universität Magdeburg)<br />
z. B. dazu genutzt, Projektgruppensitzungen nachzubereiten, Fachinformationen<br />
zusammenzustellen und Analyseverfahren auszuwählen, um dies gebündelt der Projektgruppe<br />
zur Verfügung zu stellen.<br />
Des weiteren eignen sich die Zeiträume zwischen zwei Projektsitzungen, um ggf. Feinanalysen<br />
durchzuführen bzw. Lösungskonzepte in Pilotbereichen zu testen und zu diskutieren.<br />
5.2.2 Entwicklung von allgemeinen Lösungsvorschlägen<br />
Die im Rahmen des Projektes entwickelten Lösungskonzepte zur Optimierung der Arbeit und<br />
der Arbeitsbedingungen im Call Center haben nicht den Anspruch, alle in Auswertung der<br />
Analysen und der im Punkt 4.4 aufgeführten Gestaltungsschwerpunkte im Detail zu bearbeiten.<br />
Abgesehen davon, dass dies in der kurzen Projektlaufzeit nicht möglich ist, geht es vorrangig<br />
darum, ein Problemverständnis in den Unternehmen zu entwickeln und die Akteure zu motivieren<br />
und zu befähigen zielgerichtet Gestaltungslösungen ggf. unter Nutzung externer Unterstützung<br />
zu entwickeln. Diese Prozesse sind sehr zeitaufwendig und in den beteiligten<br />
Unternehmen noch nicht abgeschlossen.<br />
In den folgenden Ausführungen werden die in den Projektgruppen erarbeiteten, diskutierten<br />
und teilweise umgesetzten Lösungsvarianten und -empfehlungen vorgestellt:<br />
(a) Beteiligung und Kooperation<br />
Beteiligung der Beschäftigten bei der Organisation der Arbeit<br />
Die Beteiligung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist eine Grundvoraussetzung effektiver<br />
und menschorientierter Arbeitsgestaltung. Die Beschäftigten wissen oft am besten, welche<br />
Arbeitsbedingungen günstig bzw. ungünstig für sie sind. Bei der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen<br />
ist das Erfahrungswissen der unmittelbar Betroffenen unverzichtbar. Daher ist<br />
die Bildung und regelmäßige Arbeit der im Punkt 5.2.1 beschriebenen Projektgruppe selbst<br />
auch eine Veränderung in der Arbeitsorganisation und Arbeitskultur. Das Projektgruppenkonzept,<br />
insbesondere das auf der Ebene der Beschäftigten, ermöglicht es den betroffenen<br />
Personen, Probleme anzusprechen sowie sich bei der Arbeitsplatzgestaltung bzw. bei Veränderungen<br />
in der Arbeitsorganisation zu beteiligen.<br />
104
+<br />
*<br />
Informationsvermittlung auf Teambesprechungen bzw. Teammeetings<br />
Teammeetings bzw. Teambesprechungen sind ein wichtiges Instrument, die Beschäftigten<br />
über betriebliche Gegebenheiten zu informieren und eine Plattform zur Diskussion auftretender<br />
Probleme zu bilden. Es wird angeregt, derartige Zusammenkünfte zukünftig in kürzeren<br />
Zeitabständen zu planen. Wichtig dabei ist es, die Beschäftigten bei der thematischen Gestaltung<br />
der Sitzungen mitwirken zu lassen.<br />
Eine thematische Erweiterung kann z. B. dahingehend erfolgen, dass zukünftig auch Inhalte<br />
wie<br />
- Aufgaben und Strukturen von Fachabteilungen<br />
- Möglichkeiten und Nutzen gesundheits<strong>fördern</strong>der Maßnahmen<br />
(Verhaltensprävention),<br />
- Qualifizierungsbedarf / Qualifizierungsangebote<br />
- <strong>Gesundheit</strong>sgerechtes Verhalten am Arbeitsplatz<br />
- Maßnahmen zur Vermeidung von Blendung<br />
- Augenschonende Bildschirmeinstellungen<br />
- Pausennutzung und Pausengestaltung<br />
...........<br />
auf der Tagesordnung stehen. Zu bestimmten Themenkomplexen können innerbetriebliche<br />
bzw. externe Experten eingeladen werden.<br />
(b) Arbeitsplatz- und Ausführungsbedingungen<br />
Themen zur ergonomischen Gestaltung der Arbeitsplätze bilden nicht den Schwerpunkt der<br />
Projektbearbeitung. Diese Themenbereiche bzw. Lösungsvorschläge ermöglichen es, relativ<br />
schnell für alle Beteiligten sichtbare und nachvollziehbare Ergebnisse zu erarbeiten und umzusetzen.<br />
Sie tragen entscheidend zur Akzeptanz der Projektgruppenarbeit bei der Unternehmensleitung<br />
und bei den Beschäftigten bei.<br />
Installation zusätzlicher Leuchten<br />
Einschätzungen und Messungen der Beleuchtungssituation haben mehrfach ergeben, dass<br />
die Situation für viele Beschäftigte im Großraumbüro nicht optimal ist. Abhilfe ist in einem<br />
Fall durch die Installation zusätzlicher Beleuchtungskörper, in einem anderen Fall durch die<br />
Bereitstellung von Arbeitsplatzleuchten erreicht worden. Auf detaillierte Ausführungen<br />
(Messverfahren und Messergebnisse) wird an dieser Stelle verzichtet, da Probleme und Lösungsmöglichkeiten<br />
zu dieser Thematik ausführlich im <strong>CCall</strong> <strong>Report</strong> „Ergonomie und Arbeitsumgebung“<br />
dargestellt sind.<br />
105
*<br />
*<br />
*<br />
Trockene Luft<br />
Zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit in den Arbeitsräumen werden in einem Call Center Luftbefeuchter<br />
installiert. In einem weiteren Call Center werden den Beschäftigten als Sofortmaßnahme<br />
Getränke (Mineralwasser) zur Verfügung gestellt. Weitere Maßnahmen sind in<br />
dem <strong>Report</strong> „Ergonomie und Arbeitsumgebung“ aufgeführt.<br />
Regelmäßige Arbeitsplatzbegehungen<br />
Die Analysen haben ergeben, dass die Bildschirmeinstellungen teilweise ungünstig sind.<br />
Regelmäßige Arbeitsplatzbegehungen durch eine Fachkraft können schnell, fehlerhafte<br />
bzw. ungünstig eingestellte Bildschirme identifizieren. Die Beschäftigten werden an Ort und<br />
Stelle über verbesserte Einstellungsmöglichkeiten informiert. Defekte Monitore können<br />
schnell erkannt und ausgewechselt werden.<br />
“Trennwände mit Fenstern“ zur Geräuschminderung<br />
Längere Diskussionszeit wurde benötigt, um ein Konzept für akzeptable geräuschmindernde<br />
Maßnahmen zu erarbeiten.<br />
Die Analysen in allen Call Centern haben ergeben, dass sich die Beschäftigten in ihrer Tätigkeitsausführung<br />
durch Umgebungsgeräusche gestört fühlen. Gleichzeitig kommt jedoch immer<br />
wieder zum Ausdruck, dass Kontakt und Kommunikation mit den Kolleginnen und Kollegen<br />
an benachbarten Arbeitsplätzen wichtige Ressourcen für effektives Arbeiten darstellen.<br />
Während sich einige Unternehmen entscheiden, die Umgebungsgeräusche zu tolerieren,<br />
sind die Beschäftigten in anderen Unternehmen davon überzeugt, dass eine Veränderung<br />
unverzichtbar ist.<br />
In einem Fall wird ein Musterarbeitsplatz entwickelt und erprobt. Eine Gruppe von vier Arbeitsplätzen<br />
ist mit provisorischen Trennwänden versehen worden. Die Geräuschminderung<br />
wird von den Mitarbeitern positiv bewertet und durch Messergebnisse bestätigt. Allerdings<br />
wird der fehlende Sichtkontakt zu den benachbarten Arbeitsplätzen und zu wenig Tageslicht<br />
bemängelt. In Auswertung der Erprobungsergebnisse entstand die Idee, einige Lärmwände<br />
mit durchsichtigem Material auszustatten. Die Geschäftsleitung akzeptiert diesen Vorschlag<br />
und unterstützt die Bemühungen einen Anbieter zu finden, der Trennwände dieser Art für<br />
einen Erprobungsbereich herstellt.<br />
106
,<br />
Anordnungsvariante:<br />
Fensterfront<br />
Gang<br />
Wände mit durchsichtigem<br />
Material im oberen<br />
Teil<br />
Wandelemente:<br />
80 cm breit<br />
Trennwand (verglast)<br />
100 cm breit<br />
An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig das Einbeziehen der Beschäftigten auch bei<br />
klassischen ergonomischen Gestaltungsprozessen ist.<br />
(c) Anforderungswechsel, Mischarbeit und Pausen<br />
Gestaltung von Mischarbeit<br />
Die Bearbeitung zusätzlicher Tätigkeiten im Call Center (aus dem Bereich der Sachbearbeitung)<br />
als Abwechslung zur Telefonie, wird von Beschäftigten und Experten empfohlen. Bei<br />
der Organisation dieser Tätigkeiten ist allerdings zu beachten, dass geblockte Zeiten für die<br />
Aufgabenerfüllung zur Verfügung gestellt werden. In dieser Zeit sollte nicht telefoniert werden.<br />
Den Mitarbeitern bzw. Mitarbeitergruppen ist es zu ermöglichen, diese zusätzlichen Tätigkeiten<br />
eigenverantwortlich zu planen und ungestört auszuführen. Nur unter diesen Umständen<br />
wirkt sich Mischarbeit belastungsgünstig aus. Zusätzliche Tätigkeiten, die ausschließlich<br />
zwischen zwei Kundengesprächen und immer wieder durch eingehende Gespräche<br />
unterbrochen werden, sind zu vermeiden, da sie langfristig eher eine zusätzliche Belastung<br />
darstellen.<br />
107
,<br />
,<br />
Arbeitswechsel<br />
Belastungswechsel und Kompetenzentwicklung kann durch einen organisierten Wechsel der<br />
Beschäftigten in Fachabteilungen oder andere Arbeitsbereiche erreicht werden. Dieser Prozess<br />
sollte auf freiwilliger Basis und unter Beteiligung der Mitarbeiter organisiert werden.<br />
Pausen<br />
Wenn Mischarbeit mit echtem Belastungswechsel (Experten einbeziehen) nicht möglich ist,<br />
werden von den Projektgruppenmitgliedern (insbesondere von der Gruppe der Beschäftigten)<br />
regelmäßige Erholungszeiten von 6 bis 8 Minuten pro Stunde als angemessen empfunden.<br />
Der persönliche und wirtschaftliche Nutzen von Pausen (vgl. Anlage 3) ist allen betrieblichen<br />
Akteuren (Führungskräften und Mitarbeitern) zu verdeutlichen. Pausenregelungen<br />
sind für jeden durchschaubar und eindeutig zu <strong>gestalten</strong>.<br />
(d) Lernen in der Arbeit<br />
Entscheidend für die Effektivität einer Dienstleistung sowie einer hohen Kundenzufriedenheit<br />
ist das Wissen und Können der Beschäftigten. Für die erfolgreiche Bewältigung der Arbeitsanforderungen<br />
sind Fach-, Handlungs- und Sozialkompetenzen erforderlich, die bei den einzelnen<br />
Beschäftigten unterschiedlich ausgeprägt sein können. Kompetenz und Qualifikation<br />
sind in enger Verbindung und Wechselwirkung mit <strong>Gesundheit</strong>, Engagement und Motivation<br />
zu betrachten. Sie kann erworben werden durch:<br />
• eine lernförderliche Struktur der Arbeitsaufgabe (komplexe vielseitige Aufgaben)<br />
• einen regelmäßigen Arbeitsplatzwechsel (Rotation auch abteilungsübergreifend),<br />
• den Erfahrungsaustausch (abteilungsintern und abteilungsübergreifend),<br />
• Mitwirkung an betrieblichen Gestaltungs- und Veränderungsprojekten,<br />
• Coaching, Mentoring und<br />
• die Nutzung von Seminarangeboten / Kursen.<br />
In einem Call Center wird das Konzept eines Lernarbeitsplatzes erarbeitet, welcher im Punkt<br />
5.2.3. ausführlich beschrieben wird.<br />
108
5.2.3 Das Konzept „Lernarbeitsplatz“<br />
Ziel<br />
In zahlreichen Projektgruppensitzungen ist das Konzept eines Lernarbeitsplatzes entwickelt<br />
worden. An der Erarbeitung sind Kundenberater eines Call Centers, das Management des<br />
Unternehmens, die Universität Magdeburg im Rahmen des Projektes <strong>CCall</strong> und Mitarbeiter<br />
des Projektes „Kompetenzentwicklung“ der Universität Dresden beteiligt (Richter, Pohlandt<br />
2002).<br />
Der Lernarbeitsplatz dient nicht nur der Kompetenzentwicklung. Bei entsprechender Organisation<br />
kann er neben den Lerneffekten negativ erlebte Belastungen abbauen, Handlungsspielraume<br />
erweitern und somit entscheidend zur Arbeits- und Kundenzufriedenheit beitragen.<br />
Ein Lernarbeitsplatz ist ein Arbeitsplatz in einem ruhigen Raum, in dem ein ungestörtes Arbeiten<br />
möglich ist.<br />
Es können sich einzelne Mitarbeiter oder kleine Gruppen (mit oder ohne Unterstützung externer<br />
Experten) an diesen Arbeitsplatz zurückziehen um:<br />
- aktuelle Informationen zu verarbeiten und zu verinnerlichen,<br />
- sich in neue Programme und Produkte einzuarbeiten oder<br />
- ihre Vorgehensweise bei der Kundenarbeit zu verbessern.<br />
Ziel ist es, die Call Center Agenten bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen<br />
zu unterstützen. Dafür ist es notwendig, hilfreiche und akzeptable Bedingungen für das Lernen<br />
zu schaffen. Es zählen dazu einerseits die technischen Voraussetzungen (Anzahl und<br />
Ausstattung des Arbeitsplatzes) aber auch die organisatorischen Bedingungen.<br />
Die Nutzung von Lernzeiten soll zeitliche Freiheitsgrade gewährleisten, die für die selbstorganisierte<br />
Verbesserung des Wissens notwendig sind. Auf der Grundlage von Rahmenbedingungen<br />
und Leitlinien soll der Kundenberater mit entscheiden<br />
• wer, wann<br />
• mit wem,<br />
• wie oft, wie lange und<br />
• zu welchen Inhalten<br />
am Lernarbeitsplatz tätig werden kann.<br />
109
Unter aktiver Beteiligung der betroffenen Beschäftigten werden diese Themen diskutiert und<br />
Rahmenbedingungen für die Gestaltung erarbeitet.<br />
Rahmenbedingungen und Leitlinien<br />
Folgende Empfehlungen für die Gestaltung des Lernarbeitsplatzes werden von Call Center<br />
Agenten als sinnvoll und hilfreich eingeschätzt:<br />
- Bereitstellung mehrerer Arbeitsplätze (getrennt durch Trennwände) in einem<br />
separaten Raum (abhängig von der Gesamtanzahl der Teams und Mitarbeiter),<br />
- Ruhe, Störungsfreiheit, keine weitere Funktion des Raumes,<br />
- weitgehende Übereinstimmung mit den Bedingungen am Normalarbeitsplatz,<br />
- Ermöglichung realer Kundengespräche,<br />
- Bereitstellung aller aktuellen Programme und Informationssysteme,<br />
- Bereitstellung inhaltsbezogener Lernhilfen (Anleitungen, Übersichten, Arbeitsblätter,<br />
konstruierte Fallbeispiele),<br />
- Bereitstellung von Schulungsprogrammen, (Gemeinsame Auswahl der angebotenen<br />
Schulungsprogramme mit den Mitarbeitern / Anwendern),<br />
- Bereitstellung von Geräten und Produkten zum „Anfassen“ und „Ausprobieren“,<br />
- Ermöglichung von Internet- und Intranetzugang,<br />
- Benennung eines Ansprechpartners für die Nutzung des Lernarbeitsplatzes<br />
(Verwaltung / Schlüssel / Liste / Kalender).<br />
Lernpartner können erfahrene Mitarbeiter, Teamleiter, Mitarbeiter aus Fachabteilungen bzw.<br />
externe Mentoren sein. Es sollte aber auch die Möglichkeit bestehen, dass ein Mitarbeiter<br />
den Lernarbeitsplatz allein nutzt, um bestimmte Wissensdefizite aufzuarbeiten.<br />
Die Dauer und die Zeiten zu denen die Lerneinheiten stattfinden können, müssen den spezifischen<br />
Gegebenheiten des Unternehmens angepasst werden. Folgende Empfehlungen<br />
sollten dabei berücksichtigt werden:<br />
- Vereinbarung fester Zeitvorgaben je Team bzw. je Mitarbeiter (Gerechtigkeit),<br />
- Möglichkeit einer regelmäßigen Nutzung des Lernarbeitsplatzes,<br />
110
- Mehrere aufeinanderfolgende Lerneinheiten zu einem Schwerpunkt sollten zeitlich<br />
nicht länger als eine Woche auseinanderliegen,<br />
- Verankerung der Lernzeiten im Dienstplan,<br />
- Gewährung von Sonderlernzeiten nach längeren Arbeitsunterbrechungen (z. B.<br />
Urlaub oder Krankheit),<br />
- Ermöglichung einer lang- und kurzfristigen Nutzung des Lernarbeitsplatzes,<br />
- keine Übertragung der Lernzeiten auf andere Kollegen,<br />
- kein unkontrolliertes Aufsparen der Lernzeiten,<br />
- Führung eines Kalenders (für alle Beschäftigten durchschaubar),<br />
- regelmäßige Abstimmungen zur Nutzung des Lernarbeitsplatzes im Team.<br />
Die Lerninhalte sind ebenfalls in den Teams zu besprechen und festzulegen. Zu berücksichtigen<br />
ist dabei, wie hoch die Agenten ihren eigenen Qualifizierungsbedarf einschätzen sowie<br />
die Fremdeinschätzung durch Mitarbeiter und Vorgesetzte. Hilfreich sind Lernpläne mit individuell<br />
prüfbaren Lernzielen.<br />
Zu empfehlen ist auch die Erstellung eines unternehmens- und bereichsspezifischen Anforderungsprofils<br />
durch Experten, bei denen die Beschäftigten und Vorgesetzten mitwirken sollen.<br />
So können gezielt Themen aufbereitet oder Mentoren beauftragt werden um Qualifizierungslücken<br />
zu beheben bzw. Kompetenzen zu trainieren.<br />
Die Nutzung des Lernarbeitsplatzes sollte protokolliert (zeitlich und inhaltlich) und teambezogen<br />
ausgewertet werden.<br />
Effekte aus der Sicht der Call Center Agenten<br />
Von den Beschäftigten selbst sind folgende persönliche und wirtschaftliche Vorteile und positive<br />
Effekte durch die regelmäßige Nutzung von Lernzeiten an einem Lernarbeitsplatz zusammengestellt<br />
worden:<br />
1. Erhöhung der Kundenzufriedenheit:<br />
- schnelleres und kompetenteres Antworten auf Kundenanfragen,<br />
- Vermeidung von Falschinformationen und unterschiedliche Informationen durch<br />
verschiedene Mitarbeiter<br />
111
- Erhöhung der Informationsbreite und –tiefe / kein unnötiges<br />
- Weiterleiten von Gesprächen (alle Fragen aus einer Hand)<br />
2. Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit:<br />
- Anreicherung der Arbeitsaufgabe<br />
- Erhöhung des Handlungsspielraums<br />
- Erweiterung/ Festigung des eigenen Wissenstandes<br />
- <strong>Erfolg</strong>e in der Arbeit wirken sich positiv auf die Motivation / Zufriedenheit der A-<br />
genten aus<br />
3. Erhöhung der Effektivität:<br />
- Verkürzung des Kundengespräches durch schnelleres und kompetenteres<br />
Antworten<br />
- -Verringerung und Vermeidung von Zeiten zur Suche nach Informationen<br />
- -Vermeidung von Weiterleitungen der Gespräche bzw. Rückrufaktionen<br />
4. Erhöhung des Verkaufserfolges:<br />
- Sicheres Auftreten beim Anbieten und Verkauf von neuen Produkten<br />
- Heranwagen an „schwierige“ Kunden<br />
Der Lernarbeitsplatz ist noch nicht erprobt. Nach der Erprobung wird sich zeigen, ob die o.g.<br />
Zielstellungen und Effekte mit dem umschriebenen Konzept erreicht werden und inwieweit<br />
weitere Modifizierungen / Anpassungen der inhaltlichen und/oder organisatorischen Gestaltung<br />
des Arbeitsplatzes vorgenommen werden müssen.<br />
112
5.2.4 <strong>Erfolg</strong>skriterien für die partizipative Gestaltung und Entwicklung<br />
Ausgehend von den Erfahrungen in der Projektgruppenarbeit lassen sich folgende Voraussetzungen<br />
für den <strong>Erfolg</strong> der Projektgruppenarbeit formulieren:<br />
- Identifikation des Managements mit dem Projekt (aktive Beteiligung, fachliche und<br />
finanzielle Unterstützung)<br />
- Regelmäßige Durchführung von Projektgruppensitzungen (mindestens einmal im<br />
Monat)<br />
- Alle Beteiligten haben eine klare Vorstellung von der Zielstellung der Projektgruppenarbeit<br />
- Schaffung eines offenen vertrauensvollen Klimas (Vereinbarung von Spielregeln,<br />
Sitzungsregeln, Aspekte der gegenseitigen Toleranz und Akzeptanz,<br />
Vertraulichkeit)<br />
- Fachliche, methodische und kritische externe Begleitung der Projektgruppenarbeit,<br />
insbesondere in der Anfangsphase<br />
- Vertrauen gegenüber externer Projektbegleitung<br />
- Projektgruppenleitung und Koordination nach Möglichkeit im Unternehmen belassen<br />
- Aktive Beteiligung aller Projektgruppenmitglieder durch Aufgabenverteilung,<br />
Durchschaubarkeit, Beeinflussbarkeit<br />
- Schnelle Umsetzung kleiner Veränderungen (Im Unternehmen sicht- und spürbare<br />
Veränderungen schon während der Projektphase)<br />
113
5.3 Spezielle verhaltenspräventive Maßnahmen<br />
5.3.1 „Richtiges Bewegen“ im Call Center<br />
Warum ist Bewegung wichtig?<br />
Vor ca. 4 Millionen Jahren begann die Entwicklung des Menschen mit einem Haltungswechsel<br />
von einer gebückten in die aufrechte Position. Diese Entwicklung machte einige anatomische<br />
und physiologische Anpassungen erforderlich.<br />
Die Wirbelsäule richtete sich auf und erhielt die uns bekannte doppelte S-Form.<br />
Die Wirbelsäule, als zentrales Element des Körpers, trägt die Gliedmaßen, Kopf und Brustkorb.<br />
Sie besteht aus festen Wirbelkörpern und elastischen Bandscheiben, die uns die Beweglichkeit<br />
der Wirbelsäule verleihen.<br />
Der Mensch lebte seit Jahrtausenden unter Bedingungen, die von ihm täglich körperliche<br />
Bewegung und Anstrengung verlangte. Auf diese Anforderungen ist das Muskel-<br />
Skelettsystem eingestellt. In der heutigen Zeit gibt es sowohl im privaten als auch im Arbeitsleben<br />
unzählige Arbeitserleichterungen. Das hat neben positiven Effekten zur Folge,<br />
dass der Mensch in der modernen Arbeitswelt immer mehr Zeit mit einseitigen Körperhaltungen,<br />
im Call Center ist es das ständige Sitzen, verbringt.<br />
Die Bewegungsarmut und einseitige Körperhaltungen führen letztendlich zu einer Unbeweglichkeit<br />
des Muskel-Skelettsystems. Für die Haltung sind wichtige Muskelgruppen verkümmert,<br />
weil sie wenig beansprucht werden. Das sich im Gleichgewicht befindende Muskel -<br />
Skelettsystem wird durch die degenerativen Prozesse empfindlich gestört. Die uns bekannten<br />
Schmerzen, z. B. im Rücken, Nacken und in den Gelenken, sind oft die Folge.<br />
Der Körper ist in der Lage, sich Belastungen bis ins hohe Alter anzupassen, vorausgesetzt,<br />
er wird regelmäßig gefordert, um die Adaptionsfähigkeit zu erhalten.<br />
Nun muss nicht jedes Call Center mit einem Fitness-Studio gekoppelt sein, es geht vielmehr<br />
darum:<br />
- monotone und belastende Haltungen zu erkennen,<br />
- falsche Verhaltensmuster zu korrigieren und<br />
- richtige bewegungsfreundliche Verhaltensweisen zu erlernen und in den<br />
täglichen Arbeitsablauf zu integrieren.<br />
Dabei helfen z. B. kleine, simpel erscheinende Übungen, die während der Telefonate mühelos<br />
durchgeführt werden können. Haltungswechsel und dynamisches Sitzen zeigen weitere<br />
positive Effekte beim Abbau arbeitsbedingter Belastungen.<br />
114
„Sitzen“ – Schwerstarbeit für den Körper<br />
Der moderne Mensch sitzt rund um die Uhr. Allein im Büro sollen es 70.000 – 80.000 Stunden,<br />
hochgerechnet auf die Lebensarbeitszeit, sein. Neben dem volkswirtschaftlichen Kostenproblem<br />
ersten Grades ist es auch für jeden Einzelnen unangenehm, laufend von Rückenschmerzen<br />
geplagt zu sein.<br />
Die Beweglichkeit und Belastbarkeit der Wirbelsäule ergibt sich aus dem Aufbau. Jedem<br />
knöchernen Wirbelkörper folgt eine Bandscheibe. Bedingt durch die Form und Bewegungsabläufe,<br />
wie Tragen, Sitzen, Bücken wird die Wirbelsäule enorm belastet. Ungünstige Bewegungsformen<br />
und Bewegungsmangel leisten dem vorzeitigen Verschleiß Vorschub.<br />
Nachfolgendes Bild zeigt, wie die Wirbelsäule oder besser die Bandscheibe, belastet wird.<br />
Ganz eindeutig ist nachgewiesen worden, dass der stehende Mensch seine Wirbelsäule weniger<br />
belastet als der Mensch im Sitzen. Gebeugte Sitzhaltungen verstärken den Effekt.<br />
Abb. 42: Bandscheibendruck in verschiedenen Ausgangspositionen. Beide Untersuchungen<br />
bestätigen die Regeln der Rückenschule, d. h. das dynamische Sitzen mit der Möglichkeit<br />
zum Wechsel von Sitzpositionen, sowie den Wechsel zwischen Sitzen und Stehen. Die neuere<br />
Studie von Wilke hebt weiterhin hervor, dass auch durch das lässige Sitzen, z. B. Lümmeln,<br />
die Bandscheibe entlastet werden kann (Barmer).<br />
Die Ernährung einer Bandscheibe erfolgt durch den Wechsel zwischen Be- und Entlastung.<br />
Ständiges Sitzen führt zum dauerhaften Druck auf die Bandscheibe, so dass eine Flüssigkeits-<br />
und Nährstoffaufnahme im geringen Maße erfolgen kann.<br />
115
Verlagerungen des Bandscheibenkerns in Richtung Wirbelkanal können bewirken, dass Nerven<br />
gereizt oder eingeklemmt werden, was dann zu Rückenschmerzen führt. Eine Vielzahl<br />
der Ursachen von Rückenschmerzen sind zurückzuführen auf eine schwache oder verkrampfte<br />
Muskulatur, langfristig entstanden u. a. durch Dauersitzen, Haltungsfehler, Bewegungsmangel<br />
und falsche Bewegungsmuster.<br />
Wie die vom Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin durchgeführten Befragungen<br />
ergeben haben, stehen Nackenschmerzen in der Hitliste der Rückenprobleme ganz<br />
weit vorn. KARMAUS et al. (1990) zeigen, dass in Verwaltungsbetrieben die häufigsten Erkrankungen<br />
der Bewegungsorgane die Schultern, die Hals-Wirbelsäule und Lenden-<br />
Wirbelsäule betreffen und dass die Bewegung am Arbeitsplatz eine herausragende Bedeutung<br />
hat, Erkrankungen und Schmerzen vorzubeugen. Insbesondere die Vorneigung des<br />
Kopfes und das Anheben der Schultern sind verantwortlich für die häufigen Beschwerden im<br />
Nacken- und Schulterbereich. Schulter- und Nackenbeschwerden sind insbesondere bei<br />
Beschäftigten mit Bildschirmarbeit bedeutend höher als bei „normalen“ Bürobeschäftigten.<br />
Eine interessante Aussage, die bereits 1989 getroffen wurde.<br />
Übertragen auf die Call Center heißt es, es gibt keine „normalen“ Büroangestellten, die Bildschirmarbeit<br />
ist Standard geworden. Die Bewegungsarmut und das Dauersitzen nehmen<br />
noch mehr zu. Wen wundert es da, dass das Muskel-Skelettsystem immer mehr darunter<br />
leidet.<br />
Selbst die vorbildlichste ergonomische Ausstattung kann nur einen Teil der Rückenbeschwerden<br />
ausschalten, wie in den Untersuchungen vom Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik<br />
Neuruppin deutlich wurde.<br />
Angesichts dieser Entwicklung sollte die Verhaltensprävention immer mehr an Bedeutung<br />
gewinnen.<br />
Durchführung von Rückenschulen in zwei Call Centern<br />
Die Rückenschulen wurden in zwei ergonomisch unterschiedlich ausgestatteten Call Centern<br />
durchgeführt, im CCN 2 und CCN 3 (siehe Punkt 4.3.4). Trainiert wurden die Agents von<br />
zwei Studentinnen der Universität Potsdam, Studiengang Diplomsportwissenschaft Rehabilitation<br />
/ Prävention.<br />
Ziel sollte es sein, die Mitarbeiter mit Grundlagenwissen zum Problem „richtige Haltung“ auszustatten<br />
und sie befähigen, Bewegungsübungen in den Alltag, vor allem Arbeitsalltag, einzubauen.<br />
Voraussetzungen dafür sind<br />
- die Kenntnis darüber, was eine „gute Haltung“ ist und welche Bedeutung sie für die<br />
116
<strong>Gesundheit</strong> hat,<br />
- muskuläre Voraussetzungen, um aktiv eine gute Haltung einnehmen und erhalten zu<br />
können.<br />
Muskuläre Balance ist die Voraussetzung für eine harmonische Statik.<br />
Beispiel Halswirbelsäule<br />
Das Marathonsitzen vor dem Bildschirm bedeutet für Hals und Kopf fast immer eine Auslenkung<br />
aus der idealen Balance (Vorneigung, Neigung nach hinten). Dadurch werden die Muskeln<br />
zu einer dauernden Haltearbeit gezwungen, was sich negativ auf das muskuläre<br />
Gleichgewicht auswirkt. Einige Muskeln werden für die Aufrechterhaltung der ungünstigen<br />
Haltung verstärkt beansprucht, sie verspannen, wie z. B. die Nackenmuskulatur. Die vordere<br />
Halsmuskulatur kommt kaum zum Tragen und schwächt somit ab.<br />
Inhalt der Kurse<br />
1. Stunde<br />
o Übungen zur allgemeinen Erwärmung, Abschalten von der Arbeit und Mobilisation<br />
o Verlaufsbesprechung<br />
o Anatomie der Wirbelsäule<br />
o Entspannen in Form einer Phantasiereise<br />
2. Stunde<br />
o Übungen<br />
o Theorie „Richtiges Sitzen“<br />
o Erwärmungsübungen<br />
o Erlernen eines rückenfreundlichen Sitzens<br />
o Kräftigung Bauch– und Beckenmuskulatur<br />
3. Stunde<br />
o Lockerungsübungen<br />
o Wiederholung von Theorie und Praxis<br />
o Kräftigungsübungen<br />
o Progressive Muskelrelaxration<br />
4. Stunde<br />
o Arbeitsplatzbegehung mit Stuhleinstellung und Tipps für jeden Teilnehmer<br />
5. Stunde<br />
117
o Erwärmungsübungen<br />
o Theorie des richtigen Bückens, Hebens und Tragens mit Übungen<br />
o Kräftigung Rumpf- und Gesäßmuskulatur<br />
o Verbesserung der Dehnfähigkeit und Beweglichkeit<br />
o Entspannung<br />
6. Stunde<br />
o Erwärmungsübungen<br />
o Wiederholung von Theorie und Praxis<br />
o Kräftigungsübungen Bauch- und Rumpfmuskulatur<br />
o Verbesserung der Dehnfähigkeit<br />
o Entspannung<br />
7. Stunde<br />
o Erwärmungsübungen<br />
o Zusammenfassung und Wiederholung von Theorie und den wichtigsten Übungen<br />
o Phantasiereise<br />
8. Stunde<br />
o Erwärmungsübungen<br />
o Wiederholung, 10 goldene Rückenschulregeln<br />
o Entspannen durch Partnermassage<br />
Die Übungsstunden dauern jeweils ca. 40 Minuten. Ein separater Raum ist zur Verfügung zu<br />
stellen.<br />
Den vorangegangenen Erläuterungen ist zu entnehmen, dass das Erlernen richtiger Haltungen<br />
und Bewegungsabläufe sowie das Vermitteln theoretischer Grundlagen externen Anbietern<br />
vorbehalten bleiben sollte.<br />
Aus diesen vielfältigen Übungsmöglichkeiten, die auch im privaten Bereich weiter durchgeführt<br />
werden sollten, sind Dehnungs- und Auflockerungsübungen zusammengestellt worden,<br />
die mühelos am Arbeitsplatz, auch während des Telefonierens, durchführbar sind.<br />
Sie können die Übungen nachlesen im Tool „Locker vom Hocker – Bewegungsübungen für<br />
Call Center Agents“.<br />
118
5.3.2 Stimmtraining<br />
Die Tätigkeit eines Call Center Agents ist bekanntlich durch Monotonie und einseitige Belastung<br />
gekennzeichnet. Diese beziehen sich einerseits auf den Körper, andererseits aber<br />
auch maßgeblich auf die Sinnesorgane. Die Dienstleistung wird im Call Center ausschließlich<br />
über die Stimme erbracht. Erschwerend kommt hinzu, dass keine nonverbale Kommunikation<br />
am Telefon möglich ist, so dass Höflichkeit, Beruhigung usw. allein mit der Stimme<br />
vermittelt werden müssen.<br />
Außerdem ist bekannt, dass sich nicht nur physiologische Belastungen, sondern ebenso<br />
psychische Belastungen wie z. B. Stress auf die Stimme niederschlagen.<br />
Beispielsweise ist allein schon durch die angespannte Körperhaltung, die man in Stresssituationen<br />
unbewusst einnimmt, eine ungünstige Körperhaltung und Atmung vorhanden, was<br />
sich zweifellos auf die Belastung der Stimme auswirkt.<br />
(Nähere Informationen lesen Sie bitte im <strong>Report</strong> „Call Center Agent als Sprechberuf-<br />
Belastungsfaktoren und Stimmerkrankung“ nach).<br />
Die Stimme eines Call Center Agents ist also zentrales Element seiner Tätigkeit und sollte<br />
daher zukünftig auch zentrales Element der Ausbildung und der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
sein. So hat das Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin, das die<br />
Verhaltensprävention im Call Center erprobt, entsprechend der analysierten Probleme, ein<br />
Stimmtraining durchgeführt.<br />
Das Stimmtraining wurde in Kooperation mit der Tekomedia GmbH als eine verhaltenspräventive<br />
Maßnahme im CCN 4 (siehe Punkt 4.3.4) durchgeführt.<br />
Die Tekomedia GmbH hat im Rahmen des Projektes „<strong>CCall</strong> – erfolgreich und gesund arbeiten<br />
im Call Center“ die Zielsetzung, Gestaltungs- und Trainingskonzepte zur Prävention von<br />
Stimmstörungen zu entwickeln und zu erproben.<br />
Das „Stimmseminar für Telefonisten in Call oder Service Centern“ wurde von zwei Trainern<br />
durchgeführt, so dass neben den positiven Effekten der Gruppenarbeit auch eine individuelle<br />
Betreuung der Teilnehmer möglich war. Ein Trainer war Logopäde mit langjähriger Erfahrung<br />
in der Stimmtherapie und der Durchführung von Präventionsseminaren für Sprechberufler<br />
119
(Erziehern, Lehrern). Der zweite Trainer war Sprachtherapeut und Diplom Pädagoge mit<br />
langjähriger Call Center Erfahrung.<br />
Für den <strong>Erfolg</strong> des Seminars war es notwendig, sich zuvor über die Arbeitssituation der Telefonisten<br />
zu informieren.<br />
Das Seminar war an sich für maximal 12 Teilnehmer konzipiert. Es war aufgeteilt in ein Basisseminar<br />
und einen Aufbautag, der zum Auffrischen des Erlernten nach ca. einem Monat<br />
erfolgte. Das Seminar war in sechs Bausteine unterteilt. Jeder Baustein umfasste einen<br />
praktischen und einen theoretischen Teil. Die sechs Bausteine wurden im Basisseminar erarbeitet.<br />
Am Auffrischungstag wurden alle sechs Bausteine kurz wiederholt, wobei hier der<br />
Transfer im Mittelpunkt stand. Weiterhin wurde die Umsetzung des Gelernten in den Telefonieralltag<br />
thematisiert.<br />
-/.$01324.658789;:874= ?324@ 9<br />
Baustein 1: Körperwahrnehmung und Präsenz<br />
Baustein 2: Eutonus und Aufrichtung<br />
Baustein 3: Atmung und Abspannen<br />
Baustein 4: Intention und Zuhören<br />
Baustein 5: Stimme und Sprechen<br />
Baustein 6: Präventionsmaßnahmen<br />
Abb. 43: Aufbau des Seminars<br />
Der erste Baustein vermittelte die körperlichen Grundvoraussetzungen für ökonomisches<br />
Sprechen.<br />
Im zweiten Baustein stand die Körperspannung (Tonus) als ein wesentlicher Faktor bei der<br />
Verursachung von Stimmstörungen im Mittelpunkt.<br />
120
Im dritten Baustein erfolgten Übungen zur Atmung, wobei die reflektorische Atemergänzung<br />
(Abspannen) als ökonomischste Art zu atmen vermittelt wurde.<br />
Die Zielgerichtetheit und das dialogische Prinzip als Bestandteil jeder Kommunikation wurden<br />
im vierten Baustein eingeübt.<br />
Ziel aller Übungen war es, die Wahrnehmung der Telefonisten für die Zusammenhänge von<br />
Stimmgebung, Körperhaltung, Atemgebung und Gesprächszuwendung zu schulen. Bestandteil<br />
all dieser Bausteine war, dass immer auch Transferübungen angestrebt waren, sei<br />
es im Seminar selber oder in den sogenannten Rucksackübungen. Die Rucksackübungen<br />
waren einfache Übungen, die problemlos am Arbeitsplatz durchgeführt werden konnten.<br />
Im fünften Baustein wurde schließlich an der Stimme selber gearbeitet. Auch in den anderen<br />
Bausteinen wurde bereits die Stimme eingesetzt; in diesem Baustein wurden die<br />
einzelnen Teilbereiche des Sprechvorgangs integriert. Weiterhin wurde den Telefonisten<br />
vermittelt, wie ihre natürliche Stimmlage ist, wie man durch mehr Resonanz leiser und doch<br />
verständlicher reden kann und noch vieles mehr. Auch eine Einzelarbeit mit Hinweisen und<br />
individuellen Übungen war Bestandteil dieses Bausteins.<br />
Im sechsten Baustein wurden schließlich Präventionsmaßnahmen vermittelt, die den persönlichen<br />
und beruflichen Umgang mit der eigenen Stimme betrafen. Um eine Früherkennung<br />
zu gewährleisten, wurden Haupt– und Nebensymptome von Stimmstörungen aufgezeigt<br />
und darüber informiert, was man bei akuten Beschwerden tun sollte. Die beste Prävention<br />
allerdings liegt in dem Erlernen einer ökonomischen Sprechweise, wie sie im Seminar<br />
vermittelt wurde. Deshalb waren die Bausteine überwiegend praktisch orientiert.<br />
Nach den praktischen Übungen erfolgte jeweils ein theoretischer Input mit vielseitigen,<br />
multimedial aufbereiteten Materialien, wobei physiologische Hintergründe anschaulich dargestellt<br />
und vermittelt wurden.<br />
5.3.3 Basics for Agents<br />
Eine andere Maßnahme war das Qualifizierungskonzept „Basics for Agents“. Dieses Konzept<br />
ist von der Technologieberatungsstelle des DGB Hessen entwickelt worden. Durchgeführt<br />
wurde es in einem Call Center, das seit drei Jahren in eine Langzeitstudie des Amtes involviert<br />
ist (CCN 5), da das dafür vorgesehene CCN 1 nicht bereit war, diebezüglich Maßnahmen<br />
durchzuführen. Das CCN 5 hat während der Langzeitstudie einen Neubau bezogen,<br />
wodurch dort beste ergonomische Voraussetzungen vorlagen. Eine Vorher-Analyse wurde<br />
auf Grund der guten ergonomischen Bedingungen und des Anliegens des Konzeptes, d. h.<br />
Wissensvermittlung, nicht vorgenommen.<br />
121
Gerade bei den guten Arbeitsbedingungen erschien es ideal, das Basics für Agents durchzuführen,<br />
da dieses Konzept grundlegende und vertiefende Zusammenhänge zwischen Arbeitsplatzbedingungen<br />
und eigenem Verhalten verdeutlicht.<br />
Was bedeutet Basics für Agents?<br />
<strong>Erfolg</strong>reiche Call Center Arbeit gründet bekanntermaßen auf zufriedene, leistungsfähige und<br />
gesunde Agenten. Für nachhaltige Schritte zu diesem Ziel werden informierte, selbstverantwortliche<br />
und aktive Personen benötigt, die in der Lage sind aktiv an der Verbesserung der<br />
Arbeitsbedingungen mitzuwirken.<br />
Ziele dieses Konzeptes war es, <strong>Gesundheit</strong>swissen der Agents aufzubauen und sie zur aktiven<br />
Beteiligung an dem Verbesserungsprozess der Arbeitsbedingungen zu befähigen. Außerdem<br />
sollten die Call Center Agents für gesundheitsförderliches Verhalten sensibilisiert<br />
werden.<br />
Das Konzept hat somit die drei Ansätze der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung:<br />
Verhaltensprävention, Verhältnisprävention und Partizipation miteinander verbunden.<br />
Im Ergebnis der Maßnahme wurden informierte und aktive Mitarbeiter bezüglich der <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
erwartet. Sie sollten daraufhin selbstverantwortlich handeln und auf ihr<br />
gesundheitsgerechtes Verhalten achten können. Die Agents sollten demzufolge in der Lage<br />
sein, aktiv mit zu reden und Verbesserungsvorschläge einzubringen. Auf diese Weise sollte<br />
die Akzeptanz erreicht und das Erfahrungswissen der Mitarbeiter genutzt werden.<br />
Wie wurde es umgesetzt?<br />
In dem Qualifizierungskonzept wurde den Mitarbeitern der Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen<br />
und <strong>Gesundheit</strong>sschutz vermittelt. Sie wurden befähigt, ihre Situation in<br />
bezug auf arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse einzuschätzen und sich bei der Verbesserung<br />
ihrer Arbeitsbedingungen zu beteiligen.<br />
Eine Voraussetzung zur Durchführung dieses Seminars war die Arbeit in Kleingruppen<br />
mit 10 - 15 Personen, entweder in Blöcken von jeweils 2 Stunden oder alternativ 2 Tage.<br />
Eine Einheit für Einstieg und Ausblick wurde hinzugefügt. Der Aufbau ist in der nachfolgenden<br />
Übersicht dargestellt:<br />
122
Frei sprechen und hören Modul 1 Lärm- und Stimmbelastung beim<br />
Sprechen<br />
Richtig sitzen und bewegen Modul 2 Belastung Rücken beim Sitzen<br />
Gut sehen am Bildschirm Modul 3 Belastung Augen bei der Bildschirmarbeit<br />
Entspannt freundlich sein Modul 4 Stressbelastung bei der Arbeit mit Kunden<br />
Zusammen arbeiten Modul 5 Arbeitsorganisation und Teamarbeit<br />
Abb. 44: Aufbau des Basics für Agents<br />
Die Mitarbeiter erhielten zum jeweiligen Modul Hintergrundwissen und erarbeiteten auf dieser<br />
Grundlage gemeinsam eine Checkliste, die Maßnahmen und Möglichkeiten zur Verbesserung<br />
des persönlichen Verhaltens und Erwartungen zur Arbeitssituation umfasste.<br />
(Nähere Informationen lesen Sie bitte im <strong>Report</strong> bzw. den Tools der Technologieberatungsstelle<br />
des DGB Hessen nach).<br />
Mit diesem Qualifizierungskonzept wurde Wissen vermittelt und Gestaltungsmöglichkeiten<br />
aufgezeigt. Es sollte Grundlage und Anstoß zur Verhaltensänderung der Agents sein, um die<br />
<strong>Gesundheit</strong> langfristig positiv zu beeinflussen.<br />
123
5.3.4 Wirksamkeit der Maßnahmen<br />
Das Teilprojekt beschäftigt sich im Rahmen einer Evaluationsstudie mit der Wirkung von<br />
Trainingsmaßnahmen auf die physische und psychische <strong>Gesundheit</strong> von Mitarbeitern in<br />
ausgewählten Call Centern. Dazu sollten drei verschiedene Maßnahmen konzipiert und empirisch<br />
auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Die Maßnahmen bestanden im einzelnen<br />
aus<br />
(A) einer Rückenschule<br />
(B) einem Stimmtraining<br />
(C) einem Lehrgang „Basics for Agents“.<br />
Vier Call Center wurden untersucht und ausgewertet. Die Trainingsmaßnahme „Rückenschule“<br />
fand in den Call Centern „CCN 2“ sowie „CCN 3“ statt, ein Stimmtraining erfolgte bei<br />
„CCN 4“ und das Call Center „CCN 5“ erhielt den Trainingslehrgang „Basics for Agents“.<br />
Letzteres wird nur auf der Ebene der Teilnehmerzufriedenheit ausgewertet (s. u.), da hier<br />
aufgrund einer Langzeituntersuchung keine Vorhermessung erfolgte.<br />
Die Untersuchung wurde nach einem quasiexperimentellen Ansatz in Form eines Pre-Post-<br />
Designs mit nichtäquivalenten Versuchs- und Kontrollgruppen durchgeführt. Nach dem 4-<br />
Ebenen-Modell von Kirkpatrick (1976) werden die zwei unteren Ebenen betrachtet: die Teilnehmerzufriedenheit<br />
(Reaktionsebene) und die Lernebene. Die eingesetzten Messinstrumente<br />
dienten der quantitativen Erhebung von Daten für beide Ebenen. Es handelt sich hierbei<br />
um zwei Verfahren, die den praktischen Anforderungen angepasst wurden und in dieser<br />
Form erstmalig zum Einsatz kamen.<br />
Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgt mittels statistischer Verfahren unter Nutzung<br />
des Programmpaketes SPSS für Windows, Release 8.0.0 (1998). Zur Einschätzung der Teilnehmerzufriedenheit<br />
erfolgt in Punkt 5.4.1 eine deskriptive Darstellung der Ergebnisse der<br />
Teilnehmerbefragung zunächst getrennt für jedes Call Center mit Minimum, Maximum, Mittelwert<br />
und Streuung. Um Vergleiche der Einzelmaßnahmen zu ermöglichen, werden die<br />
Ergebnisse im nächsten Schritt zusammen betrachtet. Daran lassen sich Verbesserungsspielräume<br />
bei der Umsetzung der theoretischen Konzeption in die Praxis aufzeigen.<br />
Die Zufriedenheit der Programmteilnehmer wird als Voraussetzung für mögliche Effekte auf<br />
den folgenden Ebenen Lernen, Transfer an den Arbeitsplatz und Organisation gesehen, ihr<br />
kommt somit zentrale Bedeutung bei der Einschätzung der Trainingsmaßnahmen hinsichtlich<br />
ihrer Rechtfertigung zu.<br />
Punkt 5.4.2 beschäftigt sich mit der inferenzstatistischen Auswertung der Trainingseffekte.<br />
Ziel ist es hier, Verbesserungen im <strong>Gesundheit</strong>szustand der Mitarbeiter auf die einzelnen<br />
124
Maßnahmen zurückzuführen. Dazu werden sowohl die deskriptiven Maße (Mittelwerte,<br />
Streuungen, Differenzen zwischen Pre- und Postmessung sowie zwischen Versuchs- und<br />
Kontrollgruppe) dargestellt als auch entsprechende Unterschiedstests (Varianzanalysen)<br />
gerechnet. Zur besseren Verständlichkeit der Ergebnisse werden die Vorher-Nachher-<br />
Effekte für die einzelnen Gruppen graphisch veranschaulicht.<br />
Schließlich wird im folgenden Punkt eine Interpretation der Befunde zur Teilnehmerzufriedenheit<br />
und zu den Lerneffekten gegeben. Auf der empirischen Basis aufbauend werden<br />
Empfehlungen zur Verbesserung der Durchführung der Trainingsmaßnahmen bzw. zur<br />
Bewertung des Lern- und Transfereffektes der Trainingsmaßnahmen gegeben.<br />
Teilnehmerzufriedenheit<br />
Nach dem 4-Ebenen-Konzept von Kirkpatrick (1976) erfolgt auf Ebene 1 die Einschätzung<br />
der Teilnehmerzufriedenheit als Voraussetzung für einen Trainingserfolg. Hier wird sichergestellt,<br />
dass die Teilnehmer ausreichend motiviert waren, die Inhalte des Trainings für sich<br />
anzunehmen und ihr Verhalten entsprechend anzupassen. Diese „Reaktionsebene“ ist also<br />
von zentraler Bedeutung für die nachfolgenden Ebenen.<br />
Der Fragebogen zur Teilnehmerzufriedenheit bestand aus 21 Items, welche auf einem<br />
sechsstufigen Rating von „trifft völlig zu“ bis „trifft gar nicht zu“ durch die Trainingsteilnehmer<br />
nach der Maßnahme zu bewerten waren. Zur Quantifizierung wurde jedem Item eine Skala<br />
von 1-6 zugeordnet, wobei der Wert 1 für maximale Unzufriedenheit und der Wert 6 für maximale<br />
Zufriedenheit steht. D.h. für alle Items mit Ausnahme von „Die Trainingszeit war zu<br />
knapp bemessen“ und „Das Training hätte mit weniger Zeitaufwand effektiver sein können“<br />
wurde die aufsteigende Reihe (von links nach rechts) umgepolt. Durch die gerade Anzahl an<br />
Antwortkategorien wurde sichergestellt, dass jeder Befragte für jedes Item Unzufriedenheit<br />
(1-3) bzw. Zufriedenheit (4-6) bekundete. Die Auswertung erfolgt deskriptiv bzw. anhand einer<br />
graphischen Darstellung der Profile für die einzelnen Call Center.<br />
Ein weiteres Item erfasste im offenen Antwortformat Änderungswünsche und Hinweise. Für<br />
diese Auswertung wurde lediglich erfasst, ob Wünsche geäußert wurden oder nicht (1=ja;<br />
2=nein).<br />
125
CCN 2<br />
Im Call Center CCN 2 wurde eine Rückenschule durchgeführt. In Tabelle 1 sind die Minima<br />
(min), Maxima (max), der Mittelwert (MW) sowie dessen Streuung (sd) für jedes Einzelitem<br />
angegeben.<br />
Item Call Center min* max* MW sd<br />
für Tätigkeit wichtig CCN 2 5 6 5,7 0,48<br />
ausreichende Informationen N=10 5 6 5,2 0,42<br />
viel gelernt 5 6 5,3 0,48<br />
gute Anwendung im Arbeitsalltag 4 6 4,9 0,57<br />
animiert Gelerntes anzuwenden 4 6 4,9 0,88<br />
Ziele sind deutlich geworden 5 6 5,4 0,52<br />
entsprach Wünschen u. Vorstellungen 4 6 5,1 0,57<br />
gute Art und Weise 5 6 5,6 0,52<br />
gute Zeit und Umfang 4 6 5,2 0,63<br />
gutes "Klima" 5 6 5,8 0,42<br />
Maßnahme hat mir gefallen 5 6 5,7 0,48<br />
gute Didaktik 5 6 5,6 0,52<br />
gute Organisation 4 6 4,8 0,79<br />
verständliche Einführung 5 6 5,8 0,42<br />
kompetenter Trainer 5 6 5,7 0,48<br />
sachgerechte Antworten 5 6 5,8 0,42<br />
Training entsprach Erwartungen 5 6 5,6 0,52<br />
zu knappe Trainingszeit 2 6 3,3 1,57<br />
mit weniger Zeitaufwand effektiver 4 6 5,4 0,84<br />
hilfreiche Trainingsmethoden 5 6 5,3 0,48<br />
Information vom AG 1 6 3,7 1,83<br />
Änderungswünsche / Hinweise 1 2 1,9 0,32<br />
*... Range: 1 (maximale Unzufriedenheit) bis 6 (maximale Zufriedenheit)<br />
Tab. 1: Deskriptive Beschreibung der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center „CCN 2“<br />
(Maßnahme: Rückenschule)<br />
126
Der Ergebnistabelle ist zu entnehmen, dass alle Fragen im Mittel mit Zufriedenheit bewertet<br />
wurden. Die einzelnen Minima liegen mit Ausnahme von „zu knappe Trainingszeit“ und „Information<br />
vom AG“ zwischen 4 und 5, die Maxima sind ausnahmslos mit 6 bewertet. Die genannten<br />
beiden Items sind auch vom Mittelwert her deutlich niedriger als die restlichen Items<br />
und bilden damit Ansatzpunkte für Verbesserungen bei der Implementation dieses Programms.<br />
Abbildung 45 zeigt die graphische Darstellung des Profilverlaufes des Mittelwertes in den<br />
Grenzen der jeweilig angegebenen Minima und Maxima. Die Streuungen der Werte sind Tabelle<br />
1 zu entnehmen.<br />
CCN 2<br />
(N=10)<br />
6<br />
Zufriedenheit<br />
5<br />
4<br />
3<br />
Minimum<br />
Maximum<br />
MW<br />
2<br />
1<br />
für Tätigkeit wichtig<br />
ausreichende Informationen<br />
viel gelernt<br />
gute Anwendung im Arbeitsalltag<br />
animiert Gelerntes anzuwenden<br />
Ziele sind deutlich geworden<br />
entsprach Wünschen u. Vorstellungen<br />
gute Art und Weise<br />
gute Zeit und Umfang<br />
gutes "Klima"<br />
Maßnahme hat mir gefallen<br />
gute Didaktik<br />
gute Organisation<br />
verständliche Einführung<br />
kompetenter Trainer<br />
sachgerechte Antworten<br />
Training entsprach Erwartungen<br />
zu knappe Trainingszeit<br />
mit weniger Zeitaufwand effektiver<br />
hilfreiche Trainingsmethoden<br />
Information vom AG<br />
Abb. 45: Profilverlauf der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center<br />
„CCN 2“ (Maßnahme: Rückenschule)<br />
CCN 3<br />
Im Call Center CCN 3“ wurde ebenfalls eine Rückenschule durchgeführt. Da diese nicht gemeinsam<br />
mit „CCN 2“ erfolgte, wird sie zunächst getrennt von diesem Call Center betrachtet.<br />
Es sind Unterschiede bei der Implementation wie z. B. eine unterschiedliche Trainerpersönlichkeit<br />
möglich. In Tabelle 2 sind die Minima (min), Maxima (max), der Mittelwert (MW) sowie<br />
dessen Streuung (sd) für jedes Einzelitem angegeben.<br />
127
Item Call Center min* max* MW sd<br />
Für Tätigkeit wichtig CCN 3 4 6 5,7 0,65<br />
Ausreichende Informationen N=12 5 6 5,6 0,51<br />
Viel gelernt 4 6 5,3 0,75<br />
Gute Anwendung im Arbeitsalltag 4 6 5,5 0,67<br />
Animiert Gelerntes anzuwenden 4 6 5,3 0,78<br />
Ziele sind deutlich geworden 5 6 5,8 0,45<br />
Entsprach Wünschen u. Vorstellungen 4 6 5,2 0,72<br />
Gute Art und Weise 5 6 5,5 0,52<br />
Gute Zeit und Umfang 3 6 5,3 0,97<br />
Gutes "Klima" 6 6 6,0 0,00<br />
Maßnahme hat mir gefallen 5 6 5,7 0,49<br />
Gute Didaktik 5 6 5,5 0,52<br />
Gute Organisation 2 6 4,5 1,24<br />
Verständliche Einführung 5 6 5,8 0,45<br />
Kompetenter Trainer 5 6 5,8 0,45<br />
Sachgerechte Antworten 5 6 5,8 0,39<br />
Training entsprach Erwartungen 4 6 5,4 0,67<br />
Zu knappe Trainingszeit 1 6 3,5 2,07<br />
Mit weniger Zeitaufwand effektiver 2 6 4,9 1,51<br />
Hilfreiche Trainingsmethoden 4 6 5,3 0,65<br />
Information vom AG 5 6 5,9 0,30<br />
Änderungswünsche / Hinweise 1 2 1,8 0,45<br />
*... Range: 1 (maximale Unzufriedenheit) bis 6 (maximale Zufriedenheit)<br />
Tab. 2: Deskriptive Beschreibung der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center „CCN 3“<br />
(Maßnahme: Rückenschule)<br />
Der Ergebnistabelle ist zu entnehmen, dass die meisten Fragen im Mittel mit Zufriedenheit<br />
bewertet wurden. Die einzelnen Minima liegen mit Ausnahme von „gute Zeit und Umfang“,<br />
„gute Organisation“, „zu knappe Trainingszeit“ und „mit weniger Zeitaufwand effektiver“ zwischen<br />
4 und 5, die Maxima sind auch hier ausnahmslos mit 6 bewertet.<br />
128
Auffallend niedriger als die restlichen Items wurde im Mittel die zu knapp bemessene Trainingszeit<br />
eingeschätzt, das gleiche Problem wie in „CCN 2“.<br />
Abbildung 46 zeigt die graphische Darstellung des Profilverlaufes des Mittelwertes in den<br />
Grenzen der jeweilig angegebenen Minima und Maxima für „CCN 3“, Abbildung 47 zeigt die<br />
kontrastierenden MW-Verläufe der beiden Call Centers mit Rückenschule. Die Streuungen<br />
der Werte sind Tabelle 1 und 2 zu entnehmen.<br />
CCN 3<br />
(N=12)<br />
6<br />
Zufriedenheit<br />
5<br />
4<br />
3<br />
Minimum<br />
Maximum<br />
MW<br />
2<br />
1<br />
für Tätigkeit wichtig<br />
ausreichende Informationen<br />
viel gelernt<br />
gute Anwendung im Arbeitsalltag<br />
animiert Gelerntes anzuwenden<br />
Ziele sind deutlich geworden<br />
entsprach Wünschen u. Vorstellungen<br />
gute Art und Weise<br />
gute Zeit und Umfang<br />
gutes "Klima"<br />
Maßnahme hat mir gefallen<br />
gute Didaktik<br />
gute Organisation<br />
verständliche Einführung<br />
kompetenter Trainer<br />
sachgerechte Antworten<br />
Training entsprach Erwartungen<br />
zu knappe Trainingszeit<br />
mit weniger Zeitaufwand effektiver<br />
hilfreiche Trainingsmethoden<br />
Information vom AG<br />
Abb. 46: Profilverlauf der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center<br />
„CCN 3“ (Maßnahme: Rückenschule)<br />
129
Mittelwerte der Maßnahme<br />
"Rückenschule" in 2 Callcentern<br />
6,0<br />
5,0<br />
4,0<br />
MW CCN 2<br />
MW CCN 3<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
für Tätigkeit wichtig<br />
ausreichende Informationen<br />
viel gelernt<br />
gute Anwendung im Arbeitsalltag<br />
animiert Gelerntes anzuwenden<br />
Ziele sind deutlich geworden<br />
entsprach Wünschen u. Vorstellungen<br />
gute Art und Weise<br />
gute Zeit und Umfang<br />
gutes "Klima"<br />
Maßnahme hat mir gefallen<br />
gute Didaktik<br />
gute Organisation<br />
verständliche Einführung<br />
kompetenter Trainer<br />
sachgerechte Antworten<br />
Training entsprach Erwartungen<br />
zu knappe Trainingszeit<br />
mit weniger Zeitaufwand effektiver<br />
hilfreiche Trainingsmethoden<br />
Information vom AG<br />
Abb. 47: Vergleichender Profilverlauf der Teilnehmerzufriedenheit in den<br />
Call Centern „CCN 2“ und „CCN 3“ (Maßnahme: Rückenschule)<br />
CCN 4<br />
Im Call Center CCN 4 wurde ein Stimmtraining durchgeführt. In Tabelle 3 sind die Minima<br />
(min), Maxima (max), der Mittelwert (MW) sowie dessen Streuung (sd) für jedes Einzelitem<br />
angegeben.<br />
Item Call Center min* max* MW sd<br />
für Tätigkeit wichtig CCN 4 2 6 5,0 1,13<br />
ausreichende Informationen N=22 3 6 4,4 0,85<br />
viel gelernt 4 6 4,8 0,73<br />
gute Anwendung im Arbeitsalltag 2 6 4,0 1,13<br />
animiert Gelerntes anzuwenden 2 6 4,7 1,20<br />
Ziele sind deutlich geworden 2 6 5,1 1,15<br />
entsprach Wünschen u. Vorstellungen 1 6 4,3 1,17<br />
gute Art und Weise 2 6 4,7 0,95<br />
gute Zeit und Umfang 1 6 4,9 1,15<br />
gutes "Klima" 4 6 5,6 0,59<br />
130
Maßnahme hat mir gefallen 4 6 5,1 0,71<br />
gute Didaktik 3 6 4,8 0,73<br />
gute Organisation 1 6 4,8 1,15<br />
verständliche Einführung 4 6 5,2 0,53<br />
kompetenter Trainer 4 6 5,0 0,72<br />
sachgerechte Antworten 4 6 5,3 0,70<br />
Training entsprach Erwartungen 3 6 4,7 0,77<br />
zu knappe Trainingszeit 1 6 3,8 1,93<br />
mit weniger Zeitaufwand effektiver 1 6 4,0 1,65<br />
hilfreiche Trainingsmethoden 4 6 4,9 0,61<br />
Information vom AG 1 6 3,2 1,57<br />
Änderungswünsche / Hinweise 1 2 1,9 0,29<br />
*... Range: 1 (maximale Unzufriedenheit) bis 6 (maximale Zufriedenheit)<br />
Tab. 3: Deskriptive Beschreibung der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center „CCN 4“<br />
(Maßnahme: Stimmtraining)<br />
Es ergibt sich ein ähnliches Bild für diese Maßnahme wie für den Kurs „Basics for Agents“.<br />
Zwar sind alle Mittelwerte jenseits des „Cut-offs“ (MW cutoff =3) zur Unzufriedenheit, jedoch<br />
liegen die Werte niedriger als die der Rückenschule. Eine Betrachtung auf Einzelitem - Ebene<br />
ist auch hier zu empfehlen. Als kritisch sind auch hier die Fragen zur Trainingszeit und zur<br />
Information durch den Arbeitgeber (s. CCN 2!) hervorzuheben, hinzu kommt die Anwendbarkeit<br />
des Gelernten im Alltag.<br />
Abbildung 48 zeigt die graphische Darstellung des Profilverlaufes des Mittelwertes in den<br />
Grenzen der jeweilig angegebenen Minima und Maxima. Die Streuungen der Werte sind Tabelle<br />
3 zu entnehmen.<br />
131
CCN 4<br />
(N=22)<br />
6<br />
Zufriedenheit<br />
5<br />
4<br />
3<br />
Minimum<br />
Maximum<br />
MW<br />
2<br />
1<br />
für Tätigkeit wichtig<br />
ausreichende Informationen<br />
viel gelernt<br />
gute Anwendung im Arbeitsalltag<br />
animiert Gelerntes anzuwenden<br />
Ziele sind deutlich geworden<br />
entsprach Wünschen u. Vorstellungen<br />
gute Art und Weise<br />
gute Zeit und Umfang<br />
gutes "Klima"<br />
Maßnahme hat mir gefallen<br />
gute Didaktik<br />
gute Organisation<br />
verständliche Einführung<br />
kompetenter Trainer<br />
sachgerechte Antworten<br />
Training entsprach Erwartungen<br />
zu knappe Trainingszeit<br />
mit weniger Zeitaufwand effektiver<br />
hilfreiche Trainingsmethoden<br />
Information vom AG<br />
Abb. 48: Profilverlauf der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center „CCN 4“<br />
(Maßnahme: Stimmtraining)<br />
CCN 5<br />
Im Call Center CCN 5 wurde die Maßnahme „Basics for Agents“ durchgeführt. Es wird nur<br />
die Teilnehmerzufriedenheit mit dem Training ausgewertet. In Tabelle 4 sind die Minima<br />
(min), Maxima (max), der Mittelwert (MW) sowie dessen Streuung (sd) für jedes Einzelitem<br />
angegeben.<br />
Item Call Center min* max* MW sd<br />
für Tätigkeit wichtig CCN 5 3 6 4,8 1,03<br />
ausreichende Informationen N=10 3 6 4,8 0,97<br />
viel gelernt 3 5 4,2 0,79<br />
gute Anwendung im Arbeitsalltag 3 6 4,6 0,84<br />
animiert Gelerntes anzuwenden 4 6 4,8 0,63<br />
Ziele sind deutlich geworden 4 6 4,9 0,74<br />
entsprach Wünschen u. Vorstellungen 2 6 4,1 1,29<br />
gute Art und Weise 1 6 4,0 1,56<br />
132
gute Zeit und Umfang 1 6 3,9 1,66<br />
gutes "Klima" 2 6 4,7 1,34<br />
Maßnahme hat mir gefallen 2 6 4,5 1,18<br />
gute Didaktik 3 6 4,7 0,82<br />
gute Organisation 1 6 4,2 1,69<br />
verständliche Einführung 4 6 5,3 0,67<br />
kompetenter Trainer 2 6 4,7 1,49<br />
sachgerechte Antworten 2 6 4,6 1,26<br />
Training entsprach Erwartungen 2 6 4,3 1,34<br />
zu knappe Trainingszeit 1 6 4,4 2,01<br />
mit weniger Zeitaufwand effektiver 1 6 3,2 2,04<br />
hilfreiche Trainingsmethoden 4 5 4,4 0,52<br />
Information vom AG 1 6 3,9 1,73<br />
Änderungswünsche / Hinweise 2 2 2,0 0,00<br />
* ... Range: 1 (maximale Unzufriedenheit) bis 6 (maximale Zufriedenheit)<br />
Tab. 4: Deskriptive Beschreibung der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center „CCN 5“<br />
(Maßnahme: „Basics for Agents“)<br />
Ein verglichen mit 1 und 2 etwas verändertes Bild ergibt sich aus Tabelle 4 für diese Maßnahme:<br />
Die Mittelwerte liegen etwa einen Punkt tiefer, es liegen die Mehrzahl der Minimalausprägungen<br />
im Bereich „Unzufriedenheit“ und die Streuung der Werte ist höher. Eine Betrachtung<br />
auf Einzelitem-Ebene ist zu empfehlen, dabei muss aber die größere Testerfahrung<br />
der Mitarbeiter berücksichtigt werden, welche Teilnehmer einer Langzeiterhebung sind.<br />
Als kritisch sind die Fragen zur Art und Weise, zum zeitlichen Umfang sowie zur Organisation<br />
einzustufen, hier bestehen offensichtlich Verbesserungsspielräume.<br />
Abbildung 49 zeigt die graphische Darstellung des Profilverlaufes des Mittelwertes in den<br />
Grenzen der jeweilig angegebenen Minima und Maxima. Die Streuungen der Werte sind Tabelle<br />
4 zu entnehmen.<br />
133
CCN 5<br />
(N=10)<br />
6<br />
Zufriedenheit<br />
5<br />
4<br />
3<br />
Minimum<br />
Maximum<br />
MW<br />
2<br />
1<br />
für Tätigkeit wichtig<br />
ausreichende Informationen<br />
viel gelernt<br />
gute Anwendung im Arbeitsalltag<br />
animiert Gelerntes anzuwenden<br />
Ziele sind deutlich geworden<br />
entsprach Wünschen u. Vorstellungen<br />
gute Art und Weise<br />
gute Zeit und Umfang<br />
gutes "Klima"<br />
Maßnahme hat mir gefallen<br />
gute Didaktik<br />
gute Organisation<br />
verständliche Einführung<br />
kompetenter Trainer<br />
sachgerechte Antworten<br />
Training entsprach Erwartungen<br />
zu knappe Trainingszeit<br />
mit weniger Zeitaufwand effektiver<br />
hilfreiche Trainingsmethoden<br />
Information vom AG<br />
Abb. 49: Profilverlauf der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center „CCN 5“<br />
(Maßnahme: „Basics for Agents“)<br />
134
Gesamtdarstellung<br />
Im Folgenden werden die Profilverläufe aller vier Call Center miteinander verglichen. Dies<br />
soll die Interpretation für den Praktiker erleichtern, um Verbesserungsspielräume durch Kontrastierung<br />
schnell zu erkennen. Dazu werden in Abbildung 50 die Mittelwert-Verläufe gemeinsam<br />
dargestellt, die Werte mit den zugehörigen Streuungen sind den Tabellen 1-4 zu<br />
entnehmen.<br />
In Abbildung 51 erfolgt auch die Darstellung der Änderungswünsche der Mitarbeiter bezüglich<br />
der Maßnahmen. Dieses hier dichotom als Veränderungswunsch „ja“ oder „nein“ ausgewertete<br />
Item gibt einen weiteren Hinweis auf die Zufriedenheit mit der jeweiligen Maßnahme:<br />
Werden viele Verbesserungswünsche geäußert, kann dies als Verbesserungsbedürftigkeit<br />
interpretiert werden.<br />
Vergleich über alle Callcenter<br />
6,0<br />
5,0<br />
Zufriedenheit<br />
4,0<br />
3,0<br />
CCN 2 N=10<br />
CCN 3 N=12<br />
CCN 5 N=10<br />
CCN 4 N=22<br />
2,0<br />
1,0<br />
für Tätigkeit wichtig<br />
ausreichende Informationen<br />
viel gelernt<br />
gute Anwendung im Arbeitsalltag<br />
animiert Gelerntes anzuwenden<br />
Ziele sind deutlich geworden<br />
entsprach Wünschen u. Vorstellungen<br />
gute Art und Weise<br />
gute Zeit und Umfang<br />
gutes "Klima"<br />
Maßnahme hat mir gefallen<br />
gute Didaktik<br />
gute Organisation<br />
verständliche Einführung<br />
kompetenter Trainer<br />
sachgerechte Antworten<br />
Training entsprach Erwartungen<br />
zu knappe Trainingszeit<br />
mit weniger Zeitaufwand effektiver<br />
hilfreiche Trainingsmethoden<br />
Information vom AG<br />
Abb. 50: Profilverlauf der Teilnehmerzufriedenheit in den Call Centern<br />
(Maßnahmen: Rückenschule, Stimmtraining und Basics for Agents)<br />
135
Änderungswünsche an der Programmdurchführung<br />
1 - ja<br />
2 - nein<br />
2,0<br />
1,9<br />
1,9<br />
2,0<br />
1,8<br />
1,0<br />
CCN 2 N=10 CCN 3 N=12 CCN 4 N=22 CCN 5 N=10<br />
Abb. 51: Änderungswünsche an der Programmdurchführung<br />
Insgesamt kann von einer hohen Zufriedenheit der Befragten mit den jeweiligen Maßnahmen<br />
ausgegangen werden. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für ein Lernen für die Arbeit<br />
bzw. zur Verhaltensprävention erfüllt. Dennoch sind einige Fragen bei Einzelpersonen mit<br />
Unzufriedenheit beantwortet worden. Verbesserungsspielräume existieren damit und sollten<br />
auf Umsetzbarkeit hin geprüft werden. Wertvolle Informationen können dazu den Fragebögen<br />
im letzten, offen zu beantwortenden Item entnommen werden (qualitative Auswertung).<br />
Im nächsten Punkt werden nun die Trainingseffekte auf der Lernebene ausgewertet.<br />
Trainingswirkung<br />
Die unmittelbare Wirkung der Einzelmaßnahmen auf das Erleben und Verhalten der Teilnehmer<br />
ist für Programmentwickler, Mitarbeiter und Unternehmensführung gleichermaßen<br />
entscheidend. Nur wenn sich hier ein Effekt nachweisen lässt, kann von der Sinnhaftigkeit<br />
der Maßnahme gesprochen werden. Der Effektnachweis ist an verschiedene Bedingungen<br />
geknüpft, die hier nicht erörtert werden können. Eine Schwierigkeit besteht in der Herstellung<br />
eines angemessenen Messverfahrens, welches das interessierende Verhalten valide misst<br />
(und damit die empirischen Gütekriterien erfüllt) und Veränderungen im Vorher - Nachher -<br />
Vergleich abzubilden vermag. Solche Instrumente existieren für Praxisanwendungen eher<br />
selten, da die Anforderungen mit jedem Projekt wechseln und eine wissenschaftliche Konstruktion<br />
objektiver, reliabler und valider Verfahren schnell an zeitliche und finanzielle Barrieren<br />
stößt.<br />
136
Dennoch besteht in der Praxis häufig die Forderung, Trainingsmaßnahmen in entsprechend<br />
eng begrenztem Rahmen zu evaluieren. Damit sich diese Evaluation nicht allein auf die stark<br />
subjektiv geprägte Sicht der Teilnehmerzufriedenheit beschränken muss (manche Autoren<br />
sprechen von „Happy Sheets“ ohne viel Aussagekraft), muss auf ein eher pragmatisch kriteriumsorientiertes<br />
Vorgehen zum Erhalt empirischer Daten zurückgegriffen werden. Diese<br />
Verfahren können auch bei nicht erfolgter vorheriger Überprüfung Ihrer messtheoretischen<br />
Güte wertvolle Informationen über einen Trainingserfolg liefern. Bei der Interpretation muss<br />
allerdings eine Einschränkung in der kausalen Aussagekraft vorgenommen werden, Nulleffekte<br />
sind auch eher wahrscheinlich und vor diesem Hintergrund zu bewerten (ein Programm<br />
kann gewirkt haben, aber das Messgerät zeigt dies nicht an).<br />
Mit der Konstruktion des Verfahrens „Arbeitsbedingte <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden“ (AGB) wurde<br />
der erläuterte Weg beschritten, indem bereits existierende Verfahren und Praxisexperten<br />
zu Rate gezogen wurden. Dabei entstand ein subjektives Screening-Instrument mit 28 Items,<br />
wobei 26 Items zu einer Kernaussage „<strong>Gesundheit</strong>szustand“ bzw. den 4 Subskalen<br />
- Beschwerden Kopf und Nacken<br />
- Psychovegetative Beschwerden<br />
- Beschwerden Muskel-Skelett-System und<br />
- Beschwerden der Atemwege<br />
verdichtet wurden. Dies wurde anhand einer umfangreichen Stichprobe (N=360) realisiert. Es<br />
wurde eine varimaxrotierte Faktorenanalyse gerechnet, deren Lösung die angestrebte Skalenstruktur<br />
(4 Subskalen) aufwies bzw. eine Zuordnung der Items zu den Faktoren ermöglichte<br />
(s. Tabelle 5).<br />
Skala<br />
Item - Nr.<br />
Beschwerden Kopf und Nacken 6, 13, 14, (24,*) 25, 26, 27<br />
Psychovegetative Beschwerden 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23<br />
Beschwerden Muskel-Skelett-System 7, 8, 9, 10, 11, 12<br />
Beschwerden der Atemwege 1, 2, 3, 4, 5<br />
* ... Item wurde in der Nachbefragung nicht mehr eingesetzt<br />
Tab. 5: Itemzuordnung zu den Subskalen der AGB<br />
137
Das Format der Skalen ist ein ordinales Rating mit 5 äquidistanten Merkmalsabstufungen<br />
(immer - oft - manchmal - selten - nie). Diesen wurden in dieser Reihenfolge die Zahlen 1 bis<br />
5 zugeordnet. Ein niedriger Wert bedeutet dabei einen ungünstigen, ein hoher Wert einen<br />
günstigen <strong>Gesundheit</strong>szustand. Die Skalen dienen neben dem Gesamt-Mittelwert als abhängige<br />
Variable (AV) der varianzanalytischen Auswertung des quasiexperimentellen Designs.<br />
Die inferenzstatistische Auswertungsstrategie beruht also auf einer zweifaktoriellen<br />
univariaten Varianzanalyse des Gesamt-Mittelwertes (Y) und einer multivariaten Auswertung<br />
der 4 Subskalen mit den Variablenbezeichnungen<br />
P = Beschwerden Kopf und Nacken<br />
Q = Psychovegetative Beschwerden<br />
R = Beschwerden Muskel-Skelett-System<br />
S = Beschwerden der Atemwege<br />
Es kommt die zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung auf einem Faktor zum<br />
Einsatz. Zur Prüfung der Voraussetzungen für eine Varianzanalyse (metrisches Daten-<br />
Niveau, Varianzenhomogenität und Normalverteilung der Messwerte) wird angenommen,<br />
dass metrisches Niveau durch bewusst eingesetzte äquidistante Merkmalsabstufungen im<br />
Antwortformat (s.a. Bortz & Döring, 1995) vorliegt. Die Varianzenhomogenität wird bei der<br />
Wahl der Methode berücksichtigt (SPSS), die Normalverteilungsannahme ist für jede AV<br />
mittels Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstest zu prüfen. Bei Nichtvorliegen ist die Aussagekraft<br />
der Befunde einzuschränken bzw. u. U. auf ein nichtparametrisches Verfahren auszuweichen<br />
(Wilcoxon-Test). Im Falle signifikanter Effekte in der multivariaten Varianzanalyse<br />
sind nachfolgend Scheffé-Tests zu rechnen, um den Effekt einer oder mehrerer AVn zuordnen<br />
zu können.<br />
Die zu prüfende Hypothese besteht darin, ob das jeweilige Training eine gesundheitsförderliche<br />
Wirkung hatte. Dieser Trend ist zunächst anhand der gefundenen Pre - Post - Mittelwerte<br />
abzulesen. Für jedes Call Center werden daher zunächst deskriptiv die Variablenausprägungen<br />
in Pre- und Posttest dargestellt, bei Hypothesenkonformität erfolgt danach o.<br />
g. inferenzstatistische Bewertung. Die Werte von CCN 2 und CCN 3 werden auch zusammengefasst<br />
dargestellt, da hier die gleichen Maßnahmen erfolgten (Rückenschule). Schließlich<br />
werden die Werte aller drei Call Center (CCN 5 wird nicht ausgewertet!) zusammengefasst<br />
und auf den Gesamteffekt hin überprüft.<br />
138
CCN 2<br />
(A) Prüfung der Normalverteilung<br />
Die Prüfung auf Normalverteilung ergibt für die Gesamtskalen und für die Subskalen in Pre -<br />
und Posttest normalverteilte Werte. Ausnahme bildet lediglich die Subskala Q (Psychovegetative<br />
Beschwerden) für die Kontrollgruppe im Posttest. Die Varianzanalyse soll dennoch für<br />
alle Messwerte erfolgen.<br />
(B) Univariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Gesamtskala AGB<br />
AGB gesamt Pretest<br />
AGB gesamt Posttest<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Mittelwert Standardabweichung N<br />
4,5769 ,2900 8<br />
4,3141 ,4565 12<br />
4,4192 ,4112 20<br />
4,4231 ,3131 8<br />
4,3910 ,7253 12<br />
4,4038 ,5839 20<br />
Tab. 6: Deskriptive Beschreibung von VG und KG – Gesamtskala AGB<br />
139
CCN 2: Mittelwerte AGB<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
Gesamtmittelwerte AGB<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Abb. 52: AGB-Mittelwerte in Pre- und Postmessung für VG und KG<br />
Das Ergebnis zeigt eine leichte <strong>Gesundheit</strong>sabnahme in der Versuchsgruppe und einen<br />
leichten Anstieg in der Kontrollgruppe. Dies ist nicht hypothesenkonform, bedarf daher keiner<br />
weiteren inferenzstatistischen Überprüfung.<br />
140
(C) Multivariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Subskalen der AGB<br />
Kopf und Nacken Pretest<br />
Kopf und Nacken Posttest<br />
Psychovegetative<br />
Beschwerden Pretest<br />
Psychovegetative<br />
Beschwerden Posttest<br />
Beschwerden Muskeln/<br />
Skellett Pretest<br />
Beschwerden Muskeln/<br />
Skellett Posttest<br />
Beschwerden Atemwege<br />
Pretest<br />
Beschwerden Atemwege<br />
Posttest<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Mittelwert Standardabweichung N<br />
4,0417 ,6770 8<br />
3,7917 ,6160 12<br />
3,8917 ,6359 20<br />
4,0208 ,6451 8<br />
3,7500 ,6981 12<br />
3,8583 ,6738 20<br />
4,7222 ,4072 8<br />
4,4907 ,6857 12<br />
4,5833 ,5889 20<br />
4,5556 ,3984 8<br />
4,9259 1,6236 12<br />
4,7778 1,2725 20<br />
4,8750 ,1942 8<br />
4,5139 ,5794 12<br />
4,6583 ,4911 20<br />
4,6875 ,3013 8<br />
4,4306 ,5794 12<br />
4,5333 ,4944 20<br />
4,6000 ,2138 8<br />
4,3833 ,5750 12<br />
4,4700 ,4692 20<br />
4,3500 ,3665 8<br />
4,1500 ,4523 12<br />
4,2300 ,4219 20<br />
Tab. 7: Deskriptive Beschreibung von VG und KG<br />
141
CCN 2 - Mittelwerte P<br />
CCN 2 - Mittelwerte Q<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
5,0<br />
Pre-Postvergleich<br />
Kopf- und Nackenbeschwerden<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Psychovegetative Beschwerden<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Messzeitpunkt<br />
CCN 2 - Mittelwerte R<br />
CCN 2 - Mittelwerte S<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
Beschwerden Muskeln/ Skelett<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Beschwerden Atemwege<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Messzeitpunkt<br />
Abb. 53: Pre - Post - Vergleiche auf den Subskalen der AGB<br />
Die einzelnen Subskalen zeigen den Trend der Gesamtskala, insgesamt sind die Unterschiede<br />
sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen den Messzeitpunkten sehr gering<br />
und verhalten sich tendenziell hypothesenkonträr. Daher sind statistische Nachweise nicht<br />
erforderlich, alle vorhandenen Unterschiede bzw. Interaktionseffekte sind zudem nicht signifikant.<br />
142
CCN 3<br />
(A) Prüfung der Normalverteilung<br />
Die Prüfung auf Normalverteilung ergibt für die Gesamtskalen und für die Subskalen in Preund<br />
Posttest ausnahmslos normalverteilte Werte. Die Varianzanalyse kann für alle Messwerte<br />
erfolgen.<br />
(B) Univariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Gesamtskala AGB<br />
AGB gesamt Pretest<br />
AGB gesamt Posttest<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Mittelwert Standardabweichung N<br />
4,5000 ,3046 12<br />
4,4654 ,4195 10<br />
4,4843 ,3526 22<br />
4,1410 ,4365 12<br />
4,4346 ,2440 10<br />
4,2745 ,3843 22<br />
Tab. 8: Deskriptive Beschreibung von VG und KG–Gesamtskala AGB<br />
CCN 3: Mittelwerte AGB<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
Gesamtmittelwerte AGB<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
Messzeitpunkt<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Abb. 54: AGB-Mittelwerte in Pre- und Postmessung für VG und KG<br />
Das Ergebnis zeigt eine subjektiv eingeschätzte <strong>Gesundheit</strong>sabnahme in der Versuchsgruppe<br />
und gleich bleibende Werte in der Kontrollgruppe.<br />
143
Dies ist nicht hypothesenkonform, bedarf daher eigentlich keiner weiteren inferenzstatistischen<br />
Überprüfung. Testet man das Ergebnismuster auf Signifikanz, lässt sich ein signifikanter<br />
Haupteffekt im Messwiederholungsfaktor (p= .011) und beim Interaktionseffekt feststellen<br />
(p= .029). Die Maßnahme hat also zunächst im subjektiven Empfinden einen gegenteiligen<br />
Effekt ausgelöst.<br />
(C) Multivariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Subskalen der AGB<br />
Kopf und Nacken Pretest<br />
Kopf und Nacken Posttest<br />
Psychovegetative<br />
Beschwerden Pretest<br />
Psychovegetative<br />
Beschwerden Posttest<br />
Beschwerden Muskeln/<br />
Skellett Pretest<br />
Beschwerden Muskeln/<br />
Skellett Posttest<br />
Beschwerden Atemwege<br />
Pretest<br />
Beschwerden Atemwege<br />
Posttest<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Mittelwert Standardabweichung N<br />
4,0278 ,7136 12<br />
3,9000 ,7825 10<br />
3,9697 ,7304 22<br />
3,6944 ,6698 12<br />
4,0000 ,3685 10<br />
3,8333 ,5634 22<br />
4,5556 ,3143 12<br />
4,6222 ,4602 10<br />
4,5859 ,3790 22<br />
4,2222 ,3482 12<br />
4,4778 ,4321 10<br />
4,3384 ,4006 22<br />
4,8333 ,2247 12<br />
4,8167 ,3805 10<br />
4,8258 ,2976 22<br />
4,5000 ,4714 12<br />
4,8833 ,1766 10<br />
4,6742 ,4098 22<br />
4,5667 ,3892 12<br />
4,4400 ,4789 10<br />
4,5091 ,4264 22<br />
4,1000 ,7160 12<br />
4,3400 ,3893 10<br />
4,2091 ,5903 22<br />
Tab. 9: Deskriptive Beschreibung von VG und KG<br />
144
CCN 3 - Mittelwerte P<br />
CCN 3 - Mittelwerte Q<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
Beschwerden Kopf/ Nacken<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Psychovegetative Beschwerden<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Messzeitpunkt<br />
CCN 3 - Mittelwerte R<br />
CCN 3 - Mittelwerte S<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
5,0<br />
Pre-Postvergleich<br />
Beschwerden Muskeln/ Skelett<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Beschwerden Atemwege<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Messzeitpunkt<br />
Abb. 55: Pre-Post-Vergleiche auf den Subskalen der AGB<br />
Die einzelnen Subskalen zeigen den Trend der Gesamtskala, insgesamt sind die Unterschiede<br />
sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen den Messzeitpunkten auch hier<br />
gering und verhalten sich tendenziell hypothesenkonträr. Daher sind statistische Nachweise<br />
nicht erforderlich.<br />
Wird dennoch auf signifikante Wirkungen geprüft, lassen sich signifikante Effekte für den<br />
Messzeitpunkt bei Q (p= .002) und S (p= .016) und bei der Interaktion von R (p= .040) nachweisen.<br />
145
CCN 2 + CCN 3<br />
(A) Prüfung der Normalverteilung<br />
Die Prüfung auf Normalverteilung ergibt für die Gesamtskalen und für die Subskalen in Preund<br />
Posttest in den meisten Fällen normalverteilte Werte. Abweichungen bestehen lediglich<br />
bei der Kontrollgruppe in der Variablen R (Muskeln / Skelett) im Pre- und in der Variablen Q<br />
(Psychovegetative Beschwerden) im Posttest. Die Varianzanalyse wird für alle Messwerte<br />
durchgeführt.<br />
(B) Univariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Gesamtskala AGB<br />
AGB gesamt Pretest<br />
AGB gesamt Posttest<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Mittelwert Standardabweichung N<br />
4,5308 ,2936 20<br />
4,3829 ,4365 22<br />
4,4533 ,3783 42<br />
4,2538 ,4081 20<br />
4,4108 ,5491 22<br />
4,3361 ,4878 42<br />
Tab. 10: Deskriptive Beschreibung von VG und KG–Gesamtskala AGB<br />
Rückenschule - Mittelwerte AGB<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
Gesamtmittelwerte AGB<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Abb. 56: AGB-Mittelwerte in Pre- und Postmessung für VG und KG<br />
146
Das Ergebnis zeigt für die Gesamtmaßnahme „Rückenschule“ in 2 Call Centern eine subjektiv<br />
eingeschätzte <strong>Gesundheit</strong>sabnahme in der Versuchsgruppe und gleich bleibende Werte<br />
in der Kontrollgruppe. Dies ist nicht hypothesenkonform, bedarf daher eigentlich keiner weiteren<br />
inferenzstatistischen Überprüfung. Testet man das Ergebnismuster auf Signifikanz,<br />
lässt sich ein signifikanter Interaktionseffekt feststellen (p= .048). Die Maßnahme hat also<br />
zunächst im subjektiven Empfinden einen gegenteiligen Effekt ausgelöst.<br />
(C) Multivariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Subskalen der AGB<br />
Kopf und Nacken Pretest<br />
Kopf und Nacken Posttest<br />
Psychovegetative<br />
Beschwerden Pretest<br />
Psychovegetative<br />
Beschwerden Posttest<br />
Beschwerden Muskeln/<br />
Skellett Pretest<br />
Beschwerden Muskeln/<br />
Skellett Posttest<br />
Beschwerden Atemwege<br />
Pretest<br />
Beschwerden Atemwege<br />
Posttest<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Mittelwert Standardabweichung N<br />
4,0333 ,6810 20<br />
3,8409 ,6813 22<br />
3,9325 ,6798 42<br />
3,8250 ,6633 20<br />
3,8636 ,5742 22<br />
3,8452 ,6109 42<br />
4,6222 ,3539 20<br />
4,5505 ,5844 22<br />
4,5847 ,4840 42<br />
4,3556 ,3959 20<br />
4,7222 1,2300 22<br />
4,5476 ,9391 42<br />
4,8500 ,2087 20<br />
4,6515 ,5115 22<br />
4,7460 ,4053 42<br />
4,5750 ,4135 20<br />
4,6364 ,4924 22<br />
4,6071 ,4521 42<br />
4,5800 ,3238 20<br />
4,4091 ,5218 22<br />
4,4905 ,4422 42<br />
4,2000 ,6018 20<br />
4,2364 ,4260 22<br />
4,2190 ,5110 42<br />
Tab. 11: Deskriptive Beschreibung von VG und KG<br />
147
Rückenschule - Mittelwerte P<br />
Rückenschule - Mittelwerte Q<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
5,0<br />
5,0<br />
Beschwerden Kopf/ Nacken<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Psychovegetative Beschwerden<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Messzeitpunkt<br />
Rückenschule - Mittelwerte R<br />
Rückenschule - Mittelwerte S<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
5,0<br />
5,0<br />
Beschwerden Muskeln/ Skelett<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Beschwerden Atemwege<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
MZP<br />
Messzeitpunkt<br />
Abb. 57: Pre-Post-Vergleiche auf den Subskalen der AGB (Maßnahme: Rückenschule)<br />
Die einzelnen Subskalen zeigen wieder den Trend der Gesamtskala, insgesamt sind die<br />
Unterschiede sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen den Messzeitpunkten auch<br />
hier gering und verhalten sich tendenziell hypothesenkonträr. Daher sind statistische Nachweise<br />
nicht erforderlich.<br />
Wird dennoch auf signifikante Wirkungen geprüft, lassen sich signifikante Effekte für den<br />
Messzeitpunkt bei R (p= .036) und S (p= .002), jedoch nicht bei den Interaktionen nachweisen.<br />
148
CCN 4<br />
(A) Prüfung der Normalverteilung<br />
Die Prüfung auf Normalverteilung ergibt für die Gesamtskalen und für die Subskalen in Preund<br />
Posttest in den meisten Fällen normalverteilte Werte. Abweichungen bestehen lediglich<br />
bei der Kontrollgruppe in der Variablen R (Muskeln / Skelett) im Pretest. Die Varianzanalyse<br />
wird für alle Messwerte durchgeführt.<br />
(B) Univariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Gesamtskala AGB<br />
Beschwerden Atemwege<br />
Pretest<br />
AGB gesamt Posttest<br />
VG_KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Mittelwert Standardabweichung N<br />
4,4105 ,4241 19<br />
4,3931 ,5358 29<br />
4,4000 ,4899 48<br />
4,0040 ,4674 19<br />
4,2268 ,3960 29<br />
4,1386 ,4350 48<br />
Tab. 12: Deskriptive Beschreibung von VG und KG–Gesamtskala AGB<br />
CCN 4 - Mittelwerte AGB<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
Gesamtmittelwerte AGB<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG_KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Abb. 58: AGB-Mittelwerte in Pre- und Postmessung für VG und KG<br />
Das Ergebnis zeigt auch beim Stimmtraining eine subjektiv eingeschätzte leichte <strong>Gesundheit</strong>sabnahme<br />
in der Versuchsgruppe und gleich bleibende Werte in der Kontrollgruppe.<br />
149
Dies ist aber nicht hypothesenkonform und bedarf daher eigentlich keiner weiteren inferenzstatistischen<br />
Überprüfung. Testet man das Ergebnismuster auf Signifikanz, lässt sich ein<br />
signifikanter Messwiederholungseffekt feststellen (p= .048). Die Maßnahme hat also im subjektiven<br />
Empfinden einen gegenteiligen Effekt ausgelöst oder die Teilnehmer sind nun sensibilisierter<br />
bezüglich dem eigenen <strong>Gesundheit</strong>szustand.<br />
(C) Multivariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Subskalen der AGB<br />
Kopf und Nacken Pretest<br />
Kopf und Nacken Posttest<br />
Psychovegetative<br />
Beschwerden Pretest<br />
Psychovegetative<br />
Beschwerden Posttest<br />
Beschwerden Muskeln/<br />
Skelett Pretest<br />
Beschwerden Muskeln/<br />
Skelett Posttest<br />
Beschwerden Atemwege<br />
Pretest<br />
Beschwerden Atemwege<br />
Posttest<br />
VG_KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Mittelwert Standardabweichung N<br />
3,9792 ,6691 16<br />
4,0556 ,7280 27<br />
4,0271 ,6995 43<br />
3,2708 ,9045 16<br />
3,8765 ,6055 27<br />
3,6512 ,7790 43<br />
4,5486 ,4670 16<br />
4,5473 ,5165 27<br />
4,5478 ,4930 43<br />
4,1597 ,3673 16<br />
4,3251 ,4168 27<br />
4,2636 ,4028 43<br />
4,7500 ,3277 16<br />
4,7037 ,4418 27<br />
4,7209 ,3996 43<br />
4,4792 ,5672 16<br />
4,5926 ,3931 27<br />
4,5504 ,4622 43<br />
4,4375 ,4455 16<br />
4,3778 ,5416 27<br />
4,4000 ,5033 43<br />
3,8750 ,7443 16<br />
4,0667 ,7606 27<br />
3,9953 ,7515 43<br />
Tab. 13: Deskriptive Beschreibung von VG und KG<br />
150
CCN 4 - Mittelwerte P<br />
CCN 4 - Mittelwerte Q<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
5,0<br />
5,0<br />
Beschwerden Kopf/ Nacken<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
VG_KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Psychovegetative Beschwerden<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
VG_KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
1<br />
2<br />
1<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Messzeitpunkt<br />
CCN 4 - Mittelwerte R<br />
CCN 4 - Mittelwerte S<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
5,0<br />
5,0<br />
Beschwerden Muskeln/ Skelett<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
VG_KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Beschwerden Atmung<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
VG_KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
1<br />
2<br />
1<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Abb. 59: Pre-Post-Vergleiche auf den Subskalen der AGB<br />
Messzeitpunkt<br />
Die einzelnen Subskalen bestätigen den Trend der Gesamtskala, insgesamt sind die Unterschiede<br />
sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen den Messzeitpunkten zwar gering,<br />
verhalten sich tendenziell jedoch hypothesenkonträr. Daher sind statistische Nachweise nicht<br />
erforderlich.<br />
Wird dennoch auf signifikante Wirkungen geprüft, lassen sich signifikante Effekte sowohl für<br />
den Messzeitpunkt bei P (p= .001), Q (p= .000) und S (p= .005) als auch für P (p= .046) bei<br />
der Interaktion nachweisen.<br />
151
Gesamtbetrachtung<br />
(A) Prüfung der Normalverteilung<br />
Auf die Prüfung der Normalverteilung kann verzichte werden, da die Stichprobengröße N>30<br />
ist. Die Varianzanalyse kommt zur Anwendung.<br />
(B) Univariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Gesamtskala AGB<br />
AGB gesamt Pretest<br />
AGB gesamt Posttest<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
Gesamt<br />
Mittelwert Standardabweichung N<br />
4,4915 ,3193 36<br />
4,4129 ,4615 49<br />
4,4462 ,4071 85<br />
4,1293 ,4595 36<br />
4,3132 ,4720 49<br />
4,2353 ,4729 85<br />
Tab. 14: Deskriptive Beschreibung von VG und KG–Gesamtskala AGB<br />
Gesamteffekt - Mittelwerte AGB<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
4,0<br />
Gesamtmittelwerte AGB<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Abb. 60: AGB-Mittelwerte in Pre- und Postmessung für VG und KG<br />
Das Ergebnis zeigt auch insgesamt eine subjektiv eingeschätzte leichte <strong>Gesundheit</strong>sabnahme<br />
in der Versuchsgruppe und in etwa gleich bleibende Werte in der Kontrollgruppe.<br />
Dies ist nicht hypothesenkonform und bedarf daher eigentlich keiner weiteren inferenzstatistischen<br />
Überprüfung.<br />
152
Testet man das Ergebnismuster auf Signifikanz, lassen sich ein hochsignifikanter Messwiederholungseffekt<br />
(p= .000) und ein sehr signifikanter Interaktionseffekt (p= .002) feststellen.<br />
Die Maßnahme hat also im subjektiven Empfinden einen gegenteiligen Effekt<br />
ausgelöst oder die Teilnehmer sind nun sensibilisierter bezüglich dem eigenen <strong>Gesundheit</strong>szustand.<br />
(C) Multivariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Subskalen der AGB<br />
Kopf und Nacken<br />
Pretest<br />
Kopf und Nacken<br />
Posttest<br />
Psychovegetati<br />
ve Beschwerden<br />
Pretest<br />
Psychovegetati<br />
ve Beschwerden<br />
Posttest<br />
Beschwerden<br />
Muskeln/ Skelett<br />
Pretest<br />
Beschwerden<br />
Muskeln/ Skelett<br />
Posttest<br />
Beschwerden<br />
Atemwege Pretes<br />
t<br />
Beschwerden<br />
Atemwege Posttes<br />
t<br />
VG/K<br />
G Versuchsgrupp<br />
e Kontrollgrupp<br />
e Gesam<br />
t Versuchsgrupp<br />
e Kontrollgrupp<br />
e Gesam<br />
t Versuchsgrupp<br />
e Kontrollgrupp<br />
e Gesam<br />
t Versuchsgrupp<br />
e Kontrollgrupp<br />
e Gesam<br />
t Versuchsgrupp<br />
e Kontrollgrupp<br />
e Gesam<br />
t Versuchsgrupp<br />
e Kontrollgrupp<br />
e Gesam<br />
t Versuchsgrupp<br />
e Kontrollgrupp<br />
e Gesam<br />
t Versuchsgrupp<br />
e Kontrollgrupp<br />
e Gesam<br />
t<br />
Mittelwer<br />
t 4,009<br />
3,959<br />
23,980<br />
43,578<br />
73,870<br />
73,747<br />
14,589<br />
54,548<br />
84,566<br />
04,268<br />
54,503<br />
4,403<br />
94,805<br />
64,680<br />
34,733<br />
34,532<br />
4,612<br />
24,578<br />
4,516<br />
74,391<br />
84,444<br />
74,055<br />
64,142<br />
94,105<br />
9<br />
Standardabweichu N<br />
ng<br />
,6666 36<br />
,7084 49<br />
,6874 85<br />
,8170 36<br />
,5856 49<br />
,7036 85<br />
,4035 36<br />
,5422 49<br />
,4860 85<br />
,3907 36<br />
,8921 49<br />
,7294 85<br />
,2687 36<br />
,4700 49<br />
,4002 85<br />
,4827 36<br />
,4362 49<br />
,4554 85<br />
,3836 36<br />
,5275 49<br />
,4735 85<br />
,6788 36<br />
,6325 49<br />
,6500 85<br />
Tab. 15: Deskriptive Beschreibung von VG und KG<br />
153
Gesamteffekt - Mittelwerte R<br />
Gesamteffekt – Mittelwerte S<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
Beschwerden Muskeln/ Skelett<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Beschwerden Atemwege<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Messzeitpunkt<br />
Gesamteffekt - Mittelwerte P<br />
Gesamteffekt – Mittelwerte Q<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
5,0<br />
Pre-Post-Vergleich<br />
Beschwerden Kopf/ Nacken<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Psychovegetative Beschwerden<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1<br />
VG/KG<br />
Versuchsgruppe<br />
Kontrollgruppe<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
Messzeitpunkt<br />
Abb. 61: Pre-Post-Vergleiche auf den Subskalen der AGB<br />
Die einzelnen Subskalen bestätigen wieder den Trend der Gesamtskala, insgesamt sind die<br />
Unterschiede sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen den Messzeitpunkten zwar<br />
gering, verhalten sich tendenziell jedoch hypothesenkonträr. Daher sind statistische Nachweise<br />
nicht erforderlich.<br />
Wird dennoch auf signifikante Wirkungen geprüft, lassen sich signifikante Effekte für den<br />
154
Messzeitpunkt bei allen Subskalen feststellen:<br />
- P (p= .001)<br />
- Q (p= .031)<br />
- R (p= .005)<br />
- S (p= .005)<br />
Der Interaktionseffekt ist im Falle P signifikant (p= .032). Damit muss die Hypothese einer<br />
gesundheitsförderlichen Wirkung der Trainings zunächst als falsifiziert abgelehnt werden.<br />
Die recht homogene tendenzielle Wirkung einer kritischeren Selbsteinschätzung des eigenen<br />
<strong>Gesundheit</strong>szustandes nach Rücken- bzw. Stimmtraining bedarf der Erklärung bzw. Interpretation.<br />
Interpretation<br />
Die Befundlage ist sehr deutlich und zeigt keine bzw. hypothesenkonträre Effekte. Die AGB<br />
weist nicht die vermuteten Verbesserungen in den Selbsteinschätzungen des <strong>Gesundheit</strong>szustandes<br />
der Teilnehmer nach. Das Antwortverhalten lässt im Gegenteil häufig den Schluss<br />
zu, dass eine zunächst allgemein relativ hoch eingeschätzte <strong>Gesundheit</strong> einer kritischeren<br />
Sicht auf die eigene Befindlichkeit gewichen ist. Dies kann in Bezug auf die direkt im Anschluss<br />
an die Maßnahme, die zudem von den Teilnehmern z. T. als zeitlich zu knapp bemessen<br />
eingeschätzt wurde, erfolgte Messung nicht verwundern. Es hat offensichtlich eine<br />
Sensibilisierung stattgefunden, die allein durch die Vormessung auch in der Kontrollgruppe<br />
sichtbar wurde. Diese Interpretation wird durch die Korrelation der Einschätzung des AGB-<br />
Gesamtwertes mit der Einschätzung des allgemeinen <strong>Gesundheit</strong>szustandes gestützt: In der<br />
Versuchsgruppe besteht im Pretest eine Nullkorrelation (r= .08), im Posttest korrelieren beide<br />
Werte (r= .41**). In der Kontrollgruppe besteht bereits im Pretest eine signifikante Korrelation<br />
(r= .31*), im Posttest ist sie sehr signifikant (r=. 50**).<br />
Hier zeigen sich die Schwierigkeiten, die bei der Konstruktion angemessener Messverfahren<br />
zur Trainingsevaluation auftreten können. Das vorliegende Instrument (AGB) ist scheinbar in<br />
der Lage, veränderungssensitiv zu messen. Signifikante Unterschiede in den Messzeitpunkten<br />
bzw. bei den Interaktionseffekten belegen dies. Es misst aber nicht die eigentlichen<br />
Lerneffekte, die durch die Trainings erzielt worden sein können, sondern bereits Transfereffekte,<br />
welche u. U. erst sehr viel später (z. B. nach einem Jahr) zum Tragen kommen. Zu-<br />
155
nächst kann es zu negativem Transfer kommen, d. h. die eigenen Schwachstellen werden<br />
erst einmal wahrgenommen, bevor sie durch gezielte Verhaltensänderung beseitigt werden<br />
können.<br />
Die Konsequenz daraus muss sein, dass für einen Trainingserfolgs-Nachweis im direkten<br />
Anschluss an die Maßnahme andere, spezifischer darauf zugeschnittene Instrumente eingesetzt<br />
werden. Soll ein Transfereffekt auf allgemeinere gesundheitsbewusste Verhaltensweisen<br />
nachgewiesen werden, ist der AGB-Fragebogen möglicherweise ein sehr hilfreiches Instrument,<br />
um schnell und ohne sehr großen Aufwand subjektive Daten zu erheben. Der Erhebungszeitpunkt<br />
müsste allerdings später gewählt werden, was wiederum das Wirken von<br />
zahlreichen Störeinflüssen zur Folge hat.<br />
Weitere Gründe für Nulleffekte:<br />
- keine Bildung von Zufallsstichproben<br />
- keine zufällige Zuordnung der Gruppen auf die Bedingungen (VK/ KG)<br />
- dadurch möglicherweise unterschiedliche Reaktion der Teilnehmer auf die Befragung<br />
- fehlende Symmetrie zwischen Prädiktoren (Programmpunkte) und Kriterien<br />
(Messinstrument)<br />
- Probleme subjektiver Verfahren (Selbsteinschätzungen) – ein objektives Kriterium<br />
wäre gut!<br />
156
5.3.5 Fazit<br />
Im Sinne einer langfristigen Gesunderhaltung und Förderung der Motivation der Call Center<br />
Agenten galt es, typischen Arbeitsbelastungen im Call Center präventiv geeignete gesundheitsförderliche<br />
Maßnahmen entgegenzusetzen.<br />
Projektziel des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin (AAS) war, den<br />
Einfluss von verhaltenspräventiven Maßnahmen auf den Abbau arbeitsbedingter Belastungen<br />
zu untersuchen und zum anderen ein geeignetes Analyseinstrument für das Belastungsscreening<br />
zu entwickeln. Es ist bekannt, dass unter den speziellen Arbeitsbedingungen<br />
im Call Center neben einer Optimierung der Arbeitsgestaltungsbedingungen auch die<br />
Einflussnahme auf das <strong>Gesundheit</strong>sverhalten der Mitarbeiter von besonderer Bedeutung ist.<br />
Die Untersuchung bestätigte, dass in bestehenden Call Centern Defizite in den Bereichen<br />
Verhältnisprävention und Verhaltensprävention über systematische Analysen unter wirksamer<br />
Mitarbeiterbeteiligung erkannt werden können und dass diese Erkenntnisse die Grundlage<br />
für die Auswahl unterschiedlicher gesundheitsförderlicher Interventionsmaßnahmen<br />
bilden.<br />
Das AAS führte in verschiedenen Call Centern Untersuchungen zur ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung<br />
durch. Parallel dazu wurden über anonyme Mitarbeiterbefragungen die individuellen<br />
Auswirkungen der Belastungen aus der Arbeitssituation ermittelt. Speziell dazu<br />
wurde ein praxistaugliches Analyseinstrument entwickelt, welches die Möglichkeit bietet,<br />
objektiv gefundene Defizite den subjektiv empfundenen Belastungen gegenüberzustellen<br />
und daraus eine Rang- und Reihenfolge der Maßnahmeplanung aufzustellen. Diese Methodik<br />
erwies sich als geeignet, Zusammenhänge zwischen auftretenden <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden<br />
und ergonomischen Unzulänglichkeiten aufzuzeigen.<br />
Im Ergebnis der Analysen in den einzelnen Call Centern wurden in Auswertung der objektiven<br />
Beurteilung aus Expertensicht und aus den subjektiven Befragungsergebnissen spezifische<br />
Maßnahmen zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung abgeleitet. Der Abgleich der objektiv und subjektiv<br />
ermittelten Faktoren ermöglichte, diese Maßnahmen unternehmensbezogen als gezieltes<br />
Präventions- und Motivationsinstrument nutzen zu können.<br />
157
In den Call Centern kamen ausgewählte Trainings (Rückenschule, Stimmtraining, Basics for<br />
Agents) zum Einsatz, deren Wirkung auf die psychische und physische <strong>Gesundheit</strong> sowie<br />
hinsichtlich der Teilnehmerzufriedenheit in einer Nachuntersuchung evaluiert wurde. Nachgewiesen<br />
werden konnte hier insgesamt eine hohe Zufriedenheit der Befragten mit den<br />
durchgeführten Maßnahmen, eine wesentliche Voraussetzung für die Zielerreichung auf dem<br />
Wege zur Verhaltensprävention.<br />
Die Trainings bewirkten in allen untersuchten Unternehmen entgegen den Erwartungen keine<br />
Verbesserung in der Selbsteinschätzung des <strong>Gesundheit</strong>szustandes der Teilnehmer. Bezüglich<br />
der individuell bewerteten <strong>Gesundheit</strong> zeigte sich eine leichte Verschlechterung bei<br />
den an den Maßnahmen beteiligten Call Center Agents gegenüber dem Ausgangszustand<br />
(Vorhermessung) und im Vergleich zur Kontrollgruppe, deren <strong>Gesundheit</strong>szustand gleich<br />
blieb. Es ist aber nicht anzunehmen, dass sich der <strong>Gesundheit</strong>szustand tatsächlich verschlechtert<br />
hat. Ebenso ist eine spürbare Verbesserung nach Durchführung von einzelnen<br />
Trainingsmaßnahmen im Ergebnis des Projektes nicht zu erwarten gewesen. Die Einzelmaßnahmen<br />
waren also nicht ausreichend für den Nachweis eines tiefgreifenden positiven<br />
<strong>Gesundheit</strong>seffektes. Das Ergebnis kann so interpretiert werden, dass die singulären Aktionen<br />
eine Sensibilisierung bewirkt haben. Die Call Center Agents wurden auf für sie selbst<br />
bisher nur latent vorhandene Probleme aufmerksam gemacht und nahmen ihre <strong>Gesundheit</strong><br />
nach Beendigung der Trainingsprogramme bewusster wahr.<br />
Ausblick<br />
Für einen nachhaltigen Abbau arbeitsbedingter <strong>Gesundheit</strong>sgefährdungen ist die Verbesserung<br />
der Arbeitsbedingungen und die Förderung der <strong>Gesundheit</strong> als langfristiger Prozess zu<br />
begreifen. Die Grundlage für Partizipation und Motivation der Mitarbeiter bildet die Anwendung<br />
geeigneter Instrumentarien zur Wissensvermittlung wie das hier zum Einsatz gekommene<br />
Konzept „Basics for Agents“. Im Bewusstsein der Call Center Agents kann damit zunächst<br />
eine wesentliche Grundlage für die wirksame Einflussnahme auf eine persönliche<br />
Verhaltensänderung geschaffen werden. Darauf können dann bedarfsorientiert gezielte Trainingsmaßnahmen<br />
aufbauen, die stets einer Wirkungskontrolle zu unterziehen sind. In regelmäßigen<br />
Zeitabständen sind wiederholte Interventionen mit dem Ziel einer Prozessstabilisierung<br />
anzustreben.<br />
158
Erwähnt werden soll hier auch die Tatsache, dass Investitionen zur optimalen Gestaltung<br />
von Arbeitsplätzen, Umgebungsfaktoren und der Arbeitsorganisation (Verhältnisse) nur bis<br />
zu einem bestimmten Punkt sinnvoll erscheinen, um Belastungen effektiv entgegenzuwirken.<br />
Präventive Einflussnahme auf das Verhalten der Call Center Agents ist unerlässlich als Ergänzung<br />
für die Gesunderhaltung, Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter. Verhältnisprävention<br />
und Verhaltensprävention sollten gleichrangig in die Unternehmensstrategie<br />
zum <strong>Gesundheit</strong>sschutz integriert werden.<br />
159
6 Literatur/ Anlagen<br />
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im Arbeitsprozess. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft 44 Heft 1<br />
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neue Führungskonzept: Mitarbeiter bringen mehr, wenn sie mehr dürfen. Reinbek: Rowohlt<br />
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160
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Verbundprojekt GESINA (Hrsg.); (2000). Berichte aus dem GESINA-Projekt. Wuppertal:<br />
Fünfte Ausgabe.<br />
Waller, H. (1996). <strong>Gesundheit</strong>swissenschaft: Eine Einführung in Grundlagen und Praxis.<br />
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Wiesbaden: Westdeutscher Verlag GmbH.<br />
164
Anlage 1<br />
Eingesetzte Verfahren und Quellenangaben<br />
Verfahren<br />
SAHIB 96<br />
System zur Analyse der Hardware-<br />
Komponenten am Bildschirmarbeitsplatz<br />
Ziel<br />
Einschätzung der Arbeitsplätze hinsichtlich der<br />
Arbeitsplatzausstattung, der Arbeitsumgebung und<br />
der Raumgestaltung unter Berücksichtigung der<br />
Bildschirmarbeitsverordnung<br />
(Kurtz, Buchheim & Hippmann, 1996)<br />
BEBA_CC<br />
Belastung und Beanspruchung bei der<br />
Call - Center - Arbeit<br />
(in Anlehnung an Pohlandt, Jordan,<br />
Maßloch, Ott 1997)<br />
Das Verfahren BEBA gibt eine Anleitung zum Auffinden<br />
und Abbauen psychischer Belastungen, die<br />
durch die Arbeitsaufgabe und die Arbeitsorganisation<br />
bedingt sind.<br />
Der BEBA_CC ( Call Center) basiert auf dem BE-<br />
BA - Psychische Belastungen bei Büroarbeit.<br />
SALSA<br />
Salutogenetische subjektive Arbeitsanalyse<br />
(Rimann & Udris; in Strohm, 1997)<br />
Der SALSA ist geeignet, die wahrgenommene<br />
(subjektive) Arbeitssituation hinsichtlich verschiedener<br />
Merkmale der Aufgaben, der Belastungen<br />
sowie der organisationalen und sozialen Ressourcen<br />
zu erfassen.<br />
BMS II<br />
Ermüdung - Monotonie - Sättigung -<br />
Stress<br />
(Plath & Richter, 1984)<br />
Der BMS sowie die Beanspruchungsratings dienen<br />
der Erfassung arbeitsbedingter psychischer Fehlbeanspruchungsfolgen<br />
wie psychischer Ermüdung,<br />
Monotonie, psychischer Sättigung und Stress.<br />
Beanspruchungs - Ratings<br />
(Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,<br />
in Anlehnung an Plath und<br />
Richter)<br />
LIDA<br />
Lernen in der Arbeit<br />
(Wardanjan, Richter & Uhlemann;<br />
2000)<br />
Ermittlung von lernförderlichen Merkmalen der<br />
Unternehmensorganisation aus der Sicht der Beschäftigten.<br />
Zum einen werden Fragen zu Bedingungen<br />
gestellt, welche durch ihre motivations<strong>fördern</strong>de<br />
Wirkung das Lernen in der Arbeit unterstützen.<br />
Zum anderen wird nach dem Vorhandensein<br />
konkreter Lernunterstützungen gefragt.<br />
FLMA<br />
Fragebogen zu lernrelevanten Merkmalen<br />
der Arbeitsaufgabe<br />
(Richter & Wardanjan; 2000)<br />
Der Fragebogen dient der Erfassung der Lernhaltigkeit<br />
der Arbeitsaufgabe aus Sicht der Beschäftigten,<br />
um mögliche Ressourcen der Lernkultur<br />
eines Unternehmens aufzudecken.<br />
165
Anlage 2<br />
Merkmale der Arbeitsaufgabengestaltung<br />
Gestaltungsmerkmal<br />
Ganzheitlichkeit<br />
Anforderungsvielfalt<br />
Möglichkeit der sozialen<br />
Interaktion<br />
Autonomie<br />
Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten<br />
Erläuterungen<br />
Die Mitarbeiter erkennen die Bedeutung und den Stellenwert<br />
ihrer Tätigkeit. Die Aufgaben sind umfassend und es besteht die<br />
Möglichkeit die Ergebnisse selbständig auf Übereinstimmung mit<br />
den Anforderungen zu prüfen.<br />
Bei der Erledigung der Aufgaben kommen unterschiedliche Fähigkeiten,<br />
Kenntnisse und Fertigkeiten zum Einsatz. Die Aufgaben<br />
enthalten planende, ausführende und kontrollierende Elemente.<br />
Es werden unterschiedliche Anforderungen an Körperfunktionen<br />
und Sinnesorgane gestellt.<br />
Funktionierende Möglichkeiten der sozialen Interaktion vermitteln<br />
die Erfahrung sozialer Unterstützung der Beschäftigten bei<br />
der Bewältigung ihrer Aufgaben, aber auch ihrer Probleme und<br />
Schwierigkeiten. Aufgaben sollten so gestaltet sein dass Kooperation<br />
möglich aber auch notwendig ist. Gegenseitige Unterstützung<br />
hilft Belastungen besser zu verarbeiten.<br />
Die Aufgabenerledigung kann vom Mitarbeiter selbst reguliert<br />
werden. Dies stärkt das Selbstwertgefühl und die Bereitschaft<br />
zur Übernahme von Verantwortung. Eine starke Abhängigkeit<br />
von technischen Systemen und eine starke sachlich nicht hinreichend<br />
begründbare Reglementierung der Arbeitsabläufe (inhaltlich<br />
und zeitlich) sollte vermieden werden.<br />
Berufliche Qualifikationen werden bei der Erledigung der Arbeitsaufgaben<br />
genutzt, bleiben erhalten und werden weiterentwickelt.<br />
Die allgemeine geistige Flexibilität bleibt durch die Lösung<br />
von problemhaltigen und abwechslungsreichen Aufgaben<br />
erhalten.<br />
Merkmale der Arbeitsaufgabengestaltung in Anlehnung an Ulich, Conrad-Betschardt &<br />
Baitsch (1989)<br />
166
Anlage 3<br />
Funktionen von Pausen<br />
Funktion der Pause<br />
Erholungsfunktion<br />
Gliederungsfunktion<br />
Ausgleichsfunktion<br />
Informationsfunktion<br />
Kompensations- und Pufferfunktion<br />
Vermittlungsfunktion<br />
Persönliche Funktion<br />
Soziale Funktion<br />
Erläuterung<br />
Pausen tragen dazu bei, dass sich der Organismus nach<br />
längerer körperlicher und geistiger Belastung erholen<br />
kann. Der Pausenzeitpunkt sollte so gewählt werden,<br />
dass dem Eintreten von Ermüdung vorgebeugt wird.<br />
Durch Pausen kann der Arbeitstag in überschaubare Teile<br />
differenziert, sowie Motivationsverlusten (z. B. bei kurzzyklischen<br />
Tätigkeiten) vorgebeugt werden.<br />
Der Wechsel der Aufmerksamkeitsbindung auf eine<br />
selbstgewählte Pausentätigkeit kann einen gewissen<br />
Ausgleich für den Organismus bewirken<br />
Die gemeinsame Pause kann Gelegenheit für einen persönlichen<br />
und dienstlichen Informationsaustausch bieten.<br />
In den Pausen können Abstimmungsschwierigkeiten zwischenverschiedenen<br />
Abteilungen oder Arbeitsplätzen<br />
behoben werden.<br />
Im Falle eines Tätigkeitswechsels ist die Pause sinnvoll,<br />
um sich auf Anforderungen der neuen Aufgaben einzustellen.<br />
Eine Pause gibt dem Arbeitnehmer die Gelegenheit, seine<br />
persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen.<br />
Häufig ist eine Pause die einzige Gelegenheit für die Beschäftigten,<br />
um soziale Kontakte zu anderen Personen<br />
aufzubauen und zu pflegen.<br />
In Anlehnung an den Leitfaden „Effektive Arbeitsgestaltung“<br />
167