CCall Report: Gesundheit fördern - Erfolg gestalten - Lasi

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CCall Report 9 Call Center: Gesundheit fördern - Erfolg gestalten VBG Verwaltungs- Berufsgenossenschaft

<strong>CCall</strong> <strong>Report</strong> 9<br />

Call Center:<br />

<strong>Gesundheit</strong> <strong>fördern</strong> -<br />

<strong>Erfolg</strong> <strong>gestalten</strong><br />

VBG<br />

Verwaltungs-<br />

Berufsgenossenschaft


Das Projekt <strong>CCall</strong> wird gefördert durch das<br />

Der vorliegende Bericht wurde im Auftrag der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft<br />

erstellt durch:<br />

Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin<br />

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />

Dipl. <strong>Gesundheit</strong>swirtin Sandra Denecke<br />

Dipl. <strong>Gesundheit</strong>swirtin Claudia Fenz’l<br />

Dipl.-Ing. Silvia Frisch<br />

Dipl.-Psych. Ralf Muellerbuchhof<br />

Prof. Dr. Wolfgang Quaas<br />

Dipl.-Ing. Carla Rodewald<br />

Hamburg, Mai 2002


Inhalt<br />

1 Einführung....................................................................................... 5<br />

2 <strong>Gesundheit</strong> und Arbeit................................................................... 7<br />

2.1 <strong>Gesundheit</strong> ................................................................................................................7<br />

2.2 Arbeit - ein Einflussfaktor auf die <strong>Gesundheit</strong>......................................................13<br />

2.2.1 Belastungen und Ressourcen...................................................................................15<br />

2.2.2 Beanspruchungen und Beanspruchungsfolgen ........................................................19<br />

2.2.3 Wandel der Arbeitswelt - Wandel der Belastungen ...................................................21<br />

3 Die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung .................................... 24<br />

3.1 Ziel............................................................................................................................24<br />

3.2 Strategie und Instrumente der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung .................26<br />

3.2.1 Handlungsstrategien.................................................................................................26<br />

3.2.2 Basisinstrumente Betrieblicher <strong>Gesundheit</strong>sförderung..............................................31<br />

3.3 Praktische Vorgehensweise im Unternehmen (step by step) ..............................35<br />

3.3.1 Handlungsbedarf erkennen ......................................................................................36<br />

3.3.2 Informieren, Partner suchen, Strukturen schaffen.....................................................36<br />

3.3.3 Analysieren und Gestaltungsschwerpunkte festlegen...............................................37<br />

3.3.4 Lösungen entwickeln und umsetzen.........................................................................43<br />

3.3.5 Evaluieren, verbessern, verstetigen..........................................................................43<br />

3.4 Der Nutzen Betrieblicher <strong>Gesundheit</strong>sförderung .................................................44<br />

4 Die Arbeit im Call Center – Analyse ........................................... 46<br />

4.1 Einführung...............................................................................................................46<br />

4.2 Analysen der Otto-von–Guericke-Universität Magdeburg ...................................49<br />

4.2.1 Analyseansatz und grundsätzliche Vorgehensweise ................................................49<br />

3


4.2.2 Untersuchungsfelder, Arbeitsaufgaben, allgemeine organisatorische Bedingungen .53<br />

4.2.3 Ermittlung psychischer Belastungen (Screening)......................................................62<br />

4.2.4 Ergonomische Arbeitsplatzanalyse (Screening)........................................................65<br />

4.2.5 Kurzfristige Fehlbeanspruchungsfolgen....................................................................66<br />

4.2.6 Ressourcen ..............................................................................................................68<br />

4.3 Analysen des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik .........................74<br />

Neuruppin...........................................................................................................................74<br />

4.3.1 Analyseansatz ..........................................................................................................74<br />

4.3.2 Methodische Vorgehensweise ..................................................................................77<br />

4.3.3 Untersuchungsfelder und Analyseergebnisse...........................................................79<br />

4.4 Zusammenfassung – Gestaltungsschwerpunkte .................................................96<br />

5 Interventionen und Lösungsvorschläge.................................... 97<br />

5.1 Einführung und Zielstellung...................................................................................97<br />

5.2 Partizipative Entwicklung von Lösungsvorschlägen ...........................................98<br />

5.2.1 Projektgruppenarbeit ................................................................................................99<br />

5.2.2 Entwicklung von allgemeinen Lösungsvorschlägen ................................................104<br />

5.2.3 Das Konzept „Lernarbeitsplatz“ ..............................................................................109<br />

5.2.4 <strong>Erfolg</strong>skriterien für die partizipative Gestaltung und Entwicklung ............................113<br />

5.3 Spezielle verhaltenspräventive Maßnahmen.......................................................114<br />

5.3.1 „Richtiges Bewegen“ im Call Center .......................................................................114<br />

5.3.2 Stimmtraining .........................................................................................................119<br />

5.3.3 Basics for Agents....................................................................................................121<br />

5.3.4 Wirksamkeit der Maßnahmen .................................................................................124<br />

5.3.5 Fazit .......................................................................................................................157<br />

6 Literatur/ Anlagen....................................................................... 160<br />

4


1 Einführung<br />

Der <strong>Erfolg</strong> eines Unternehmens ist in der heutigen Zeit nicht nur von der Qualität der Produkte<br />

oder Dienstleistungen abhängig, sondern wird zunehmend auch daran gemessen, in<br />

welcher Art und Weise mit dem Kunden kommuniziert wird. Ständige Erreichbarkeit, qualitativ<br />

hochwertige Auskunftstätigkeit sowie die kompetente Beratung bei auftretenden Fragen<br />

und Problemen werden immer mehr zum unentbehrlichen Wettbewerbsfaktor.<br />

Die kostengünstige und effiziente Bereitstellung eines qualifizierten Kundenservices rund um<br />

die Uhr erfolgt zunehmend durch die Nutzung von Call Centern. Diese können als Abteilung<br />

eines Unternehmens (Inhouse Call Center) oder als eigenständiges Dienstleistungsunternehmen<br />

organisiert sein. In den Call Centern entstehen neue, modern ausgestattete Arbeitsplätze,<br />

gekennzeichnet durch den Einsatz multimedialer Kommunikationstechnologien. Der<br />

Call Center Agent stellt eine wichtige Schnittstelle zwischen dem Unternehmen, welches er<br />

vertritt, und dem Kunden dar. Seine Professionalität, Kompetenz, Motivation und sein Engagement<br />

sind entscheidend für die Qualität der Dienstleistung und beeinflussen somit auch<br />

den Unternehmenserfolg. Langfristiger wirtschaftlicher <strong>Erfolg</strong> wird nur jenen Call Centern<br />

beschieden sein, die erkennen, dass die „Human Resources“ einen wichtigen, wenn nicht<br />

den wichtigsten, <strong>Erfolg</strong>sfaktor eines Call Centers darstellt. Im Call Center der Zukunft werden<br />

anspruchsvolle Telefon- und Servicedienstleistungen zunehmen und einfache Auskunftsdienste<br />

mehr und mehr von hoch entwickelten technischen Systemen abgelöst. Die Call<br />

Center entwickeln sich zu Communication Centern.<br />

Motivierte, für Unternehmensziele engagierte und kreativ arbeitende und lernende Mitarbeiter<br />

als Hauptressource für die Zukunftssicherung von Unternehmen sind ohne gute körperliche<br />

und psychische <strong>Gesundheit</strong> ein illusionärer Wunschtraum. Wer Leistung und Kreativität<br />

erwartet und fordert, der muss <strong>Gesundheit</strong> und Wohlbefinden schützen und <strong>fördern</strong>.<br />

Die Arbeit und die Arbeitsbedingungen haben einen erheblichen Einfluss auf die <strong>Gesundheit</strong><br />

des einzelnen. Sie können einerseits gesundheitsschädigende Faktoren (Risikofaktoren) und<br />

andererseits gesundheits<strong>fördern</strong>de Potentiale enthalten. Die Arbeit im Call Center ist noch<br />

relativ neu und enthält für die Wissenschaftsdisziplinen, welche sich mit dem Thema „Arbeit<br />

und <strong>Gesundheit</strong>“ beschäftigen, interessante Problem- und Fragestellungen. Zum Teil hohe<br />

Krankenstands- und Fluktuationsraten in den Unternehmen lassen vermuten, dass die Ausprägung<br />

bestimmter Gestaltungsfaktoren, wie z. B. die Arbeitsplatzgestaltung, die Aufgabenund<br />

Tätigkeitsgestaltung, die Arbeitszeit und Arbeitszeitnutzung, die Kommunikations- und<br />

5


Kooperationsbedingungen oder die Möglichkeiten zur Kompetenzentwicklung in der Praxis<br />

im Moment noch nicht immer günstig ausgeprägt sind.<br />

Im Rahmen des Projektes <strong>CCall</strong> werden die Arbeit und die Arbeitsbedingungen in ausgewählten<br />

Call Centern unter Nutzung arbeitswissenschaftlicher und arbeitspsychologischer<br />

Mittel analysiert und bewertet. Ziel ist es, einen Beitrag zur Schaffung gesundheitsförderlicher<br />

Arbeitsbedingungen in Call Centern zu leisten.<br />

Arbeitsgestaltungsmaßnahmen fokussieren immer seltener allein auf technische oder organisatorische<br />

Veränderungen, sondern begreifen zunehmend auch die Beschäftigten als<br />

wichtigstes Innovationspotential des Unternehmens. Schwerpunkt des Projektansatzes des<br />

Teilprojektes der Otto–von–Guericke-Universität Magdeburg ist es, die betroffenen Beschäftigten<br />

aktiv in den Analyse- und Gestaltungsprozess einzubeziehen. Es sollen dabei im Unternehmen<br />

Voraussetzungen geschaffen werden, die Arbeit und die Arbeitsbedingungen in<br />

den Call Centern selbständig unter bedarfs- und problemorientierter Nutzung externer Unterstützungen<br />

zu <strong>gestalten</strong>.<br />

Das Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin verfolgt mit seinem Teilprojekt<br />

das Ziel, einerseits ein Lösungsmodell zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung aufzustellen und<br />

andererseits zu untersuchen, welchen Einfluss verhaltenspräventive Maßnahmen auf den<br />

Abbau negativer arbeitsbedingter Belastungen haben.<br />

Der vorliegende <strong>Report</strong> stellt eine Zusammenfassung der im Rahmen des Projektes durchgeführten<br />

Analysen und Ergebnisse dar.<br />

Zunächst wird der Begriff <strong>Gesundheit</strong>, der Einfluss der Arbeit auf die <strong>Gesundheit</strong> und die<br />

betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung als Maßnahme, Methode und Strategie zur Schaffung<br />

gesundheitsförderlicher Arbeit- und Arbeitsbedingungen beschrieben. Es geht dabei nicht um<br />

die wissenschaftlich vollständige und exakte Abhandlung der Themengebiete, sondern viel<br />

mehr um die Vermittlung eines praxisrelevanten Grundwissens für den Anwender. Im Punkt<br />

4 erfolgt die Beschreibung der eingesetzten Analysemethoden, Vorgehensweisen und ausgewählter<br />

Ergebnisse der Untersuchungen in den einbezogenen Call Centern. Im weiteren<br />

Verlauf werden die im Rahmen der Projektlaufzeit durchgeführten Interventionen und<br />

entwickelten Gestaltungsmaßnahmen beschrieben. Die Interventionsmaßnahmen sind zum<br />

Zeitpunkt der Berichtsabfassung zum Teil noch nicht abgeschlossen.<br />

6


2 <strong>Gesundheit</strong> und Arbeit<br />

Was ist <strong>Gesundheit</strong> und wie wird dieser Begriff definiert? Welchen Einfluss hat die Arbeit auf<br />

die persönliche <strong>Gesundheit</strong>? Welche Auswirkungen haben neue Organisationsformen auf<br />

gesundheitliche Belastungen?<br />

2.1 <strong>Gesundheit</strong><br />

<strong>Gesundheit</strong> ist ein sehr hoch bewertetes persönliches wie betriebliches und gesamtgesellschaftliches<br />

Gut.<br />

Die <strong>Gesundheit</strong>svorstellungen sind<br />

nicht einheitlich, sondern abhängig von<br />

den jeweils unterschiedlichen Perspektiven<br />

in wissenschaftlichen Disziplinen<br />

bzw. von den Lebensweisen und<br />

-einstellungen der einzelnen Menschen.<br />

Historisch betrachtet hat sich der <strong>Gesundheit</strong>sbegriff<br />

durch soziokulturelle<br />

und historische Einflüsse und Veränderungen<br />

gewandelt (Schipperges 1990).<br />

In der Abbildung 1 sind beispielhaft<br />

<strong>Gesundheit</strong>sauffassungen bezogen auf<br />

die Zeitepochen zusammengestellt.<br />

Historie und Wandel der <strong>Gesundheit</strong>sauffassungen:<br />

Früheste Kulturen:<br />

-Körper und Geist bilden eine Einheit<br />

-Krankheit bedeutet, dass böser Geist über<br />

den Körper Besitz genommen hat<br />

Alte Griechen:<br />

-Säftelehre: Wenn die vier Säfte aus<br />

Balance geraten, wird der Mensch krank<br />

-Körper ist hauptverantwortlich für<br />

Krankheitsentstehung<br />

Mittelalter:<br />

-Krankheit als Strafe Gottes<br />

Renaissance bis Neuzeit:<br />

-Fortschritte in Technik und Medizin<br />

-Krankheit hat körperliche und / oder<br />

psychische Ursachen<br />

Abb.1: Wandel der <strong>Gesundheit</strong>sauffassungen<br />

Wissenschaftliche <strong>Gesundheit</strong>skonzepte<br />

Bis in die Mitte der 40er Jahre wird <strong>Gesundheit</strong> ausschließlich als Abwesenheit von Krankheit<br />

und Gebrechen definiert (pathogenetischer Ansatz). Im Jahre 1946 wird durch die Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO) eine bis heute häufig verwendete <strong>Gesundheit</strong>sdefinition<br />

formuliert:<br />

<strong>Gesundheit</strong> ist der Zustand vollkommenden körperlichen, geistigen und sozialen<br />

Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.“<br />

(WHO, 1946)<br />

7


In der 1986 entwickelten Ottawa Charta zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung (WHO) heißt es:<br />

„Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist<br />

es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre<br />

Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern beziehungsweise<br />

verändern können.“<br />

Das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit stehen an zentraler Stelle. „Ganzheitlichkeit“<br />

wird zu einem neuen Begriff der <strong>Gesundheit</strong>sförderung. Neue Leitbilder, eine positive Definition<br />

des <strong>Gesundheit</strong>sbegriffs, innovative Methoden, Gemeinschafts- und Laienbeteiligung,<br />

Multisektoralität und Interdisziplinarität unter Berücksichtigung von sozialen und Umweltfaktoren<br />

sind einige Begriffe, welche in dieser Zeit entstanden und auch heute noch ihre Gültigkeit<br />

besitzen.<br />

Diese Definitionen sind sehr optimistisch, wenn nicht utopisch. Da diese absoluten und vollständigen<br />

Zustände des Wohlbefindens nicht dauerhaft („rund um die Uhr“) zu erreichen<br />

sind, wurde hier die Kritik an der Realitätsferne dieser Definition geübt, wenn man sie buchstabengetreu<br />

auslegt. Vorübergehende negative Emotionen (wie Traurigkeit, Ärger, Enttäuschung)<br />

gehören ebenso zur Realistik des Lebens. Demzufolge kann es realistisch gesehen<br />

nur um ein vorwiegendes Wohlbefinden gehen und um die Fähigkeit emotionale Tiefs schnell<br />

zu überwinden (die Fähigkeit der angemessenen Gefühlsregulation).<br />

<strong>Gesundheit</strong> ist ein Prozess, welcher lebensgeschichtlich und alltäglich immer wieder<br />

neu ausbalanciert werden muss.<br />

<strong>Gesundheit</strong> ist kein fernes Ziel, sondern Bestandteil des täglichen Lebens und liegt mit<br />

in der Eigenverantwortung des Einzelnen.<br />

<strong>Gesundheit</strong> steht für eine gelingende Lebensbewältigung und bezeichnet das Maß, wie<br />

Menschen mit ihren inneren Zuständen und ihren Umgebungsbedingungen fertig werden.<br />

Deshalb gehören die persönliche Verantwortung für die eigene <strong>Gesundheit</strong> und die soziale<br />

Chance, „gesund zu leben“ elementar zusammen (Ochs, Petrenz, Reindl 1996).<br />

8


<strong>Gesundheit</strong> ist demzufolge ein komplexer Zustand, der sich aus folgenden Komponenten<br />

zusammensetzt:<br />

1) körperliche und psychische Funktionstüchtigkeit (grundlegende körperliche<br />

und psychische Funktion der Sinnesorgane, der Mobilität und des Gedächtnisses)<br />

2) soziale Integration (Anzahl und Qualität sozialer Beziehungen und Unterstützung;<br />

wichtige Voraussetzung für Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit; <strong>Gesundheit</strong>sressource)<br />

3) körperliches und psychisches Wohlbefinden (komplexer subjektiver Bewusstseinszustand<br />

über die Einschätzung der persönlichen Lage; Abgleich zwischen<br />

IST- und SOLL-Zustand)<br />

4) allgemeine Handlungskompetenz (Fähigkeit und Bereitschaft zu eigenständiger<br />

Lebensführung)<br />

<strong>Gesundheit</strong> oder Störungen der <strong>Gesundheit</strong> ergeben sich innerhalb eines Kontinuums des<br />

Eigenzustandes des Menschen im Ergebnis der Mensch–Umwelt-Beziehungen unter dem<br />

Einfluss des Wirkens von Belastungen / Risikofaktoren / Stressoren einerseits und Ressourcen<br />

(personengebundene biologische, psychische und verhaltensmäßige sowie objektive<br />

organisationale / settingbezogene Ressourcen) andererseits (vgl. Pkt. 2.2.1 und Abb. 2).<br />

9


Stressoren<br />

Risikofaktoren<br />

Lebensprozess als Transaktionsprozess<br />

Mensch-Umwelt unter Inanspruchnahme<br />

körperlicher, psychischer (sinnlicher, geistiger,<br />

emotionaler, volitiver) und psycho-sozialer<br />

Funktionen und ihres Zusammenwirkens<br />

Ressourcen<br />

externe<br />

interne<br />

Bereich<br />

dominierender<br />

Krankheit<br />

Bereich<br />

dominierender<br />

<strong>Gesundheit</strong><br />

Krankheit<br />

(gestörte Funktionen)<br />

als Kontinuum<br />

aktueller Eigenzustand als Gradient ungestörter<br />

und gestörter Funktionen im Ergebnis der<br />

Relation Risikofaktoren/Stressoren und<br />

interne/externe Ressourcen<br />

<strong>Gesundheit</strong><br />

(ungestörte Funktionen)<br />

Abb. 2: <strong>Gesundheit</strong>s-Krankheitsmodell in Anlehnung an Antonowski und Nitzsche<br />

<strong>Gesundheit</strong> muss also immer wieder neu generiert werden und wird somit zur Aufgabe sowohl<br />

für das Individuum als auch – bezogen auf die Arbeit – für das Unternehmen / die Organisation.<br />

Die pathogenetische Sichtweise der <strong>Gesundheit</strong> (Was macht krank und beeinflusst das<br />

Wohlbefinden negativ) wird durch eine salutogenetische Sichtweise (Was erhält und stabilisiert<br />

die <strong>Gesundheit</strong>, teilweise auch trotz erheblicher Belastungen) ergänzt.<br />

10


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¥<br />

Franzowiack hat drei <strong>Gesundheit</strong>sdimensionen aufgestellt:<br />

<strong>Gesundheit</strong> als Funktionsaussage<br />

<strong>Gesundheit</strong> als Leistungs- und<br />

Arbeitsfähigkeit<br />

- Flexible Anpassungsfähigkeit des Körpers an<br />

sich verändernde Umweltbedingungen<br />

(Widerstandsfähigkeit)<br />

<strong>Gesundheit</strong> als Störungsfreiheit<br />

Gesund ist, wer nicht krank ist<br />

- medizinische (pathogenetische) Betrachtungsweise<br />

- Ermittlung und Beseitigung von Risikofaktoren<br />

zur Vermeidung von Krankheiten<br />

<strong>Gesundheit</strong> als Wertaussage<br />

<strong>Gesundheit</strong> als körperliches, seelisches<br />

und soziales Wohlbefinden<br />

- <strong>Gesundheit</strong> ist Lebensziel und<br />

höchster Wert<br />

Abb.3: Dimensionen der <strong>Gesundheit</strong> nach Franzowiack<br />

<strong>Gesundheit</strong> ist ein phänomenologisch mehrdimensionaler Sachverhalt und schließt die Komponenten<br />

der psychischen <strong>Gesundheit</strong> mit ein (vgl. Abb. 4).<br />

Was ist <strong>Gesundheit</strong>?<br />

Fehlen von Krankheiten und Gebrechen, Leidenszuständen<br />

Positiver körperlicher Zustand, Stärke, Energie, Fitness, Belastbarkeit<br />

Psycho-soziales Wohlbefinden, psychomentale Fitness, psychische Belastbarkeit,<br />

Fähigkeit zur Gefühlsregulierung, Lebensfreude und psychische <strong>Gesundheit</strong><br />

Fähigkeit zum eigenständigen Erfüllen sozialer und gesellschaftlicher<br />

Funktionen/Aufgaben, allgemeine Handlungskompetenz, Fähigkeit zu produktiver<br />

psychischer Bewältigung von Herausforderungen und Veränderungen<br />

Fähigkeit zur adäquaten physischen und psychischen Regeneration/Erholung<br />

Abb. 4: Fünf Dimensionen der Phänomenologie der <strong>Gesundheit</strong><br />

11


Subjektive <strong>Gesundheit</strong>skonzepte<br />

Unter subjektiven <strong>Gesundheit</strong>skonzepten versteht man die persönlichen Auffassungen zur<br />

<strong>Gesundheit</strong>, einschließlich den Sichtweisen über Ursachen von <strong>Gesundheit</strong>sstörungen (Was<br />

ist <strong>Gesundheit</strong>, was bewirkt <strong>Gesundheit</strong>, wie kann <strong>Gesundheit</strong> erhalten und gefördert werden,<br />

wodurch kann die <strong>Gesundheit</strong> geschädigt werden?). Faltermaier (1994) stellte nach<br />

seinen Untersuchungen vier verschiedene Typen von <strong>Gesundheit</strong>skonzepten von Erwachsenen<br />

verschiedener Altersgruppen auf (Abb.5). Die einzelnen Konzepte schließen sich nicht<br />

gegenseitig aus, da eine Person auch mehrere Konzepte gleichzeitig für sich als zutreffend<br />

angeben kann.<br />

Es ist wichtig, sich mit existierenden <strong>Gesundheit</strong>skonzepten in der Bevölkerung auseinanderzusetzen,<br />

da sie Handlungsanleitungen zum gesundheitsförderlichen Leben und Ansatzpunkte<br />

für Maßnahmen zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung liefern können.<br />

12


1. <strong>Gesundheit</strong> als Abwesenheit von Krankheit<br />

- geschätzte Verbreitung ca. 13 % (tendenziell<br />

häufiger in unteren sozialen Schichten)<br />

- <strong>Gesundheit</strong> wird nicht als eigene Qualität erlebt<br />

- beim Auftreten von Beschwerden wird erst <strong>Gesundheit</strong>sbewusstsein<br />

geschaffen<br />

2. <strong>Gesundheit</strong> als Energiereserve<br />

- geschätzte Verbreitung ca. 28 %<br />

- gesundheitliche Widerstandskraft wird<br />

als angeborenes oder erworbenes<br />

Potential angesehen<br />

- kann im Lebenslauf zu- oder abnehmen<br />

3. <strong>Gesundheit</strong> als Gleichgewicht oder<br />

Wohlbefinden<br />

- geschätzte Verbreitung ca. 40 % (tendenziell<br />

häufiger bei Frauen und Menschen<br />

mittleren Alters)<br />

- körperliches und seelisches Wohlbefinden,<br />

Ausgeglichenheit und Lebensfreude<br />

4. <strong>Gesundheit</strong> als funktionale Leistungsfähigkeit<br />

- geschätzte Verbreitung ca. 30 % (tendenziell<br />

häufiger in unteren sozialen Schichten,<br />

bei Männern und alten Menschen)<br />

- Arbeits- und Leistungsfähigkeit<br />

- Erfüllung alltäglicher Rollenverpflichtungen<br />

Abb. 5: Subjektive <strong>Gesundheit</strong>skonzepte Erwachsener (nach Faltermaier)<br />

2.2 Arbeit - ein Einflussfaktor auf die <strong>Gesundheit</strong><br />

Die persönliche <strong>Gesundheit</strong> hängt nicht nur vom Verhalten der eigenen Person ab, sondern<br />

sie wird in entscheidendem Maße auch von sozialen und Umweltbedingungen und somit<br />

auch von der Arbeit beeinflusst (Abb. 6).<br />

Das Verhältnis von Arbeit und <strong>Gesundheit</strong> ist zweiseitig. Einerseits sind die körperliche und<br />

geistige <strong>Gesundheit</strong> der Beschäftigten eine bedeutsame und unerlässliche Voraussetzung<br />

für die Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit von Unternehmen. Andererseits hat die Arbeit<br />

selbst und auch der unfreiwillige Ausschluss von gesellschaftlich nützlicher Arbeit wesentliche<br />

Auswirkungen auf die <strong>Gesundheit</strong> und das Wohlbefinden. <strong>Gesundheit</strong> bzw. <strong>Gesundheit</strong>sschädigung<br />

können insofern auch Ergebnis der Arbeit sein.<br />

13


Bereich der eigenen Person:<br />

- Veranlagungen<br />

- Konstitution<br />

- Lebenserfahrungen, Gewohnheiten,<br />

Meinungen<br />

- psych. Eigenschaften<br />

- Selbstbild<br />

usw.<br />

Persönliche<br />

<strong>Gesundheit</strong> als Ausdruck<br />

der Lebensbewältigung<br />

Bereich der sozialen<br />

Bedingungen:<br />

- Familie<br />

- Freunde<br />

- Lernen und Arbeit<br />

- Soziale Anerkennung, Unterstützung,<br />

Sicherheit<br />

- Freizeit usw.<br />

Bereich der Umwelt:<br />

- natürliche Bedingungen (Klima,<br />

Landschaft)<br />

- Wohnumwelt (Ruhe, Lärm, Sprache)<br />

usw.<br />

- Freizeitmöglichkeiten<br />

Abb.6: Determinanten von <strong>Gesundheit</strong> (nach: Hurrelmann 1990, S. 63)<br />

Die <strong>Gesundheit</strong>swirkungen, resultierend aus der Arbeitstätigkeit, können positiv oder negativ<br />

sein. Sie sind abhängig von objektiven Faktoren der Arbeit sowie von den Fähigkeiten und<br />

Kompetenzen des Einzelnen, auf Anforderungen zu reagieren und diese zu bewältigen (personale<br />

Bewältigungsfaktoren) sowie dem Gesamtkontext von Belastungen / Beanspruchungen<br />

und Erholung außerhalb der Arbeit.<br />

Objektive Faktoren der Arbeit<br />

- Arbeitsaufgaben und Arbeitsrollen (mit daraus resultierenden Tätigkeitsstrukturen, die<br />

Anforderungen und Belastungen beinhalten)<br />

- Gestaltungsgüte der Arbeitsbedingungen (u. a. ergonomische Gestaltungsgüte des<br />

Arbeitsplatzes und der Arbeitsmittel, physikalische Arbeitumweltbedingungen, Arbeitsorganisation)<br />

- Soziale Faktoren der Arbeit (Kommunikation, soziales Arbeitsklima, soziale Verhaltensmuster,<br />

soziale Anerkennung, soziale Unterstützung …)<br />

- Beschäftigungssicherheit und –perspektiven<br />

- Konstanz oder Dynamik in der Arbeitssituation (Flexibilitäts-, Lern- und Anpassungserfordernisse<br />

an die Arbeitspersonen)<br />

14


Personale Bewältigungsfaktoren<br />

- individuelle und kollektive Fähigkeiten / Kompetenzen<br />

- individuelle Formen des Arbeitserlebens und Arbeitsverhaltens<br />

- individuelle Zielorientierung und Motivierung<br />

- allgemeine psychische Bewältigungseigenschaften (z. B. Optimismus oder Pessimismus)<br />

- biologische Faktoren (Belastbarkeit, Robustheit, Verletzbarkeit …)<br />

In der Arbeitswissenschaft und der <strong>Gesundheit</strong>sförderung wird in diesem Zusammenhang<br />

von Belastungen, Ressourcen, Beanspruchungen und Beanspruchungsfolgen gesprochen.<br />

2.2.1 Belastungen und Ressourcen<br />

Unter Belastung wird jede von außen wirkende Einflussgröße verstanden, die akut im Menschen<br />

eine Wirkung hervorruft. In der Arbeitswelt sind Belastungen demzufolge alle von außen<br />

einwirkenden Arbeitsbedingungen: z. B. Umgebungseinflüsse (Lärm, Klima ...), psychische<br />

und physische Anforderungen aus der Arbeit, Arbeitsorganisation, Arbeitszeiten und<br />

soziale Beziehungen im Unternehmen (Führungsverhalten, Betriebsklima), die zu unmittelbaren<br />

physischen und/oder psychischen Reaktionen (Beanspruchungsprozessen) im Menschen<br />

führen (Rohmert und Rutenfranz 1975). Psychische Belastungen (Gesamtheit der<br />

erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und auf ihn psychisch<br />

einwirken) gehen im Unterschied zu den meisten anderen gesundheitsrelevanten Belastungsfaktoren<br />

im Arbeitsprozess nicht von einzelnen, eindeutig feststellbaren Bedingungen<br />

aus, sondern meist von komplexen qualitativ verschiedenartigen und teils schwer zu definierenden<br />

Tätigkeitsmerkmalen und psychosozialen Bedingungen (Bachmann 1990). Die Beschäftigten<br />

sind in der Regel mehreren Belastungen ausgesetzt, welche sich gegenseitig<br />

beeinflussen können und sowohl positive als auch negative Wirkungen haben können.<br />

Welche Belastungen bei einer Arbeitstätigkeit auftreten, hängt von der Art der Arbeitsaufgabe,<br />

vom Arbeitsinhalt und den vorherrschenden Arbeitsbedingungen ab.<br />

15


Leistungsvorgaben und<br />

Kontrolle<br />

Arbeitskultur, Führungsstil,<br />

soziales Klima<br />

Wiederholungsgrad<br />

der Arbeitsabläufe<br />

Arbeitsplatzgestaltung<br />

und Sehbedingungen<br />

Stimme<br />

Konzentrationsanforderungen<br />

Arbeit im Großraumbüro<br />

(Störgeräusche)<br />

Bildschirmarbeit<br />

einseitige Körperhaltung<br />

Bewegungsarmut<br />

Augen<br />

<strong>Gesundheit</strong><br />

Leistung<br />

Geist und Psyche<br />

Geringe zeitliche und inhaltliche<br />

Spielräume<br />

Einseitige oder vielfältige<br />

Arbeitsanforderungen<br />

Arbeitszeit- und Pausengestaltung<br />

Informationsverfügbarkeit<br />

Muskel- und<br />

Skelettsystem<br />

Kommunikationsmöglichkeiten<br />

Partizipation<br />

Umgang mit Kunden (Zuhören, Verstehen,<br />

Sprechen/ Emotionen)<br />

Abb.7: Mögliche Einflussfaktoren auf die <strong>Gesundheit</strong> und Leistungsfähigkeit im Call Center<br />

Unter Ressourcen werden bewältigungs<strong>fördern</strong>de, gesundheitsschützende, wiederherstellende<br />

personenbezogene (interne)<br />

und umweltbezogene (externe) Faktoren<br />

verstanden. Sie tragen dazu bei,<br />

Salutogenese ( Salus, lat.: Unverletztheit, Heil,<br />

Glück / Genese, griech.: Entstehung)<br />

die <strong>Gesundheit</strong> und das Wohlbefinden,<br />

trotz starker bzw. vielfältiger Belastungen,<br />

Das Konzept entwickelte der amerikanisch-<br />

aufrechtzuerhalten oder israelische Medizinsoziologe Aaron Antonowsky<br />

wiederherzustellen.<br />

(1923-1994). In der Sozialwissenschaft und Medizin<br />

- insbesondere bei der Prävention und <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

- gewann dieses Konzept in<br />

Somit werden Ansätze zur Bewältigung<br />

von Belastungen und Beanspruchungen<br />

den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit.<br />

des pathogenen Konzeptes<br />

Die Frage, warum Menschen trotz dem Vorhandensein<br />

belastender Faktoren gesund bleiben,<br />

(Welche Faktoren machen mich<br />

krank?) durch das Konzept der Salutogenese<br />

kennzeichnet die salutogenetische Perspektive.<br />

(Was erhält mich trotz Be-<br />

lastung gesund? / Antonowsky 1987)<br />

ergänzt.<br />

In der Salutogenese steht die Frage nach den<br />

Wirkfaktoren für den Erhalt der <strong>Gesundheit</strong> (Ressourcen)<br />

im Mittelpunkt.<br />

16


Ressourcen werden primär durch die individuelle Wertschätzung definiert. Durch die Sicherung<br />

und den effizienten Einsatz von externen und internen Ressourcen können Belastungen<br />

reguliert werden.<br />

Richter & Hacker (1997) haben Ressourcen nach organisationalen, sozialen und personalen<br />

Ressourcen gruppiert. Dabei wird in der modernen Arbeitswelt den sozialen Ressourcen<br />

eine besonders hohe Bedeutung und Wirkung zugemessen.<br />

Personale, organisationale und soziale Ressourcen sind von Rimann und Udris (1998) folgendermaßen<br />

definiert worden:<br />

Unter personalen Ressourcen werden Merkmale der Persönlichkeit (Vorstellungen, Meinungen,<br />

Selbstvertrauen) und das individuelle Verhalten (u. a. Bewältigungsstile, um mit<br />

Anforderungen und Belastungen umzugehen) verstanden, ebenso biologische Faktoren<br />

(z. B. starkes Immunsystem).<br />

Organisationale Ressourcen sind alle Tätigkeitsbedingungen, betriebliche Bedingungen<br />

und Hilfsmittel, die es einer Person erleichtern können, die Anforderungen der Arbeit zu bewältigen.<br />

Soziale Ressourcen (Unterstützung und Hilfe) existieren sowohl in der Arbeit im Unternehmen<br />

als auch im privaten Bereich und besitzen einen hohen Stellenwert, um mit Belastungen<br />

erfolgreich umzugehen und diese zu bewältigen.<br />

17


In der nachfolgenden Abbildung 8 werden einige Ressourcen aufgeführt.<br />

¦ Vollständige Tätigkeitsstrukturen<br />

¦ Ganzheitliche, komplexe Aufgaben<br />

Organisationale Ressourcen<br />

¦ Individuelle Gestaltbarkeit des Arbeitsplatzes<br />

¦ Beeinflussbarkeit der Arbeitssituation, Handlungsspielraum<br />

¦ Mitgestaltungsmöglichkeiten bei betrieblichen Veränderungen<br />

¦ Sinn der Arbeit<br />

Möglichkeiten für effiziente Entspannung, körperliche, geistige und seelische Erholung<br />

im Arbeitsumfeld (Pausengestaltung, Arbeitszeitgestaltung<br />

¦<br />

...)<br />

Personale Ressourcen<br />

¦ Wissen und Können zur effizienten Bewältigung der Arbeitsanforderungen<br />

¦ Individuelle Regulierbarkeit der Beanspruchungen<br />

¦ Individuelle und kollektive Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten<br />

¦ Zuversicht, Optimismus<br />

Subjektive Überzeugung, wichtige Ereignisse im Leben selbst beeinflussen zu<br />

¦<br />

können<br />

¦ Selbstvertrauen, positives Selbstwertgefühl<br />

¦ psychische Distanzierungsfähigkeit<br />

¦ Veränderungen werden positiv gesehen (Herausforderungen)<br />

Soziale Ressourcen<br />

¦ ausreichende, gefestigte und befriedigende soziale Beziehungen<br />

¦ Soziale Sicherheit der Arbeit<br />

¦ Ausreichende und befriedigende soziale Interaktion<br />

¦ Soziale Unterstützung durch Vorgesetzte und Mitarbeiter<br />

¦ Positives soziales Klima<br />

¦ Kooperative Führung<br />

¦ Leistungsanerkennung und persönliche Wertschätzung<br />

Feedback bei der Arbeit<br />

¦<br />

Abb.8: Zusammenstellung wichtiger Ressourcen (in Anlehnung an Hacker & Richter, Quaas)<br />

18


2.2.2 Beanspruchungen und Beanspruchungsfolgen<br />

Die individuellen Auswirkungen der Belastungen auf den menschlichen Organismus nennt<br />

man Beanspruchungen. Es werden physische (körperliche - Herz- Kreislauf, Muskeln, Skelett)<br />

und psychische (geistige, emotionale) Beanspruchungen unterscheiden. Sie können zu<br />

positiven oder negativen Beanspruchungsfolgen führen, die wiederum zeitlich befristet und<br />

reversibel oder langfristig und zum Teil irreversibel auftreten. Allgemein bekannt ist, dass<br />

verschiedene Menschen auf gleiche Belastungen unterschiedlich reagieren können. Die Beanspruchung<br />

ist also sowohl von der gegebenen Belastung als auch von den individuell verfügbaren<br />

Eigenschaften des Menschen zur Belastungsbewältigung und situationaler Faktoren<br />

(z. B. Belastung, Erholung außerhalb der Arbeit) abhängig.<br />

Beanspruchungsfolgen<br />

Positiv<br />

- Arbeitsergebnis (z. B.<br />

eine erfolgreiche Kundenberatung)<br />

- Erhalt und Erwerb<br />

geistiger und körperlicher<br />

Fähigkeiten/<br />

Fertigkeiten<br />

- körperliche und psychische<br />

Fitness<br />

- Arbeitsmotivation<br />

- Zufriedenheit<br />

Negativ<br />

- körperliches Unwohlsein<br />

(z. B. Kopfschmerzen,<br />

Rückenschmerzen)<br />

- psychosomatische<br />

Beschwerden / Erkrankungen<br />

- Burnout<br />

- psychische Sättigung<br />

- innere Anspannung,<br />

Stress, psychische<br />

Ermüdung, Monotonie<br />

<strong>Gesundheit</strong>, Wohlbefinden,<br />

Mitarbeiterzufriedenheit<br />

Unzufriedene Mitarbeiter,<br />

Krankheit, Fluktuation,<br />

Leistungsabfall<br />

Abb. 9: Beanspruchungsfolgen (beispielhaft)<br />

In Zeiten hoher und komplexer Anforderungen und Belastungen (z. B. durch die Intensivierung<br />

von Arbeitsprozessen, erhöhte Eigenverantwortung, hohe Flexibilitätsanforderungen)<br />

gewinnen psychische Beanspruchungen mehr und mehr an Bedeutung.<br />

19


In der DIN 33405 wird psychische Beanspruchung „... als die individuelle, zeitlich unmittelbare<br />

und nicht langfristige Auswirkung der psychischen Belastung im Menschen in Abhängigkeit<br />

von seinen individuellen Voraussetzungen und seinem Zustand.“ definiert.<br />

Psychische Beanspruchungen, die zu negativen Folgen auf die Leistung, Befindlichkeit und /<br />

bzw. auf die <strong>Gesundheit</strong> führen, werden als Fehlbeanspruchungen bezeichnet.<br />

Die kurzfristigen Fehlbeanspruchungsfolgen psychische Ermüdung, Monotonie, psychische<br />

Sättigung und Stress sowie die damit verbundenen und zu vermeidenden Anforderungs-<br />

bzw. Belastungsstrukturen werden in der DIN 33 405 „Psychische Belastung und Beanspruchung“<br />

(1987) und in dem internationalen Standard ISO 10 075 „Ergonomic principle<br />

related to mental workload“ (1996) verbindlich definiert (vgl. Richter Hacker 1998).<br />

Merkmale und Einflussmöglichkeiten sind in der Abbildung 10 dargestellt.<br />

Psych. Fehlbeanspruchungsfolge<br />

Erläuterung<br />

Mögliche Erholungsaktivitäten<br />

Psychische Ermüdung<br />

(Überforderung)<br />

Erschöpfung und Müdigkeit durch<br />

längere Tätigkeitsdauer und erhöhter<br />

Schwierigkeit<br />

Regeneration verbrauchter Ressourcen,<br />

Energie tanken z. B.<br />

durch Ausruhen, Bewegung, Sport<br />

Monotonie<br />

(Unterforderung, mangelnde<br />

Abwechslung)<br />

Langeweile und Interesselosigkeit<br />

durch eintönige, unterfordernde<br />

Tätigkeit<br />

Situationswechsel, etwas Anregendes<br />

machen<br />

Psychische Sättigung<br />

(Unterforderung)<br />

Unlustbetonte Gereiztheit bei<br />

erlebter Sinnlosigkeit der Tätigkeit,<br />

Widerwillen<br />

Abreagieren, Abwechslung, etwas<br />

Sinnvolles tun<br />

Stress<br />

(Überforderung)<br />

Erregt geängstigte Gespanntheit,<br />

innere Unruhe und Sorge um die<br />

Erfüllbarkeit der Aufgabe (Zeitdruck)<br />

Zur Ruhe kommen, Entspannung,<br />

lustbetonte Aktivitäten, Ablenkung,<br />

positives Selbstbild<br />

Abb. 10: Negative Beanspruchungsfolgen und Zuordnung von erforderlichen<br />

20


Erholungsaktivitäten (modifiziert nach Allmer 1996, S.45)<br />

Fehlbeanspruchungsfolgen können sich nicht nur auf den Mitarbeiter auswirken, sondern<br />

haben ihre Effekte auf das gesamte Unternehmen (siehe Abbildung 11).<br />

Folgen<br />

psychischer<br />

Fehlbeanspruchungen<br />

für den Mitarbeiter:<br />

aktuelle Folgen:<br />

- Psych. Ermüdung<br />

- Psychische Sättigung<br />

- Monotonie<br />

- Stress<br />

Langzeitfolgen:<br />

- Burnout<br />

- Psychische und<br />

Psychosomatische <strong>Gesundheit</strong>sschäden<br />

und<br />

weitere Erkrankungen<br />

• Leistungsschwankungen / Leistungsverluste<br />

Qualität, Quantität, Zunahme der Fehlerhäufigkeit,<br />

sinkende Kundenzufriedenheit<br />

• Arbeitsausfall<br />

Krankheit, Fluktuation<br />

• Betriebsklima<br />

Unzufriedenheit, Leistungsmotivation,<br />

soziale Konflikte, Mobbing<br />

Abb.11: Folgen negativer psychischer Beanspruchungen auf Mitarbeiter und Unternehmen<br />

(modifiziert nach SANUS-Handbuch)<br />

2.2.3 Wandel der Arbeitswelt - Wandel der Belastungen<br />

<strong>Gesundheit</strong>serhalt und –förderung in der Arbeitswelt bedeutet, negative Belastungen ab- und<br />

<strong>fördern</strong>de Faktoren (personale, soziale, organisationale) aufzubauen.<br />

Die neuen Arbeitsformen haben die Belastungen für den Menschen dahingehend verändert,<br />

dass der Anteil körperlicher Schwerarbeit zurückgeht und psychische / soziale Belastungen<br />

zunehmen.<br />

Nicht selten erreichen die psychischen und physischen Belastungskonstellationen der Arbeit<br />

die Qualität von Fehlbeanspruchungen. Es korrespondieren damit erhöhte Quoten so genannter<br />

Stresskrankheiten, wie massive Angstzustände, Erholungsstörungen und psychosomatischen<br />

<strong>Gesundheit</strong>sschädigungen.<br />

Die Zunahme von Intensität und Komplexität der Arbeitsanforderungen, insbesondere bezogen<br />

auf psychische Belastungen ist ein Trend in der modernen Arbeitswelt.<br />

21


§<br />

§<br />

§<br />

§<br />

§<br />

§<br />

§<br />

§<br />

§<br />

§<br />

Warum gerade die psychischen Belastungen einen immer höheren Stellenwert erlangen<br />

bringt die folgende Auflistung von Veränderungsprozessen nach Quaas (2000) zum Ausdruck.<br />

o Es erfolgt eine Zunahme des Leistungs-, Wettbewerbs- und Veränderungsdrucks, von<br />

Risiken und Ungewissheiten in vielen Bereichen der Arbeit (auf betrieblicher, oranisationaler<br />

Ebene und auf der Ebene der Mitarbeiter)<br />

o Strukturelle Veränderungen, welche sich auf die betrieblich organisationale und individuelle<br />

Ebene auswirken, wie zum Beispiel:<br />

Zunehmende Technisierung der Arbeit<br />

Neue Organisationsformen der Arbeit (z. B. virtuelle Strukturen, flexible<br />

Arbeit, Zeit- und Leiharbeit, Telearbeit, Call Center)<br />

Neue Arbeitsaufgaben, Arbeitsinhalte, Arbeitstätigkeiten mit veränderten<br />

Arbeitsanforderungen<br />

Oft erweiterte Arbeitsrolle (Erwartungen an die Beschäftigten zur permanenten<br />

Weiterbildung, zur aktiven Mitwirkung an Verbesserungsprozessen)<br />

Ein wichtiger Trend: Zunahme komplexer seelisch-geistiger Anforderungen<br />

Mehr Vernetzung von Arbeit und Freizeit<br />

o Veränderungen in den Arbeits- und Lebensbedürfnissen, <strong>Gesundheit</strong>sbewusstsein und<br />

Werteorientierungen<br />

Wert für Leistungsfähigkeit und Lebensqualität<br />

Verständnis für relativ ganzheitliches <strong>Gesundheit</strong>skonzept (wird assoziiert<br />

mit körperlichem und seelisch-geistigem Wohlbefinden und<br />

Leistungsfähigkeit; vgl. Pkt. 2.1)<br />

<strong>Gesundheit</strong>sfaktoren der Arbeit liegen vor allem im psycho-sozialen<br />

Bereich (soziales Klima, Zusammenarbeit, Information und Kommunikation)<br />

Bereitschaft, für die <strong>Gesundheit</strong> Zeit und Anstrengungen und finanzielle<br />

Mittel aufzuwenden<br />

22


§<br />

positive „lustbetonte“ Assoziationen zur <strong>Gesundheit</strong> (kein „Askesemodell“<br />

von <strong>Gesundheit</strong>)<br />

Somit besteht die permanente Aufgabe, gesundheitliche Risikofaktoren zu minimieren und<br />

<strong>Gesundheit</strong>spotentiale / Ressourcen der Arbeit auszuprägen, jeweils in der Einheit von verhältnis-<br />

und verhaltensbezogenen Faktoren, entsprechend dem aktuellen Stand wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse, der technisch-ökonomischen Möglichkeiten und der gesellschaftlichen<br />

Willensbildung, um die Vision „Gesunde Arbeit und gesundes Arbeiten“ auf einem anspruchsvollen<br />

Niveau zu erfüllen. Es ist eine Aufgabe, die nicht nur an die Arbeitgeber und<br />

Fachspezialisten des <strong>Gesundheit</strong>sschutzes gerichtet ist, sondern zugleich an alle Arbeitspersonen.<br />

Genau das ist auch allgemein der Ansatz der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung.<br />

23


3 Die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

Seit wann gibt es die betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung? Welche Zielstellung verfolgt sie?<br />

Auf welchen Gegenstand beziehen sich <strong>Gesundheit</strong>sförderungskonzepte und wie werden sie<br />

für die Organisationsentwicklung im Unternehmen umgesetzt? Mit welchen Instrumenten<br />

kann die Situation bezogen auf <strong>Gesundheit</strong> und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen<br />

analysiert werden? Wie kann das Konzept der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung im Unternehmen<br />

praktisch umgesetzt werden?<br />

3.1 Ziel<br />

Das Konzept der <strong>Gesundheit</strong>sförderung ist in den 70er und 80er Jahren neben den traditionellen<br />

Präventionsansätzen und der <strong>Gesundheit</strong>serziehung entstanden. Die stärker werdende<br />

Verbreitung von chronisch-degenerativen Erkrankungen und der gesellschaftliche Wandel<br />

der Arbeits- und Lebensbedingungen, konnte allein von den Programmen der <strong>Gesundheit</strong>serziehung<br />

nicht bewältigt werden. Demzufolge wurde nach neuen Konzepten gesucht, welche<br />

diese gesellschaftlichen Veränderungen beeinflussen können.<br />

Auf der 1. Internationalen Konferenz zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung wurde durch die WHO die<br />

„Ottawa Charta zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung“ ausgearbeitet. In der Ottawa Charta sind die<br />

grundlegenden Ziele, Handlungsstrategien und Handlungsbereiche der <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

formuliert. Dazu gehören sowohl Maßnahmen, die auf die Veränderung und Förderung<br />

des individuellen <strong>Gesundheit</strong>sverhaltens abzielen, als auch solche, die auf die Schaffung<br />

förderlicher Lebensbedingungen ausgerichtet sind. Die Menschen sollen mit Hilfe von Maßnahmen<br />

der <strong>Gesundheit</strong>sförderung befähigt werden, ihre eigene <strong>Gesundheit</strong> positiv zu beeinflussen<br />

und zu verbessern.<br />

<strong>Gesundheit</strong> ist demzufolge grundlegender Bestandteil des alltäglichen Lebens. <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

soll diese Grundbedingung ermöglichen. Deshalb liegt die Verantwortung<br />

nicht mehr allein im <strong>Gesundheit</strong>ssektor, sondern bezieht alle Lebensbereiche mit ein.<br />

So sind gesundheits<strong>fördern</strong>de Maßnahmen auf die Lebensbereiche ausgerichtet, in denen<br />

die Menschen den größten Teil ihrer Zeit verbringen und die von ihrer Struktur her die <strong>Gesundheit</strong><br />

maßgeblich beeinflussen. Diese sozialen Lebens- und Arbeitswelten werden als<br />

„Settings“ (wörtlich übersetzt: Rahmen oder Schauplatz) bezeichnet.<br />

24


¨<br />

¨<br />

¨<br />

Die Arbeitswelt ist ein „Setting“ und es finden sich in der Ottawa Charta folgende Aussagen:<br />

„...Die sich verändernden Lebens-, Arbeits- und Freizeitbedingungen haben entscheidenden<br />

Einfluss auf die <strong>Gesundheit</strong>. Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen<br />

und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der <strong>Gesundheit</strong> und nicht der<br />

Krankheit sein. <strong>Gesundheit</strong>sförderung schafft sichere, anregende, befriedigende und angenehme<br />

Arbeits- und Lebensbedingungen<br />

...“.<br />

Die betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

betrachtet die Qualität und die<br />

Beziehungen der Beschäftigten zum<br />

betrieblichen Umfeld. Es geht dabei<br />

um die Anforderungen, die an den<br />

Menschen gestellt werden und um<br />

die Bewältigung der Anforderungen.<br />

Risiken und Ressourcen können<br />

dabei entweder in der Person selbst<br />

oder in gestalterischen, organisationalen<br />

und sozialen Bedingungen<br />

des Arbeitsumfeldes liegen. Das<br />

Ziel der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

ist demzufolge der<br />

Erhalt und die Förderung der <strong>Gesundheit</strong><br />

und des Wohlbefindens der<br />

Beschäftigten und stellt somit eine in<br />

„Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung umfasst<br />

alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern,<br />

Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung<br />

von <strong>Gesundheit</strong> und Wohlbefinden<br />

am Arbeitsplatz. Durch die Verknüpfung folgender<br />

Ansätze kann dieses Ziel erreicht werden:<br />

Verbesserung der Arbeitsorganisation<br />

und der Arbeitsbedingungen<br />

Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung<br />

Stärkung persönlicher Kompetenzen.“<br />

(Luxemburger Deklaration zur Betrieblichen<br />

<strong>Gesundheit</strong>sförderung in der EU, 1997)<br />

der heutigen Zeit notwendige und sinnvolle Ergänzung und Erweiterung des klassischen<br />

Arbeitsschutzes dar.<br />

Voraussetzungen für die <strong>Gesundheit</strong>sförderung sind Kenntnisse zu Einflussfaktoren auf <strong>Gesundheit</strong><br />

und / oder Krankheit (vgl. Pkt. 2). In Anlehnung an das Konzept der <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

in der „Ottawa Charta“ und aus den Erfahrungen der praktischen Umsetzung, werden<br />

für die <strong>Gesundheit</strong>sförderung in der Arbeitswelt Prioritäten, Ziele und Handlungsfelder<br />

entwickelt, die in der „Luxemburger Deklaration zur Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung“<br />

grundlegend definiert sind.<br />

25


§<br />

§<br />

§<br />

§<br />

3.2 Strategie und Instrumente der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

3.2.1 Handlungsstrategien<br />

Für die Umsetzung der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung sind in der Luxemburger Deklaration<br />

vier grundlegende Handlungsstrategien festgelegt, die nachfolgend aufgeführt und<br />

erläutert werden:<br />

Handlungsstrategien zur Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

Integration<br />

Bei allen wichtigen Entscheidungen und in allen Unternehmensbereichen sollten<br />

die Ziele der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung berücksichtigt werden<br />

Partizipation<br />

Die gesamte Belegschaft muss einbezogen werden<br />

Ganzheitlichkeit<br />

Die betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung beinhaltet sowohl verhaltens- als auch<br />

verhältnisorientierte Maßnahmen. Sie verbindet den Ansatz der Risikoreduktion<br />

mit dem des Ausbaus von Schutzfaktoren und <strong>Gesundheit</strong>spotentialen<br />

Projektmanagement<br />

Alle Maßnahmen und Programme müssen systematisch durchgeführt werden:<br />

Bedarfanalyse, Prioritätensetzung, Planung, Ausführung, kontinuierliche Kontrolle<br />

und Bewertung der Ergebnisse<br />

Abb. 12: Handlungsstrategien der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung (Luxemburger Deklaration<br />

1997)<br />

Integration:<br />

Die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung wird demnach grundsätzlich als Gesamtstrategie in<br />

der Personalentwicklung und Unternehmenskultur verstanden. <strong>Gesundheit</strong>sfragen werden<br />

bei der Festlegung langfristiger Organisationsziele und -strategien berücksichtigt und in Arbeitsorganisation<br />

und Personalwesen einbezogen. Anhand verschiedener Merkmale ist zu<br />

erkennen, welchen Stellenwert die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung im Unternehmen einnimmt<br />

bzw. inwieweit eine Integration im Unternehmen stattfindet:<br />

- Für BGF 1 sind geeignete Ressourcen im Unternehmen vorhanden (finanzielle Res-<br />

1 BGF - Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

26


sourcen, Weiterbildungsmaßnahmen, Freistellung von Mitarbeitern etc.).<br />

- BGF ist Bestandteil des innerbetrieblichen Berichtswesens, auch Führungskräfte informieren<br />

sich kontinuierlich über den Stand der BGF-Maßnahmen.<br />

- BGF ist Bestandteil der Aus- und Fortbildung.<br />

- Alle Mitarbeiter erhalten Angebote für die zur Aufgabenbewältigung notwendigen<br />

(auch gesundheitsbezogenen) Kompetenzen.<br />

- Durch die Organisation der Arbeit wird Über- und Unterforderung verhindert und zusätzliche<br />

Entwicklungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter (z. B. durch Aufgabenwechsel,<br />

Einführung von Gruppenarbeit usw.) geschaffen.<br />

- Alle Aktivitäten der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung sind transparent und für jeden<br />

Beteiligten nachvollziehbar gestaltet.<br />

Dies sind nur einige Merkmale, welche eine Basis für die erfolgreiche Umsetzung der betrieblichen<br />

<strong>Gesundheit</strong>sförderung darstellen.<br />

Partizipation und Ganzheitlichkeit:<br />

<strong>Gesundheit</strong>sförderung ist nur dann dauerhaft erfolgreich, wenn sie ganzheitlich (in der Einheit<br />

von Partizipation, Verhältnis- und Verhaltensprävention) betrachtet und umgesetzt wird<br />

und ein fester Bestandteil einer langfristigen Unternehmenspolitik ist.<br />

Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen<br />

Verhältnisprävention<br />

Stärkung und Nutzung persönlicher<br />

Fähigkeiten<br />

Verhaltensprävention<br />

Beteiligung der Beschäftigten<br />

an Verhältnis- und Verhaltensprävention<br />

Abb.13: Elemente der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

27


¨<br />

¨<br />

¨<br />

Verhältnisprävention<br />

Ziel der Verhältnisprävention im Rahmen der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung ist es, gesundheits-<br />

und wohlbefindensbeeinträchtigende Faktoren der Arbeit und der Arbeitsumgebung<br />

zu minimieren und gesunderhaltende und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen<br />

(Verhältnisse) zu schaffen und zu nutzen.<br />

Bei verhältnispräventiven Maßnahmen werden alle organisationalen, psychischen und sozialen<br />

Faktoren der Arbeit und der Arbeitsbewältigung berücksichtigt, die Einfluss auf Belastungserleben,<br />

Wohlbefinden und somit insgesamt auf die <strong>Gesundheit</strong> der Mitarbeiter haben<br />

können.<br />

Verhältnispräventive Maßnahmen sind sehr vielfältig und komplex und können sich<br />

beziehen auf:<br />

die gesundheitsgerechte Gestaltung und Optimierung von<br />

© Arbeitsplatz und Arbeitsumgebung<br />

© Aufgabeninhalt und Arbeitsablauf / Tätigkeitsstrukturen<br />

© Arbeitszeit und Pausen<br />

© Informationsfluss und –bereitstellung<br />

die Schaffung einer gesundheitsförderlichen Arbeits- und Unternehmenskultur<br />

© Transparenz betrieblicher Prozesse<br />

© soziale Beschäftigungssicherheit / -perspektiven<br />

Kommunikations- und Kooperationsprozesse und -bedingungen<br />

©<br />

Führungsstil<br />

©<br />

© Soziales Klima, soziale Unterstützung<br />

die Schaffung von Beteiligungsmöglichkeiten und -strukturen<br />

© Projektgruppen<br />

© <strong>Gesundheit</strong>s- / Verbesserungszirkel<br />

© Gruppenarbeit / Gruppengespräche<br />

Verhaltensprävention<br />

Ziel der Verhaltensprävention im Rahmen der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung ist es, bei<br />

den Beschäftigten Kompetenzen für eine positive Lebens- und Arbeitsbewältigung zu entwickeln<br />

und gesundheitsförderliche Verhaltensweisen zu <strong>fördern</strong> und zu trainieren.<br />

28


¨<br />

¨<br />

¨<br />

¨<br />

Maßnahmen der Verhaltensprävention basieren darauf, den Beschäftigten für seine persönliche<br />

<strong>Gesundheit</strong> sowie für Risikofaktoren zu sensibilisieren und Wissen, Fähigkeiten und<br />

Bewältigungsstrategien zu vermitteln.<br />

Verhaltenspräventive Maßnahmen sind z. B.:<br />

die Entwicklung von <strong>Gesundheit</strong>skompetenzen<br />

© Vermittlung von <strong>Gesundheit</strong>swissen und Fähigkeiten<br />

Erkennen und Beeinflussen gesundheitsschädigender<br />

©<br />

Verhaltensweisen<br />

© Sensibilisierung der Beschäftigten für Risikofaktoren ihrer Tätigkeit<br />

Aufzeigen und Trainieren gesundheitsgerechter Verhaltensweisen<br />

©<br />

und Bewältigungsstrategien<br />

Entwicklung und Förderung von Fach-, Handlungs-, Methoden- und<br />

Sozialkompetenzen zur optimalen Bewältigung der Arbeitsanforderungen<br />

Motivation der Beschäftigten zur aktiven Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen<br />

bedarfsorientierte Anwendung spezieller Verfahren und Techniken (z. B. Entspannungstechniken,<br />

Rückentraining …)<br />

Die Beschäftigten sind nicht nur ein „zu schützendes Objekt“ (wie im klassischen Arbeitsschutz:<br />

Schutz der Mitarbeiter vor Unfallgefahren usw.), sondern ein Subjekt, das arbeitsbedingte<br />

<strong>Gesundheit</strong>sgefahren mitunter selbst beeinflussen und sein Bewältigungsverhalten<br />

optimieren kann.<br />

Alle Maßnahmen der Verhaltens- und Verhältnisprävention sind sinnvoll aufeinander abzustimmen<br />

und zielgerichtet durchzuführen. Zielgerichtet heißt, sie müssen bedarfsgerecht sein<br />

und von den Beschäftigten akzeptiert werden. Der Bedarf an Veränderung und Verbesserung<br />

im Unternehmen kann mit Hilfe verschiedener Analysemethoden erfasst werden (siehe<br />

Pkt. 3.3.3). Akzeptanz bei den Mitarbeitern erreicht man in dem man sie im Prozess insgesamt<br />

beteiligt.<br />

Mitarbeiterbeteiligung (Partizipation):<br />

Mitarbeiterbeteiligung ist ein wesentliches Element der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung.<br />

Mitarbeiterbeteiligung im Call Center bedeutet beispielsweise, die Agents bei der Problemdefinition,<br />

Lösungsfindung und Umsetzung zu beteiligen. Sie sind die Betroffenen und besitzen<br />

das Erfahrungswissen bezüglich der <strong>Gesundheit</strong>sgefährdungen sowie Gestaltungs- und<br />

29


Bewältigungsmöglichkeiten (vgl. Scharf/Teske 1989, S. 73).<br />

Voraussetzung für die erfolgreiche Partizipation ist, dass die Beschäftigten zur Beteiligung<br />

fähig sind (Können), sich beteiligen wollen (Motivation) und innerbetriebliche Strukturen für<br />

Beteiligung vorhanden sind oder geschaffen werden (organisationale Bedingungen).<br />

Mitarbeiterbeteiligung kann zum Beispiel auf Teamsitzungen, Gesprächskreise, Workshops,<br />

Befragungen, Vorschlagwesen und <strong>Gesundheit</strong>s- und Qualitätszirkel verwirklicht werden.<br />

Folgende positive Effekte kann man durch die Beteiligung der Mitarbeiter erzielen:<br />

- Veränderungen, an denen man beteiligt war, werden eher realisiert.<br />

- Probleme und Belastungen können am ehesten dort erkannt und beseitigt werden,<br />

wo sie auftreten.<br />

- Mitarbeiter verfügen über umfangreiche Kenntnisse, Erfahrungen und Kreativität.<br />

- Mitarbeiter wünschen freiwillig an der Lösung ’eigener’ Probleme mitwirken zu<br />

können.<br />

- Durch Partizipation und Erfahrungsaustausch werden Veränderungen eher akzeptiert.<br />

(vgl. Krämer 1998, S.40)<br />

Mit Blick auf die Organisationsentwicklung kommt der Mitarbeiterbeteiligung eine zentrale<br />

Bedeutung zu, denn sie beruht als fortlaufender Prozess auf dieser.<br />

Projektmanagement:<br />

<strong>Gesundheit</strong>sförderungsprojekte in der Arbeitswelt weisen typische Abläufe und Merkmale<br />

auf, die sich sowohl aus den Eigenschaften des Konzepts als auch den spezifischen Bedingungen<br />

innerhalb des jeweiligen Unternehmens ergeben. Die wesentlichen Phasen, die den<br />

Projektablauf bestimmen, werden im Punkt 3.3 beschrieben.<br />

Die Einführung von Projekten ist eine Möglichkeit, mit Neuem zu experimentieren und Veränderungen<br />

einzuleiten. Projekte werden als soziale Systeme bezeichnet, die zur Einführung<br />

und Umsetzung spezifischer und begrenzter Aufgabenstellungen genutzt werden (Pelikan /<br />

Demmer / Hurrelmann 1993).<br />

Projekte werden im Rahmen von Entwicklungen und Innovationen und bei organisatorischen<br />

Veränderungen initiiert. Bei der Einführung und Umsetzung können allerdings Konfliktpotentiale<br />

entstehen. Für die erfolgreiche Umsetzung von Projekten ist es erforderlich, sich rechtzeitig<br />

mit möglichen auftretenden Problemen und Spannungen auseinandersetzen, um auf<br />

30


diese schnell und zielgerichtet reagieren zu können.<br />

Eine strukturierte und ganzheitliche Vorgehensweise sichert den <strong>Erfolg</strong> der Maßnahmen<br />

der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung.<br />

3.2.2 Basisinstrumente Betrieblicher <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

Die effektive und systematisch Nutzung von Basisinstrumenten, empfohlenen Vorgehensweisen<br />

und auch Analysemethoden (Pkt. 3.3) tragen zu einer erfolgversprechenden <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

bei.<br />

Die betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung basiert auf drei wesentlichen Elementen:<br />

Arbeitskreis<br />

<strong>Gesundheit</strong><br />

Betrieblicher<br />

<strong>Gesundheit</strong>sbericht<br />

<strong>Gesundheit</strong>szirkel<br />

Abb.14: Basiselemente der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

Betrieblicher <strong>Gesundheit</strong>sbericht<br />

Grundlage für eine unternehmensspezifische Ziel-, Prioritäten- und Maßnahmeplanung ist<br />

eine umfassende Prüfung der Ausgangs- und <strong>Gesundheit</strong>ssituation im Unternehmen. Primäres<br />

Anliegen des <strong>Gesundheit</strong>sberichtes ist das transparent machen der gesundheitlichen<br />

Situation im Unternehmen.<br />

Ziel ist es, die gesundheitliche Lage der Mitarbeiter, die Arten der Belastungen und Probleme<br />

aber auch die Wünsche und Ideen in Bezug auf die Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen<br />

zu identifizieren. Ebenso gilt es gesundheits<strong>fördern</strong>de Potentiale der Arbeit zu<br />

31


erkennen, die es ermöglichen, Herausforderungen zu bewältigen, mit Risiken umzugehen<br />

und somit einen positiven Einfluss auf das eigene Wohlbefinden der Mitarbeiter zu nehmen.<br />

Hier nutzt man intern und extern verfügbare Datenquellen und Erkenntnisse, wie zum Beispiel<br />

Daten zum Krankenstand von Krankenkassen, Gefährdungsanalysen, Erkenntnisse<br />

aus Untersuchungen des Arbeitsmedizinischen Dienstes, Interviews mit betriebsinternen<br />

Experten, Mitarbeitern und Führungskräften, ergonomische Untersuchungen und Messungen<br />

von Umgebungsvariablen, sowie die Auswertung von gezielt durchgeführten Mitarbeiterbefragungen<br />

(vergleiche Punkt 3.3.3 und 4.2.). Aus diesen ersten Informationen lassen sich<br />

Problem- und Belastungsschwerpunkte innerhalb der einzelnen Bereiche erkennen.<br />

Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong> (Steuerungsgremium)<br />

Damit Maßnahmen der <strong>Gesundheit</strong>sförderung wirkungsvoll umgesetzt werden können, wird<br />

empfohlen, dass unternehmensinterne und externe Partner, die über Entscheidungs-, Mitbestimmungs-<br />

und Fachkompetenzen in gesundheitsrelevanten Fragen verfügen, kooperativ<br />

in einem Steuerungsgremium zusammenarbeiten. Dieses Steuerungsgremium wird häufig<br />

als Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong> bezeichnet und stellt als Projektplanungs-, Steuerungs- und Koordinationsgremium<br />

die organisatorische Basis für die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung im<br />

Unternehmen dar.<br />

Typische Aufgaben des Steuerungsgremiums (Arbeitskreises <strong>Gesundheit</strong>) sind:<br />

- Aufbau einer funktionsfähigen gesundheits<strong>fördern</strong>den Infrastruktur im Unternehmen,<br />

in der Arbeitnehmer und Arbeitgeber konstruktiv zusammenarbeiten können,<br />

- Entwicklung einer gesundheits<strong>fördern</strong>den Gesamtpolitik (Leitbild) im Unternehmen,<br />

d. h. <strong>Gesundheit</strong> als wichtiges Kriterium in Entscheidungsprozesse einzubeziehen,<br />

- Formulierung von klaren kurzfristig, mittelfristig und langfristig erreichbaren Zielen,<br />

- Analyse der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>slage,<br />

- Ermittlung der <strong>Gesundheit</strong>sbedürfnisse der Beschäftigten,<br />

- Planung, Durchführung und Evaluation konkreter Maßnahmen zur Verhaltens- und<br />

Verhältnisprävention,<br />

- Festlegung von Verantwortlichkeiten bezüglich der gesundheits<strong>fördern</strong>den Maßnahmen,<br />

- aktive Einbeziehung der Belegschaft (Partizipation umsetzen).<br />

32


Unternehmensleitung<br />

Fachkraft für Arbeitssicherheit<br />

Externe Experten<br />

wie Krankenkassen,<br />

Berufsgenossenschaften,<br />

<strong>Gesundheit</strong>samt<br />

1.1.2 Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong><br />

• Analysesteuerung<br />

• Interventionssteuerung<br />

Vertreter der<br />

Personalabteilung<br />

Betriebsrat / Personalrat<br />

Betriebsarzt<br />

• Evaluation Sozialdienst<br />

Sonstige Interessenvertretungen<br />

(z. B. Jugendvertretung, Schwerbehindertenvertretung)<br />

Abb.15: Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong><br />

Insbesondere in kleineren Unternehmen, wie in vielen Call Centern, ist es nicht immer möglich<br />

die Idealstruktur eines Arbeitskreises <strong>Gesundheit</strong> zu gewährleisten. Wichtig ist es hierbei,<br />

dass betriebliche Akteure in Zusammenarbeit mit externen Akteuren die Steuerung der<br />

Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung in die Hand nehmen. Unverzichtbar ist die Beteiligung<br />

der Unternehmensleitung in diesem Prozess (vgl. Praxisbeispiel im Punkt 5.2).<br />

<strong>Gesundheit</strong>szirkel (Projektgruppe)<br />

Für die Planung konkreter Maßnahmen der Verhaltens- und Verhältnisprävention ist die Bildung<br />

problembezogener Projektgruppen empfehlenswert – sogenannte <strong>Gesundheit</strong>szirkel.<br />

In einem derartigen Gesprächskreis diskutieren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gemeinsam,<br />

wo im Unternehmen „der Schuh drückt“. Gleichzeitig haben Beschäftigte, die tagtäglich im<br />

Arbeitsprozess tätig sind Vorstellungen und Ideen, welche Möglichkeiten bestehen, Belastungsschwerpunkte<br />

abzubauen. <strong>Gesundheit</strong>szirkel sind problembezogene, ergebnisorientierte<br />

betriebliche Gesprächskreise, in denen die unmittelbar Betroffenen, in den Prozess der<br />

33


Problemaufdeckung und Lösungsfindung einbezogen werden. Sie ermöglichen eine präzise<br />

Problemanalyse und –bearbeitung.<br />

Eine gute Grundlage bildet dazu der <strong>Gesundheit</strong>sbericht, der Aufschluss über gesundheitliche<br />

Belastungen und Gestaltungsschwerpunkte im Unternehmen gibt. Darauf basierend<br />

kann im Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong> entschieden werden, in welchen Arbeitsbereichen bzw. zu<br />

welchen Problembereichen <strong>Gesundheit</strong>szirkel eine geeignete Herangehensweise darstellen.<br />

Auswahlkriterien können beispielsweise ein hoher Krankenstand oder Abteilungen mit besonderen<br />

Belastungsmerkmalen sein.<br />

Typische Aufgaben des <strong>Gesundheit</strong>szirkels sind:<br />

- Analyse der Arbeitssituation bzgl. der Auswirkungen auf die Arbeitspersonen<br />

- Ergründen der Ursachen für gesundheitliche Beschwerden am Arbeitsplatz (ausgehend<br />

von den Analyseergebnissen),<br />

- Austausch von Erfahrungen mit den ermittelten Belastungsfaktoren,<br />

- Erarbeitung von Vorschlägen zur gesundheitsgerechten Arbeitsgestaltung,<br />

- Zusammentragen technischer, ergonomischer, organisatorischer und personenbezogener<br />

Lösungsvorschläge.<br />

- Mitwirkung bei betrieblichen Veränderungsprozessen zur Gewährleistung gesundheitsgerechter<br />

Arbeitssituationen<br />

<strong>Gesundheit</strong>szirkel können unterschiedlich zusammengesetzt sein. Wichtig ist, dass die<br />

Hauptakteure im <strong>Gesundheit</strong>szirkel die Beschäftigten sind. Es ist ratsam, bei bestimmten<br />

Problemen weitere interne oder externe Experten hinzuzuziehen. Grundsätzlich sind es aber<br />

die Mitarbeiter (Agents) mit ihrem Erfahrungswissen, die Lösungsmöglichkeiten diskutieren<br />

und die herbeigeführten Vorschläge dem Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong> als Planungshilfe für konkrete<br />

Maßnahmen zuführen.<br />

Für die konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Mitglieder des <strong>Gesundheit</strong>szirkels<br />

ist es sinnvoll, für die Gruppendiskussionen Regeln aufzustellen.<br />

Diese Regeln können folgendermaßen aussehen:<br />

- Jeder ist Experte, uns zwar auf seinem Gebiet.<br />

- Jeder hat die Möglichkeit, seine Meinung frei zu äußern.<br />

- Meinungen sollten nicht der Person angelastet werden.<br />

- Die Diskussion sollte beim Thema bleiben.<br />

- Nicht alle geäußerten Meinungen und Ideen können verwirklicht werden.<br />

34


- Der Moderator nimmt nicht inhaltlich Stellung.<br />

- usw.<br />

Diese Regeln sollten nicht vom Moderator vorgegeben, sondern in der Gruppe erarbeitet<br />

werden. Das sichert die Akzeptanz der Umsetzung.<br />

3.3 Praktische Vorgehensweise im Unternehmen (step by step)<br />

Wie werden Konzept, Strategie und die Anwendung der Basisinstrumente konkret im Unternehmen<br />

umgesetzt? Eine berechtigte Frage des Praktikers. Deshalb erfolgt an dieser Stelle<br />

die Beschreibung der schrittweisen Vorgehensweise im Rahmen der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

im Unternehmen.<br />

1. Handlungsbedarf erkennen<br />

(Motive zur Durchführung gesundheitsförderlicher Maßnahmen)<br />

2. Informieren, Partner suchen, Strukturen schaffen<br />

(Eine gute Vorbereitung sichert Effektivität und <strong>Erfolg</strong>!)<br />

3. Analysieren und Gestaltungsschwerpunkte festlegen<br />

(Wo drückt der Schuh?)<br />

4. Interventionen und Entwicklung von Lösungen<br />

(Welche realistischen und von allen Akteuren akzeptierten<br />

Lösungsvorschläge sind denkbar? Einführung von Veränderungen)<br />

5. Evaluieren, verbessern, verstetigen<br />

(Hat die Umgestaltung den erwarteten <strong>Erfolg</strong> gebracht?)<br />

Abb.16: Ablauf der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

35


3.3.1 Handlungsbedarf erkennen<br />

Der erste Schritt im Prozess der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung ist die Erkenntnis, dass<br />

Handlungsbedarf besteht. Den Handlungsbedarf können unterschiedliche Akteure (z. B. Management,<br />

Betriebsrat, Personalabteilung) im Unternehmen feststellen und dementsprechend<br />

die Initiative für die Umsetzung des <strong>Gesundheit</strong>sförderungskonzepts in die Hand<br />

nehmen.<br />

Handlungsbedarf kann zum einen darin begründet sein, dass das Call Center seine Wettbewerbs-<br />

und Konkurrenzfähigkeit durch die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung steigern<br />

möchte. Denn gesundheitsförderliche Maßnahmen zielen grundsätzlich auf die Stärkung der<br />

Humanressource ab, die für die Leistungserbringung eines Call Centers ein entscheidender<br />

Faktor ist. Durch den Prozess der <strong>Gesundheit</strong>sförderung kann betriebswirtschaftliches und<br />

soziales Verbesserungspotenzial hervorgebracht werden, was heutzutage ein unverzichtbarer<br />

Wettbewerbsfaktor ist.<br />

Weitere Gründe können z. B. eine hohe Fehlzeitenquote, qualitative und quantitative Mängel<br />

in der Leistungserbringung, die Häufung sozialer Konflikte oder hohe Fluktuationsraten im<br />

Unternehmen sein. Dabei kann man entweder die Verminderung bestehender und erkannter<br />

Probleme im Visier haben oder aber die Vermeidung derartiger Probleme anstreben.<br />

3.3.2 Informieren, Partner suchen, Strukturen schaffen<br />

Ist der Handlungsbedarf erkannt, sind alle betrieblichen Akteure über das Vorhaben zu informieren.<br />

Das geschieht durch umfassende und frühzeitige Information von Management,<br />

Führungskräften, Teamleitern, Mitarbeitern und der Interessenvertretung (z. B. durch Informationen<br />

und Diskussionen auf Arbeitssitzungen, Teambesprechungen, Abteilungsbesprechungen<br />

aber auch durch Handzettel und Aushänge).<br />

Ziel ist es, allen Akteuren im Call Center den Handlungsbedarf und die angestrebten Ziele zu<br />

vermitteln. Somit wird eine wichtige Voraussetzung für die notwendige Akzeptanz und Unterstützung<br />

aller Beteiligten gegeben.<br />

In dieser Phase sollte bereits überlegt werden, mit welchen Partnern sich Kooperationen für<br />

die fachliche bzw. methodische Zusammenarbeit im Prozess anbieten. Externe Partner können<br />

z. B. Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Dienstleister, wissenschaftliche Einrichtungen<br />

(z. B. Universitäten) und die Gewerbeaufsicht sein. Als interne Partner eines Unternehmens<br />

kommen Mitarbeiter in Frage, die über spezifische Fachkenntnisse verfügen,<br />

wie z. B. der Betriebsarzt, die Fachkraft für Arbeitssicherheit und der Betriebsrat u. a.<br />

36


Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen und<br />

Strukturen, um eine erfolgreiche Projektarbeit zu gewährleisten. Dazu gehört die Bereitstellung<br />

innerbetrieblicher Ressourcen, wie z. B. Zeit, Personal und eventuell finanzielle Mittel.<br />

Zum anderen ist es notwendig, die Verantwortlichkeiten und Aufgabenverteilung transparent<br />

zu machen.<br />

Zur Entwicklung eines wirksamen <strong>Gesundheit</strong>sförderungskonzeptes für das Unternehmen<br />

und die effektive Steuerung und Koordination des weiteren Projektablaufes, wird die Einrichtung<br />

eines Gremiums („Arbeitskreis <strong>Gesundheit</strong>“) empfohlen. Hier können entweder bestehende<br />

Gruppen genutzt oder neue Strukturen geschaffen werden. (vgl. auch Pkt. 3.2.2)<br />

Die Zusammensetzung der Gruppe spielt eine entscheidende Rolle für den <strong>Erfolg</strong> des Projektes.<br />

Es ist wichtig, dass Akteure einbezogen werden, die sich mit <strong>Gesundheit</strong>sfragen in<br />

der Organisation befassen (Betriebsarzt, Sicherheitsingenieur und andere), unverzichtbar ist<br />

die Beteiligung des Managements. Bestehende Expertenkenntnisse und unterschiedliche<br />

Interessen innerhalb des Arbeitskreises, sichern die Akzeptanz der Projektarbeit (Demmer<br />

1995).<br />

3.3.3 Analysieren und Gestaltungsschwerpunkte festlegen<br />

Die Erarbeitung von Präventionskonzepten und Interventionen erfordern zunächst die genaue<br />

Kenntnis der Ausgangssituation. Für die Analysen existieren zahlreiche Methoden und<br />

Instrumente, die sich hinsichtlich des Ansatzes, der Anwendung und des Gestaltungszieles<br />

unterscheiden. Wichtige Untersuchungsmethoden in der <strong>Gesundheit</strong>sförderung sind die<br />

schriftliche Befragung, das Experteninterview, die Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung inklusive<br />

der Gefährdungsbeurteilung, die Dokumentenanalyse und das Beobachten. Auch<br />

Projektgruppendiskussionen oder die Arbeit in <strong>Gesundheit</strong>szirkeln können Gestaltungsschwerpunkte<br />

im Unternehmen aufdecken (Pkt.3.2.2). Um mögliche Fehlerquellen und Ungenauigkeiten<br />

auszuschließen, bzw. zu minimieren wird empfohlen, mehrere Analysemethoden<br />

gleichzeitig einzusetzen. Welche Methoden tatsächlich zum Einsatz kommen. hängt von<br />

der konkreten Zielstellung und der jeweiligen betrieblichen Situation ab.<br />

37


Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung<br />

Beobachtung<br />

Tätigkeitsablaufanalyse<br />

Bildschirmarbeitsplatz<br />

analyse<br />

Experteninterview und<br />

Gruppengespräch<br />

Dokumentenanalyse<br />

Analyse der Arbeit<br />

und der Arbeitsbedingungen<br />

im<br />

Call - Center<br />

Schriftliche Befragung<br />

Abb.17: Methoden zur Analyse der Ausgangssituation und Feststellung von Gestaltungsbedarf<br />

im Call Center<br />

In den folgenden Ausführungen wird ein kurzer Einblick zu den Inhalten, Zielen und Besonderheiten<br />

der einzelnen Verfahren gegeben:<br />

a) Die Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung<br />

Die Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung ist ein unverzichtbares Analyseelement der betrieblichen<br />

<strong>Gesundheit</strong>sförderung, insbesondere dann, wenn externe Experten und Berater<br />

im Unternehmen unterstützend tätig sind. Die Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung liefert<br />

einen Überblick über den Gesamtbetrieb und Organisationsstrukturen, wie z. B. Art und Anzahl<br />

der Arbeitsbereiche und typische Arbeitsplätze. Des weiteren erhält man wichtige Hinweise<br />

zu Produkten, Aufträgen, der Personalstruktur, der Zeitorganisation und zur Führungskultur.<br />

b) Bildschirmarbeitsplatzanalyse<br />

Eine Bildschirmarbeitsplatzanalyse liefert umfassende Hinweise zu Gütekriterien hinsichtlich<br />

der ergonomischen Gestaltung der Bildschirmarbeit.<br />

Jeder Arbeitgeber hat nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbschG) und der Bildschirmarbeitsverordnung<br />

(BildschV) eine Analyse der Arbeitsbedingungen an allen Arbeitsplätzen, die mit<br />

einem Bildschirm ausgestattet sind, durchzuführen. In der arbeitswissenschaftlichen Fachliteratur,<br />

Broschüren der Unfallversicherungsträger, Informationsmaterialien von Unterneh-<br />

38


mensberatungen oder Interessenvertretungen sind zahlreiche Verfahren zur Bildschirmarbeitsplatzbeurteilung<br />

vorgestellt.<br />

Im Rahmen einer Bildschirmarbeitsanalyse erfolgt die systematische Erfassung wichtiger<br />

Kriterien in Hinblick auf die Hardwarekomponenten,<br />

wie z. B.<br />

Bildschirm (Größe, Zeichendarstellung, Gütesiegel)<br />

Art und Handhabbarkeit von Tastatur, Maus und Manuskripthalter<br />

Art und Anordnung von Arbeitstisch, Arbeitsstuhl, Fußstütze<br />

Sehbedingungen<br />

- Sehabstand<br />

- Anordnung des Arbeitsplatzes bezogen auf die Beleuchtung und die Fensterfront<br />

- Blendung und Spiegelung<br />

Beleuchtungssituation, Klima, Lärm<br />

Bewegungsfreiheit am Arbeitsplatz<br />

Gegebenenfalls sind auch Messungen (Klima, Lärm, Beleuchtung, Strahlung .....) durchzuführen.<br />

(vgl. <strong>Report</strong> und Leitfaden Ergonomie) Des weiteren sind Einschätzungen zur verwendeten<br />

Software und zu den psychischen Belastungen gefordert.<br />

In der Regel ist jeder Arbeitsplatz einzeln zu beurteilen.<br />

c) Dokumentenanalyse<br />

Die Dokumentenanalyse basiert auf Datenmaterial, welches nicht unmittelbar für den Untersuchungszweck<br />

erarbeitet wurde. Diesem Datenmaterial liegt demzufolge auch keine direkte<br />

Interaktion zwischen untersuchter Person und Untersuchern zugrunde und wird in der Sozialforschung<br />

zu den nicht-reaktiven Verfahren gezählt. (Petermann & Noack, 1987)<br />

Die Dokumentenanalyse kann sehr hilfreiches Material für die Vorbereitung von Beobachtungen<br />

oder Experteninterviews liefern. Häufig dient sie auch zur Ergänzung, Vertiefung und<br />

Bewertung von Ergebnissen und Informationen anderer Analysemethoden.<br />

39


Für die Dokumentenanalysen kommen Unterlagen in Frage wie z. B.<br />

- Informationsbroschüren des Unternehmens<br />

- Unternehmensleitbilder<br />

- Organigramme<br />

- Stellen und Tätigkeitsbeschreibungen<br />

- Hardwarekonfigurationen<br />

- Weiterbildungskonzepte und Qualifizierungsangebote<br />

- Unterlagen zum Arbeitszeitmodell<br />

- Unterlagen zur Leistungsbewertung u.s.w.<br />

d) Tätigkeitsablaufanalyse (Beobachtung)<br />

Die Beobachtungsmethode wird zur Analyse von Arbeitstätigkeiten und Arbeitsabläufen genutzt.<br />

Bei der Tätigkeitsablaufanalyse wird die Abfolge der Arbeitstätigkeit beobachtet und<br />

analysiert. Ziel ist es, detaillierte Aussagen über die zeitliche Abfolge und den zeitlichen Anteil<br />

der Teiltätigkeiten während eines verhältnismäßig langen Intervalls (am besten während<br />

der gesamten Arbeitsschicht) bei der Ausführung einer Tätigkeit zu erhalten.<br />

Die Auswertung von Tätigkeitsablaufanalysen erlaubt es, Aussagen über die Anzahl verschiedener<br />

Teiltätigkeiten, Gesetzmäßigkeiten und Muster in ihrer Abfolge, zeitliche Freiheitsgrade,<br />

Abwechslung und Anforderungsvielfalt einer Arbeitstätigkeit zu treffen.<br />

(Escher und Troxler in Strohm und Uhlich 1997)<br />

Methodische Basis ist die systematische, standardisierte Beobachtung. Dazu ist es notwendig<br />

im Vorfeld Kategorien für Teiltätigkeiten zu ermitteln um die entsprechenden beobachteten<br />

Zeitanteile diesen Kategorien zuzuordnen. Die zu wählenden Kategorien und Unterkategorien<br />

hängen von der Fragestellung der Untersuchungen ab. Die beobachtete Person sollte<br />

eingearbeitet, erfahren und über das Ziel der Analysen informiert sein. Nicht zu verwechseln<br />

sind Tätigkeitsablaufanalysen im Rahmen der <strong>Gesundheit</strong>sförderung mit Schichtaufnahmen<br />

zur Leistungserfassung, -beurteilung und –normung.<br />

40


d) Experteninterview und Gruppengespräche<br />

Das Interview ist eine verbreitete und häufig eingesetzte Methode zur Datenerhebung.<br />

Experteninterviews sind, wie der Name schon sagt, Gespräche mit Experten auf verschiedenen<br />

Ebenen.<br />

Betriebliche Experten sind:<br />

Führungskräfte<br />

z. B. - Teamleiter<br />

- Abteilungsleiter<br />

- Personalleiter<br />

Fachkräfte<br />

z. B. - FK f. Arbeitssicherheit<br />

- Systemexperten<br />

- Techniker .......<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

Experteninterviews dienen der Beschaffung von Informationen (z. B. zu betrieblichen Strukturen,<br />

organisatorischen Bedingungen, Aufträgen und Produkten, Arbeitmittel und Arbeitsverfahren,<br />

Arbeitsabläufe und Kooperationen).<br />

In der Praxis werden verschiedene Interviewformen unterschieden. Während strukturierte<br />

Interviews in Wortlaut und Fragenreihenfolge genau festgelegt sind, sind unstrukturierte<br />

Formen in dieser Hinsicht völlig vorgabefrei. ( Atteslander und Kopp 1987)<br />

Beim Gruppeninterview werden gleichzeitig mehrere Personen, z. B. Beschäftigte einer Arbeitsgruppe,<br />

befragt. Vorteile sind Zeit- und Kostenersparnis durch das gleichzeitige Befragen<br />

mehrerer Personen, die Möglichkeit widersprüchliche Aussagen zu diskutieren sowie<br />

Hinweise zur Kommunikationskultur zu erhalten.<br />

Hauptnachteile sind nach Escher (in Strohm und Uhlich 1997) die durch die Gruppenzusammensetzung<br />

beeinflussbare Atmosphäre, sowie die Gefahr, dass zurückhaltende Personen<br />

keinen Beitrag leisten und ein relativ hoher Zeitaufwand der Nachbereitung.<br />

Gruppeninterviews können fließend in Gruppendiskussionen übergehen. Voraussetzungen<br />

für erfolgreiche Gruppendiskussionen sind im Punkt 5.2.1 beschrieben.<br />

41


f) Die schriftliche Befragung<br />

Bei der schriftlichen Befragung werden den zu befragenden Personen schriftlich formulierte<br />

Fragen in Form eines Fragebogens vorgelegt. Diese Fragen sollen dann selbständig beantwortet<br />

werden.<br />

Da die betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung ein weitgehend partizipativer Prozess ist, gehören<br />

Mitarbeiterbefragungen zum Standardrepertoire.<br />

Vorteile der schriftlichen Befragung sind<br />

- eine gute Vergleichbarkeit der Daten<br />

- eine schnelle Auswertung<br />

- eine einfache Wiederholbarkeit (z. B. im Rahmen der Evaluation)<br />

- keine Beeinflussbarkeit durch den Untersucher.<br />

Nachteilig sind die durch Vorformulierungen der Antwortkategorien beschränkten Möglichkeiten<br />

zur Erfassung von betrieblichen Spezialproblemen bzw. Besonderheiten. Des weiteren<br />

bestehen kaum Möglichkeiten, Erläuterungen und Hinweise zur Beantwortung der Fragen<br />

zu geben.<br />

Die Einsatzmöglichkeiten der schriftlichen Befragung sind vielfältig. Es stehen zahlreiche<br />

Instrumente zur Erfassung, Bewertung bzw. zur Messung von<br />

z.B. - Ressourcen und Belastungen aus der Arbeitstätigkeit<br />

- Persönlichkeitsmerkmalen<br />

- Lern- und Persönlichkeitsförderlichkeit der Arbeit<br />

- Arbeitszufriedenheit<br />

- gesundheitliche Beeinträchtigungen und Beschwerden<br />

- psychischen Beanspruchung zur Verfügung (vgl. Anlage 1).<br />

Mit Hilfe von gezielt, entsprechend der Problemlage und des Analysezieles eingesetzten<br />

Befragungsinstrumentes können relativ schnell Aussagen getroffen und eine Situationseinschätzung<br />

gegeben werden. Entscheidend ist die richtige Auswahl des Befragungsinstrumentes.<br />

Unter Umständen können auch selbst erstellte und genau auf die Problematik zugeschnittene<br />

Befragungsinstrumente den Analyseprozess unterstützen.<br />

42


Ergebnis der Analyse ist eine Auflistung von auftretenden Problemen und Gestaltungsbedarf,<br />

aber auch positiver Gestaltungsansätze.<br />

Anschließend ist es notwendig, die Beschäftigten über die Ergebnisse und die weiteren<br />

Schritte zu informieren, um Akzeptanz und aktive Beteiligung zu <strong>fördern</strong> und zu sichern.<br />

3.3.4 Lösungen entwickeln und umsetzen<br />

Die Ergebnisse der Bedarfsanalyse bilden die Grundlage für die weitere Projektbearbeitung.<br />

Gestaltungslösungen können von Experten oder Expertenteams entwickelt und eingeführt<br />

werden. Das birgt allerdings die Gefahr, dass die fachlich fundierten und gut gemeinten Veränderungskonzepte<br />

auf Skepsis und wenig Akzeptanz bei den Beschäftigten stoßen. Aus<br />

diesem Grund ist es erfolgversprechender und im Sinne der <strong>Gesundheit</strong>sförderung, Gestaltungsmaßnahmen<br />

zusammen mit den Mitarbeitern zu entwickeln und einzuführen. Hierbei ist<br />

es empfehlenswert, die Projektgruppenarbeit zu nutzen. (vgl. Pkt. 3.2.2 und 5.2.1)<br />

Unter Beteiligung der Beschäftigten werden Probleme definiert und Prioritäten gesetzt.<br />

Im Prozess der Lösungsfindung kann festgestellt werden, dass entweder weitere spezielle<br />

Analysen notwendig sind oder betriebliche bzw. fachliche Informationen eingeholt werden<br />

müssen. Dies ist in der Projektgruppe zu koordinieren und durchzuführen. Wichtig dabei ist<br />

die Festlegung von Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten und eines Zeitrahmens.<br />

Entwickelte Lösungsvorschläge sind zunächst in Pilotbereichen zu erproben, auszuwerten<br />

und gegebenenfalls zu verbessern.<br />

Im Ergebnis von Projektgruppenprozessen entstehen erfahrungsgemäß praktische und von<br />

den Mitarbeitern akzeptierte Lösungsvorschläge. Diese können sowohl die Verhaltens- als<br />

auch die Verhältnisprävention betreffen. Im Punkt 5.2. ist die Vorgehensweise im Rahmen<br />

der Projektgruppenarbeit bei der Intervention und Lösungsfindung ausführlich beschrieben.<br />

3.3.5 Evaluieren, verbessern, verstetigen<br />

Nach der Einführung von Veränderungen ist zu prüfen ob sich der erwartete <strong>Erfolg</strong> eingestellt<br />

hat und ob die gesetzten Ziele erreicht werden konnten.<br />

43


Diese Ergebnisse sollten den Mitarbeitern und Arbeitsgruppen wiederum präsentiert werden.<br />

Dabei stehen folgende Fragestellungen im Vordergrund:<br />

- Wurden die Probleme gelöst?<br />

- Existieren noch ungelöste bzw. neue Probleme?<br />

- Gibt es weitere Verbesserungsvorschläge?<br />

3.4 Der Nutzen Betrieblicher <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

Wenn es gelingt, ganzheitliche Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderungsmaßnahmen in Unternehmen<br />

dauerhaft zu etablieren, so bieten diese nicht nur den Teilnehmern, sondern auch<br />

dem Unternehmen vielfältigen Nutzen. Sie sind ein Weg zur Humanisierung von Arbeitsplätzen<br />

und bieten gleichzeitig die Chance, die Attraktivität von Arbeitsplätzen zu verbessern, die<br />

Produktivität zu erhöhen sowie <strong>Gesundheit</strong>srisiken und Fehlzeiten zu mindern. <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

wird damit zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor und Qualitätsmerkmal von<br />

Unternehmen.<br />

...“<strong>Gesundheit</strong>sförderung lebt aus dieser Vielfalt, sie ist, wie Gerald Koller definiert, ein<br />

Strategienbündel. Keine einzelne Maßnahme allein kann daher ihrem umfassenden<br />

Ansatz gerecht werden. Weder planende, visionäre, politische Entscheidungsträger,<br />

noch engagierte Basisarbeiter reichen aus. Die Ganzheit entsteht aus der Vielfalt, der<br />

Kooperation.“...(Dr. Alex Trojovsky 1994).<br />

Die Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung kann also aus Unternehmersicht und aus Sicht der<br />

Beschäftigten gewinnbringend sein. In der Abb. 18 sind mögliche Resultate beider Interessengruppen<br />

dargestellt.<br />

44


Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

Unternehmensinteresse<br />

„Effizienz der Arbeit“<br />

- langfristige Senkung des Krankenstandes<br />

bzw. Erhalt geringen<br />

Krankenstandes<br />

- höhere Mitarbeitermotivation<br />

- erhöhte Personalverfügbarkeit<br />

- höhere Leistungskapazität<br />

- höhere Flexibilität<br />

- bessere Dienstleistungsqualität<br />

- kontinuierliche Verbesserung der<br />

Arbeitsprozesse<br />

- höhere Konkurrenzfähigkeit<br />

- Imageverbesserung<br />

Beschäftigteninteresse<br />

„Attraktivität der Arbeit“<br />

- verbesserter <strong>Gesundheit</strong>szustand<br />

- verbessertes Betriebsklima<br />

- geringere Belastungen<br />

- bessere Bewältigung von Belastungen<br />

- höhere Arbeitszufriedenheit<br />

- gesteigertes Wohlbefinden<br />

- mehr Selbstbestimmung<br />

- bessere Arbeitsinhalte<br />

- HÖHERE QUALIFIKATION<br />

- bessere Arbeitsbedingungen<br />

- bessere Sozialbeziehungen<br />

Abb. 18: Mögliche Auswirkungen von Maßnahmen der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

im Unternehmen (in Anlehnung an Nieder 1997, S. 20 und 115)<br />

45


4 Die Arbeit im Call Center – Analyse<br />

4.1 Einführung<br />

Problemlage<br />

Kennzeichnend für die Tätigkeit im Call Center sind die Arbeit am Bildschirm und das ganztägige<br />

Telefonieren im Großraumbüro nach überwiegend inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben.<br />

Daraus ergeben sich besondere Anforderungen an die Beschäftigten. Die Einflussfaktoren<br />

sind vielfältig und können sich sowohl positiv als auch negativ auf die <strong>Gesundheit</strong> und<br />

die Leistungsfähigkeit des Einzelnen auswirken. Aufgrund der Neuartigkeit dieser Tätigkeitsfelder<br />

sind Langzeitwirkungen noch nicht hinreichend erforscht.<br />

Arbeitende am Bildschirmgerät klagen sehr häufig über Kopfschmerzen und über Schmerzen<br />

im Nacken-, Schulter- und Rückenbereich (vgl. Spießbach, Knebelau und Bender 1999). In<br />

erster Linie werden Beschwerden des Bewegungsapparates und des Sehorgans mit der Arbeit<br />

am Bildschirm, dem ganztägigen Sitzen und ungünstigen ergonomischen Bedingungen<br />

in Verbindung gebracht. Dass derartige gesundheitliche Beeinträchtigungen komplexer bedingt<br />

sind und auch in erheblichem Maße durch die Arbeitsorganisation beeinflusst werden<br />

können, wird z. B. von Ertel, Junghans und Ullspringer (1994, 1997) beschrieben. Auch industrielle<br />

Befunde belegen, dass Muskel- und Skelettbeschwerden neben ergonomischen<br />

Defiziten auch mit fehlenden inhaltlichen und zeitlichen Freiheitsgraden und fehlender Abwechslung<br />

in den Arbeitsaufgaben begründet werden können (Lehnhardt, Ekeles, Rosenbrock<br />

1997; Lundberg 1996).<br />

Es stellt sich nun die Frage, inwieweit in den Call Centern Gestaltungsmaßnahmen erforderlich<br />

und möglich sind, um gesundheitsgerechte, beanspruchungsgünstige und lernförderliche<br />

Arbeitsbedingungen und Tätigkeitsinhalte zu schaffen. Um Antworten auf diese Fragen zu<br />

finden ist es unerlässlich die Tätigkeiten umfassend zu analysieren und neben dem Expertenwissen,<br />

die Kenntnisse, Erfahrungen und Einschätzungen der in den entsprechenden<br />

Arbeitsbereichen beschäftigten Mitarbeiter zu berücksichtigen.<br />

46


Analyseziele im Rahmen der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

Analysen im Rahmen der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung dienen vor allem der Bedarfsermittlung<br />

in bezug auf geeignete Maßnahmen zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung sowie zur Aktivierung<br />

und Motivationsbildung (Antje Ducki 2000). Im Mittelpunkt derartiger Betrachtungen<br />

stehen einerseits das subjektive Befinden der Mitarbeiter, ihre Beschwerden sowie die von<br />

ihnen erlebten positiven und negativen Einflüsse der Arbeit auf das persönliche Wohlbefinden<br />

und andererseits die Beschreibung der betrieblichen Situation im Hinblick auf gesundheitsrelevante<br />

Aspekte der Arbeit.<br />

Die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsumgebung tragen zu einer<br />

schädigungsfreien Arbeit und zur Vorbeugung von <strong>Gesundheit</strong>sgefahren bei und sind eine<br />

notwendige Voraussetzung für die gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung. Ein weiterer<br />

wichtiger Indikator für <strong>Gesundheit</strong>, Wohlbefinden und Arbeitszufriedenheit sind die Art und<br />

Struktur der Arbeitsaufgabe und die Arbeitsorganisation. Günstig bzw. ungünstig gestaltete<br />

Arbeitsaufgaben können gleichzeitig Leistungskriterien wie die Motivation, die Qualifikation<br />

und die Flexibilität <strong>fördern</strong> bzw. behindern. Sie sind deshalb ein nicht zu unterschätzendes<br />

Mittel, die Personalressourcen eines Unternehmens in ökonomisch sinnvoller Weise einzusetzen<br />

und zu entwickeln.<br />

Allgemein bekannt ist, dass gesunde, zufriedene Mitarbeiter, die Spaß an der Arbeit haben<br />

und sich mit ihrer Arbeitstätigkeit identifizieren auch hinsichtlich der Arbeitsleistung beste<br />

Ergebnisse erzielen. Natürlich kann man auch bei ungünstig gestalteter Arbeit und Arbeitsbedingungen<br />

mit Leistungsdruck und insbesondere unter den Bedingungen einer sehr hohen<br />

Arbeitslosenzahl der Region, Mitarbeiter zur Erbringung höchster Leistungen motivieren. Es<br />

besteht allerdings die Gefahr, dass dies auf Dauer auch zu negativen Begleiterscheinungen<br />

wie Unlust, Demotivation, Krankenstandserhöhung und einer erhöhten Fluktuation führen<br />

kann, wenn entsprechende Ressourcen fehlen.<br />

Analyseziel ist es, die Arbeit und die Arbeitsbedingungen in den einzelnen Call Centern unter<br />

Nutzung arbeitswissenschaftlicher und arbeitspsychologischer Mittel und unter Beteiligung<br />

der Beschäftigten zu beschreiben. Davon ausgehend soll ein wirksames Präventionskonzept<br />

entwickelt werden, welches Veränderungsbedarf identifiziert aber auch vorhandene positive<br />

Gestaltungsansätze dokumentiert und bewertet.<br />

47


Von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und vom Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik<br />

Neuruppin werden Analysen in insgesamt acht Call Centern durchgeführt.<br />

Während das Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik in Neuruppin in erster Linie die<br />

klassische Arbeitsplatzgestaltung und die Entwicklung und Einführung spezieller verhaltenspräventiver<br />

Maßnahmen im Visier hat, stehen bei den Analysen der Otto-von-Guericke-<br />

Universität Magdeburg die partizipativ-partnerschaftliche Bewertung und Gestaltung der Arbeitsbedingungen,<br />

der Arbeitsaufgabe und der Arbeitsorganisation sowie die Arbeitskultur im<br />

Vordergrund. Das Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin hat sich weiterhin<br />

zur Aufgabe gestellt, ein Analyseinstrument zu entwickeln, womit Unternehmer und Sicherheitsexperten<br />

schnell und unkompliziert unter Beteiligung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />

Gestaltungsbedarf in den einzelnen Unternehmensbereichen erkennen können.<br />

In der Abbildung 19 sind die Kernelemente der jeweiligen Aufgabenstellungen noch einmal<br />

zusammengefasst dargestellt.<br />

Institution<br />

Aufgabenstellung im Rahmen des<br />

Verbundprojektes<br />

Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg<br />

- Ganzheitliche arbeitswissenschaftliche Analysen in<br />

ausgewählten Call Centern Sachsen-Anhalts<br />

- Partizipativ-partnerschaftliche Entwicklung von<br />

Gestaltungslösungen für die Arbeit<br />

und der Arbeitsbedingungen in den einzelnen Untersuchungsbereichen<br />

Amt für Arbeitsschutz und<br />

Sicherheitstechnik Neuruppin<br />

- Beurteilung der ergonomischen Arbeitsbedingungen<br />

in ausgewählten Call Centern<br />

- Entwicklung eines Erhebungsinstrumentes<br />

- Ermittlung des Einflusses verhaltenspräventiver Maßnahmen<br />

auf die Gesamtproblematik „Abbau arbeitsbedingter<br />

<strong>Gesundheit</strong>sgefahren“<br />

Abb. 19: Zielstellungen der Untersuchungsteams<br />

48


4.2 Analysen der Otto-von–Guericke-Universität Magdeburg<br />

4.2.1 Analyseansatz und grundsätzliche Vorgehensweise<br />

Die arbeitswissenschaftliche Untersuchung erfolgt schrittweise. Ziel ist die Ableitung von<br />

Gestaltungshinweisen für eine verbesserte Arbeitssituation bzw. das Auffinden von empfehlenswerten<br />

Gestaltungslösungen im Sinne von Good Practice. In einem ersten Schritt werden<br />

mit orientierenden Analysen die Untersuchungsschwerpunkte festgestellt. In Abhängigkeit<br />

der Ergebnisse und in Abstimmung mit den jeweiligen Unternehmen folgen spezielle<br />

Analysen.<br />

Ausgangspunkt der Betrachtungen ist das Bewertungssystem für Arbeitstätigkeiten in Anlehnung<br />

an Hacker und Richter (1980), welches die Bewertungsebenen (1) Ausführbarkeit, (2)<br />

Schädigungslosigkeit, (3) Beeinträchtigungsfreiheit und (4) <strong>Gesundheit</strong>sförderung und Lernförderlichkeit<br />

in ein hierarchisches System zusammenfasst. Der Hierarchische Aufbau bedeutet,<br />

dass vor der Beurteilung einer höheren Stufe geprüft werden muss, ob die Mindestanforderungen<br />

der darunter liegenden Ebene erfüllt sind. Interventionen sollten darauf ausgerichtet<br />

sein, dass immer erst die Mindestanforderungen zu erfüllen sind.<br />

Bewertungsebene<br />

4 Persönlichkeits- und <strong>Gesundheit</strong>sförderlichkeit<br />

3 Beeinträchtigungsfreiheit<br />

2 Schädigungslosigkeit<br />

1 Ausführbarkeit<br />

Abb.20: Bewertungssystem für Arbeitstätigkeiten in Anlehnung an Hacker und Richter<br />

(1980)<br />

(1) Ausführbarkeit<br />

Die vom Menschen ausgeübten Arbeitsfunktionen müssen auf der Grundlage, der beim gesunden<br />

Menschen vorhandenen Leistungsvoraussetzungen und den zur Verfügung stehen-<br />

49


den Ausstattungsmitteln (einschließlich Informationen), zuverlässig und langfristig erwartungsgerecht<br />

ausführbar sein. Menschbezogene Ausführbarkeitseinschränkungen können<br />

vorliegen, wenn gegen biologische, (darunter anthropometrische 2 ) Normative verstoßen wird<br />

oder wenn notwendige psychophysiologische und psychologische Leistungsbedingungen<br />

fehlen. Eingeschränkte Ausführbarkeit führt zu Effektivitätsminderungen und Fehlhandlungen.<br />

Die Arbeitsbedingungen, -mittel und die Aufgaben müssen so gestaltet sein, dass die Ausübung<br />

der Arbeit, entsprechend anthropometrischer Normative und psychophysiologischer<br />

Voraussetzungen, uneingeschränkt ausführbar ist.<br />

(2) Schädigungslosigkeit<br />

Hier wird geprüft, ob die langfristige Ausübung der Tätigkeit zu körperlichen und / oder psychonervalen<br />

<strong>Gesundheit</strong>sschäden führen kann. Diese Schädigungen können z. B. durch<br />

Lärm im Arbeitsraum, unzulässige chemische Schadstoffkonzentrationen in der Luft oder<br />

ungünstige Beleuchtungsverhältnisse bedingt ( sein <strong>Report</strong> und Leitfaden „Arbeitsumgebung<br />

und Ergonomie). Untersuchungen zeigen, dass rechnergestützte Arbeitstätigkeiten<br />

häufig mit einförmiger Körperhaltung bzw. körperlicher Zwangshaltung verbunden ist. Kurzzeitig<br />

kann solche Arbeit ausführbar sein, es besteht jedoch die Gefahr, dass hier bei dauerhafter<br />

Fehlanforderung Haltungsschäden (z. B. Bandscheibenvorfall) oder andere skelettmotorische<br />

Überlastungsschäden (z. B. Sehnenscheidenentzündungen) mit Schmerzen im<br />

Hals- / Nacken- / Rückenbereich auftreten.<br />

(3) Beeinträchtigungsfreiheit<br />

Kriterien dieser Bewertungsebene prüfen insbesondere das Auftreten aktueller Beeinträchtigungen<br />

durch die Arbeitssituation.<br />

Beeinträchtigungen sind<br />

- Befindlichkeitsbeeinträchtigungen<br />

- Beeinträchtigungen des aktuellen Leistungsprozesses (insbesondere Destabilisierungen<br />

in physischen und psychischen Regulationsprozessen der Arbeit)<br />

- Beeinträchtigung in der Akzeptanz und Zumutbarkeit.<br />

2 Anthropometrie – Lehre von den Körpermaßen<br />

50


Werden die Beschäftigten über einen gewissen Zeitraum bei der Ausübung ihrer Tätigkeit<br />

beeinträchtigt und fehlen geeignete Bewältigungsstrategien spricht man von Fehlbeanspruchungsfolgen.<br />

Folgen der Fehlbeanspruchung sind psychische Ermüdung oder auch ermüdungsähnliche<br />

Zustände, wie Monotonie und psychische Sättigung oder Stress. (vgl. Pkt<br />

2.2.2)<br />

(4) Persönlichkeits- und <strong>Gesundheit</strong>sförderlichkeit<br />

Anhand von Kriterien dieser Bewertungsebene können die langfristigen psychischen Auswirkungen<br />

von Belastungsfaktoren geprüft werden. Die Arbeitstätigkeit soll auch den Erhalt und<br />

die Weiterentwicklung von Leistungsvoraussetzungen (Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten,<br />

Einstellungen) ermöglichen und der umfassenden <strong>Gesundheit</strong>sstabilisierung und -förderung<br />

dienen. Merkmale für Lernförderlichkeit sind:<br />

− Ausreichender Tätigkeits- (Entscheidungs-) Spielraum für eigenständige Zielsetzungen<br />

(Kontrolle),<br />

− mentale und physische Anforderungsvielfalt und Anforderungsabwechslung,<br />

− ganzheitliche Aufträge mit erkennbarer sozialer Bedeutung für andere,<br />

− erfolgsbezogene, sozial vermittelte Rückmeldungen,<br />

− zwangsfreie Möglichkeiten zu unterstützender Kooperation,<br />

− Vorhersehbarkeit der Anforderungen,<br />

− Durchschaubarkeit der Arbeitssituation,<br />

− widerspruchsfreie Aufträge einschließlich der Rolleneindeutigkeit,<br />

− trainierende Nutzung der vorhandenen Qualifikationen.<br />

(Pohlandt, Quaas, Schönborn 2001)<br />

Die Schaffung beeinträchtigungsfreier, persönlichkeits- und gesundheitsförderlicher Arbeitund<br />

Arbeitsbedingungen gehören in das primäre Handlungsfeld der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung.<br />

Die Hierarchie der Bewertungsebenen macht allerdings auch deutlich, wie<br />

eng die <strong>Gesundheit</strong>sförderung mit dem betrieblichen Arbeitsschutz und der Arbeitsmedizin<br />

(Schaffung schädigungsloser Arbeitsbedingungen) und den ingenieurtechnischen Aufgaben<br />

(Planung und Projektierung ausführbarer Arbeitsbedingungen) verknüpft ist.<br />

Ganzheitliche Analyseprozesse setzen voraus, dass sie so strukturiert sind und die Analyseinstrumente<br />

so gewählt sind, dass Aussagen zu allen Bewertungsdimensionen gemacht<br />

werden können. Um einerseits subjektiv verzerrte Aussagen zu vermeiden, aber anderer-<br />

51


seits individuelles Wissen der Kundenberater zu erfassen, wird bei der Analyse eine Kombination<br />

von objektiven und subjektiven Verfahren ausgewählt. Daraus ergibt sich folgender<br />

Analyseplan für die betrieblichen Untersuchungen.<br />

Die in den einzelnen Call Centern eingesetzten Verfahren und Methoden werden entsprechend<br />

des Projektauftrages (vgl Pkt. 3.3.3) bzw. der jeweiligen Problemstellung in den einzelnen<br />

Unternehmen ausgewählt.<br />

Ziel/ Fragestellung Eingesetzte Verfahren und Methoden 3<br />

(0) Bestimmung der Untersuchungsschwerpunkte<br />

(1) Sind die Tätigkeiten langfristig,<br />

zuverlässig ausführbar?<br />

(Bewertung der Ausführbarkeit)<br />

(2) Sind arbeitsbedingte <strong>Gesundheit</strong>sgefahren<br />

ausgeschlossen?<br />

(Bewertung der<br />

Schädigungslosigkeit)<br />

Auftrags- und Bedingungsanalyse<br />

- Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung<br />

- Dokumentenanalyse<br />

- Experteninterviews<br />

- mit Fach und Führungskräften<br />

(unstandardisiert)<br />

- mit Beschäftigten<br />

(Verfahren BEBA - halbstandardisiert)<br />

- Beobachtung und Tätigkeitsablaufanalysen<br />

Ergonomische Beurteilung/<br />

Einschätzung und Prüfung der<br />

Arbeitsbedingungen<br />

durch<br />

- Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung<br />

- Bildschirmarbeitsanalyse<br />

(Verfahren SAHIB)<br />

- Messung<br />

- Befragung<br />

3 Beschreibung der Analysenmethoden im Pkt. 3.3.3 ; Kurzübersicht der eingesetzten Verfahren in der<br />

Anlage1<br />

52


Ziel/ Fragestellung Eingesetzte Verfahren und Methoden 4<br />

(3) Treten psychische Beeinträchtigungen<br />

auf?<br />

(Bewertung der<br />

Beeinträchtigungsfreiheit)<br />

- Messung der Beanspruchung durch<br />

Befragung<br />

- Ermüdung, Monotonie, Sättigung,<br />

Stress<br />

(Verfahren BMS)<br />

(4) Gibt es Verbesserungsmöglichkeiten,<br />

die Tätigkeit lern- und gesundheitsför<br />

derlich zu <strong>gestalten</strong>?<br />

(Bewertung der Lern- und<br />

<strong>Gesundheit</strong>sförderlichkeit)<br />

- Ermittlung von <strong>Gesundheit</strong>sressourcen<br />

durch Befragung<br />

(Verfahren SALSA)<br />

Abb. 21: Gesamtablaufplan für die Untersuchungen<br />

4.2.2 Untersuchungsfelder, Arbeitsaufgaben, allgemeine organisatorische Bedingungen<br />

Untersuchungsfelder:<br />

Von der Otto-von-Guericke-Universität werden vier Call Center akquiriert, in denen Analyseund<br />

Gestaltungsprozesse durchgeführt werden. Den Unternehmen wird die vollständige A-<br />

nonymität zugesichert. Wichtig für die Betrachtungen, Einschätzungen und Auswertungen<br />

der Analyseergebnisse sind allerdings Kenntnisse zum Aufgabenspektrum und zu den allgemeinen<br />

organisatorischen Bedingungen der einbezogenen Call Center.<br />

4 Beschreibung der Analysenmethoden im Pkt. 3.3.3 ; Kurzübersicht der eingesetzten Verfahren in der<br />

Anlage 1<br />

53


Eine Kurzcharakteristik der Call Center ist der Abb. 22 zusammengestellt:<br />

CCM1<br />

Dienstleister, (vorwiegend Inbound)<br />

z. Z. ca. 300 Beschäftigte (Vollzeit und Teilzeit)<br />

Leistungsspektrum:<br />

Kundenservice, Auskunftsdienste, Informationsdienst, Gerätehandling, Beschwerdemanagement,<br />

Bestellannahme<br />

CCM2<br />

Inhouse Call Center (Inbound)<br />

z. Z. ca. 100 Beschäftigte im Bereich Kundenberatung (Vollzeit)<br />

Leistungsspektrum:<br />

Kundenservice, Kundenbindung, Auskunft, Beratung, Auftragsannahme,<br />

Beschwerdemanagement, Verkauf<br />

CCM3<br />

Inhouse Call Center, (fungiert z. T. auch als Dienstleister)<br />

(Inbound und Outbound)<br />

z. Z. ca. 130 Beschäftigte vorwiegend Teilzeit<br />

Leistungsspektrum:<br />

Kundenservice, Kundenbindung, Bestellannahme, Auskunft, Beratung, Beschwermanagement,<br />

Postbearbeitung, Kundengewinnung, Verkauf, Adressqualifizierung,<br />

Produkt- und Servicewerbung<br />

CCM4 5<br />

Inhouse Call Center eines Großunternehmens (vorwiegend Inbound)<br />

z. Z. ca. 200 Beschäftigte (im Aufbau) vorwiegend Vollzeit<br />

Leistungsspektrum:<br />

Kundenservice, Kundenbetreuung, Gerätehandling, Auskunft, Beratung,<br />

Beschwerdemangement,<br />

Abb. 22: Kurzcharakteristik der Untersuchungsfelder<br />

5 im Call Center CCN4 wurde nur eine Grobanalyse durchgeführt<br />

54


Da es im Call Center 3 einen Inbound und einen Outboundbereich gibt und sich diese Tätigkeiten<br />

hinsichtlich der Anforderungen unterscheiden, werden diese Bereiche in den folgenden<br />

Ausführungen und den weiteren Auswertungen getrennt betrachtet.<br />

Das Call Center 4 wurde nur in der Anfangsphase in die Analysen einbezogen (Gespräche<br />

mit Teamleitern und Vorgesetzten, Arbeitsplatzbegehung, Schichtbeobachtung).<br />

Spezifische Situation in Sachsen Anhalt:<br />

Die in die Analysen einbezogenen Call Center sind junge Unternehmen / Unternehmensbereiche.<br />

Sehr viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind erst kurze Zeit im Call Center beschäftigt<br />

bzw. befinden sich in der Einarbeitungsphase bzw. Probezeit. Die Arbeitslosenquote<br />

in Sachsen Anhalt ist mit ca. 20 % eine der höchsten in der Bundesrepublik. Die Mitarbeiter<br />

sind zum großen Teil aus der Arbeitslosigkeit bzw. von der Arbeitslosigkeit bedrohten<br />

Beschäftigungsverhältnissen rekrutiert.<br />

Arbeitsaufgaben:<br />

Das Telefonieren ist die Haupttätigkeit eines Call Agenten. Im Inbound-Bereich gehen Anrufe<br />

ein und im Outbound werden die Kunden gezielt angerufen, um z. B. Meinungsumfragen<br />

oder Verkäufe zu tätigen. Der Ablauf eines Kundengespräches ist in seiner Grundstruktur in<br />

jedem Call Center ähnlich.<br />

In der Abbildung 23 ist ein typisches Kundengespräch (Inbound) vereinfacht dargestellt. Es<br />

wird deutlich, dass der Agent in der Regel mehrere Handlungen gleichzeitig ausführt. Während<br />

des Kundengespräches werden z. B. Informationen beschafft, Gesprächsverläufe dokumentiert<br />

bzw. Kundendateien gepflegt. Fast in jedem Call Center besteht die Auflage,<br />

Nachbearbeitungszeiten möglichst kurz zu halten, deshalb versucht der Agent in der Regel<br />

möglichst alle Nachbereitungstätigkeiten schon während des Gespräches auszuführen.<br />

55


Kundengespräch<br />

z.B.<br />

- Problem erfassen,<br />

- Nachfragen,<br />

- Auskunft erteilen,<br />

- Handlungsanleitung<br />

geben,<br />

- Informationen<br />

aufnehmen,<br />

- aktive<br />

Produktwerbung,<br />

- Verkauf,<br />

- Terminvereinbarung<br />

Informationsbeschaffung<br />

(idR während des Gespräches)<br />

Kundendaten, Intranet, spezielle<br />

Informationssysteme, Bücher,<br />

Ordner, Handzettel, mündliche<br />

Nachfrage bei Kollegen und/oder<br />

Vorgesetzten)<br />

Nachbearbeitung<br />

(häufig schon während des Gespräches)<br />

- Aktualisierung von Kundendaten,<br />

- Gesprächsdokumentation,<br />

- Weiterleiten von Informationen<br />

[Email, Fax, Telefon],<br />

- Problemlösungen mit Fachabteilungen,<br />

- Rückruf<br />

Warten<br />

- Erledigung sonstiger Sachbearbeitertätigkeiten<br />

(z. B. Prospektversand, Postbearbeitung)<br />

- Nutzung der Wartezeit zur Regeneration<br />

Abb. 23: Ablauf eines Calls (Inbound)<br />

56


Dennoch ergeben sich Unterschiede in der Arbeitstätigkeit / Arbeitsausführung aus:<br />

der Variabilität der Kundenanfragen und den Kompetenzen der Beschäftigten<br />

- Anzahl der Auftraggeber<br />

- Niveau der Kundenanfragen<br />

- Entscheidungsspielräume bei der Problemlösung<br />

den Bedingungen der Informationsbeschaffung<br />

- Anzahl und Aufbau der zu nutzenden Informationssysteme<br />

- Zugriffsmöglichkeiten zu speziellen Informationen<br />

- Nutzung von Expertenwissen bei speziellen Problemen (z. B. durch gezielte<br />

Nachfrage in Fachabteilungen)<br />

den Bedingungen der Nachbearbeitung<br />

- Kompetenzen, Vorgaben<br />

- inhaltliche und zeitliche Spielräume ( z. B. Möglichkeit der Weiterverfolgung<br />

eines Kundenproblems)<br />

- Tätigen von Rückrufen (z. B. vollständige Bearbeitung eines Kundenproblems)<br />

- Kommunikationsmöglichkeiten z. B. mit Fachabteilungen, um z. B. ein Problem<br />

selbständig (vollständig) zu lösen<br />

den Anteil und die Nutzung von Wartezeiten<br />

- Ausruhen, Erholung, private Dinge, Gespräche mit Kollegen<br />

- Qualität, Quantität und Ausführungsbedingungen von zusätzlichen Tätigkeiten<br />

Die Dauer eines Gespräches richtet sich je nach der Komplexität der Anfrage und nach der<br />

Notwendigkeit des Einholens zusätzlicher Informationen und dauert in der Regel ein bis fünf<br />

Minuten.<br />

Tätigkeiten zur Vor- und Nachbereitung der Aufträge<br />

Insgesamt ist festzustellen, dass von den Beschäftigten sehr wenig vor- und nachbereitende<br />

Tätigkeiten ausgeführt werden. Teilweise erfolgen diese Erledigungen sogar außerhalb der<br />

regulären Arbeitszeit. Folgende Tätigkeiten sind der Vor- bzw. Nachbereitung zuzuordnen:<br />

- PC hochfahren / herunterfahren<br />

57


- Programme einstellen<br />

- Passwörter eingeben / Anmelden / Abmelden<br />

- Änderungen (Informationen, Tarife) aufnehmen<br />

- Updates herunterladen<br />

Überprüfung des eigenen Arbeitsergebnisses<br />

Zur Selbstkontrolle haben die Beschäftigten in einigen Fällen die Möglichkeit, die eigene<br />

Tagesleistung einzusehen. (Anzahl der Calls, Länge der Calls, genutzte Nachbearbeitungszeiten).<br />

Bei Verkaufstätigkeiten werden von den Beschäftigten selbständig Statistiken geführt.<br />

Kooperation / Zusammenarbeit<br />

Zusammenarbeit und Kooperationsmöglichkeiten der Kollegen und Kolleginnen untereinander<br />

sind gegeben. Organisierte Teambesprechungen erfolgen eher selten (z. B. alle zwei<br />

Monate). Die Kooperationsmöglichkeiten mit Fachabteilungen sind eher gering. Diese Defizite<br />

werden von den Beschäftigten negativ beurteilt.<br />

Allgemeine organisatorische Bedingungen:<br />

Arbeitszeit:<br />

Relevante Kenngrößen der Arbeitszeitgestaltung sind:<br />

(a) die Länge der Arbeitszeit<br />

(b) die Lage der Arbeitszeit und<br />

(c) die Vorhersehbarkeit von Arbeitszeit<br />

(a) Länge der Arbeitszeit<br />

In den untersuchten Call Centern sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen voll- bzw. teilzeitbeschäftigt.<br />

Bei den Teilzeitbeschäftigten wird zwischen den festangestellten in der Regel mit<br />

30 Wochenstunden und den geringfügig Beschäftigten (Studenten) unterschieden. Die Einteilung<br />

zur Arbeit bezogen auf die Arbeitslänge erfolgt in den Untersuchungsbereichen entsprechend<br />

der vertraglichen Regelungen. Die Leistung von Überstunden ist die Ausnahme.<br />

58


(b) Lage der Arbeitszeit<br />

Die Hauptarbeitszeit liegt je nach Aufgabenstruktur im Call Center zwischen 9.00 / 11.00 Uhr<br />

und 18.00 / 20.00 Uhr. In den Zeiten zwischen 6.00 Uhr und 9.00 Uhr und 20.00 Uhr bis<br />

22.00 Uhr sind die Call Center ebenfalls besetzt, aber mit stark verminderter Kapazität. Nur<br />

in einem der analysierten Bereiche wird auch nachts, allerdings ebenfalls mit stark verminderter<br />

Kapazität, gearbeitet.<br />

(c) Vorhersehbarkeit<br />

In allen vier Call Centern erfolgt die Einteilung der Beschäftigten zur Arbeit in der Regel in<br />

einer monatlichen Vorausschau. Nur selten werden kurzfristige Anpassungen vorgenommen.<br />

Zwei flexible Arbeitszeitsysteme werden praktiziert:<br />

1. Gleitzeitsystem: Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden in 8 Schichten im regelmäßigen<br />

Wechsel eingeteilt. Je nach Schichtlage besteht die Möglichkeit, die Arbeitszeit zum Beginn<br />

und zum Ende der Schicht in begrenztem Rahmen (0,5 bis 2,5 Stunden) eigenverantwortlich<br />

zu variieren.<br />

2. Wahl von Wunschschichten: Die Call Agenten haben hier die Möglichkeit, sich in einer<br />

monatlichen Vorausschau einer Wunschschicht zuzuordnen. Eine rechnergestützte Bedarfsanalyse<br />

ermöglicht einen Vergleich zwischen Wunsch- und benötigten Schichten. Zu ca.<br />

80 % können die bevorzugten Schichtzeiten der Beschäftigten realisiert werden. Des weitern<br />

gibt es unbegrenzt die Möglichkeit, Schichten zu tauschen. Voraussetzung ist dabei die Einhaltung<br />

der gesetzlichen Vorschriften in Bezug auf die Ruhezeiten sowie eine Information an<br />

den Schichtverantwortlichen. Die Koordination des Arbeitszeitmanagements wird von einer<br />

speziell dafür eingesetzten Person durchgeführt. Als Nachteil wird von den Beschäftigten<br />

angegeben, dass besonders bereitwillige (gutmütige) Mitarbeiter häufig Schichten tauschen<br />

und die eigenen Interessen zurückstellen.<br />

Pausen:<br />

Bei den Pausen wird zwischen der gesetzlich vorgeschriebenen, nicht zur Arbeitszeit gehörenden<br />

Pause (nach spätestens sechsstündiger Tätigkeit) und den zusätzlichen Kurzpausen<br />

zur Erledigung persönlicher Bedürfnisse bzw. der Bildschirmpause nach der Bildschirmarbeitsverordnung<br />

unterschieden.<br />

59


Die Lage der gesetzlichen Pause wird bis auf eine Ausnahme in den Call Centern zu Beginn<br />

der Arbeitsschicht bekannt gegeben. In einem Fall entscheiden die Mitarbeiter aufgrund des<br />

Anrufaufkommens über die Lage ihrer Pause. Nach Aussagen der Beschäftigten kommt sehr<br />

selten vor, dass gesetzliche Pausen nicht wahrgenommen werden können.<br />

Sehr unterschiedlich gehandhabt wird die Gewährung und die Nutzung von zusätzlichen<br />

Erholzeiten. Bildschirmpausen nach der Bildschirmarbeitsverordnung werden in keinem Call<br />

Center planmäßig gewährt.<br />

Nach Auskunft der Führungskräfte können Erholungszeiten jedoch von jedem Beschäftigten<br />

regelmäßig genutzt werden.<br />

Die Richtwerte dafür sind unterschiedlich:<br />

4x 10 min über den Tag verteilt<br />

5 % der Arbeitszeit<br />

nach Bedarf aber möglichst wenig<br />

in Absprache mit dem Team<br />

Die Mitarbeiter, insbesondere die Nichtraucher erleben bezüglich der zusätzlichen Kurzpausen<br />

eine gewisse Unsicherheit. Insbesondere Beschäftigte, die erst kurze Zeit im Call Center<br />

tätig sind, schöpfen diese Möglichkeiten aus Angst um den Arbeitsplatz nicht aus. Im übrigen<br />

ist das Gefühl verbreitet, Kurzpausen sind eigentlich unerwünscht und die häufige Nutzung<br />

wirkt sich auf die persönliche Arbeitssituation negativ aus.<br />

Leistungsbewertung:<br />

Die Leistungsbewertung erfolgt unterschiedlich. Leistungskriterien sind dabei<br />

- Anzahl der Calls<br />

- Dauer der Calls<br />

- Pausenverhalten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />

- Anzahl der Verkäufe<br />

- Erreichbarkeit<br />

- Länge der Nachbearbeitungszeiten<br />

- Anzahl der zusätzlich bearbeiteten Post<br />

- Kundenzufriedenheit<br />

60


Eine reine leistungsbezogene Entlohnung erfolgt in keinem der vier Call Center. In zwei Untersuchungsbereichen<br />

werden die Ergebnisse ausschließlich teambezogen ausgewertet. Die<br />

Gehaltsentwicklung wird dadurch nicht beeinflusst. In einem Unternehmen erfolgt zwar eine<br />

personenbezogene Auswertung der Arbeitsleistung, diese wirkt sich allerdings nicht auf das<br />

aktuelle Gehalt aus (jedoch auf die allgemeine Gehaltsentwicklung). In einem weiteren Call<br />

Center wird eine vierteljährliche, personenbezogene Auswertung vorgenommen. Das Ergebnis<br />

beeinflusst den Prämienbestandteil des Entgeltes.<br />

Zusammenfassung - Merkmale der Untersuchungsbereiche<br />

Call Center ist nicht gleich Call Center. Jedes Unternehmen hat seine spezifischen Bedingungen<br />

und Besonderheiten. In der Abbildung 24 sind einige ausgewählte Merkmale, welche<br />

zum Verständnis der Analyseergebnisse notwendig sind, zusammengefasst, bezogen auf die<br />

in die Untersuchung einbezogenen Call Center dargestellt.<br />

Aufgaben / Organisation<br />

CCM1<br />

inbound<br />

CCM2<br />

inbound<br />

CCM3<br />

inbound<br />

CCM3<br />

outbound<br />

CCM4<br />

inbound<br />

Datenerfassung und Verwaltung x X X x X<br />

Beratung und Problemlösung X X x X<br />

Verkauf von Produkten X X<br />

Analyse von Markt- und Verbraucherverhalten<br />

X<br />

Beschwerdemanagement X X X X<br />

Zusätzliche Tätigkeiten (Sachbearbeitung) x X X<br />

Komplexität der Arbeitsaufträge (Grobeinschätzung)<br />

Komplexität der Informationssysteme<br />

(Grobeinschätzung)<br />

Arbeitszeit<br />

gering mittel gering gering hoch<br />

mittel hoch gering gering hoch<br />

Gleitzeit<br />

Wunschschicht<br />

Erläuterung<br />

x<br />

X<br />

X<br />

wird durchgeführt, spielt insgesamt eine untergeordnete Rolle<br />

Bestandteil der Tätigkeit<br />

dominierender Bestandteil der Arbeitsaufgabe<br />

Abb. 24: Unternehmensmerkmale<br />

61


Die Analyse der Arbeitsaufgaben und der Organisation stellen unter anderem auch Ausgangspunkte<br />

für verhältnispräventive Maßnahmen dar.<br />

4.2.3 Ermittlung psychischer Belastungen (Screening)<br />

Die Ermittlung von leistungsmindernden und gesundheitsbeeinträchtigenden Belastungsfaktoren<br />

erfolgte mit Hilfe des Befragungsverfahrens BEBA (Belastungsanalyse bei Bildschirmarbeit;<br />

Pohlandt, Jordan, Maßloch, Ott und Hacker, 1997). Dieses Verfahren ist ein<br />

Screening-Verfahren und gibt erste Hinweise auf Schwachstellen in der Arbeitsgestaltung.<br />

Es entstand im Rahmen des Projektes SANUS und wurde im Jahr 2000 von Pohlandt mit<br />

einem Zusatzmodul „Kundenarbeit“ für die Tätigkeiten im Call Center angepasst.<br />

Mit Hilfe dieses Verfahrens werden erlebte kritische Belastungsquellen und arbeitsbedingte<br />

<strong>Gesundheit</strong>sgefahren erhoben.<br />

Kriterien sind z. B.:<br />

- Erlebte Ganzheitlichkeit der Arbeitsaufgabe<br />

(selbständiges Planen, Organisieren, Ziele setzten)<br />

- Qualifikationsnutzung und -entwicklung<br />

(Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten; Nutzung vorhandenen Wissens)<br />

- Beteiligungsmöglichkeiten bei der Arbeitsgestaltung<br />

(Beteiligung der Beschäftigten bei der Gestaltung von Arbeitsplatz,<br />

Arbeitsorganisation, Arbeitszeit .....)<br />

- Zeitliche Spielräume<br />

(Vorhandensein zeitlicher Spielräume bei der Erledigung der Aufgaben)<br />

- Informationsverfügbarkeit<br />

(alle notwendigen Informationen stehen rechtzeitig zur Verfügung)<br />

- Soziale Unterstützung<br />

(Kommunikation und Kooperation sind möglich und notwendig)<br />

- Emotionale Belastung durch Kundenarbeit<br />

(auch unangenehme Kundenkontakte (verärgerte Kunden)<br />

- Benutzerfreundlichkeit der Technik<br />

62


(Technische Systeme sind durchschaubar, beherrschbar und<br />

nachvollziehbar)<br />

Dieses Verfahren wird in den Call Centern CCM1 bis CCM3 eingesetzt. Als kritisch werden<br />

Belastungsfaktoren bewertet, wenn mehr als 50 % der Befragten eines Arbeitsbereiches diese<br />

Belastung erleben und benennen.<br />

Arbeitsaufgabe wird nicht ganzheitlich empfunden<br />

CCM1<br />

CC M2 CC M3<br />

outb.<br />

CCM3<br />

inb.<br />

X<br />

Zu wenig körperliche Abwechslung X X X X<br />

Zu geringe zeitliche Spielräume X X X X<br />

Zu wenig Beteiligungsmöglichkeiten bei AG X X<br />

Belastungen durch aggressives Kundenverhalten X X<br />

Mangelnde Informationsverfügbarkeit<br />

X<br />

Keine Störungsfreiheit X X X<br />

Defizite in der Qualifikationsnutzung/ Entwicklung X X<br />

Mangelnde Benutzerfreundlichkeit der Technik X X X X<br />

Abb. 25: Erlebte Belastungen bei der Arbeit bei jeweils mindestens 50 % der befragten<br />

Personen<br />

Die Angabe von kritischen Belastungen gibt erste Hinweise auf Mängel der Arbeitsaufgabenund<br />

der Arbeitsorganisationsgestaltung. Der Vergleich der Call Center in der Abbildung 25<br />

zeigt deutlich, dass übereinstimmend eine mangelnde körperliche Abwechslung, die geringen<br />

zeitlichen Spielräume sowie eine mangelnde Benutzerfreundlichkeit der Technik von<br />

den Beschäftigten als Belastung erlebt wird. Die „mangelnde Benutzerfreundlichkeit der<br />

Technik“ kann u. a. Defizite in der Gestaltung und Aufgabenangemessenheit der Softwaresysteme,<br />

aber auch eine zu geringe Leistung der Rechnersysteme zum Ausdruck bringen.<br />

Da es ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen ist, die Umwelt (hier das technische System)<br />

zu beherrschen, kann die erlebte mangelnde Benutzerfreundlichkeit auch auf Qualifika-<br />

63


tionsdefizite hinsichtlich des Umganges mit der Technik und den Programmsystemen deuten.<br />

Wenn die Aufgaben und Zielstellungen nebengeordneter Organisationseinheiten im Unternehmen<br />

vom Beschäftigten nicht durchschaut werden, kann es passieren, dass die eigene<br />

Arbeit als wenig sinnvoll erlebt wird. Interessant ist auch das Ergebnis, dass in zwei Call<br />

Centern mehr Beteiligung bei der Gestaltung und Organisation der Arbeit gewünscht wird.<br />

Insbesondere in Call Centern mit einer geringen Komplexität der Aufgaben und Informationssysteme<br />

wird auch die Nutzung eigener Qualifikationen nicht ausreichend empfunden.<br />

Die erlebten Belastungen können zu ungünstigen Beanspruchungsfolgen führen.<br />

Es wurden deshalb auch erlebte arbeitsbedingte Beschwerden und Beeinträchtigungen erhoben.<br />

Die Abbildung 26 zeigt, dass fast in allen Untersuchungsbereichen gesundheitliche<br />

Beschwerden und in allen Call Centern bei mindestens 50 % der befragten Personen psychische<br />

Beeinträchtigungen in Zusammenhang mit der Arbeit erlebt werden.<br />

<strong>Gesundheit</strong>liche Beschwerden und psychische<br />

Beeinträchtigungen während oder nach der<br />

Arbeit:<br />

<strong>Gesundheit</strong>liche Beschwerden<br />

- Rücken, Schulter, Nacken<br />

Mindestens 50 % der Beschäftigten des<br />

Untersuchungsbereiches geben derartige<br />

Beschwerden an:<br />

CCM1 CCM2 CCM3<br />

Outb.<br />

CCM4<br />

Inb.<br />

X X X<br />

- Kopfschmerzen<br />

Psychische Beeinträchtigungen<br />

- müde und abgespannt X X X X<br />

Abb. 26: Erlebte gesundheitliche Beschwerden und psychische Beeinträchtigungen<br />

Abgesehen von der sitzenden Tätigkeit sind die Ursachen je nach Struktur der Arbeitsaufgabe<br />

und der Ausführungsbedingungen in jedem Call Center unterschiedlich und können zum<br />

Beispiel Überforderung oder Unterforderung durch die Arbeitsaufgabe, fehlende inhaltliche<br />

oder zeitliche Freiheitsgrade, Qualifikationsdefizite beim Mitarbeiter sowie eine Kombination<br />

verschiedener Ursachen sein.<br />

64


Die fehlenden körperlichen Beschwerden im Call Center CCM1 können möglicherweise mit<br />

teilweise langen Wartezeiten (bis zu 5 min) zwischen zwei Kundengesprächen begründet<br />

werden. Diese Zeiten werden von den Beschäftigten zur Erholung, Entspannung, körperliche<br />

Bewegungen und Gespräche mit Kollegen genutzt und bilden somit eine wichtige Ressource.<br />

4.2.4 Ergonomische Arbeitsplatzanalyse (Screening)<br />

Hier wird ermittelt, inwieweit die Ausstattung des Arbeitsplatzes und die Bedingungen der<br />

Arbeitsumgebung (Klima, Lärm, Beleuchtung) eine gesundheitsgerechte Ausübung der Arbeitstätigkeit<br />

zulassen. Das beinhaltet natürlich auch die Ermittlung der Kenntnisse der Beschäftigten<br />

im richtigen Umgang mit den Arbeitsplatzelementen.<br />

Eingesetzt wird hier das Analyseinstrument SAHIB (System zur Analyse der Hardware-<br />

Komponenten am Bildschirmarbeitsplatz Kurtz, Buchheim & Hippmann, 1996). Es wurde<br />

eine Arbeitsplatzbegehung durchgeführt. Gespräche mit Beschäftigten bzw. Vorgesetzten<br />

ergänzten die Erhebungen.<br />

Da die in die Analysen einbezogenen Call Center sehr junge Unternehmen bzw. Unternehmensbereiche<br />

sind, wurden auch das Mobiliar und die Arbeitsmittel erst in den letzten Jahren<br />

angeschafft. Bezüglich der Ausstattung der Arbeitsplätze (Bildschirm, Tastatur, Maus, Tisch<br />

und Stuhl) sind kaum Defizite zu verzeichnen. In einem Call Center sind alle Arbeitsplätze<br />

mit höhenverstellbaren Tischen ausgestattet, was von den Beschäftigten sehr positiv bewertet<br />

wird.<br />

Einzelne, vom Untersuchungsteam identifizierte, nicht flimmerfreie Bildschirme wurden in<br />

den Unternehmen sofort geprüft und ggf. ausgetauscht. In einem Unternehmen sind Einschränkungen<br />

in bezug auf die Platz- und Bewegungsfreiheit festgestellt worden. Dort beeinträchtigt<br />

eine Ablage unter dem Tisch die Beinfreiheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.<br />

Trotz der relativ guten Ausstattungsbedingungen werden häufig physiologisch ungünstige<br />

Sitzhaltungen festgestellt, was auf Informations- und Wissensdefizite der Beschäftigten hinsichtlich<br />

einer gesunden rückenschonenden Sitzhaltung schließen lässt.<br />

Ein wesentlicher Schwachpunkt in der Gestaltung der Büroräume liegt in den vorgefundenen<br />

mangelhaften Beleuchtungs- und Sehbedingungen, dem als störend empfundenen Lärm<br />

(Geräusche) sowie der oftmals nicht im Behaglichkeitsbereich liegenden klimatischen Bedingungen.<br />

65


Die Anordnung der Arbeitsplätze im Großraumbüro kann selten für alle Beschäftigten gleichermaßen<br />

gute Sehbedingungen gewährleisten. In drei Call Centern ist die Lage der Arbeitsplätze<br />

zur Beleuchtungsanlage und zu den Fensterfronten ungünstig. Spiegelungen,<br />

Reflexionen und Blendungen stören und beeinträchtigen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.<br />

In bezug auf das Klima wird über trockene Luft, Zugluft und insbesondere im Sommer<br />

über zu hohe Raumtemperaturen geklagt. Einzelne Messungen hinsichtlich der Beleuchtung<br />

und des Lärms untermauern die Ergebnisse. Auf eine ausführliche Darstellung der Messungen<br />

und der Messergebnisse wird an dieser Stelle verzichtet, da ausführliche Beschreibungen<br />

zu dieser Thematik und detaillierte Lösungsvorschläge in dem Leitfaden „Ergonomie und<br />

Arbeitsumgebung“ zu finden sind.<br />

Die Gestaltung des Arbeitsplatzes ist ein sensibles Thema und sollte nicht ohne Einbeziehung<br />

der Beschäftigten erfolgen. Bei reinen Expertenlösungen besteht die Gefahr,<br />

dass gut gemeinte und fachlich richtige Lösungen von den Beschäftigten nicht<br />

akzeptiert werden und somit die erwünschte positive Wirkung ausbleibt bzw. neue<br />

negative Begleiterscheinungen auftreten können.<br />

Ein Beispiel dafür ist die Installation von Trennwänden zur Verminderung von Geräuschbelästigungen<br />

der Beschäftigten durch die Kundenarbeit der Kolleginnen und Kollegen im Arbeitsraum.<br />

Der störenden Geräuschentwicklung kann z. B. durch die Einrichtung von Trennwänden<br />

entgegengewirkt werden. Der Einrichtung von derartigen Lärmwänden steht oftmals<br />

das Bedürfnis und auch die Notwendigkeit der Möglichkeit zur Kommunikation mit benachbarten<br />

Arbeitsplätzen entgegen. Nach Kompromisslösungen ist zu suchen.<br />

4.2.5 Kurzfristige Fehlbeanspruchungsfolgen<br />

Orientierende Messungen zu den kurzfristigen Beanspruchungsfolgen erfolgen mit Hilfe der<br />

Beanspruchungsmessskalen BMS II (Plath & Richter, 1984). Ergänzend dazu werden die<br />

Beanspruchungsratings (Quaas in Anlehnung an Plath / Richter) eingesetzt. Die Ergebnisse<br />

der Beanspruchungsratings haben den Vorteil, dass auch bei vorsichtiger Beantwortung der<br />

Einzelfragen durch die Beschäftigten, Trends hinsichtlich auftretender Fehlbeanspruchungsfolgen<br />

erkennbar werden. Das ist insbesondere in den vorliegenden Untersuchungsfeldern<br />

sehr bedeutsam, da wie bereits im Punkt 4.2.2 beschrieben, viele Beschäftigte in den<br />

Call Centern zuvor arbeitslos waren und die Freude über einen Arbeitsplatz bzw. die Skepsis<br />

gegenüber derartigen Befragungsaktionen einen nicht zu unterschätzenden Einfluss darstellen<br />

kann.<br />

66


Bei der Entwicklung von Gestaltungsmaßnahmen spielt die Analyse kurzfristiger Fehlbeanspruchungsfolgen<br />

eine große Rolle (vgl. Pkt 2.2.2 und Abb. 10).<br />

Das Ergebnis der Analysen ist zusammengefasst in der Abbildung 27 dargestellt.<br />

CCM1<br />

CC M2<br />

Monotonie - mittlere Beeinträchtigung<br />

Psychische Ermüdung - leichte Beeinträchtigung<br />

Psychische Sättigung – starke Beeinträchtigung<br />

CC M3<br />

keine Beeinträchtigung (Tendenz Monotonie)<br />

(Inb.)<br />

CC M3<br />

Monotonie – leichte Beeinträchtigung<br />

(outb.)<br />

Abb. 27: Fehlbeanspruchungsfolgen<br />

Die Beanspruchungsfolge Monotonie ist gekennzeichnet durch Langeweile und Interesselosigkeit<br />

infolge eintöniger, unterfordernder Tätigkeit. Insbesondere in den Call Centern I und<br />

III, wo einfache Aufgabenstrukturen vorherrschen und häufige Wiederholung ähnlicher Kundenanfragen<br />

bzw. Handlungen erfolgen, tritt Monotonie bzw. die Tendenz dazu auf. Folgen<br />

von Monotonie können nachlassende Konzentration, Unlustgefühl, Interesselosigkeit und<br />

eine verringerte Arbeitszufriedenheit sein.<br />

Im Call Center II treten die Beanspruchungsfolgen psychische Ermüdung und psychische<br />

Sättigung auf. Die Beanspruchungsfolge psychische Ermüdung wird als Zustand der Erschöpfung<br />

und Müdigkeit definiert, die nach längerer Tätigkeitsdauer bzw. erhöhter Schwierigkeit<br />

entsteht. Die Aktivierung ist bei diesem psychophysiologischen Zustand anfangs kompensatorisch<br />

erhöht, bei längerer Dauer gesenkt. Im Zusammenhang mit psychischer Ermüdung<br />

treten insbesondere Leistungsschwankungen und Fehlhandlungen auf.<br />

Psychische Sättigung ist ein Zustand unlustbetonter Gereiztheit bei erlebter fehlender Sinnhaftigkeit<br />

der Aufgabe. Die Fehlbeanspruchungsfolge ist in der Regel mit Arbeitsunzufriedenheit,<br />

Demotivation und "Dienst nach Vorschrift" verbunden.<br />

Die Beanspruchungsfolgen „Psychische Sättigung“ und Psychische Ermüdung im Call Center<br />

II deuten möglicherweise auf eine mangelnde Lernförderlichkeit der Arbeit, wenig Beteili-<br />

67


gung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei der Gestaltung der Arbeit sowie einseitige körperliche<br />

Belastungen hin.<br />

Vertiefende Informationen und weitere detaillierte Analyseergebnisse zu Fehlbeanspruchungsfolgen<br />

im Call Center sind in dem <strong>Report</strong> „Effektive Arbeitsgestaltung“ und „Psychische<br />

Belastungen und Beanspruchungen im Call Center“ des Verbundes der Universitäten<br />

Dresden, Potsdam und Wuppertal beschrieben.<br />

4.2.6 Ressourcen<br />

Ressourcen sind Bedingungen und Schutzfaktoren, die dazu beitragen, die <strong>Gesundheit</strong> und<br />

das Wohlbefinden des Einzelnen trotz Belastungen aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen.<br />

<strong>Gesundheit</strong> ist ein Prozess der Erzeugung, Aufrechterhaltung und Wiederherstellung<br />

einer dynamischen Balance und setzt das permanente Nutzen oder Beeinflussen von personalen<br />

und situativen Bedingungen voraus (Riemann und Udris in Strohm und Ulich 1998).<br />

Dieser Prozess ist abhängig von der Verfügbarkeit bzw. Nutzung innerer (personaler) und<br />

äußerer (situativer, organisationaler und sozialer) Ressourcen von <strong>Gesundheit</strong>. (vgl. Pkt<br />

2.2.1)<br />

Der Fragebogen „Salutogenetische Subjektive Arbeitsanalyse“ (SALSA; Udris & Rimann,<br />

1999) erfasst Arbeitsanforderungen und Arbeitsbelastungen einer Tätigkeit sowie <strong>Gesundheit</strong>sressourcen<br />

im persönlichen, im sozialen und organisationalen Bereich.<br />

Es wird das von den Befragten wahrgenommene Merkmal und nicht das von Außenstehenden<br />

beobachtete oder eingeschätzte Merkmal erfasst. Das Erhebungsinstrument SALSA<br />

wird in den Call Centern CCM1 bis CCM3 eingesetzt. Eine Auswahl der Ergebnisse ist in<br />

den Abbildungen 28 bis 31 dargestellt und werden mit den gemittelten Werten von 955<br />

Dienstleistungstätigkeiten (Vgl.955) verglichen. Die Beschreibung der dargestellten Skalen<br />

und Merkmale erfolgt jeweils in Anlehnung an Riemann und Udris in Strohm und Ulich 1998.<br />

68


1. Aufgabencharakteristika<br />

Skalen<br />

Ganzheitlichkeit der Aufgaben: Es wird der Grad erfasst, in dem bei der Arbeit<br />

eine Aufgabe vollständig erledigt wird. (Bearbeitung der Aufgabe von<br />

Beginn bis zum Ende und mit erkennbarem Ergebnis).<br />

Qualifikationsanforderungen: Erfasst wird, inwieweit die Erledigung der Aufgaben<br />

eine besondere Ausbildung, spezielle Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

bzw. eine selbständige Planung und Entscheidungen verlangen.<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Ganzheitlichkeit<br />

Qualifikationsanforderungen<br />

CCM1 CCM2 CCM3_in CCM3_out Vgl. 955<br />

Abb.28: Aufgabencharakteristika (Ergebnis der Analyse mit dem Erhebungsinstrument<br />

SALSA<br />

Erwartungsgemäß ist festzustellen, dass fast alle Einschätzungen in bezug auf die Ganzheitlichkeit<br />

der Arbeitsaufgabe und alle Einschätzungen bezüglich der Qualifikationsanforderungen<br />

geringer ausfallen, als die der Vergleichsgruppe. Die Beschäftigten im Call Center<br />

CCM2 erleben ihre Tätigkeit wenig ganzheitlich und trotzdem werden die Qualifikationsanforderungen<br />

hoch eingeschätzt. Möglicherweise werden Qualifikationsdefizite erlebt, weil<br />

Kundenanfragen aufgrund der Komplexität teilweise an Spezialisten (back-office) weitergeleitet<br />

werden müssen. Daraus kann sich dann auch die gleichzeitig unvollständig erlebte Erledigung<br />

der Arbeitsaufgaben erklären. Demgegenüber werden die Tätigkeiten im Outbound<br />

relativ ganzheitlich bewertet, jedoch spielen Qualifikationsanforderungen eine untergeordnete<br />

Rolle.<br />

69


2. Arbeitsbelastung<br />

Dieser Bereich bezieht sich auf Belastungen aus der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsorganisation<br />

bzw. auf soziale Belastungen.<br />

Überforderung durch die Arbeitsaufgabe:<br />

Quantitativ: Hierunter fallen Belastungen durch das anfallende Arbeitsvolumen,<br />

durch die parallele Erledigung mehrerer Aufgaben sowie durch Zeitdruck.<br />

Qualitativ: Eine qualitative Überforderung liegt vor, wenn zur Aufgabenerledigung<br />

andere Qualifikationen benötigt werden als die vorhandenen.<br />

Skalen<br />

Unterforderung (qualitativ)<br />

In dieser Skala wird die Nichtnutzung vorhandener Qualifikationen erfasst.<br />

Belastendes Sozialklima:<br />

Es werden Belastungen angesprochen, die durch den Umgang mit den Arbeitskollegen<br />

und Kolleginnen erlebt werden.<br />

Belastendes Vorgesetztenverhalten:<br />

Es sind Belastungen gemeint, die durch den Umgang mit Vorgesetzten erlebt werden.<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Überforderung Unterforderung Belastendes Sozialklima Belastendes<br />

Vorgesetztenverhalten<br />

CCM1 CCM2 CCM3_in CCM3_out Vgl. 955<br />

Abb.29: Arbeitsbelastungen (Ergebnis SALSA)<br />

70


Im Call Center CCM2 zeigt sich im Bereich der Arbeitsbelastungen, bedingt durch die Aufgabencharakteristik,<br />

eine Kombination von Überforderung und Unterforderung. Angegeben wird<br />

teilweise Überforderungserleben durch die Arbeitsaufgabe sowohl quantitativ als auch qualitativ.<br />

Gleichzeitig wird aber auch eine Unterforderung angegeben, eventuell begründet<br />

durch die einseitig erlebte Tätigkeit. In den Call Centern CCM1 und im Outbounbereich des<br />

CCM3 wird gegenüber der Vergleichsgruppe eine starke Unterforderung erlebt, was wiederum<br />

mit der geringen Komplexität der Kundenanfragen erklärt werden kann.<br />

Sozialklima und Vorgesetztenverhalten werden fast durchweg positiv beurteilt.<br />

Die kritische Ausprägung der sozialen Belastung im Call Center CCM2 ist möglicherweise<br />

weniger auf Schwierigkeiten bei der unmittelbaren Abstimmung und Zusammenarbeit in der<br />

Gruppe zurückzuführen, sondern ist auf das Verhältnis zu vor-, nach-, neben- oder übergeordneten<br />

Stellen und Bereichen bezogen.<br />

3. Organisationale Ressourcen<br />

Zu den wichtigsten organisationalen Ressourcen zählen Wahlmöglichkeiten, die den Beschäftigten<br />

zur Erledigung einer Tätigkeit zur Verfügung stehen. Diese Wahlmöglichkeiten<br />

werden in der Literatur mit z. B. Handlungs-, Entscheidungs-, und Gestaltungsspielraum,<br />

Freiheitsgrade oder Autonomie beschrieben (z. B. Hacker 1986, Semmer 1990, Ulich, 1994).<br />

Aufgabenvielfalt<br />

Es wird die qualitative Vielfalt der anfallenden Aufgaben erfasst. Fallen stets<br />

ähnliche Aufgaben an oder wird immer wieder etwas anderes getan?<br />

Skalen<br />

Qualifikationspotential der Arbeitstätigkeit<br />

Es wird nach dem Fähigkeitszuwachs bzw. Verlust durch die Arbeitstätigkeit<br />

gefragt sowie Lernmöglichkeiten bei der Arbeit erfasst, die auch als berufliche<br />

Zukunftschancen begriffen werden können.<br />

Tätigkeitsspielraum (Entscheidungs- und Kontrollspielraum)<br />

Erfragt werden die Möglichkeiten Entscheidungen zu treffen, die Arbeit selbständig<br />

einzuteilen (einschl. Ausführungsvarianten).<br />

Partizipationsmöglichkeiten<br />

Es wird erfasst, inwieweit über Änderungen der Arbeitsorganisation informiert<br />

und inwiefern bei Veränderungen auch Eigeninitiative, Mitsprache und Beteiligung<br />

möglich sind.<br />

71


5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Aufgabenvielfalt Qualifikationspotential Tätigkeitsspielraum Partizipationsmöglichkeiten<br />

CCM1 CCM2 CCM3_in CCM3_out Vgl. 955<br />

Abb.30: Organisationale Ressourcen im Betrieb (SALSA)<br />

Die organisationale Ressourcen werden im Vergleich zu allgemeinen Sachbearbeitertätigkeiten<br />

insgesamt geringer eingeschätzt. Am geringsten wird der Tätigkeitsspielraum empfunden,<br />

gefolgt von der Aufgabenvielfalt und der Nutzung des Qualifikationspotentials. Die<br />

positive Bewertung der Partizipationsmöglichkeiten im CCM1 beruhen möglicherweise auf<br />

der Möglichkeit der Beschäftigten, bei der Gestaltung der Programminformationssysteme<br />

mitzuwirken.<br />

4. Soziale Ressourcen im Arbeitsbereich / Soziale Unterstützung im Betrieb<br />

Positives Sozialklima<br />

Ein positives Sozialklima beinhaltet gegenseitiges Interesse, Vertrauen, Offenheit<br />

und Humor im Umgang mit anderen Personen bei der Arbeit.<br />

Skalen<br />

Mitarbeiterorientiertes Vorgesetztenverhalten<br />

Es wird erfasst, inwieweit der Vorgesetzte für den Mitarbeiter zugänglich ist<br />

sowie ein faires und respektvolles Verhalten erlebt wird.<br />

Soziale Unterstützung durch Vorgesetzte und Arbeitskollegen<br />

Es wird jeweils erfasst, inwieweit der Vorgesetzte bzw. die Arbeitskollegen ein<br />

offenes Ohr für den Beschäftigten haben und bereit ist zu helfen.<br />

72


5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Positives Sozialklima<br />

positives<br />

Vorgesetztenverhalten<br />

Soziale Unterstützung<br />

Vorgesetzte<br />

Soziale Unterstützung<br />

Kollegen<br />

CCM1 CCM2 CCM3_in CCM3_out Vgl. 955<br />

Abb. 31: Soziale Ressourcen SALSA<br />

Im Durchschnitt recht hohe Ressourcen werden im sozialen Bereich der Arbeit erlebt. Sowohl<br />

ein gutes soziales Klima (d.h. gegenseitiges Interesse, Vertrauen und Offenheit), als<br />

auch die soziale Unterstützung durch Kollegen wird positiv eingeschätzt. Hoch wird die soziale<br />

Unterstützung durch Vorgesetzte und ein mitarbeiterorientiertes Vorgesetztenverhalten<br />

gesehen. Die überdurchschnittliche Ausprägung der Merkmale gegenüber der Vergleichsgruppe<br />

ist möglicherweise auch auf die relativ jungen Unternehmen und auf die Rekrutierung<br />

der Beschäftigten aus der Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Das Call Center CCM2 existiert<br />

am längsten und die Ergebnisse liegen denen der Vergleichsgruppe am nächsten.<br />

73


4.3 Analysen des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik<br />

Neuruppin<br />

4.3.1 Analyseansatz<br />

Wenn von Verbesserungen der Arbeitsbedingungen gesprochen wird, assoziiert der Unternehmer<br />

damit in aller Regel die Verbesserung der materiell-technischen Ausstattung. Auf<br />

eine gleichwertige Verhaltensbeeinflussung der Agenten zur Stabilisierung ihrer <strong>Gesundheit</strong><br />

wurde aus Unkenntnis der Sachlage in der Praxis wenig Wert gelegt, wie bisherige Untersuchungen<br />

des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin (AAS) belegen können.<br />

Es dürfte daher nicht verwunderlich sein, dass trotz optimal gestalteter ergonomischer<br />

Bedingungen oft gesundheitliche Probleme auftreten können, deren Ursachen neben der<br />

hohen psychischen Beanspruchung auch im individuellen (Fehl)verhalten der Agents zu sehen<br />

sind. Reserven für die Verbesserung der Mitarbeitergesundheit liegen demnach neben<br />

der Verbesserung der Arbeitsbedingungen (Verhältnisprävention) auch in der positiven Veränderung<br />

des Verhaltens der Mitarbeiter (Verhaltensprävention).<br />

Verhältnis- und Verhaltensprävention sind untrennbar miteinander verbunden. Es stellt sich<br />

die Frage, an welcher Stelle die Verhaltensprävention die Verhältnisprävention unter den<br />

speziellen Bedingungen im Call Center sinnvoll ergänzen kann.<br />

Durch das AAS wurde das Ziel verfolgt, zum einen den Einfluss der Verhaltensprävention auf<br />

die Gesamtproblematik Abbau arbeitsbedingter <strong>Gesundheit</strong>sgefahren zu untersuchen und<br />

zum anderen ein Analyseinstrument zu entwickeln, womit Unternehmer und Sicherheitsexperten<br />

schnell und unkompliziert unter Beteiligung der Mitarbeiter Gestaltungsbedarf in den<br />

einzelnen Unternehmensbereichen erkennen können.<br />

Der Interventionsbedarf wurde anhand eines Expertenurteils ermittelt. Andererseits wurde<br />

unter Einbeziehung der Mitarbeiter deren subjektive Sichtweise bezüglich der Einflussfaktoren<br />

bei der Arbeit abgefragt. Grundgedanke war, die Arbeitsbedingungen zum einen aus<br />

Sicht der Fachexperten (z. B. Arbeitsschutzexperten, Arbeitsorganisationspsychologen, Betriebsärzte,<br />

Fachkräfte für Arbeitssicherheit) beurteilen zu lassen und das Ergebnis zum anderen<br />

den subjektiven Aussagen aus Mitarbeiterbefragungen der Call Center Agents gegen-<br />

74


überzustellen. Auf diese Weise wurden objektiv vorhandene, zum Teil auch konkret messbare<br />

Faktoren und subjektiv empfundene Belastungen aufeinander bezogen. Aus der Synthese<br />

beider Ergebnisse wurden dann gezielt Lösungen entwickelt, mit denen sowohl die allgemeinen<br />

Arbeitsbedingungen als auch das persönliche Verhalten der Mitarbeiter positiv verändert<br />

werden können. Nicht jedes Defizit in den Arbeitsbedingungen wurde von den Agents als<br />

Belastung empfunden. Umgekehrt konnten selbst an ergonomisch gut gestalteten Arbeitsplätzen<br />

subjektiv wirkende Faktoren wahrgenommen werden, die das Wohlbefinden der A-<br />

gents in individuell unterschiedlicher Ausprägung beeinträchtigten. Basierend auf dieser Tatsache<br />

ergaben sich Schwerpunkte für die Maßnahmenumsetzung nach Dringlichkeit und<br />

Kostenaufwand.<br />

Die Abbildung 32 zeigt die Vorgehensweise in einer Übersicht. Sie wurde in Anlehnung an<br />

Empfehlungen aus dem SANUS-Handbuch (BAUA 1997) entwickelt.<br />

Abgeleitet von diesem Ansatz stellte sich das AAS die Aufgabe, auf Call Center zugeschnittene<br />

verhaltenspräventive Maßnahmen der <strong>Gesundheit</strong>sförderung einem Praxistest zu unterziehen.<br />

In mehreren Call Centern erfolgte eine Evaluationsstudie zur Wirkung von Trainingsmaßnahmen<br />

auf die physische und psychische <strong>Gesundheit</strong> der Agents. Eine<br />

Vorher- / Nachhermessung sollte neben der Bewertung der Teilnehmerzufriedenheit zu erwartende<br />

Verbesserungen des <strong>Gesundheit</strong>szustandes im Rückschluss auf die einzelnen<br />

Maßnahmen aufzeigen.<br />

75


Fachexpertenbeteiligung<br />

Mitarbeiterbeteiligung<br />

(Partizipation)<br />

Vorbereitung und Planung<br />

Mitarbeiterinformation über Sinn<br />

und Zweck des Vorhabens<br />

Grobanalysen<br />

Physische und psychische<br />

Belastung<br />

Mitarbeiterbefragung zum Belastungsempfinden<br />

und Beschwerdebildern<br />

ggf. Feinanalyse<br />

Schwerpunktmäßige Maßnahmeentwicklung als Synthese aus Expertenbeurteilung<br />

und Mitarbeiterbefragung<br />

Maßnahmeauswahl unter Mitarbeiterbeteiligung<br />

Maßnahmeumsetzung<br />

<strong>Erfolg</strong>skontrolle<br />

Prozessstabilisierung durch Wiederholung der Mitarbeiterbefragung in definierten Zeitabständen<br />

sowie Expertenanalyse bei Änderung der Arbeitsbedingungen<br />

Abb. 32 Grundsätzliche Vorgehensweise<br />

76


4.3.2 Methodische Vorgehensweise<br />

Die Analysen wurden unter Fachexpertenbeteiligung und unter Mitarbeiterbeteiligung durchgeführt.<br />

Dabei kam einerseits bereits vorhandenes Methodeninventar zum Einsatz und andererseits<br />

entsprechend des Projektauftrages ein seitens des AAS entwickeltes Analyseinstrument.<br />

Das vom AAS entwickelte Instrument wurde im Projektverlauf hinsichtlich seiner Eignung<br />

erprobt und steht als Tool „Arbeitsschutz im Call Center-Screening“ zur Verfügung. Es<br />

handelt sich dabei um ein Instrument zur anonymen schriftlichen Mitarbeiterbefragung.<br />

Grundsätzlich lässt sich die Vorgehensweise je nach Unternehmenserfordernissen in den<br />

Analysemethoden variieren.<br />

Zunächst werden die angewendeten Methoden der Fachexpertenbeteiligung beschrieben<br />

und anschließend die Methoden der Mitarbeiterbeteiligung.<br />

Fachexpertenbeteiligung<br />

Erfassung der Arbeitsumgebungsbedingungen<br />

Für die Analyse der Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen steht eine Vielzahl gut aufgearbeiteter<br />

Checklisten, die je nach Ziel anwendbar sind, zur Verfügung.<br />

Z. B.:<br />

• Beurteilung der Arbeitsbedingungen für Arbeitsplätze in Büro und Verwaltung<br />

G + S Gesund und Sicher 10/97, S. 302<br />

• Arbeitsblatt „Bildschirmarbeit“<br />

Handlungsanleitung zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei der Bildschirmarbeit<br />

LASI - Veröffentlichung 14. Oktober 1997<br />

• Sichere und gesundheitsgerechte Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen<br />

BAGUV Oktober 1997<br />

Das AAS hat sich für die Untersuchungen in den Call Centern entsprechend der Problemstellung<br />

in den Unternehmen für das Verfahren SAHIB 96 zur Beurteilung der Bildschirmarbeitsplätze<br />

entschieden (s. Anlage 1). Eine Betriebs- und Arbeitsstättenbegehung bildete die<br />

Grundlage für die ergänzende Analyse wichtiger Randbedingungen. Dazu wurden o. g.<br />

Checklisten oder Teilabschnitte der Checklisten verwendet.<br />

! "#$ % % & '" <br />

Die Messung physikalischer Einflussfaktoren erfolgte durch die Mitarbeiter des AAS. Folgende<br />

Messgeräte kamen zum Einsatz:<br />

77


1. Lärm: integrierender Präzisionsschallpegelmesser Typ 2236<br />

2. Klima: Sekunden - Anemometer „testo 452“<br />

3. Beleuchtung: Luxmeter 106e mit externem Photometer-Kopf<br />

Hinweis:<br />

Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind in der Regel ebenfalls in der Lage, Messungen durchzuführen,<br />

ebenso die zuständige Berufsgenossenschaft.<br />

Beobachtung verhaltensbedingter Einflussfaktoren<br />

Mögliche verhaltensbedingte Einflussfaktoren wurden vom Projektteam durch Beobachtung<br />

und Befragungen in den Unternehmen ermittelt.<br />

Die Erfassung verhaltensbedingter Einflussfaktoren ist in der Praxis unüblich und bisher in<br />

keiner Weise normiert und in Fragebögen erfasst. Wie aus Punkt 3 Betriebliche <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

hervorgeht, stehen Verhältnis- und Verhaltensprävention in einem engen,<br />

untrennbaren Zusammenhang und deshalb wurde hier das Verhalten der Mitarbeiter in die<br />

Betrachtung einbezogen.<br />

Durch Beobachtung von z. B. Sitzhaltungen, Stuhleinstellungen, Haltungswechseln wurde<br />

immer wiederkehrendes Fehlverhalten mit zu erwartenden gesundheitlichen Auswirkungen<br />

sichtbar.<br />

Bei der Beobachtung sind Vorkenntnisse zur Problemerkennung erforderlich. Deshalb wurden<br />

Betriebsärzte, Physiotherapeuten und Sportwissenschaftler einbezogen. Diese waren in<br />

der Lage, sowohl allgemeine als auch ganz individuelle Probleme der Mitarbeiter zu erkennen<br />

und konkrete Maßnahmen beispielsweise zum Belastungsabbau zu empfehlen.<br />

Mitarbeiterbeteiligung<br />

Mitarbeiterbefragung<br />

Vor Projektbeginn wurde auf eine detaillierte Information der Mitarbeiter zum Projekt, seinen<br />

Zielen und seinem Verlauf Wert gelegt. Die Befragung wurde anonym durchgeführt. Um die<br />

Anonymisierung zu gewährleisten und bei Wiederholung der Befragung die Aussagen der<br />

Agenten vergleichen zu können, wurde eine Codierung der Fragebögen vorgenommen (siehe<br />

Tool 2 „Arbeitsschutz im Call Center–Screening“).<br />

78


(<br />

(<br />

(<br />

(<br />

(<br />

(<br />

Die Codierung wurde bewusst so gewählt, dass Rückschlüsse auf in der Personalakte enthaltene<br />

Daten nicht möglich sind.<br />

Die Mitarbeiterbefragung erfolgte auf freiwilliger Basis und erfasste folgende Schwerpunkte:<br />

Demographische Daten: persönliche Voraussetzungen, der Call Center Agenten wie<br />

Geschlecht, Alter, soziale Einbindung, Schul- und Berufsabschluss, durchgeführte Weiterbildungsmaßnahmen<br />

<strong>Gesundheit</strong>szustand: Krankheiten und Beschwerden sowie daraus resultierende<br />

Fehltage im Unternehmen<br />

Arbeitsplatzumgebungsbedingungen, die sich aufgrund des Vorhandenseins belastend<br />

auswirken oder zu Beschwerden führen<br />

Subjektive Einschätzung der ausgeführten Tätigkeit, Entlohnung, Schicht- und Pausenregime<br />

Teilnahme an gesundheitsförderlichen Maßnahmen bzw. die diesbezüglichen Wünsche<br />

Verbale Änderungs- oder Verbesserungsvorschläge zur Arbeits- und Arbeitsplatzgestaltung<br />

Ermittelte Übereinstimmungen in den subjektiven Aussagen der Call Center Agenten (Mitarbeiterbeteiligung)<br />

mit den nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen objektiv ermittelten<br />

Defiziten (Fachexpertenbeteiligung) galten als sicheres Indiz dafür, die Arbeitsbedingungen<br />

positiv verändern zu können. Außerdem konnte dadurch eine Rang- und Reihenfolge der<br />

Maßnahmen entsprechend der erlebten Wichtigkeit von den Mitarbeitern aufgestellt werden.<br />

Welche Maßnahmen dabei konkret zur Umsetzung kamen, entschied sich nach den Bedingungen<br />

des Einzelfalls unternehmens- und anlassbezogen.<br />

4.3.3 Untersuchungsfelder und Analyseergebnisse<br />

In die Untersuchung waren 4 Call Center einbezogen. Sie wiesen hinsichtlich ihrer Aufgabenstruktur,<br />

Unternehmensgröße usw. erhebliche Unterschiede auf. Mit diesen unterschiedlichen<br />

Untersuchungsvoraussetzungen konnte der Einfluss arbeitsbedingter Belastungen auf<br />

den <strong>Gesundheit</strong>szustand der Mitarbeiter unter verschiedenen Rahmenbedingungen ermittelt<br />

werden.<br />

Die in folgender Tabelle charakterisierten Call Center wurden in das Projekt involviert:<br />

79


CCN1<br />

CCN2<br />

CCN3<br />

CCN4<br />

Dienstleister<br />

Inbound / Outbound (je nach Auftragslage)<br />

z. Z. ca. 58 Beschäftigte<br />

Leistungsspektrum: Kundengewinnung, Adressqualifizierung, Marktforschung,<br />

Marktumfrage, Bestellannahme, Reklamation, Produktinformation, Service-<br />

Hotline<br />

Dienstleister<br />

Primär Inbound, wenig Outbound<br />

z. Z. ca. 28 Mitarbeiter<br />

Leistungsspektrum: Störungsannahme, Produkt-Hotline, Vetriebs - Hotline,<br />

Kundenbefragungen (alles im Bereich TK - Anlagen und Endgeräte)<br />

Dienstleister<br />

Vorwiegend Outbound (90 %), Inbound (10 %)<br />

z. Z. ca. 60 Mitarbeiter (vorwiegend 30h / Woche beschäftigt)<br />

Leistungsspektrum: Kundenservice, Kundenbindung, Kundengewinnung, Bestellannahme,<br />

Buchungsservice, Verkauf, Beschwerdemanagement, Mahnwesen,<br />

Arbeit mit E-Mail und Internet, Postbearbeitung<br />

Dienstleister<br />

Outbound / Inbound (je nach Auftragslage)<br />

z. Z. ca. 550 Mitarbeiter<br />

Leistungsspektrum: Verkauf, Kundenservice, Kunden-Hotline, Telemarketing,<br />

Zufriedenheitsanalysen, E-Mail-Bearbeitung, Produkt-/Servicewerbung, Postbearbeitung<br />

Abb.33: Kurzcharakteristik der Untersuchungsfelder<br />

Fachliche Grundlage für das Expertenurteil bildeten gesetzliche Grundlagen und arbeitswissenschaftliche<br />

Erkenntnisse. Es wurden jeweils Ist-Zustände erfasst, die mit vorhandenen<br />

Normen und Grenzwerten zu vergleichen waren. Das traf nicht zu bei verhaltensbedingten<br />

Belastungen, für die es keine entsprechenden Richtlinien gibt.<br />

Die Mitarbeiterbefragungen sollten hauptsächlich Aufschluss darüber geben, welche Arbeitsbedingungen<br />

von den Call Center Agenten in besonderem Maße als belastend eingeschätzt<br />

wurden und zu welcher Art der individuell erlebten Beanspruchung diese Bedingungen führten.<br />

Daraus wurden für die in Punkt 5.3 beschriebenen Trainingsmaßnahmen auch die verhaltenspräventiven<br />

Maßnahmen abgeleitet und zur Umsetzung empfohlen.<br />

80


Verbale Meinungsäußerungen der Mitarbeiter verdeutlichten ergänzend latente Unzulänglichkeiten<br />

in den Unternehmen sowie persönliche Wünsche der Call Center Agents und enthielten<br />

vielfach bereits Lösungsvorschläge und -ansätze. Die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung<br />

zeigten den Unternehmen ganz eindeutig die dringendsten Probleme, die demnach<br />

auch zuerst gelöst werden sollten.<br />

Die wesentlichen Ergebnisse der Fachexpertenbeteiligung und der Mitarbeiterbefragung<br />

werden entsprechend der Vorgehensweise in den nachfolgenden Tabellen gegenübergestellt<br />

und erläutert.<br />

Abbildung 34 zeigt noch einmal die spezielle Vorgehensweise in den untersuchten Call<br />

Centern in einem Überblick.<br />

Fachexpertenbeteiligung<br />

Vorbereitung und Planung<br />

Projektvorstellung im Unternehmen –<br />

Projektskizze<br />

Grobanalyse –<br />

Ermittlung der Arbeitsplatzbedingungen<br />

- Klimamessung<br />

- Beleuchtungsmessung<br />

- Lärmmessung<br />

- Ermittlung von Defiziten gemäß<br />

Arbeitsstättenverordnung,<br />

Bildschirmarbeitsverordnung<br />

- Verhaltensanalyse durch Beobachtung<br />

und Befragung (z. B.<br />

Sitzen, Pausenverhalten,<br />

Kurzpausen)<br />

ggf. Feinanalyse<br />

- in einigen Call Centern Beleuchtungsmessungen<br />

Mitarbeiterbeteiligung<br />

Mitarbeiterinformation<br />

durch Experten selbst und durch Unternehmensleitung<br />

bzw. Teamleiter<br />

Mitarbeiterbefragung zu Belastungsempfindungen<br />

und Beschwerden (anonym,<br />

codiert) vom AAS Neuruppin<br />

- demographische Daten<br />

- qualifikatorische Voraussetzungen<br />

- Weiterbildungsmaßnahmen<br />

- <strong>Gesundheit</strong>szustand<br />

- Arbeitsplatzbedingungen (Vorkommen<br />

und individuelles Belastungsempfinden)<br />

- Angebote und Nutzung von<br />

gesundheitlichen Maßnahmen<br />

- Zufriedenheit mit der Tätigkeit,<br />

Arbeitszeiten, Software, Vorgesetzen<br />

- Verbale Änderungsvorschläge zur<br />

Arbeits- und Umgebungsgestaltung<br />

Auswertung<br />

Abb. 34: Spezielle Vorgehensweise in den Call Centern<br />

81


Im Folgenden wurden die Ergebnisse der Expertenbeurteilung und der Mitarbeiterbefragung<br />

tabellarisch dargestellt.<br />

Der Auswertung der Analyseergebnisse vorangestellt wurde jeweils eine Allgemeincharakteristik<br />

des Unternehmens bezüglich des Alters der Mitarbeiter, der täglichen Arbeitszeit und<br />

der Büroausstattung.<br />

In der Spalte Parameter der Tabellen sind die hauptsächlichen Untersuchungsparameter<br />

aufgeführt, die in jedem Call Center entweder von den Experten oder von den Call Center<br />

Agenten als mangelbehaftet bzw. störend oder belastend eingeschätzt wurden.<br />

Die Spalte Expertenbeurteilung enthält bewertete Aussagen aus einem Ist-Soll-Vergleich<br />

gesetzlicher Grenzwerte und Normen bezüglich der vorgefundenen Zustände im Unternehmen.<br />

Diese wird der Mitarbeiterbefragung gegenübergestellt, die das subjektive Empfinden<br />

dazu widerspiegelt.<br />

CCN 1<br />

Allgemeine Ergebnisse<br />

Mitarbeiter:<br />

Arbeitszeit:<br />

- überwiegende Altersgruppe 35-44 Jahre<br />

- in der Regel 8 Stunden täglich (auftragsabhängig),<br />

- starre Pausenzeiten, keine Kurzpausen<br />

Büroausstattung:<br />

- Nutzung eines vorhandenen Bürogebäudes ohne aufwändige Umbauten<br />

- Großraumbüros<br />

- Nutzung bereits vorhandener Arbeitstische und Arbeitsdrehstühle<br />

- keine schalldämmenden Zwischenwände am Arbeitsplatz vorhanden<br />

- keine Klimaanlage, Lüftung über Fenster<br />

- Spiegelrasterleuchten<br />

82


Analyseergebnisse<br />

Parameter Expertenbeurteilung Ergebnis Mitarbeiterbefragung<br />

Beleuchtung Allgemeinbeleuchtung ist ausreichend<br />

– wird selten genutzt<br />

Starke Blendung/Reflexion durch<br />

Leuchten/Fenster<br />

Stofflamellen bieten keinen ausreichenden<br />

Sonnenschutz<br />

Temperatur • etwas zu warm<br />

Luftfeuchte • Luftfeuchte liegt im unteren<br />

Drittel des empfohlenen Normbereiches<br />

Lärm • empfohlener Grenzwert überschritten<br />

Möblierung • Tische nicht höhenverstellbar<br />

• 7 unterschiedliche Stuhlmodelle<br />

mit Mängeln<br />

• Fußstützen fehlen<br />

Sonstige gesundheitsrelevantgungsmangel<br />

• statische Körperhaltung, Bewe-<br />

Bedingungen • Beobachtung falscher Sitzungshaltungen<br />

• kaum theoretische Kenntnisse<br />

zu gesundem Sitzen vorhanden<br />

• falsche Stuhleinstellung<br />

• bisher keine gesundheitsförderlichen<br />

Maßnahmen angeboten<br />

Vorgesetztenverhalten<br />

• im Projektverlauf gegenüber<br />

Projektpartnern kaum<br />

kooperativ<br />

wird subjektiv als grell und blendend<br />

empfunden<br />

Blendung und Reflexion stören<br />

65,2 % der Mitarbeiter am häufigsten<br />

[Mitarbeitervorschläge: Bildschirmfilter]<br />

• ohne Beanstandungen<br />

• stört 47,8 % der Mitarbeiter<br />

[Mitarbeitervorschläge: bessere<br />

Headsets, Schallschutz]<br />

• 43,5 % der Mitarbeiter fühlen<br />

sich beeinträchtigt<br />

• ständiges Sitzen stört 13 %<br />

der Mitarbeiter sogar sehr,<br />

[Mitarbeitervorschläge:<br />

abwechslungsreiche Tätigkeit,<br />

bessere Stühle, höhenverstellbare<br />

Tische, Beinfreiheit schaffen]<br />

Wesentliche <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden<br />

– Rangfolge<br />

- Nackenschmerzen<br />

- Nasenbeschwerden<br />

- Bandscheibenerkrankungen<br />

- Stimmprobleme<br />

- Sehstörungen<br />

- Erschöpfung, Schlafstörungen,<br />

Unruhe<br />

• 43,5 % der Befragten waren<br />

mit dem Verhalten unzufrieden<br />

83


Die Allgemeinbeleuchtung entsprach an allen Arbeitsplätzen den gesetzlichen Vorgaben. Sie<br />

wurde dennoch ungern genutzt, da sie subjektiv von den Mitarbeitern als grell und blendend<br />

empfunden wurde. Das war u. a. zurückzuführen auf die Reflexion der Leuchten auf den<br />

Bildschirmen. Die Mitarbeiter fühlten sich am häufigsten durch Blendung und Reflexionen<br />

gestört, was objektiv auch als ein Schwerpunkt in der Expertenbeurteilung zum Ausdruck<br />

kam. Die ungünstige Anordnung der Spiegelrasterleuchten über den Bildschirmarbeitsplätzen<br />

und die unzureichenden Sonnenschutzmaßnahmen hatten weitere negative Auswirkungen<br />

zur Folge. Um Bildschirmzeichen besser erkennen zu können, wurde nicht selten eine<br />

verdrehte und verkrampfte Sitzhaltung eingenommen.<br />

Die Lärmmessungen ergaben zum Teil recht hohe Überschreitungen des empfohlenen<br />

Grenzwertes, was auch von den Mitarbeitern am zweithäufigsten als Störfaktor genannt wurde.<br />

Das ständige Sitzen unter ergonomisch mangelhaften Bedingungen und unter dem Aspekt<br />

der starren Pausen (ohne Kurzpausen) war für die Hälfte der Mitarbeiter ein Belastungsfaktor.<br />

Zu beobachten war auch, dass bei erhöhtem Schalldruckpegel die Call Center Agents<br />

lauter zu sprechen begannen. Das zeigt sich nicht zuletzt in den Stimmproblemen, die in der<br />

Rangfolge der Beschwerden bei den Call Center Agents auf Platz 4 anzutreffen waren.<br />

Vom Unternehmen wurden keine gesundheitsförderlichen Maßnahmen angeboten und auch<br />

nicht für notwendig erachtet. Die Expertenbeobachtungen und -befragungen zeigten, dass<br />

die Mitarbeiter für das Thema Verhaltensprävention unzureichende theoretische Kenntnisse<br />

besaßen.<br />

Falsche Einstellungen der Stühle und verkrampfte Sitzhaltungen waren gehäuft zu sehen. In<br />

Korrelation dazu sind die wesentlichen <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden zu betrachten. Nackenschmerzen<br />

sind in der Rangfolge der Beschwerden an erster Stelle genannt worden. Die<br />

Bandscheibenerkrankungen (Rang 3) sind weiteres durch schlechte ergonomische Bedingungen<br />

oder ungünstige Sitzhaltung hervorgerufenes Kriterium.<br />

Insgesamt war knapp die Hälfte der Befragten mit dem Verhalten der Vorgesetzten nicht einverstanden.<br />

Mitarbeitervorschläge, die bereits akzeptable Lösungsansätze für die vorliegenden<br />

Probleme boten, blieben unberücksichtigt.<br />

Dieses Call Center musste für weitere Untersuchungen und Interventionsmaßnahmen aus<br />

dem Projekt herausgenommen werden, da die Unternehmensleitung entgegen erster Zusagen<br />

nicht bereit war, die seitens des AAS vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen.<br />

84


CCN 2<br />

Allgemeine Ergebnisse<br />

Mitarbeiter:<br />

Arbeitszeit:<br />

- überwiegende Altersgruppe 35-44 Jahre<br />

- 8 Stunden täglich im zeitlichen Versatz,<br />

Pausenzeiten flexibel, Probleme mit Kurzpausen<br />

Büroausstattung:<br />

- Nutzung eines vorhandenen Bürogebäudes, zwei mittelgroße Büroräume<br />

- Insellösungen (Dreiergruppen der Arbeitstische)<br />

- schalldämmende Zwischenwände am Arbeitsplatz vorhanden<br />

- keine Klimaanlage, Lüftung über Fenster<br />

- Spiegelrasterleuchten<br />

Analyseergebnisse<br />

Parameter Expertenbeurteilung Ergebnis Mitarbeiterbefragung<br />

Beleuchtung • Allgemeinbeleuchtung ist ausreichend<br />

– wird selten genutzt<br />

• Nutzung von Einzelplatzbeleuchtung<br />

• Blendung/Reflexion durch unzureichende<br />

Sonnenschutzmaßnahmen<br />

(Stofflamellen, Reflexionen<br />

auf Schrankoberflächen,<br />

Blickrichtung nicht parallel zum<br />

Fenster)<br />

Temperatur • wird zentral geregelt, Temperatur<br />

Luftfeuchte<br />

liegt über empfohlenen<br />

Werten<br />

• Luftfeuchte zu gering (liegt unter<br />

Normbereich)<br />

Lärm • liegt im Bereich des Grenzwertes<br />

• 50 % der Mitarbeiter fühlen<br />

sich gestört durch Reflexion<br />

und Blendung<br />

[Mitarbeitervorschläge:<br />

Beleuchtung ändern]<br />

• 38,5 % der Mitarbeiter empfanden<br />

das Raumklima zu<br />

warm und trocken, dazu<br />

kommt elektrostatische Aufladung<br />

• als Störfaktor Nr. 1 angegeben<br />

von 54 % der Mitarbeiter<br />

[Mitarbeitervorschlag:<br />

Büros verkleinern]<br />

85


Möblierung • Stühle: neu, aber stark mängelbehaftet<br />

• ständiges Sitzen stört 30 %<br />

sehr, 50 % fühlen sich leicht<br />

• Pausenraum: „unwohnlich“, beeinträchtigt<br />

wird dadurch kaum genutzt [Mitarbeitervorschlag an 1. Stelle:<br />

bessere Stühle anschaffen, 2.<br />

Pausenraum <strong>gestalten</strong>]<br />

Sonstige gesundheitsrelevante<br />

Bedingungen<br />

Vorgesetztenverhalten<br />

• keine gesundheitsförderlichen<br />

Maßnahmen angeboten<br />

wesentliche <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden<br />

– Rangfolge<br />

• kaum theoretische Erkenntnisse<br />

zu gesundheitsgerechtem Verhalten<br />

vorhanden<br />

- Nackenbeschwerden<br />

- Bandscheibenerkrankungen<br />

- Kopfschmerzen<br />

• Bildschirmschoner mit Übungsvorschlägen<br />

wird nicht genutzt<br />

- Sehstörungen<br />

- Magen-Darmerkrankungen<br />

• wenig Haltungswechsel möglich - Herz-Kreislaufbeschwerden<br />

• falsche Stuhleinstellung - Stimmprobleme<br />

• falsche Sitzhaltung<br />

[Mitarbeitervorschlag:<br />

Pausengymnastik]<br />

• sehr kooperativ kaum Kritik am Vorgesetztenverhalten<br />

Die Allgemeinbeleuchtung entsprach bis auf wenige Ausnahmen an den Arbeitsplätzen den<br />

gesetzlichen Vorgaben. Sie wurde dennoch ungern genutzt, da sie von den Mitarbeitern<br />

subjektiv als grell und blendend empfunden wurde. Bereitgestellte Arbeitstischleuchten, die<br />

das Arbeitsfeld ausleuchteten, fanden eher Akzeptanz. Das war u. a. zurückzuführen auf die<br />

Reflexion der Leuchten auf den Bildschirmen und den Telefondisplays. In diesem Call Center<br />

fühlten sich die Mitarbeiter am zweithäufigsten durch Reflexion und Blendung stört, was objektiv<br />

auch als Schwerpunkt durch die Experten ermittelt wurde.<br />

Durch die Insellösung und die parallele Anordnung der Spiegelrasterleuchten kam es von<br />

vornherein zu ergonomisch ungünstigen Beleuchtungsverhältnissen. Unzureichende Sonnenschutzmaßnahmen<br />

verstärkten Blendung und Reflexion.<br />

Obwohl die Temperatur und Luftfeuchte objektiv nicht den Normen entsprach, wurden diese<br />

von den Mitarbeitern nicht als belastend eingeschätzt.<br />

Über die Hälfte der Mitarbeiter stört der Lärm, der jedoch messtechnisch nur vereinzelt geringfügig<br />

überschritten wurde.<br />

86


Trotz neuer Arbeitsstühle (jedoch mängelbehaftet) haben insgesamt 80 % der Mitarbeiter<br />

Probleme mit dem ständigen Sitzen, ein alarmierend hoher Prozentsatz. Die Beobachtungen<br />

und Befragungen zeigten, dass die Mitarbeiter für das Thema Verhaltensprävention unzureichende<br />

theoretische Voraussetzungen besaßen. Falsche Einstellungen der Stühle und verkrampfte<br />

Sitzhaltungen waren gehäuft zu beobachten. Nackenbeschwerden und Bandscheibenerkrankungen<br />

wurden in der Rangfolge der Beschwerden an den ersten beiden Stellen<br />

genannt und unterstreichen die Problemlage.<br />

Auch in diesem Call Center gibt es bereits akzeptable Problemlösungsvorschläge der Mitarbeiter,<br />

um den <strong>Gesundheit</strong>sbelastungen wirksam zu begegnen. Probleme mit dem Vorgesetztenverhalten<br />

waren aufgrund der Mitarbeiteräußerungen nicht erkennbar. Die Unternehmensleitung<br />

zeigte sich im Projekt sehr kooperativ. Im CCN 2 wurde aufgrund der Ergebnisse<br />

eine Rückenschule vorgeschlagen und durchgeführt, Angaben zu deren Verlauf sind unter<br />

Punkt 5.3.1 nachzulesen.<br />

CCN 3<br />

Allgemeine Ergebnisse<br />

Mitarbeiter:<br />

Arbeitszeit:<br />

Büroausstattung:<br />

- überwiegende Altersgruppe 35-44 Jahre<br />

- in der Regel 6 Stunden täglich, Anfangszeiten regelbar,<br />

Pausenzeiten individuell bestimmbar, Pausen auch bei 6 Stunden<br />

Arbeitszeit angeordnet, individuelle Kurzpausenregelung, Zeitguthaben für<br />

Pausen vom Unternehmen zur Verfügung gestellt<br />

- Nutzung eines neu errichteten Bürogebäudes<br />

- zwei neu eingerichtete Großraumbüros<br />

- schalldämmende Zwischenwände am Arbeitsplatz vorhanden<br />

- Klimaanlage vorhanden und Lüftung über Fenster möglich<br />

- direkt-indirekt Beleuchtung<br />

87


Analyseergebnisse<br />

Parameter Expertenbeurteilung Ergebnis Mitarbeiterbefragung<br />

Beleuchtung Allgemeinbeleuchtung ausreichend,<br />

homogen und blendfrei<br />

• Reflexion und Blendung<br />

stört 38,6 % der Mitarbeiter<br />

z. T. nicht genutzt,<br />

Blendung vorwiegend durch<br />

[Mitarbeitervorschlag:<br />

Beleuchtung verbessern]<br />

helle Fensterflächen,<br />

Raumzuschnitt gestattet nicht<br />

immer parallele Blickrichtung<br />

zum Fenster<br />

Temperatur<br />

Luftfeuchte<br />

• Temperatur liegt über empfohlenen<br />

Werten<br />

• empfundene schlechte Luftqualität<br />

bei 47 % der Mitarbeiter<br />

• Luftfeuchte zu gering (liegt<br />

unter Normbereich)<br />

• 40 % fühlen sich stark belastet<br />

• Zuglufterscheinungen durch<br />

Klimaanlage<br />

• zu trockene Luft geben 30 %<br />

der Mitarbeiter an<br />

[Mitarbeitervorschlag:<br />

an erster Stelle bessere Be- und<br />

Entlüftung schaffen]<br />

Lärm<br />

• lag abhängig von der Anwesenheit<br />

der Mitarbeiter im<br />

• 20,5 % geben Lärm als störend<br />

an<br />

Grenzwertbereich bzw. leicht<br />

darüber<br />

Möblierung • Tische nicht höhenverstellbar<br />

• sehr gute ergonomische<br />

Stühle vorhanden<br />

• ständiges Sitzen stört 20 %<br />

sehr, 40 % fühlen sich leicht<br />

beeinträchtigt<br />

88


Sonstige gesundheitsrelevante<br />

Bedingungen<br />

Vorgesetztenverhalten<br />

• wenig theoretische Kenntnisse<br />

zu gesundheitsförderlichen<br />

Maßnahmen vorhanden<br />

• dynamisches Sitzen in Ansätzen<br />

erkennbar<br />

• falsche Sitzhaltungen und<br />

Stuhleinstellungen<br />

• Wasserspender bereitgestellt<br />

• sehr kooperativ<br />

wesentliche <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden<br />

– Rangfolge<br />

- Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

- Sehstörungen, Bindehautentzündung,<br />

Augentränen<br />

- Nackenschmerzen<br />

- Durchblutungsstörungen der<br />

Beine<br />

- Müdigkeit, Erschöpfung<br />

- Kopfschmerzen<br />

- Stimmprobleme<br />

• wenig Kritik am Vorgesetztenverhalten<br />

Die Allgemeinbeleuchtung entsprach an allen Arbeitsplätzen den gesetzlichen Vorgaben,<br />

war homogen und weitestgehend blendfrei. Die Akzeptanz der Kombination von direkter und<br />

indirekter Beleuchtung war bei den Mitarbeitern des CCN 3 wesentlich höher als in den anderen<br />

Call Centern. Reflexionen und Blendung waren durch unzureichende Sonnenschutzmaßnahmen<br />

verursacht und stört einen vergleichsweise geringeren Anteil der Mitarbeiter.<br />

Das Hauptproblem ist in diesem Call Center die Klimaanlage, die an etlichen Arbeitsplätzen<br />

Zuglufterscheinungen auslöst. Da die Klimaanlage bei geschlossenen Fenstern betrieben<br />

wird, wurde die Luftqualität durch etwa die Hälfte der Mitarbeiter als schlecht empfunden und<br />

über ein Drittel der Mitarbeiter fühlten sich dadurch stark belastet. Die zu trockene Luft wird<br />

ebenfalls als störend empfunden.<br />

Obwohl auch in diesem Call Center der gemessene Lärmpegel geringfügig überschritten<br />

war, fühlten sich nur ein Fünftel der Mitarbeiter davon gestört.<br />

Ständiges Sitzen wird auch trotz der ergonomischen Arbeitsstühle von mehr als der Hälfte<br />

der Mitarbeiter als störend empfunden. Anzunehmen ist, dass in diesem Call Center die sehr<br />

guten ergonomischen Bedingungen und bereits vorhandene theoretische Grundkenntnisse<br />

über dynamisches Sitzen dazu beigetragen haben, dass die Nackenschmerzen im Gegensatz<br />

zu den anderen Call Centern erst an Rangstelle 3 hinter Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

und Augenbeschwerden genannt wurden. Augenbeschwerden können durchaus durch Zuglufterscheinungen<br />

der Klimaanlage und die trockene Raumluft verstärkt worden sein, dieser<br />

Fakt war hier offensichtlich das vorrangige Problem.<br />

89


Dieses Call Center wies im Vergleich zu den anderen untersuchten Unternehmen sehr gute<br />

ergonomische Voraussetzungen auf. Unter dem Aspekt Verhaltensprävention und seiner<br />

Wirkungen wurde hier bewusst eine Rückenschule durchgeführt, um die Beschwerden des<br />

Muskel-Skelettsystems auf dem Niveau zu halten bzw. weiter zu minimieren.<br />

CCN 4<br />

Allgemeine Ergebnisse<br />

Mitarbeiter: - überwiegende Altersgruppe bis 24 Jahre<br />

Arbeitszeit: - 6 – 8 Stunden täglich<br />

- starre Pausenzeiten, keine Kurzpausen<br />

Büroausstattung:<br />

- Nutzung eines neu errichteten Bürogebäudes<br />

- 3 Großraumbüros (750 m² - 1000 m²)<br />

- niedrige schalldämmende Zwischenwände an den Arbeitsplätzen<br />

- Klimaanlage vorhanden und Lüftung über Fenster möglich<br />

- Spiegelrasterleuchten<br />

Analyseergebnisse<br />

Parameter Expertenbeurteilung Ergebnis Mitarbeiterbefragung<br />

Beleuchtung Allgemeinbeleuchtung ausreichend<br />

war nicht an allen Plätzen der<br />

Tischanordnung angepasst<br />

wird zu grell empfunden<br />

31,8 % der Mitarbeiter empfinden<br />

Reflexionen und Blendungen als<br />

störend<br />

dadurch mitunter zu geringe<br />

Beleuchtungsstärke und Abschattungen<br />

Temperatur • Klimaanlage war defekt, • störend wirkten:<br />

Luftfeuchte<br />

nicht in Betrieb<br />

- schlechte Luftqualität (57,6 %)<br />

• Effektive Durchlüftung der - Zugluft (51,8 %)<br />

Räume war trotz geöffneter - trockene Luft (50,2 %)<br />

Fenster nicht möglich (abh. - zu kalt (46,7 %)<br />

von Raumgröße und –tiefe) - zu warm (41,2 %)<br />

• auf Messung wurde verzichtet<br />

[Mitarbeitervorschläge gehäuft:<br />

Klimaanlage überprüfen und einstellen]<br />

90


Lärm • lag bei voll besetztem Raum<br />

deutlich über dem Grenzwert<br />

Möblierung • Tische höhenverstellbar,<br />

aber schlechte Handhabbarkeit<br />

(kaum genutzt)<br />

• zu geringe Tischfläche<br />

• Tastatur ausziehbar –<br />

schränkt Beinraum ein<br />

• Bildschirm zu hoch angeordnet<br />

• ergonomische Anpassung<br />

von Mobiliar und Körperhaltung<br />

nicht möglich<br />

• Stühle sind neu, aber mit<br />

ergonomischen Mängeln<br />

• zu wenig Platz je Arbeitnehmer<br />

im Raum<br />

Sonstige gesundheitsrelevantnisse<br />

• wenig theoretische Kennt-<br />

zu gesundheitsförder-<br />

Bedingungen lichen Maßnahmen vorhanden<br />

• ergonomische Sitzhaltungen<br />

waren kaum zu beobachten<br />

• teilweise Zwangshaltungen<br />

(Kopf in den Nacken gelegt,<br />

Schultern hochgezogen)<br />

• wenig Haltungswechsel<br />

während der Arbeit möglich<br />

Vorgesetztenverhalten<br />

• teilweise kooperativ<br />

• ein hoher Geräuschpegel<br />

stört 32,5 % der Mitarbeiter<br />

• ständiges Sitzen stört 15,3 %<br />

der Mitarbeiter sehr und<br />

46,7 % fühlten sich leicht beeinträchtigt<br />

[Mitarbeitervorschläge: mehr<br />

Fläche am Arbeitsplatz,<br />

andere Stühle, bessere Ergonomie<br />

schaffen]<br />

Wesentliche <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden<br />

- Rangfolge<br />

- Nackenschmerzen<br />

- Nasenbeschwerden<br />

- Bandscheibenerkrankungen<br />

- Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

- Sehstörungen<br />

- Augentränen, Bindehautentzündungen<br />

- Stimmprobleme<br />

[Mitarbeitervorschläge:<br />

Bewegungsmöglichkeiten<br />

schaffen, Massagen anbieten]<br />

• kein Anhalt<br />

Die Allgemeinbeleuchtung entsprach nicht an allen Arbeitsplätzen den gesetzlichen Vorga-<br />

91


en, da durch Umstellung ganzer Tischreihen das optimale Verhältnis Beleuchtung und Arbeitsplatz<br />

verloren ging. Auch hier wird die Allgemeinbeleuchtung als grell empfunden und<br />

die auftretenden Reflexionen / Blendungen von ca. einem Drittel der Mitarbeiter als störend<br />

angegeben.<br />

Das vorrangige Problem sehen die Mitarbeiter in diesem Call Center in der schlechten Luftqualität,<br />

die von über der Hälfte als störend empfunden wird. Dazu kommen Zuglufterscheinungen,<br />

zu trockene Luft und das subjektive Empfinden der zu kalten oder zu warmen Luft.<br />

Auf eine Messung wurde verzichtet, da die Klimaanlage defekt war. Der Lärm, der bei voller<br />

Besetzung des Floors deutlich erhöht war, wurde nur von einem Drittel der Mitarbeiter störend<br />

wahrgenommen.<br />

Ein gravierendes Problem war in diesem Call Center die Ergonomie. Höhenverstellbare Tische<br />

waren vorhanden, die aber nicht mittels Knopfdruck, sondern von Hand durch Lösen<br />

von Schrauben, Umstecken der Tischplatten und neue Befestigung schwierig und aufwändig<br />

zu realisieren war. Da kein Call Center Agent seinen eigenen Arbeitsplatz zugewiesen bekam,<br />

hätte jeder Platz vor Arbeitsbeginn neu eingerichtet werden müssen, was aus Zeit- und<br />

Bequemlichkeitsgründen nicht geschah. Hinzu kam, dass die Tastaturhalterung ausziehbar<br />

unter dem Tisch befestigt war, wodurch der Beinraum großwüchsiger Mitarbeiter einschränkt<br />

wurde. Die Aufstellung des Bildschirmes auf dem Computer, der ebenfalls auf dem Tisch<br />

angeordnet war, bewirkte, dass die oberste Bildschirmzeile über der Augenhöhe lag. Eine<br />

natürliche Kopfhaltung war somit speziell für kleinere Personen nicht möglich. Die ergonomische<br />

Abstimmung von Mobiliar und Körperhaltung der Agents war damit allgemein unzureichend.<br />

Zwangshaltungen waren die Folge. Erschwerend hinzu kam ein starres Pausenregime,<br />

in dem individuelle Bedürfnisse kaum Berücksichtigung fanden sowie die Gestaltung<br />

von Tätigkeiten ohne Spielräume für Haltungswechsel.<br />

Die Auswirkungen der unergonomischen Arbeitshaltungen sind ganz deutlich ablesbar in der<br />

Rangfolge der <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden. An erster Stelle werden Nackenbeschwerden genannt<br />

und an Stelle 3 rangieren Bandscheibenerkrankungen. Die Tatsache, dass im CCN4<br />

überwiegend sehr junge Agents der Altersgruppe bis 24 Jahre beschäftigt waren und das<br />

Call Center erst seit 2 Jahren bestand geben der Aussage über die Beschwerden eine besondere<br />

Wichtung.<br />

Auch in diesem Call Center waren die Mitarbeiter selbst in der Lage, zweckdienliche Vorschläge<br />

zur Problemlösung beizusteuern. Es wurden Vorschläge zur Beschaffung besserer<br />

Arbeitsstühle unterbreitet, weiterhin zur Gewährleistung günstigerer Anpassung der Arbeitsplätze<br />

an die Körpermaße und die Schaffung von mehr Bewegungsmöglichkeiten.<br />

92


In diesem Call Center wurde bewusst ein Stimmtraining durchgeführt, da der Lärm bei voller<br />

Besetzung deutlich über dem empfohlenen Grenzwert lag und die Beschwerden, hervorgerufen<br />

durch die Stimme, ebenfalls häufig genannt wurden.<br />

CCN 5<br />

Dieses Call Center wurde in die allgemeinen projektbezogenen Analysen nicht einbezogen,<br />

da es bereits seit seinem Bestehen bezüglich der Sicherheit und des <strong>Gesundheit</strong>sschutzes<br />

durch das AAS begleitet war. Die Arbeitsgestaltungsverhältnisse wurden hier mit Umzug in<br />

einen Neubau gesetzlichen Grundlagen und arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst.<br />

Grundkenntnisse, z. B. zum Thema „Richtiges Sitzen“ und „Stimme“ waren aufgrund<br />

dessen bereits vorhanden.<br />

Auch mit diesem Call Center wurde die Durchführung einer gesundheitsförderlichen Maßnahme,<br />

diese allerdings auf der Ebene der Wissensvermittlung (Lernebene), vereinbart. Eine<br />

gesundheitliche Verbesserung sollte hier durch ein komplettes Seminarprogramm für die Call<br />

Center Agents zu allen Bereichen der Verhaltens- und Verhältnisprävention erreicht werden.<br />

Die anderen in die Untersuchung einbezogenen Call Center waren nicht bereit, das Programm<br />

„Basics for Agents“ durchführen zu lassen. Es wird vermutet, dass die Unternehmensleitungen<br />

sichtbare, positive Effekte erst einmal in der Veränderung der Verhältnisse<br />

und der Durchführung von konkreten praktischen Einzelmaßnahmen wie Rückenschule oder<br />

Stimmtraining erwarteten.<br />

Durch die bereits länger währende Zusammenarbeit mit dem AAS war im CCN5 aber ein<br />

Bewusstsein geschaffen worden, das über das gewöhnliche Maß hinaus die Durchführung<br />

von Interventionsmaßnahmen auf unterschiedlicher Ebene begünstigte. Das Programm „Basics<br />

for Agents“ wurde deshalb im CCN 5 durchgeführt und abweichend von den anderen<br />

Maßnahmen nicht hinsichtlich gesundheitsrelevanter Auswirkungen sondern aufgrund seiner<br />

Zielrichtung nur hinsichtlich der Teilnehmerzufriedenheit bewertet.<br />

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse<br />

Beurteilung der Arbeitsplatzbedingungen<br />

In allen untersuchten Call Centern gab es objektiv Probleme mit der Beleuchtung (Reflexion,<br />

Blendung), Lärm sowie Temperatur und Luftfeuchte. Die Intensität der Belastung durch o. g.<br />

Parameter wurde in jedem Call Center durch die Agents anders empfunden. Auch die Möblierung,<br />

die gesundheitsrelevanten Bedingungen sowie das Vorgesetztenverhalten ließen im<br />

Wesentlichen einen Zusammenhang zu gesundheitlichen Beschwerden erkennen.<br />

93


1. Die Allgemeinbeleuchtung wurde in allen Call Centern von den Mitarbeitern mehr oder<br />

weniger abgelehnt, da sie bei Einhaltung der Nennbeleuchtungsstärken als grell, blendend<br />

oder störend empfunden wurde (siehe dazu Fb 753). Die höchste Akzeptanz erzielte das<br />

Call Center mit einer kombinierten direkt-indirekt Beleuchtung.<br />

2. Die schlechte Luftqualität wurde insbesondere in den Call Centern mit Klimaanlage empfunden.<br />

Diese Call Center wiesen in dem Falle aber auch die größte Raumausdehnung der<br />

Büros auf. Infolge dessen ist ohne funktionierende Klimaanlage die Gewährleistung zuträglicher<br />

Atemluftqualität nicht mehr gegeben.<br />

3. Der Geräuschpegel lag in allen Call Centern leicht über den empfohlenen 55 dB (A) und<br />

wurde von den CCA der einzelnen Unternehmen in unterschiedlicher Intensität, zumeist aber<br />

als störend eingeschätzt.<br />

4. Die Möblierung war ausgenommen in einem der Call Center ergonomisch nicht zufriedenstellend.<br />

Der Zusammenhang zwischen optimal gestalteten Arbeitsplätzen und dem Abbau<br />

von gesundheitlichen Belastungen ist durch die Unternehmensleitungen nicht hinreichend<br />

erkannt worden, sonst wäre diesem Kriterium insbesondere bei der Neuanschaffung von<br />

Mobiliar Rechnung getragen worden.<br />

5. Unter den sonstigen gesundheitsrelevanten Bedingungen ist erkennbar, dass gesundheitsförderlichen<br />

Maßnahmen bis auf wenige Ansätze als sinnvolle Ergänzung zur Verhaltensprävention<br />

sowohl von der Unternehmensleitung als auch von den Agents wenig oder<br />

gar keine Bedeutung beigemessen wurde.<br />

6. Das Vorgesetztenverhalten war nur in einem Fall auffällig, in diesem Call Center kam es<br />

folglich nach den Eingangsanalysen nicht zur Umsetzung empfohlener ergonomischer und<br />

gesundheitsförderlicher Maßnahmen.<br />

<strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden aus den Mitarbeiterbefragungen<br />

1. Die Häufigkeit der Nackenbeschwerden und Bandscheibenerkrankungen trat bei den<br />

Agents der untersuchten Call Center in Abhängigkeit von der ergonomischen Ausstattung<br />

auf. Mängel in der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung und im Pausenregime wirkten sich<br />

nachweislich negativ aus. Trotzdem klagten auch die Agents des CCN 3 mit den besten ergonomischen<br />

Voraussetzungen über Beschwerden des Muskel-Skelettsystems.<br />

94


Das Ergebnis zeigt, dass ein alleiniges Bereitstellen von ergonomischen Arbeitsmitteln offensichtlich<br />

nicht zur Vermeidung, höchstens zu einer Abschwächung der Beschwerden<br />

führt.<br />

2. Stimmprobleme traten in den untersuchten Call Centern noch nicht vordergründig auf.<br />

Die Unternehmen bestanden zumeist noch nicht lange am Markt (ca. 2 bis 4 Jahre). Es wird<br />

vermutet, dass Stimmprobleme erst mit Zunahme der Dienstjahre der Agents relevant werden.<br />

In Auswertung der Analyseergebnisse ergab sich bezüglich der Verhaltensprävention folgendes<br />

Bild, was auch Grundlage für die weitere Intervention war:<br />

• In allen untersuchten Call Centern war die Wirkung verhaltenspräventiver Maßnahmen<br />

weitestgehend unbekannt.<br />

• Es fehlte das theoretische Wissen, die Sensibilisierung für die Probleme und die<br />

Selbstverantwortung für die <strong>Gesundheit</strong>, sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Arbeitnehmern.<br />

• Falsche Sitzhaltungen, Zwangshaltungen, wenig Haltungswechsel, falsche Stuhleinstellungen<br />

am Arbeitsplatz sind die Folge.<br />

• Bewegungsübungen, Rückenschulen o. ä. wurden bisher in keinem der Unternehmen<br />

angeboten.<br />

• Der gewünschte Bedarf ist in Ansätzen bei den Agents zu erkennen, Vorschläge zu<br />

Pausengymnastik und Massagen unterstreichen die Aussage.<br />

• Zur Verfügung gestellte Bildschirmschoner mit Bewegungsübungen, Hometrainer,<br />

Aushänge zur Stuhleinstellung u. ä. wurden von den Agents nicht genutzt.<br />

95


4.4 Zusammenfassung – Gestaltungsschwerpunkte<br />

In Auswertung der Analysen lassen sich zusammenfassend folgende Gestaltungsschwerpunkte/Gestaltungsbereiche<br />

im Call Center ableiten welche <strong>Gesundheit</strong>, Wohlbefinden und<br />

Leistungsfähigkeit der Beschäftigten positiv beeinflussen können:<br />

Schaffung von Beteiligungsmöglichkeiten der Mitarbeiter bei Zielsetzungen,<br />

Entscheidungen und Veränderungsmaßnahmen im<br />

)<br />

Unternehmen<br />

Entwicklung von akzeptierten Gestaltungsempfehlungen für die Büroräume<br />

)<br />

hinsichtlich der Beleuchtung, des Klimas und der Geräuschentwicklungen<br />

) Optimierung der Möglichkeiten zur Qualifikation und der Weiterbildung<br />

Schaffung lernförderlicher Arbeitsbedingungen / Förderung der Kompe<br />

)<br />

tenzentwicklung im Arbeitsprozess<br />

Förderung der Kompetenzentwicklung auch hinsichtlich einer<br />

)<br />

belastungsoptimalen Nutzung der Arbeitsmittel und Ausrüstungsgegenstände<br />

Schaffung von Möglichkeiten zur Arbeitsanreicherung der Arbeitsaufgaben<br />

)<br />

und zum Arbeitswechsel<br />

) Optimierung der Informationssysteme (Struktur und Handhabbarkeit)<br />

) Optimierung der Ausführungsbedingungen für zusätzliche Aufgaben<br />

Optimierung der Zusammenarbeit und Kooperation mit anderen<br />

)<br />

Abteilungen und Fachbereichen (Aufgabenverteilung)<br />

) Gewährung, Organisation und Gestaltung von Pausen und Kurzpausen<br />

Integration von gesundheitsförderlichen Maßnahmen / Förderung der<br />

)<br />

Akzeptanz bei Mitarbeitern und Geschäftleitung<br />

96


5 Interventionen und Lösungsvorschläge<br />

5.1 Einführung und Zielstellung<br />

In der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung ist der Prozess der Analyse bereits eine Intervention,<br />

denn jede Datenerhebung, Arbeitsplatzanalyse oder Befragung aber auch Evaluation,<br />

die zielorientiert durchgeführt wird, ist ein Eingriff in das betriebliche Geschehen und kann<br />

Veränderungen z. B. im Denken und Handeln der einbezogenen Personen bewirken.<br />

Analyse und Intervention sind demzufolge als integrierter Prozess zu betrachten (Bamberg,<br />

Ducki, Metz 1998).<br />

Die Analyseergebnisse entsprechend Punkt 4 weisen aus, dass in den Call Centern Gestaltungsbedarf<br />

in bezug auf die Schaffung beanspruchungsoptimaler Arbeit und Arbeitsbedingungen<br />

besteht. Dabei geht es einerseits um die Gestaltung ergonomischer Arbeitsbedingungen,<br />

die Gestaltung von Arbeitsmitteln und Informationssystemen und andererseits um<br />

die Optimierung der Arbeitsaufgabengestaltung und der Arbeitsorganisation. Empfohlen<br />

werden weiterhin die Bereitstellung und Nutzung verhaltenspräventiver Maßnahmen.<br />

Interventionen in der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung zielen nicht ausschließlich darauf<br />

ab, Problemlösungen zu entwickeln, sondern es geht auch insbesondere darum, bei den<br />

betrieblichen Akteuren z. B. im Call Center erkennbar werden zu lassen, dass Strukturen und<br />

Prozesse einer Arbeitsorganisation und deren Abläufe in hohen Maße durch menschliches<br />

Handeln konstituiert sind und, zumindest teilweise, veränderbar sind. Mitarbeiter und Führungskräfte<br />

sollen im Rahmen der betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung motiviert und befähigt<br />

werden, aktiv im Lösungsfindungs-, Gestaltungs- und Veränderungsprozess mitzuwirken.<br />

Mit Hilfe von Expertenwissen können auf diese Weise verbesserte und von allen Beteiligten<br />

gleichermaßen akzeptierte Lösungen und Präventionsmaßnahmen entwickelt und eingeführt<br />

werden. Grundlagen dazu können insbesondere die speziell für Call Center im Rahmen des<br />

Projektverbundes entwickelten Gestaltungslösungen und aufgeführten Good Practice Beispielen<br />

in den fachspezifischen <strong>Report</strong>s (vgl. Kasten) sein.<br />

„Effektive Arbeitsgestaltung“<br />

„Stimme“<br />

„Ergonomie und Arbeitsgestaltung“<br />

„Softwareentwicklung“<br />

„Partizipation“<br />

Abb. 35 Veröffentlichte <strong>Report</strong>s im <strong>CCall</strong>- Projekt<br />

In den folgenden Ausführungen werden entsprechend des Projektauftrages Vorgehensweisen<br />

und Ergebnisse einer partizipativen Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen<br />

97


sowie die Entwicklung und Erprobung spezieller verhaltenspräventiver Maßnahmen beschrieben.<br />

5.2 Partizipative Entwicklung von Lösungsvorschlägen<br />

Zielstellung des Teilprojektes der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ist es, die betrieblichen<br />

Akteure aktiv in den Analyse- und Gestaltungsprozess einzubeziehen. Es sollen<br />

dabei im Unternehmen Voraussetzungen geschaffen werden, die Arbeit und die Arbeitsbedingungen<br />

selbständig, unter bedarfs- und problemorientierter Nutzung externer Unterstützungen,<br />

zu <strong>gestalten</strong> (Verhältnisprävention). Zugleich ist in einem bestimmten Ausmaß die<br />

aktive Einbeziehung der Beschäftigten in Analyse- und Gestaltungsprozesse ein Mittel zur<br />

Entwicklung bzw. Verbesserung persönlicher<br />

<strong>Gesundheit</strong>skompetenzen<br />

(Sensibilisierung, Motivierung, gesundheitsorientierte<br />

Kommunikation<br />

– Verhaltensprävention).<br />

Der allgemeine Projektverlauf ist in<br />

der Abbildung 36 dargestellt. In einem<br />

ersten Schritt erfolgt die Kontaktaufnahme<br />

mit dem jeweiligen<br />

Unternehmen. Nach der erklärten<br />

Bereitschaft aktiv mitzuwirken und<br />

ggf. Ressourcen bereitzustellen,<br />

Gestaltungsschwerpunkte<br />

bestimmt<br />

(vgl. Pkt 4).<br />

werden im Rahmen einer Grobanalyse<br />

in den vereinbarten Untersuchungsbereichen<br />

Die auf das jeweilige Unternehmen<br />

zugeschnittene<br />

Zwischenpräsentation<br />

erfolgt mit der Zielstellung, Mitarbeiter<br />

und Führungskräfte über erste<br />

Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen<br />

Durchführung Grobanalyse<br />

Planung, Durchführung und<br />

Auswertung<br />

Zwischenpräsentation<br />

Zusammenarbeit<br />

Unternehmen und<br />

externe Begleitung<br />

Entscheidung<br />

über die Durchführung<br />

weiterer<br />

Analysen<br />

Abb. 36: Projektverlauf<br />

Erarbeitung<br />

Bewertung, Einführung<br />

,<br />

Evaluation<br />

Information und teilweise Einbeziehung von<br />

Mitarbeitern, Führungskräften und betrieblichen<br />

Experten<br />

Ergebnisse zu informieren und Absprachen zur weiteren Vorgehensweise in der Projektarbeit<br />

zu treffen. Teilnehmer an dieser Präsentation sind im Idealfall sowohl Mitarbeiter als<br />

auch Fach- und Führungskräfte. Ist eine Beteiligung von Beschäftigten nicht möglich, sollten<br />

die Mitarbeiter auf anderem Wege (Flyer, Pinnwand, Poster) über die Analyseergebnisse<br />

informiert werden. Alle weiteren Schritte, z. B. die vertiefenden Analysen, die Erarbeitung<br />

98


von Gestaltungsvorschlägen und die Bewertung und Umsetzung der Ergebnisse, erfolgen<br />

unter intensiver Beteiligung von Vertretern des Unternehmens. Eine wesentliche Voraussetzung<br />

ist die Schaffung von Strukturen, die prozesssteuernd und -begleitend tätig sind.<br />

5.2.1 Projektgruppenarbeit<br />

In den Unternehmen werden Projektgruppen, bestehend aus betrieblichen Vertretern und der<br />

externen Begleitung (Otto-von-Guericke-Universität), gebildet. Diese Projektgruppen übernehmen<br />

die Steuerung und Begleitung aller weiteren Aktivitäten im Unternehmen<br />

(vgl. Abb. 37).<br />

1. Auswertung der<br />

Grobanalyse und<br />

Feststellung von<br />

weiterem Analyse<br />

bedarf<br />

6. Evaluation<br />

Projektgruppe<br />

Steuerungsgruppe<br />

2. Planung und Durch<br />

führung weiterer Analysen<br />

3. Auswertung und<br />

Schlussfolgerungen<br />

5. Durchführung und<br />

Prozessbegleitung<br />

der praktischen Um<br />

setzung<br />

4. Erarbeitung und<br />

Bewertung von Gestaltungsvorschlägen<br />

Abb. 37: Inhalte der Projektgruppenarbeit<br />

Die personelle Zusammensetzung des Gremiums kann unterschiedlich sein. Verschiedene<br />

Formen, wie z. B. primär auf der Ebene der Agents, primär auf der Ebene der Führungskräfte<br />

oder gemischte Strukturen, sind möglich.<br />

Im Rahmen der Projektbearbeitung kommen zwei grundsätzlich verschiedene Modelle zur<br />

Anwendung.<br />

99


A) PROJEKTGRUPPE PRIORITÄR AUF DER EBENE DER<br />

FÜHRUNGSKRÄFTE<br />

Analyseergebnisse, weitere Vorgehensweisen und Lösungsansätze werden auf der Ebene<br />

der Führungskräfte diskutiert. Die Projektgruppe besteht aus Vertretern der Unternehmensleitung,<br />

Teamleitern und Projektbearbeitern der Universität Magdeburg. Zur Klärung von<br />

Teilproblemen werden innerbetriebliche Experten, wie z. B. Verantwortliche für die Computer-Technik<br />

oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit, hinzugezogen.<br />

Innerbetriebliche<br />

Experten/<br />

Projektgruppe<br />

Ótto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg<br />

- Unternehmensleitung<br />

- Teamleiter<br />

Beschäftigte<br />

Abb. 38: Projektgruppenstruktur auf der Ebene der Führungskräfte<br />

Geplant ist auch die zeitweise Einbeziehung von Beschäftigten in die Projektgruppenarbeit.<br />

Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass dies nicht immer so durchführbar ist, wie ursprünglich<br />

geplant. Zum einen liegt es daran, dass der Stellenwert des Erfahrungswissens der Mitarbeiter<br />

und Mitarbeiterinnen in Bezug auf die Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen<br />

in der Führungskräfteebene sehr stark unterschätzt wird und andererseits ist es immer<br />

wieder ein Problem, die Beschäftigten aus dem Arbeitsprozess zu holen, um sie an Projektgruppensitzungen<br />

teilnehmen zu lassen.<br />

Ein weiterer Nachteil dieses Modells ist, dass Führungskräfte in modern organisierten Unternehmen<br />

unter chronischem Zeitmangel leiden und aus diesem Grund Projektgruppentreffen<br />

entweder häufig verschoben werden müssen bzw. mit verminderter Kapazität stattfinden.<br />

Wichtig in dieser Struktur ist die externe Begleitung des Gesamtprozesses, die als Motor,<br />

Initiator und fachlicher Berater fungiert. Entscheidender Vorteil dieser Projektgruppenzusammensetzung<br />

ist die schnelle Umsetzung beschlossener Veränderungen.<br />

100


B) PROJEKTGRUPPENSTRUKTUR AUF DER EBENE DER<br />

BESCHÄFTIGTEN<br />

In dieser Projektgruppenstruktur sind die Beschäftigten die Hauptakteure. Auf diese Weise<br />

wird gewährleistet, dass Maßnahmen und Programme zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung nicht an<br />

den tatsächlichen Erfordernissen und Bedürfnissen der Beschäftigten vorbei, durchgeführt<br />

werden. In der Abbildung 39 ist das Konzept der Projektgruppenstruktur auf Mitarbeiterebene<br />

dargestellt.<br />

Unternehmensleitung/<br />

Entscheidungsträger<br />

Die Projektgruppe trifft sich mindestens einmal im Monat (Abstände variieren zwischen 2 und<br />

5 Wochen, je nach Problemlage). In Absprache mit dem Management wird ein Zeitlimit<br />

(Größenordnung von 1 bis 1,5 Stunden) für die Dauer von Projektgruppensitzungen festgelegt.<br />

Die Erreichung einer optimalen Zeitausnutzung erfordert eine gründliche Vor- und<br />

Nachbereitung der Treffen. Inhaltliches und methodisches „Input“ liefert die Universität Magdeburg<br />

als externer Berater und Projektbegleiter. Kontinuierlich eingeladen werden Vertreter<br />

des Betriebsrates. Fach- und Führungskräfte beteiligen sich problemorientiert an Ergebnispräsentationen<br />

und Entscheidungsfindungsprozessen. Die Funktion des Projektgruppenleiters<br />

übernimmt ein Vertreter des Unternehmens (Mitarbeiter). So werden Voraussetzungen<br />

geschaffen, dass die Projektgruppe auch nach Beendigung des Projektes <strong>CCall</strong> bestehen<br />

bleibt.<br />

Es wird empfohlen, die erste Projektgruppensitzung dazu zu nutzen, die Ziele festzulegen<br />

und Regeln der Zusammenarbeit zu diskutieren. Diese Spielregeln sind gemeinsam zu erar-<br />

Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg<br />

Projektgruppe<br />

je ein Beschäftigter<br />

aus jedem Team<br />

Innerbetriebliche Experten/<br />

Betriebsrat<br />

Teamleiter und Mitarbeiter<br />

Abb. 39: Projektgruppenstruktur auf der Ebene der Beschäftigten<br />

101


eiten, zu visualisieren und jedem Projektgruppenmitglied auszuhändigen. Ein Beispiel dazu<br />

ist in der Abb. 40 dargestellt.<br />

Spielregeln für die Projektgruppenarbeit<br />

- Jeder sollte aktiv mitarbeiten<br />

- Keine falsche Zurückhaltung – jede Meinung ist wichtig<br />

- Toleranz gegenüber anderen Meinungen üben<br />

- Fairness<br />

- Es gibt keine richtigen und keine falschen Äußerungen<br />

- Keine verletzenden Abwertungen<br />

- Kurze sachliche Argumente (Zeit)<br />

- Ausreden lassen – zuhören<br />

- Vertraulichkeit<br />

- es wird gemeinsam entschieden, welche Gedanken zunächst in der<br />

Projektgruppe verbleiben und was nach außen getragen wird<br />

- Der Moderator bekommt etwas Zeit zum visualisieren<br />

- Dauer einer Sitzung ca. 1 h bis 1.5 h<br />

- Ein Projektgruppenmitglied informiert regelmäßig über den Fortgang<br />

der Zeit<br />

- In den letzten 10 Minuten werden Termin und Inhalte der nächsten<br />

Sitzung besprochen<br />

(von einer Projektgruppe selbst erarbeitet)<br />

Abb. 40: Spielregeln für die Projektgruppenarbeit (gemeinsam in der<br />

Projektgruppe erarbeitet)<br />

Der Ablauf eines Problemlöseprozesses in der Projektgruppe ist in der Abbildung 41 schematisch<br />

dargestellt. Nicht nur aufgrund des begrenzten Zeitvolumens für die Projektgruppensitzungen<br />

ist es erforderlich, die Zeiten zwischen den Veranstaltungen dazu zu nutzen,<br />

Probleme und Lösungsansätze projektgruppenübergreifend zu diskutieren. Auf diese Weise<br />

können die Erfahrungen und Meinungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Projektgruppenarbeit<br />

einfließen und es erhöhen sich die Chancen, von der Mehrheit akzeptierte<br />

Gestaltungskonzepte zu entwickeln.<br />

102


Projektgruppensitzung<br />

- Probleme und Veränderungsbedarf definieren<br />

- weiteren Analysebedarf ermitteln<br />

- Bedarf an Fachinformationen formulieren<br />

Projektgruppensitzung<br />

zwischen den Sitzungen<br />

- Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über<br />

Inhalte und Vorhaben im Projekt<br />

- Erarbeitung von Feinanalysekonzepten<br />

- Zusammenstellung von Fachinformationen<br />

- Vermittlung von Fachinformationen<br />

- Vorstellung von Analyseinstrumentarien/<br />

Vorgehensweisen, zu erwartende Ergebnisse<br />

- Festlegung weiterer Vorgehensweisen<br />

zwischen den Sitzungen<br />

- Information von Betriebsrat und Management über<br />

weitere Vorhaben<br />

- Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

- Durchführung und Auswertung der Analysen<br />

Projektgruppensitzung<br />

- Präsentation der Analyseergebnisse<br />

- Diskussion und Erarbeitung von Lösungskonzepten<br />

zwischen den Sitzungen<br />

- Systematisches Einholen von Meinungen und Erfahrungen<br />

der Beschäftigten und<br />

Vorgesetzten<br />

- z. B. Testphase (provisorische Umsetzung von<br />

Gestaltungsvarianten)<br />

Projektgruppensitzung<br />

- Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse<br />

- Fertigstellung des Konzeptes<br />

- Diskussion mit Fach- und Führungskräften<br />

- Festlegung der Einführungs- und<br />

Umsetzungsmodalitäten<br />

Umsetzung und Evaluation<br />

Abb. 41: Beteiligungsorientierter Veränderungsprozess<br />

103


*<br />

Die Zeiträume zwischen den Sitzungen werden von der Projektbegleitung (Universität Magdeburg)<br />

z. B. dazu genutzt, Projektgruppensitzungen nachzubereiten, Fachinformationen<br />

zusammenzustellen und Analyseverfahren auszuwählen, um dies gebündelt der Projektgruppe<br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

Des weiteren eignen sich die Zeiträume zwischen zwei Projektsitzungen, um ggf. Feinanalysen<br />

durchzuführen bzw. Lösungskonzepte in Pilotbereichen zu testen und zu diskutieren.<br />

5.2.2 Entwicklung von allgemeinen Lösungsvorschlägen<br />

Die im Rahmen des Projektes entwickelten Lösungskonzepte zur Optimierung der Arbeit und<br />

der Arbeitsbedingungen im Call Center haben nicht den Anspruch, alle in Auswertung der<br />

Analysen und der im Punkt 4.4 aufgeführten Gestaltungsschwerpunkte im Detail zu bearbeiten.<br />

Abgesehen davon, dass dies in der kurzen Projektlaufzeit nicht möglich ist, geht es vorrangig<br />

darum, ein Problemverständnis in den Unternehmen zu entwickeln und die Akteure zu motivieren<br />

und zu befähigen zielgerichtet Gestaltungslösungen ggf. unter Nutzung externer Unterstützung<br />

zu entwickeln. Diese Prozesse sind sehr zeitaufwendig und in den beteiligten<br />

Unternehmen noch nicht abgeschlossen.<br />

In den folgenden Ausführungen werden die in den Projektgruppen erarbeiteten, diskutierten<br />

und teilweise umgesetzten Lösungsvarianten und -empfehlungen vorgestellt:<br />

(a) Beteiligung und Kooperation<br />

Beteiligung der Beschäftigten bei der Organisation der Arbeit<br />

Die Beteiligung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist eine Grundvoraussetzung effektiver<br />

und menschorientierter Arbeitsgestaltung. Die Beschäftigten wissen oft am besten, welche<br />

Arbeitsbedingungen günstig bzw. ungünstig für sie sind. Bei der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen<br />

ist das Erfahrungswissen der unmittelbar Betroffenen unverzichtbar. Daher ist<br />

die Bildung und regelmäßige Arbeit der im Punkt 5.2.1 beschriebenen Projektgruppe selbst<br />

auch eine Veränderung in der Arbeitsorganisation und Arbeitskultur. Das Projektgruppenkonzept,<br />

insbesondere das auf der Ebene der Beschäftigten, ermöglicht es den betroffenen<br />

Personen, Probleme anzusprechen sowie sich bei der Arbeitsplatzgestaltung bzw. bei Veränderungen<br />

in der Arbeitsorganisation zu beteiligen.<br />

104


+<br />

*<br />

Informationsvermittlung auf Teambesprechungen bzw. Teammeetings<br />

Teammeetings bzw. Teambesprechungen sind ein wichtiges Instrument, die Beschäftigten<br />

über betriebliche Gegebenheiten zu informieren und eine Plattform zur Diskussion auftretender<br />

Probleme zu bilden. Es wird angeregt, derartige Zusammenkünfte zukünftig in kürzeren<br />

Zeitabständen zu planen. Wichtig dabei ist es, die Beschäftigten bei der thematischen Gestaltung<br />

der Sitzungen mitwirken zu lassen.<br />

Eine thematische Erweiterung kann z. B. dahingehend erfolgen, dass zukünftig auch Inhalte<br />

wie<br />

- Aufgaben und Strukturen von Fachabteilungen<br />

- Möglichkeiten und Nutzen gesundheits<strong>fördern</strong>der Maßnahmen<br />

(Verhaltensprävention),<br />

- Qualifizierungsbedarf / Qualifizierungsangebote<br />

- <strong>Gesundheit</strong>sgerechtes Verhalten am Arbeitsplatz<br />

- Maßnahmen zur Vermeidung von Blendung<br />

- Augenschonende Bildschirmeinstellungen<br />

- Pausennutzung und Pausengestaltung<br />

...........<br />

auf der Tagesordnung stehen. Zu bestimmten Themenkomplexen können innerbetriebliche<br />

bzw. externe Experten eingeladen werden.<br />

(b) Arbeitsplatz- und Ausführungsbedingungen<br />

Themen zur ergonomischen Gestaltung der Arbeitsplätze bilden nicht den Schwerpunkt der<br />

Projektbearbeitung. Diese Themenbereiche bzw. Lösungsvorschläge ermöglichen es, relativ<br />

schnell für alle Beteiligten sichtbare und nachvollziehbare Ergebnisse zu erarbeiten und umzusetzen.<br />

Sie tragen entscheidend zur Akzeptanz der Projektgruppenarbeit bei der Unternehmensleitung<br />

und bei den Beschäftigten bei.<br />

Installation zusätzlicher Leuchten<br />

Einschätzungen und Messungen der Beleuchtungssituation haben mehrfach ergeben, dass<br />

die Situation für viele Beschäftigte im Großraumbüro nicht optimal ist. Abhilfe ist in einem<br />

Fall durch die Installation zusätzlicher Beleuchtungskörper, in einem anderen Fall durch die<br />

Bereitstellung von Arbeitsplatzleuchten erreicht worden. Auf detaillierte Ausführungen<br />

(Messverfahren und Messergebnisse) wird an dieser Stelle verzichtet, da Probleme und Lösungsmöglichkeiten<br />

zu dieser Thematik ausführlich im <strong>CCall</strong> <strong>Report</strong> „Ergonomie und Arbeitsumgebung“<br />

dargestellt sind.<br />

105


*<br />

*<br />

*<br />

Trockene Luft<br />

Zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit in den Arbeitsräumen werden in einem Call Center Luftbefeuchter<br />

installiert. In einem weiteren Call Center werden den Beschäftigten als Sofortmaßnahme<br />

Getränke (Mineralwasser) zur Verfügung gestellt. Weitere Maßnahmen sind in<br />

dem <strong>Report</strong> „Ergonomie und Arbeitsumgebung“ aufgeführt.<br />

Regelmäßige Arbeitsplatzbegehungen<br />

Die Analysen haben ergeben, dass die Bildschirmeinstellungen teilweise ungünstig sind.<br />

Regelmäßige Arbeitsplatzbegehungen durch eine Fachkraft können schnell, fehlerhafte<br />

bzw. ungünstig eingestellte Bildschirme identifizieren. Die Beschäftigten werden an Ort und<br />

Stelle über verbesserte Einstellungsmöglichkeiten informiert. Defekte Monitore können<br />

schnell erkannt und ausgewechselt werden.<br />

“Trennwände mit Fenstern“ zur Geräuschminderung<br />

Längere Diskussionszeit wurde benötigt, um ein Konzept für akzeptable geräuschmindernde<br />

Maßnahmen zu erarbeiten.<br />

Die Analysen in allen Call Centern haben ergeben, dass sich die Beschäftigten in ihrer Tätigkeitsausführung<br />

durch Umgebungsgeräusche gestört fühlen. Gleichzeitig kommt jedoch immer<br />

wieder zum Ausdruck, dass Kontakt und Kommunikation mit den Kolleginnen und Kollegen<br />

an benachbarten Arbeitsplätzen wichtige Ressourcen für effektives Arbeiten darstellen.<br />

Während sich einige Unternehmen entscheiden, die Umgebungsgeräusche zu tolerieren,<br />

sind die Beschäftigten in anderen Unternehmen davon überzeugt, dass eine Veränderung<br />

unverzichtbar ist.<br />

In einem Fall wird ein Musterarbeitsplatz entwickelt und erprobt. Eine Gruppe von vier Arbeitsplätzen<br />

ist mit provisorischen Trennwänden versehen worden. Die Geräuschminderung<br />

wird von den Mitarbeitern positiv bewertet und durch Messergebnisse bestätigt. Allerdings<br />

wird der fehlende Sichtkontakt zu den benachbarten Arbeitsplätzen und zu wenig Tageslicht<br />

bemängelt. In Auswertung der Erprobungsergebnisse entstand die Idee, einige Lärmwände<br />

mit durchsichtigem Material auszustatten. Die Geschäftsleitung akzeptiert diesen Vorschlag<br />

und unterstützt die Bemühungen einen Anbieter zu finden, der Trennwände dieser Art für<br />

einen Erprobungsbereich herstellt.<br />

106


,<br />

Anordnungsvariante:<br />

Fensterfront<br />

Gang<br />

Wände mit durchsichtigem<br />

Material im oberen<br />

Teil<br />

Wandelemente:<br />

80 cm breit<br />

Trennwand (verglast)<br />

100 cm breit<br />

An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig das Einbeziehen der Beschäftigten auch bei<br />

klassischen ergonomischen Gestaltungsprozessen ist.<br />

(c) Anforderungswechsel, Mischarbeit und Pausen<br />

Gestaltung von Mischarbeit<br />

Die Bearbeitung zusätzlicher Tätigkeiten im Call Center (aus dem Bereich der Sachbearbeitung)<br />

als Abwechslung zur Telefonie, wird von Beschäftigten und Experten empfohlen. Bei<br />

der Organisation dieser Tätigkeiten ist allerdings zu beachten, dass geblockte Zeiten für die<br />

Aufgabenerfüllung zur Verfügung gestellt werden. In dieser Zeit sollte nicht telefoniert werden.<br />

Den Mitarbeitern bzw. Mitarbeitergruppen ist es zu ermöglichen, diese zusätzlichen Tätigkeiten<br />

eigenverantwortlich zu planen und ungestört auszuführen. Nur unter diesen Umständen<br />

wirkt sich Mischarbeit belastungsgünstig aus. Zusätzliche Tätigkeiten, die ausschließlich<br />

zwischen zwei Kundengesprächen und immer wieder durch eingehende Gespräche<br />

unterbrochen werden, sind zu vermeiden, da sie langfristig eher eine zusätzliche Belastung<br />

darstellen.<br />

107


,<br />

,<br />

Arbeitswechsel<br />

Belastungswechsel und Kompetenzentwicklung kann durch einen organisierten Wechsel der<br />

Beschäftigten in Fachabteilungen oder andere Arbeitsbereiche erreicht werden. Dieser Prozess<br />

sollte auf freiwilliger Basis und unter Beteiligung der Mitarbeiter organisiert werden.<br />

Pausen<br />

Wenn Mischarbeit mit echtem Belastungswechsel (Experten einbeziehen) nicht möglich ist,<br />

werden von den Projektgruppenmitgliedern (insbesondere von der Gruppe der Beschäftigten)<br />

regelmäßige Erholungszeiten von 6 bis 8 Minuten pro Stunde als angemessen empfunden.<br />

Der persönliche und wirtschaftliche Nutzen von Pausen (vgl. Anlage 3) ist allen betrieblichen<br />

Akteuren (Führungskräften und Mitarbeitern) zu verdeutlichen. Pausenregelungen<br />

sind für jeden durchschaubar und eindeutig zu <strong>gestalten</strong>.<br />

(d) Lernen in der Arbeit<br />

Entscheidend für die Effektivität einer Dienstleistung sowie einer hohen Kundenzufriedenheit<br />

ist das Wissen und Können der Beschäftigten. Für die erfolgreiche Bewältigung der Arbeitsanforderungen<br />

sind Fach-, Handlungs- und Sozialkompetenzen erforderlich, die bei den einzelnen<br />

Beschäftigten unterschiedlich ausgeprägt sein können. Kompetenz und Qualifikation<br />

sind in enger Verbindung und Wechselwirkung mit <strong>Gesundheit</strong>, Engagement und Motivation<br />

zu betrachten. Sie kann erworben werden durch:<br />

• eine lernförderliche Struktur der Arbeitsaufgabe (komplexe vielseitige Aufgaben)<br />

• einen regelmäßigen Arbeitsplatzwechsel (Rotation auch abteilungsübergreifend),<br />

• den Erfahrungsaustausch (abteilungsintern und abteilungsübergreifend),<br />

• Mitwirkung an betrieblichen Gestaltungs- und Veränderungsprojekten,<br />

• Coaching, Mentoring und<br />

• die Nutzung von Seminarangeboten / Kursen.<br />

In einem Call Center wird das Konzept eines Lernarbeitsplatzes erarbeitet, welcher im Punkt<br />

5.2.3. ausführlich beschrieben wird.<br />

108


5.2.3 Das Konzept „Lernarbeitsplatz“<br />

Ziel<br />

In zahlreichen Projektgruppensitzungen ist das Konzept eines Lernarbeitsplatzes entwickelt<br />

worden. An der Erarbeitung sind Kundenberater eines Call Centers, das Management des<br />

Unternehmens, die Universität Magdeburg im Rahmen des Projektes <strong>CCall</strong> und Mitarbeiter<br />

des Projektes „Kompetenzentwicklung“ der Universität Dresden beteiligt (Richter, Pohlandt<br />

2002).<br />

Der Lernarbeitsplatz dient nicht nur der Kompetenzentwicklung. Bei entsprechender Organisation<br />

kann er neben den Lerneffekten negativ erlebte Belastungen abbauen, Handlungsspielraume<br />

erweitern und somit entscheidend zur Arbeits- und Kundenzufriedenheit beitragen.<br />

Ein Lernarbeitsplatz ist ein Arbeitsplatz in einem ruhigen Raum, in dem ein ungestörtes Arbeiten<br />

möglich ist.<br />

Es können sich einzelne Mitarbeiter oder kleine Gruppen (mit oder ohne Unterstützung externer<br />

Experten) an diesen Arbeitsplatz zurückziehen um:<br />

- aktuelle Informationen zu verarbeiten und zu verinnerlichen,<br />

- sich in neue Programme und Produkte einzuarbeiten oder<br />

- ihre Vorgehensweise bei der Kundenarbeit zu verbessern.<br />

Ziel ist es, die Call Center Agenten bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen<br />

zu unterstützen. Dafür ist es notwendig, hilfreiche und akzeptable Bedingungen für das Lernen<br />

zu schaffen. Es zählen dazu einerseits die technischen Voraussetzungen (Anzahl und<br />

Ausstattung des Arbeitsplatzes) aber auch die organisatorischen Bedingungen.<br />

Die Nutzung von Lernzeiten soll zeitliche Freiheitsgrade gewährleisten, die für die selbstorganisierte<br />

Verbesserung des Wissens notwendig sind. Auf der Grundlage von Rahmenbedingungen<br />

und Leitlinien soll der Kundenberater mit entscheiden<br />

• wer, wann<br />

• mit wem,<br />

• wie oft, wie lange und<br />

• zu welchen Inhalten<br />

am Lernarbeitsplatz tätig werden kann.<br />

109


Unter aktiver Beteiligung der betroffenen Beschäftigten werden diese Themen diskutiert und<br />

Rahmenbedingungen für die Gestaltung erarbeitet.<br />

Rahmenbedingungen und Leitlinien<br />

Folgende Empfehlungen für die Gestaltung des Lernarbeitsplatzes werden von Call Center<br />

Agenten als sinnvoll und hilfreich eingeschätzt:<br />

- Bereitstellung mehrerer Arbeitsplätze (getrennt durch Trennwände) in einem<br />

separaten Raum (abhängig von der Gesamtanzahl der Teams und Mitarbeiter),<br />

- Ruhe, Störungsfreiheit, keine weitere Funktion des Raumes,<br />

- weitgehende Übereinstimmung mit den Bedingungen am Normalarbeitsplatz,<br />

- Ermöglichung realer Kundengespräche,<br />

- Bereitstellung aller aktuellen Programme und Informationssysteme,<br />

- Bereitstellung inhaltsbezogener Lernhilfen (Anleitungen, Übersichten, Arbeitsblätter,<br />

konstruierte Fallbeispiele),<br />

- Bereitstellung von Schulungsprogrammen, (Gemeinsame Auswahl der angebotenen<br />

Schulungsprogramme mit den Mitarbeitern / Anwendern),<br />

- Bereitstellung von Geräten und Produkten zum „Anfassen“ und „Ausprobieren“,<br />

- Ermöglichung von Internet- und Intranetzugang,<br />

- Benennung eines Ansprechpartners für die Nutzung des Lernarbeitsplatzes<br />

(Verwaltung / Schlüssel / Liste / Kalender).<br />

Lernpartner können erfahrene Mitarbeiter, Teamleiter, Mitarbeiter aus Fachabteilungen bzw.<br />

externe Mentoren sein. Es sollte aber auch die Möglichkeit bestehen, dass ein Mitarbeiter<br />

den Lernarbeitsplatz allein nutzt, um bestimmte Wissensdefizite aufzuarbeiten.<br />

Die Dauer und die Zeiten zu denen die Lerneinheiten stattfinden können, müssen den spezifischen<br />

Gegebenheiten des Unternehmens angepasst werden. Folgende Empfehlungen<br />

sollten dabei berücksichtigt werden:<br />

- Vereinbarung fester Zeitvorgaben je Team bzw. je Mitarbeiter (Gerechtigkeit),<br />

- Möglichkeit einer regelmäßigen Nutzung des Lernarbeitsplatzes,<br />

110


- Mehrere aufeinanderfolgende Lerneinheiten zu einem Schwerpunkt sollten zeitlich<br />

nicht länger als eine Woche auseinanderliegen,<br />

- Verankerung der Lernzeiten im Dienstplan,<br />

- Gewährung von Sonderlernzeiten nach längeren Arbeitsunterbrechungen (z. B.<br />

Urlaub oder Krankheit),<br />

- Ermöglichung einer lang- und kurzfristigen Nutzung des Lernarbeitsplatzes,<br />

- keine Übertragung der Lernzeiten auf andere Kollegen,<br />

- kein unkontrolliertes Aufsparen der Lernzeiten,<br />

- Führung eines Kalenders (für alle Beschäftigten durchschaubar),<br />

- regelmäßige Abstimmungen zur Nutzung des Lernarbeitsplatzes im Team.<br />

Die Lerninhalte sind ebenfalls in den Teams zu besprechen und festzulegen. Zu berücksichtigen<br />

ist dabei, wie hoch die Agenten ihren eigenen Qualifizierungsbedarf einschätzen sowie<br />

die Fremdeinschätzung durch Mitarbeiter und Vorgesetzte. Hilfreich sind Lernpläne mit individuell<br />

prüfbaren Lernzielen.<br />

Zu empfehlen ist auch die Erstellung eines unternehmens- und bereichsspezifischen Anforderungsprofils<br />

durch Experten, bei denen die Beschäftigten und Vorgesetzten mitwirken sollen.<br />

So können gezielt Themen aufbereitet oder Mentoren beauftragt werden um Qualifizierungslücken<br />

zu beheben bzw. Kompetenzen zu trainieren.<br />

Die Nutzung des Lernarbeitsplatzes sollte protokolliert (zeitlich und inhaltlich) und teambezogen<br />

ausgewertet werden.<br />

Effekte aus der Sicht der Call Center Agenten<br />

Von den Beschäftigten selbst sind folgende persönliche und wirtschaftliche Vorteile und positive<br />

Effekte durch die regelmäßige Nutzung von Lernzeiten an einem Lernarbeitsplatz zusammengestellt<br />

worden:<br />

1. Erhöhung der Kundenzufriedenheit:<br />

- schnelleres und kompetenteres Antworten auf Kundenanfragen,<br />

- Vermeidung von Falschinformationen und unterschiedliche Informationen durch<br />

verschiedene Mitarbeiter<br />

111


- Erhöhung der Informationsbreite und –tiefe / kein unnötiges<br />

- Weiterleiten von Gesprächen (alle Fragen aus einer Hand)<br />

2. Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit:<br />

- Anreicherung der Arbeitsaufgabe<br />

- Erhöhung des Handlungsspielraums<br />

- Erweiterung/ Festigung des eigenen Wissenstandes<br />

- <strong>Erfolg</strong>e in der Arbeit wirken sich positiv auf die Motivation / Zufriedenheit der A-<br />

genten aus<br />

3. Erhöhung der Effektivität:<br />

- Verkürzung des Kundengespräches durch schnelleres und kompetenteres<br />

Antworten<br />

- -Verringerung und Vermeidung von Zeiten zur Suche nach Informationen<br />

- -Vermeidung von Weiterleitungen der Gespräche bzw. Rückrufaktionen<br />

4. Erhöhung des Verkaufserfolges:<br />

- Sicheres Auftreten beim Anbieten und Verkauf von neuen Produkten<br />

- Heranwagen an „schwierige“ Kunden<br />

Der Lernarbeitsplatz ist noch nicht erprobt. Nach der Erprobung wird sich zeigen, ob die o.g.<br />

Zielstellungen und Effekte mit dem umschriebenen Konzept erreicht werden und inwieweit<br />

weitere Modifizierungen / Anpassungen der inhaltlichen und/oder organisatorischen Gestaltung<br />

des Arbeitsplatzes vorgenommen werden müssen.<br />

112


5.2.4 <strong>Erfolg</strong>skriterien für die partizipative Gestaltung und Entwicklung<br />

Ausgehend von den Erfahrungen in der Projektgruppenarbeit lassen sich folgende Voraussetzungen<br />

für den <strong>Erfolg</strong> der Projektgruppenarbeit formulieren:<br />

- Identifikation des Managements mit dem Projekt (aktive Beteiligung, fachliche und<br />

finanzielle Unterstützung)<br />

- Regelmäßige Durchführung von Projektgruppensitzungen (mindestens einmal im<br />

Monat)<br />

- Alle Beteiligten haben eine klare Vorstellung von der Zielstellung der Projektgruppenarbeit<br />

- Schaffung eines offenen vertrauensvollen Klimas (Vereinbarung von Spielregeln,<br />

Sitzungsregeln, Aspekte der gegenseitigen Toleranz und Akzeptanz,<br />

Vertraulichkeit)<br />

- Fachliche, methodische und kritische externe Begleitung der Projektgruppenarbeit,<br />

insbesondere in der Anfangsphase<br />

- Vertrauen gegenüber externer Projektbegleitung<br />

- Projektgruppenleitung und Koordination nach Möglichkeit im Unternehmen belassen<br />

- Aktive Beteiligung aller Projektgruppenmitglieder durch Aufgabenverteilung,<br />

Durchschaubarkeit, Beeinflussbarkeit<br />

- Schnelle Umsetzung kleiner Veränderungen (Im Unternehmen sicht- und spürbare<br />

Veränderungen schon während der Projektphase)<br />

113


5.3 Spezielle verhaltenspräventive Maßnahmen<br />

5.3.1 „Richtiges Bewegen“ im Call Center<br />

Warum ist Bewegung wichtig?<br />

Vor ca. 4 Millionen Jahren begann die Entwicklung des Menschen mit einem Haltungswechsel<br />

von einer gebückten in die aufrechte Position. Diese Entwicklung machte einige anatomische<br />

und physiologische Anpassungen erforderlich.<br />

Die Wirbelsäule richtete sich auf und erhielt die uns bekannte doppelte S-Form.<br />

Die Wirbelsäule, als zentrales Element des Körpers, trägt die Gliedmaßen, Kopf und Brustkorb.<br />

Sie besteht aus festen Wirbelkörpern und elastischen Bandscheiben, die uns die Beweglichkeit<br />

der Wirbelsäule verleihen.<br />

Der Mensch lebte seit Jahrtausenden unter Bedingungen, die von ihm täglich körperliche<br />

Bewegung und Anstrengung verlangte. Auf diese Anforderungen ist das Muskel-<br />

Skelettsystem eingestellt. In der heutigen Zeit gibt es sowohl im privaten als auch im Arbeitsleben<br />

unzählige Arbeitserleichterungen. Das hat neben positiven Effekten zur Folge,<br />

dass der Mensch in der modernen Arbeitswelt immer mehr Zeit mit einseitigen Körperhaltungen,<br />

im Call Center ist es das ständige Sitzen, verbringt.<br />

Die Bewegungsarmut und einseitige Körperhaltungen führen letztendlich zu einer Unbeweglichkeit<br />

des Muskel-Skelettsystems. Für die Haltung sind wichtige Muskelgruppen verkümmert,<br />

weil sie wenig beansprucht werden. Das sich im Gleichgewicht befindende Muskel -<br />

Skelettsystem wird durch die degenerativen Prozesse empfindlich gestört. Die uns bekannten<br />

Schmerzen, z. B. im Rücken, Nacken und in den Gelenken, sind oft die Folge.<br />

Der Körper ist in der Lage, sich Belastungen bis ins hohe Alter anzupassen, vorausgesetzt,<br />

er wird regelmäßig gefordert, um die Adaptionsfähigkeit zu erhalten.<br />

Nun muss nicht jedes Call Center mit einem Fitness-Studio gekoppelt sein, es geht vielmehr<br />

darum:<br />

- monotone und belastende Haltungen zu erkennen,<br />

- falsche Verhaltensmuster zu korrigieren und<br />

- richtige bewegungsfreundliche Verhaltensweisen zu erlernen und in den<br />

täglichen Arbeitsablauf zu integrieren.<br />

Dabei helfen z. B. kleine, simpel erscheinende Übungen, die während der Telefonate mühelos<br />

durchgeführt werden können. Haltungswechsel und dynamisches Sitzen zeigen weitere<br />

positive Effekte beim Abbau arbeitsbedingter Belastungen.<br />

114


„Sitzen“ – Schwerstarbeit für den Körper<br />

Der moderne Mensch sitzt rund um die Uhr. Allein im Büro sollen es 70.000 – 80.000 Stunden,<br />

hochgerechnet auf die Lebensarbeitszeit, sein. Neben dem volkswirtschaftlichen Kostenproblem<br />

ersten Grades ist es auch für jeden Einzelnen unangenehm, laufend von Rückenschmerzen<br />

geplagt zu sein.<br />

Die Beweglichkeit und Belastbarkeit der Wirbelsäule ergibt sich aus dem Aufbau. Jedem<br />

knöchernen Wirbelkörper folgt eine Bandscheibe. Bedingt durch die Form und Bewegungsabläufe,<br />

wie Tragen, Sitzen, Bücken wird die Wirbelsäule enorm belastet. Ungünstige Bewegungsformen<br />

und Bewegungsmangel leisten dem vorzeitigen Verschleiß Vorschub.<br />

Nachfolgendes Bild zeigt, wie die Wirbelsäule oder besser die Bandscheibe, belastet wird.<br />

Ganz eindeutig ist nachgewiesen worden, dass der stehende Mensch seine Wirbelsäule weniger<br />

belastet als der Mensch im Sitzen. Gebeugte Sitzhaltungen verstärken den Effekt.<br />

Abb. 42: Bandscheibendruck in verschiedenen Ausgangspositionen. Beide Untersuchungen<br />

bestätigen die Regeln der Rückenschule, d. h. das dynamische Sitzen mit der Möglichkeit<br />

zum Wechsel von Sitzpositionen, sowie den Wechsel zwischen Sitzen und Stehen. Die neuere<br />

Studie von Wilke hebt weiterhin hervor, dass auch durch das lässige Sitzen, z. B. Lümmeln,<br />

die Bandscheibe entlastet werden kann (Barmer).<br />

Die Ernährung einer Bandscheibe erfolgt durch den Wechsel zwischen Be- und Entlastung.<br />

Ständiges Sitzen führt zum dauerhaften Druck auf die Bandscheibe, so dass eine Flüssigkeits-<br />

und Nährstoffaufnahme im geringen Maße erfolgen kann.<br />

115


Verlagerungen des Bandscheibenkerns in Richtung Wirbelkanal können bewirken, dass Nerven<br />

gereizt oder eingeklemmt werden, was dann zu Rückenschmerzen führt. Eine Vielzahl<br />

der Ursachen von Rückenschmerzen sind zurückzuführen auf eine schwache oder verkrampfte<br />

Muskulatur, langfristig entstanden u. a. durch Dauersitzen, Haltungsfehler, Bewegungsmangel<br />

und falsche Bewegungsmuster.<br />

Wie die vom Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin durchgeführten Befragungen<br />

ergeben haben, stehen Nackenschmerzen in der Hitliste der Rückenprobleme ganz<br />

weit vorn. KARMAUS et al. (1990) zeigen, dass in Verwaltungsbetrieben die häufigsten Erkrankungen<br />

der Bewegungsorgane die Schultern, die Hals-Wirbelsäule und Lenden-<br />

Wirbelsäule betreffen und dass die Bewegung am Arbeitsplatz eine herausragende Bedeutung<br />

hat, Erkrankungen und Schmerzen vorzubeugen. Insbesondere die Vorneigung des<br />

Kopfes und das Anheben der Schultern sind verantwortlich für die häufigen Beschwerden im<br />

Nacken- und Schulterbereich. Schulter- und Nackenbeschwerden sind insbesondere bei<br />

Beschäftigten mit Bildschirmarbeit bedeutend höher als bei „normalen“ Bürobeschäftigten.<br />

Eine interessante Aussage, die bereits 1989 getroffen wurde.<br />

Übertragen auf die Call Center heißt es, es gibt keine „normalen“ Büroangestellten, die Bildschirmarbeit<br />

ist Standard geworden. Die Bewegungsarmut und das Dauersitzen nehmen<br />

noch mehr zu. Wen wundert es da, dass das Muskel-Skelettsystem immer mehr darunter<br />

leidet.<br />

Selbst die vorbildlichste ergonomische Ausstattung kann nur einen Teil der Rückenbeschwerden<br />

ausschalten, wie in den Untersuchungen vom Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik<br />

Neuruppin deutlich wurde.<br />

Angesichts dieser Entwicklung sollte die Verhaltensprävention immer mehr an Bedeutung<br />

gewinnen.<br />

Durchführung von Rückenschulen in zwei Call Centern<br />

Die Rückenschulen wurden in zwei ergonomisch unterschiedlich ausgestatteten Call Centern<br />

durchgeführt, im CCN 2 und CCN 3 (siehe Punkt 4.3.4). Trainiert wurden die Agents von<br />

zwei Studentinnen der Universität Potsdam, Studiengang Diplomsportwissenschaft Rehabilitation<br />

/ Prävention.<br />

Ziel sollte es sein, die Mitarbeiter mit Grundlagenwissen zum Problem „richtige Haltung“ auszustatten<br />

und sie befähigen, Bewegungsübungen in den Alltag, vor allem Arbeitsalltag, einzubauen.<br />

Voraussetzungen dafür sind<br />

- die Kenntnis darüber, was eine „gute Haltung“ ist und welche Bedeutung sie für die<br />

116


<strong>Gesundheit</strong> hat,<br />

- muskuläre Voraussetzungen, um aktiv eine gute Haltung einnehmen und erhalten zu<br />

können.<br />

Muskuläre Balance ist die Voraussetzung für eine harmonische Statik.<br />

Beispiel Halswirbelsäule<br />

Das Marathonsitzen vor dem Bildschirm bedeutet für Hals und Kopf fast immer eine Auslenkung<br />

aus der idealen Balance (Vorneigung, Neigung nach hinten). Dadurch werden die Muskeln<br />

zu einer dauernden Haltearbeit gezwungen, was sich negativ auf das muskuläre<br />

Gleichgewicht auswirkt. Einige Muskeln werden für die Aufrechterhaltung der ungünstigen<br />

Haltung verstärkt beansprucht, sie verspannen, wie z. B. die Nackenmuskulatur. Die vordere<br />

Halsmuskulatur kommt kaum zum Tragen und schwächt somit ab.<br />

Inhalt der Kurse<br />

1. Stunde<br />

o Übungen zur allgemeinen Erwärmung, Abschalten von der Arbeit und Mobilisation<br />

o Verlaufsbesprechung<br />

o Anatomie der Wirbelsäule<br />

o Entspannen in Form einer Phantasiereise<br />

2. Stunde<br />

o Übungen<br />

o Theorie „Richtiges Sitzen“<br />

o Erwärmungsübungen<br />

o Erlernen eines rückenfreundlichen Sitzens<br />

o Kräftigung Bauch– und Beckenmuskulatur<br />

3. Stunde<br />

o Lockerungsübungen<br />

o Wiederholung von Theorie und Praxis<br />

o Kräftigungsübungen<br />

o Progressive Muskelrelaxration<br />

4. Stunde<br />

o Arbeitsplatzbegehung mit Stuhleinstellung und Tipps für jeden Teilnehmer<br />

5. Stunde<br />

117


o Erwärmungsübungen<br />

o Theorie des richtigen Bückens, Hebens und Tragens mit Übungen<br />

o Kräftigung Rumpf- und Gesäßmuskulatur<br />

o Verbesserung der Dehnfähigkeit und Beweglichkeit<br />

o Entspannung<br />

6. Stunde<br />

o Erwärmungsübungen<br />

o Wiederholung von Theorie und Praxis<br />

o Kräftigungsübungen Bauch- und Rumpfmuskulatur<br />

o Verbesserung der Dehnfähigkeit<br />

o Entspannung<br />

7. Stunde<br />

o Erwärmungsübungen<br />

o Zusammenfassung und Wiederholung von Theorie und den wichtigsten Übungen<br />

o Phantasiereise<br />

8. Stunde<br />

o Erwärmungsübungen<br />

o Wiederholung, 10 goldene Rückenschulregeln<br />

o Entspannen durch Partnermassage<br />

Die Übungsstunden dauern jeweils ca. 40 Minuten. Ein separater Raum ist zur Verfügung zu<br />

stellen.<br />

Den vorangegangenen Erläuterungen ist zu entnehmen, dass das Erlernen richtiger Haltungen<br />

und Bewegungsabläufe sowie das Vermitteln theoretischer Grundlagen externen Anbietern<br />

vorbehalten bleiben sollte.<br />

Aus diesen vielfältigen Übungsmöglichkeiten, die auch im privaten Bereich weiter durchgeführt<br />

werden sollten, sind Dehnungs- und Auflockerungsübungen zusammengestellt worden,<br />

die mühelos am Arbeitsplatz, auch während des Telefonierens, durchführbar sind.<br />

Sie können die Übungen nachlesen im Tool „Locker vom Hocker – Bewegungsübungen für<br />

Call Center Agents“.<br />

118


5.3.2 Stimmtraining<br />

Die Tätigkeit eines Call Center Agents ist bekanntlich durch Monotonie und einseitige Belastung<br />

gekennzeichnet. Diese beziehen sich einerseits auf den Körper, andererseits aber<br />

auch maßgeblich auf die Sinnesorgane. Die Dienstleistung wird im Call Center ausschließlich<br />

über die Stimme erbracht. Erschwerend kommt hinzu, dass keine nonverbale Kommunikation<br />

am Telefon möglich ist, so dass Höflichkeit, Beruhigung usw. allein mit der Stimme<br />

vermittelt werden müssen.<br />

Außerdem ist bekannt, dass sich nicht nur physiologische Belastungen, sondern ebenso<br />

psychische Belastungen wie z. B. Stress auf die Stimme niederschlagen.<br />

Beispielsweise ist allein schon durch die angespannte Körperhaltung, die man in Stresssituationen<br />

unbewusst einnimmt, eine ungünstige Körperhaltung und Atmung vorhanden, was<br />

sich zweifellos auf die Belastung der Stimme auswirkt.<br />

(Nähere Informationen lesen Sie bitte im <strong>Report</strong> „Call Center Agent als Sprechberuf-<br />

Belastungsfaktoren und Stimmerkrankung“ nach).<br />

Die Stimme eines Call Center Agents ist also zentrales Element seiner Tätigkeit und sollte<br />

daher zukünftig auch zentrales Element der Ausbildung und der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

sein. So hat das Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin, das die<br />

Verhaltensprävention im Call Center erprobt, entsprechend der analysierten Probleme, ein<br />

Stimmtraining durchgeführt.<br />

Das Stimmtraining wurde in Kooperation mit der Tekomedia GmbH als eine verhaltenspräventive<br />

Maßnahme im CCN 4 (siehe Punkt 4.3.4) durchgeführt.<br />

Die Tekomedia GmbH hat im Rahmen des Projektes „<strong>CCall</strong> – erfolgreich und gesund arbeiten<br />

im Call Center“ die Zielsetzung, Gestaltungs- und Trainingskonzepte zur Prävention von<br />

Stimmstörungen zu entwickeln und zu erproben.<br />

Das „Stimmseminar für Telefonisten in Call oder Service Centern“ wurde von zwei Trainern<br />

durchgeführt, so dass neben den positiven Effekten der Gruppenarbeit auch eine individuelle<br />

Betreuung der Teilnehmer möglich war. Ein Trainer war Logopäde mit langjähriger Erfahrung<br />

in der Stimmtherapie und der Durchführung von Präventionsseminaren für Sprechberufler<br />

119


(Erziehern, Lehrern). Der zweite Trainer war Sprachtherapeut und Diplom Pädagoge mit<br />

langjähriger Call Center Erfahrung.<br />

Für den <strong>Erfolg</strong> des Seminars war es notwendig, sich zuvor über die Arbeitssituation der Telefonisten<br />

zu informieren.<br />

Das Seminar war an sich für maximal 12 Teilnehmer konzipiert. Es war aufgeteilt in ein Basisseminar<br />

und einen Aufbautag, der zum Auffrischen des Erlernten nach ca. einem Monat<br />

erfolgte. Das Seminar war in sechs Bausteine unterteilt. Jeder Baustein umfasste einen<br />

praktischen und einen theoretischen Teil. Die sechs Bausteine wurden im Basisseminar erarbeitet.<br />

Am Auffrischungstag wurden alle sechs Bausteine kurz wiederholt, wobei hier der<br />

Transfer im Mittelpunkt stand. Weiterhin wurde die Umsetzung des Gelernten in den Telefonieralltag<br />

thematisiert.<br />

-/.$01324.658789;:874= ?324@ 9<br />

Baustein 1: Körperwahrnehmung und Präsenz<br />

Baustein 2: Eutonus und Aufrichtung<br />

Baustein 3: Atmung und Abspannen<br />

Baustein 4: Intention und Zuhören<br />

Baustein 5: Stimme und Sprechen<br />

Baustein 6: Präventionsmaßnahmen<br />

Abb. 43: Aufbau des Seminars<br />

Der erste Baustein vermittelte die körperlichen Grundvoraussetzungen für ökonomisches<br />

Sprechen.<br />

Im zweiten Baustein stand die Körperspannung (Tonus) als ein wesentlicher Faktor bei der<br />

Verursachung von Stimmstörungen im Mittelpunkt.<br />

120


Im dritten Baustein erfolgten Übungen zur Atmung, wobei die reflektorische Atemergänzung<br />

(Abspannen) als ökonomischste Art zu atmen vermittelt wurde.<br />

Die Zielgerichtetheit und das dialogische Prinzip als Bestandteil jeder Kommunikation wurden<br />

im vierten Baustein eingeübt.<br />

Ziel aller Übungen war es, die Wahrnehmung der Telefonisten für die Zusammenhänge von<br />

Stimmgebung, Körperhaltung, Atemgebung und Gesprächszuwendung zu schulen. Bestandteil<br />

all dieser Bausteine war, dass immer auch Transferübungen angestrebt waren, sei<br />

es im Seminar selber oder in den sogenannten Rucksackübungen. Die Rucksackübungen<br />

waren einfache Übungen, die problemlos am Arbeitsplatz durchgeführt werden konnten.<br />

Im fünften Baustein wurde schließlich an der Stimme selber gearbeitet. Auch in den anderen<br />

Bausteinen wurde bereits die Stimme eingesetzt; in diesem Baustein wurden die<br />

einzelnen Teilbereiche des Sprechvorgangs integriert. Weiterhin wurde den Telefonisten<br />

vermittelt, wie ihre natürliche Stimmlage ist, wie man durch mehr Resonanz leiser und doch<br />

verständlicher reden kann und noch vieles mehr. Auch eine Einzelarbeit mit Hinweisen und<br />

individuellen Übungen war Bestandteil dieses Bausteins.<br />

Im sechsten Baustein wurden schließlich Präventionsmaßnahmen vermittelt, die den persönlichen<br />

und beruflichen Umgang mit der eigenen Stimme betrafen. Um eine Früherkennung<br />

zu gewährleisten, wurden Haupt– und Nebensymptome von Stimmstörungen aufgezeigt<br />

und darüber informiert, was man bei akuten Beschwerden tun sollte. Die beste Prävention<br />

allerdings liegt in dem Erlernen einer ökonomischen Sprechweise, wie sie im Seminar<br />

vermittelt wurde. Deshalb waren die Bausteine überwiegend praktisch orientiert.<br />

Nach den praktischen Übungen erfolgte jeweils ein theoretischer Input mit vielseitigen,<br />

multimedial aufbereiteten Materialien, wobei physiologische Hintergründe anschaulich dargestellt<br />

und vermittelt wurden.<br />

5.3.3 Basics for Agents<br />

Eine andere Maßnahme war das Qualifizierungskonzept „Basics for Agents“. Dieses Konzept<br />

ist von der Technologieberatungsstelle des DGB Hessen entwickelt worden. Durchgeführt<br />

wurde es in einem Call Center, das seit drei Jahren in eine Langzeitstudie des Amtes involviert<br />

ist (CCN 5), da das dafür vorgesehene CCN 1 nicht bereit war, diebezüglich Maßnahmen<br />

durchzuführen. Das CCN 5 hat während der Langzeitstudie einen Neubau bezogen,<br />

wodurch dort beste ergonomische Voraussetzungen vorlagen. Eine Vorher-Analyse wurde<br />

auf Grund der guten ergonomischen Bedingungen und des Anliegens des Konzeptes, d. h.<br />

Wissensvermittlung, nicht vorgenommen.<br />

121


Gerade bei den guten Arbeitsbedingungen erschien es ideal, das Basics für Agents durchzuführen,<br />

da dieses Konzept grundlegende und vertiefende Zusammenhänge zwischen Arbeitsplatzbedingungen<br />

und eigenem Verhalten verdeutlicht.<br />

Was bedeutet Basics für Agents?<br />

<strong>Erfolg</strong>reiche Call Center Arbeit gründet bekanntermaßen auf zufriedene, leistungsfähige und<br />

gesunde Agenten. Für nachhaltige Schritte zu diesem Ziel werden informierte, selbstverantwortliche<br />

und aktive Personen benötigt, die in der Lage sind aktiv an der Verbesserung der<br />

Arbeitsbedingungen mitzuwirken.<br />

Ziele dieses Konzeptes war es, <strong>Gesundheit</strong>swissen der Agents aufzubauen und sie zur aktiven<br />

Beteiligung an dem Verbesserungsprozess der Arbeitsbedingungen zu befähigen. Außerdem<br />

sollten die Call Center Agents für gesundheitsförderliches Verhalten sensibilisiert<br />

werden.<br />

Das Konzept hat somit die drei Ansätze der Betrieblichen <strong>Gesundheit</strong>sförderung:<br />

Verhaltensprävention, Verhältnisprävention und Partizipation miteinander verbunden.<br />

Im Ergebnis der Maßnahme wurden informierte und aktive Mitarbeiter bezüglich der <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

erwartet. Sie sollten daraufhin selbstverantwortlich handeln und auf ihr<br />

gesundheitsgerechtes Verhalten achten können. Die Agents sollten demzufolge in der Lage<br />

sein, aktiv mit zu reden und Verbesserungsvorschläge einzubringen. Auf diese Weise sollte<br />

die Akzeptanz erreicht und das Erfahrungswissen der Mitarbeiter genutzt werden.<br />

Wie wurde es umgesetzt?<br />

In dem Qualifizierungskonzept wurde den Mitarbeitern der Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen<br />

und <strong>Gesundheit</strong>sschutz vermittelt. Sie wurden befähigt, ihre Situation in<br />

bezug auf arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse einzuschätzen und sich bei der Verbesserung<br />

ihrer Arbeitsbedingungen zu beteiligen.<br />

Eine Voraussetzung zur Durchführung dieses Seminars war die Arbeit in Kleingruppen<br />

mit 10 - 15 Personen, entweder in Blöcken von jeweils 2 Stunden oder alternativ 2 Tage.<br />

Eine Einheit für Einstieg und Ausblick wurde hinzugefügt. Der Aufbau ist in der nachfolgenden<br />

Übersicht dargestellt:<br />

122


Frei sprechen und hören Modul 1 Lärm- und Stimmbelastung beim<br />

Sprechen<br />

Richtig sitzen und bewegen Modul 2 Belastung Rücken beim Sitzen<br />

Gut sehen am Bildschirm Modul 3 Belastung Augen bei der Bildschirmarbeit<br />

Entspannt freundlich sein Modul 4 Stressbelastung bei der Arbeit mit Kunden<br />

Zusammen arbeiten Modul 5 Arbeitsorganisation und Teamarbeit<br />

Abb. 44: Aufbau des Basics für Agents<br />

Die Mitarbeiter erhielten zum jeweiligen Modul Hintergrundwissen und erarbeiteten auf dieser<br />

Grundlage gemeinsam eine Checkliste, die Maßnahmen und Möglichkeiten zur Verbesserung<br />

des persönlichen Verhaltens und Erwartungen zur Arbeitssituation umfasste.<br />

(Nähere Informationen lesen Sie bitte im <strong>Report</strong> bzw. den Tools der Technologieberatungsstelle<br />

des DGB Hessen nach).<br />

Mit diesem Qualifizierungskonzept wurde Wissen vermittelt und Gestaltungsmöglichkeiten<br />

aufgezeigt. Es sollte Grundlage und Anstoß zur Verhaltensänderung der Agents sein, um die<br />

<strong>Gesundheit</strong> langfristig positiv zu beeinflussen.<br />

123


5.3.4 Wirksamkeit der Maßnahmen<br />

Das Teilprojekt beschäftigt sich im Rahmen einer Evaluationsstudie mit der Wirkung von<br />

Trainingsmaßnahmen auf die physische und psychische <strong>Gesundheit</strong> von Mitarbeitern in<br />

ausgewählten Call Centern. Dazu sollten drei verschiedene Maßnahmen konzipiert und empirisch<br />

auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Die Maßnahmen bestanden im einzelnen<br />

aus<br />

(A) einer Rückenschule<br />

(B) einem Stimmtraining<br />

(C) einem Lehrgang „Basics for Agents“.<br />

Vier Call Center wurden untersucht und ausgewertet. Die Trainingsmaßnahme „Rückenschule“<br />

fand in den Call Centern „CCN 2“ sowie „CCN 3“ statt, ein Stimmtraining erfolgte bei<br />

„CCN 4“ und das Call Center „CCN 5“ erhielt den Trainingslehrgang „Basics for Agents“.<br />

Letzteres wird nur auf der Ebene der Teilnehmerzufriedenheit ausgewertet (s. u.), da hier<br />

aufgrund einer Langzeituntersuchung keine Vorhermessung erfolgte.<br />

Die Untersuchung wurde nach einem quasiexperimentellen Ansatz in Form eines Pre-Post-<br />

Designs mit nichtäquivalenten Versuchs- und Kontrollgruppen durchgeführt. Nach dem 4-<br />

Ebenen-Modell von Kirkpatrick (1976) werden die zwei unteren Ebenen betrachtet: die Teilnehmerzufriedenheit<br />

(Reaktionsebene) und die Lernebene. Die eingesetzten Messinstrumente<br />

dienten der quantitativen Erhebung von Daten für beide Ebenen. Es handelt sich hierbei<br />

um zwei Verfahren, die den praktischen Anforderungen angepasst wurden und in dieser<br />

Form erstmalig zum Einsatz kamen.<br />

Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgt mittels statistischer Verfahren unter Nutzung<br />

des Programmpaketes SPSS für Windows, Release 8.0.0 (1998). Zur Einschätzung der Teilnehmerzufriedenheit<br />

erfolgt in Punkt 5.4.1 eine deskriptive Darstellung der Ergebnisse der<br />

Teilnehmerbefragung zunächst getrennt für jedes Call Center mit Minimum, Maximum, Mittelwert<br />

und Streuung. Um Vergleiche der Einzelmaßnahmen zu ermöglichen, werden die<br />

Ergebnisse im nächsten Schritt zusammen betrachtet. Daran lassen sich Verbesserungsspielräume<br />

bei der Umsetzung der theoretischen Konzeption in die Praxis aufzeigen.<br />

Die Zufriedenheit der Programmteilnehmer wird als Voraussetzung für mögliche Effekte auf<br />

den folgenden Ebenen Lernen, Transfer an den Arbeitsplatz und Organisation gesehen, ihr<br />

kommt somit zentrale Bedeutung bei der Einschätzung der Trainingsmaßnahmen hinsichtlich<br />

ihrer Rechtfertigung zu.<br />

Punkt 5.4.2 beschäftigt sich mit der inferenzstatistischen Auswertung der Trainingseffekte.<br />

Ziel ist es hier, Verbesserungen im <strong>Gesundheit</strong>szustand der Mitarbeiter auf die einzelnen<br />

124


Maßnahmen zurückzuführen. Dazu werden sowohl die deskriptiven Maße (Mittelwerte,<br />

Streuungen, Differenzen zwischen Pre- und Postmessung sowie zwischen Versuchs- und<br />

Kontrollgruppe) dargestellt als auch entsprechende Unterschiedstests (Varianzanalysen)<br />

gerechnet. Zur besseren Verständlichkeit der Ergebnisse werden die Vorher-Nachher-<br />

Effekte für die einzelnen Gruppen graphisch veranschaulicht.<br />

Schließlich wird im folgenden Punkt eine Interpretation der Befunde zur Teilnehmerzufriedenheit<br />

und zu den Lerneffekten gegeben. Auf der empirischen Basis aufbauend werden<br />

Empfehlungen zur Verbesserung der Durchführung der Trainingsmaßnahmen bzw. zur<br />

Bewertung des Lern- und Transfereffektes der Trainingsmaßnahmen gegeben.<br />

Teilnehmerzufriedenheit<br />

Nach dem 4-Ebenen-Konzept von Kirkpatrick (1976) erfolgt auf Ebene 1 die Einschätzung<br />

der Teilnehmerzufriedenheit als Voraussetzung für einen Trainingserfolg. Hier wird sichergestellt,<br />

dass die Teilnehmer ausreichend motiviert waren, die Inhalte des Trainings für sich<br />

anzunehmen und ihr Verhalten entsprechend anzupassen. Diese „Reaktionsebene“ ist also<br />

von zentraler Bedeutung für die nachfolgenden Ebenen.<br />

Der Fragebogen zur Teilnehmerzufriedenheit bestand aus 21 Items, welche auf einem<br />

sechsstufigen Rating von „trifft völlig zu“ bis „trifft gar nicht zu“ durch die Trainingsteilnehmer<br />

nach der Maßnahme zu bewerten waren. Zur Quantifizierung wurde jedem Item eine Skala<br />

von 1-6 zugeordnet, wobei der Wert 1 für maximale Unzufriedenheit und der Wert 6 für maximale<br />

Zufriedenheit steht. D.h. für alle Items mit Ausnahme von „Die Trainingszeit war zu<br />

knapp bemessen“ und „Das Training hätte mit weniger Zeitaufwand effektiver sein können“<br />

wurde die aufsteigende Reihe (von links nach rechts) umgepolt. Durch die gerade Anzahl an<br />

Antwortkategorien wurde sichergestellt, dass jeder Befragte für jedes Item Unzufriedenheit<br />

(1-3) bzw. Zufriedenheit (4-6) bekundete. Die Auswertung erfolgt deskriptiv bzw. anhand einer<br />

graphischen Darstellung der Profile für die einzelnen Call Center.<br />

Ein weiteres Item erfasste im offenen Antwortformat Änderungswünsche und Hinweise. Für<br />

diese Auswertung wurde lediglich erfasst, ob Wünsche geäußert wurden oder nicht (1=ja;<br />

2=nein).<br />

125


CCN 2<br />

Im Call Center CCN 2 wurde eine Rückenschule durchgeführt. In Tabelle 1 sind die Minima<br />

(min), Maxima (max), der Mittelwert (MW) sowie dessen Streuung (sd) für jedes Einzelitem<br />

angegeben.<br />

Item Call Center min* max* MW sd<br />

für Tätigkeit wichtig CCN 2 5 6 5,7 0,48<br />

ausreichende Informationen N=10 5 6 5,2 0,42<br />

viel gelernt 5 6 5,3 0,48<br />

gute Anwendung im Arbeitsalltag 4 6 4,9 0,57<br />

animiert Gelerntes anzuwenden 4 6 4,9 0,88<br />

Ziele sind deutlich geworden 5 6 5,4 0,52<br />

entsprach Wünschen u. Vorstellungen 4 6 5,1 0,57<br />

gute Art und Weise 5 6 5,6 0,52<br />

gute Zeit und Umfang 4 6 5,2 0,63<br />

gutes "Klima" 5 6 5,8 0,42<br />

Maßnahme hat mir gefallen 5 6 5,7 0,48<br />

gute Didaktik 5 6 5,6 0,52<br />

gute Organisation 4 6 4,8 0,79<br />

verständliche Einführung 5 6 5,8 0,42<br />

kompetenter Trainer 5 6 5,7 0,48<br />

sachgerechte Antworten 5 6 5,8 0,42<br />

Training entsprach Erwartungen 5 6 5,6 0,52<br />

zu knappe Trainingszeit 2 6 3,3 1,57<br />

mit weniger Zeitaufwand effektiver 4 6 5,4 0,84<br />

hilfreiche Trainingsmethoden 5 6 5,3 0,48<br />

Information vom AG 1 6 3,7 1,83<br />

Änderungswünsche / Hinweise 1 2 1,9 0,32<br />

*... Range: 1 (maximale Unzufriedenheit) bis 6 (maximale Zufriedenheit)<br />

Tab. 1: Deskriptive Beschreibung der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center „CCN 2“<br />

(Maßnahme: Rückenschule)<br />

126


Der Ergebnistabelle ist zu entnehmen, dass alle Fragen im Mittel mit Zufriedenheit bewertet<br />

wurden. Die einzelnen Minima liegen mit Ausnahme von „zu knappe Trainingszeit“ und „Information<br />

vom AG“ zwischen 4 und 5, die Maxima sind ausnahmslos mit 6 bewertet. Die genannten<br />

beiden Items sind auch vom Mittelwert her deutlich niedriger als die restlichen Items<br />

und bilden damit Ansatzpunkte für Verbesserungen bei der Implementation dieses Programms.<br />

Abbildung 45 zeigt die graphische Darstellung des Profilverlaufes des Mittelwertes in den<br />

Grenzen der jeweilig angegebenen Minima und Maxima. Die Streuungen der Werte sind Tabelle<br />

1 zu entnehmen.<br />

CCN 2<br />

(N=10)<br />

6<br />

Zufriedenheit<br />

5<br />

4<br />

3<br />

Minimum<br />

Maximum<br />

MW<br />

2<br />

1<br />

für Tätigkeit wichtig<br />

ausreichende Informationen<br />

viel gelernt<br />

gute Anwendung im Arbeitsalltag<br />

animiert Gelerntes anzuwenden<br />

Ziele sind deutlich geworden<br />

entsprach Wünschen u. Vorstellungen<br />

gute Art und Weise<br />

gute Zeit und Umfang<br />

gutes "Klima"<br />

Maßnahme hat mir gefallen<br />

gute Didaktik<br />

gute Organisation<br />

verständliche Einführung<br />

kompetenter Trainer<br />

sachgerechte Antworten<br />

Training entsprach Erwartungen<br />

zu knappe Trainingszeit<br />

mit weniger Zeitaufwand effektiver<br />

hilfreiche Trainingsmethoden<br />

Information vom AG<br />

Abb. 45: Profilverlauf der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center<br />

„CCN 2“ (Maßnahme: Rückenschule)<br />

CCN 3<br />

Im Call Center CCN 3“ wurde ebenfalls eine Rückenschule durchgeführt. Da diese nicht gemeinsam<br />

mit „CCN 2“ erfolgte, wird sie zunächst getrennt von diesem Call Center betrachtet.<br />

Es sind Unterschiede bei der Implementation wie z. B. eine unterschiedliche Trainerpersönlichkeit<br />

möglich. In Tabelle 2 sind die Minima (min), Maxima (max), der Mittelwert (MW) sowie<br />

dessen Streuung (sd) für jedes Einzelitem angegeben.<br />

127


Item Call Center min* max* MW sd<br />

Für Tätigkeit wichtig CCN 3 4 6 5,7 0,65<br />

Ausreichende Informationen N=12 5 6 5,6 0,51<br />

Viel gelernt 4 6 5,3 0,75<br />

Gute Anwendung im Arbeitsalltag 4 6 5,5 0,67<br />

Animiert Gelerntes anzuwenden 4 6 5,3 0,78<br />

Ziele sind deutlich geworden 5 6 5,8 0,45<br />

Entsprach Wünschen u. Vorstellungen 4 6 5,2 0,72<br />

Gute Art und Weise 5 6 5,5 0,52<br />

Gute Zeit und Umfang 3 6 5,3 0,97<br />

Gutes "Klima" 6 6 6,0 0,00<br />

Maßnahme hat mir gefallen 5 6 5,7 0,49<br />

Gute Didaktik 5 6 5,5 0,52<br />

Gute Organisation 2 6 4,5 1,24<br />

Verständliche Einführung 5 6 5,8 0,45<br />

Kompetenter Trainer 5 6 5,8 0,45<br />

Sachgerechte Antworten 5 6 5,8 0,39<br />

Training entsprach Erwartungen 4 6 5,4 0,67<br />

Zu knappe Trainingszeit 1 6 3,5 2,07<br />

Mit weniger Zeitaufwand effektiver 2 6 4,9 1,51<br />

Hilfreiche Trainingsmethoden 4 6 5,3 0,65<br />

Information vom AG 5 6 5,9 0,30<br />

Änderungswünsche / Hinweise 1 2 1,8 0,45<br />

*... Range: 1 (maximale Unzufriedenheit) bis 6 (maximale Zufriedenheit)<br />

Tab. 2: Deskriptive Beschreibung der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center „CCN 3“<br />

(Maßnahme: Rückenschule)<br />

Der Ergebnistabelle ist zu entnehmen, dass die meisten Fragen im Mittel mit Zufriedenheit<br />

bewertet wurden. Die einzelnen Minima liegen mit Ausnahme von „gute Zeit und Umfang“,<br />

„gute Organisation“, „zu knappe Trainingszeit“ und „mit weniger Zeitaufwand effektiver“ zwischen<br />

4 und 5, die Maxima sind auch hier ausnahmslos mit 6 bewertet.<br />

128


Auffallend niedriger als die restlichen Items wurde im Mittel die zu knapp bemessene Trainingszeit<br />

eingeschätzt, das gleiche Problem wie in „CCN 2“.<br />

Abbildung 46 zeigt die graphische Darstellung des Profilverlaufes des Mittelwertes in den<br />

Grenzen der jeweilig angegebenen Minima und Maxima für „CCN 3“, Abbildung 47 zeigt die<br />

kontrastierenden MW-Verläufe der beiden Call Centers mit Rückenschule. Die Streuungen<br />

der Werte sind Tabelle 1 und 2 zu entnehmen.<br />

CCN 3<br />

(N=12)<br />

6<br />

Zufriedenheit<br />

5<br />

4<br />

3<br />

Minimum<br />

Maximum<br />

MW<br />

2<br />

1<br />

für Tätigkeit wichtig<br />

ausreichende Informationen<br />

viel gelernt<br />

gute Anwendung im Arbeitsalltag<br />

animiert Gelerntes anzuwenden<br />

Ziele sind deutlich geworden<br />

entsprach Wünschen u. Vorstellungen<br />

gute Art und Weise<br />

gute Zeit und Umfang<br />

gutes "Klima"<br />

Maßnahme hat mir gefallen<br />

gute Didaktik<br />

gute Organisation<br />

verständliche Einführung<br />

kompetenter Trainer<br />

sachgerechte Antworten<br />

Training entsprach Erwartungen<br />

zu knappe Trainingszeit<br />

mit weniger Zeitaufwand effektiver<br />

hilfreiche Trainingsmethoden<br />

Information vom AG<br />

Abb. 46: Profilverlauf der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center<br />

„CCN 3“ (Maßnahme: Rückenschule)<br />

129


Mittelwerte der Maßnahme<br />

"Rückenschule" in 2 Callcentern<br />

6,0<br />

5,0<br />

4,0<br />

MW CCN 2<br />

MW CCN 3<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

für Tätigkeit wichtig<br />

ausreichende Informationen<br />

viel gelernt<br />

gute Anwendung im Arbeitsalltag<br />

animiert Gelerntes anzuwenden<br />

Ziele sind deutlich geworden<br />

entsprach Wünschen u. Vorstellungen<br />

gute Art und Weise<br />

gute Zeit und Umfang<br />

gutes "Klima"<br />

Maßnahme hat mir gefallen<br />

gute Didaktik<br />

gute Organisation<br />

verständliche Einführung<br />

kompetenter Trainer<br />

sachgerechte Antworten<br />

Training entsprach Erwartungen<br />

zu knappe Trainingszeit<br />

mit weniger Zeitaufwand effektiver<br />

hilfreiche Trainingsmethoden<br />

Information vom AG<br />

Abb. 47: Vergleichender Profilverlauf der Teilnehmerzufriedenheit in den<br />

Call Centern „CCN 2“ und „CCN 3“ (Maßnahme: Rückenschule)<br />

CCN 4<br />

Im Call Center CCN 4 wurde ein Stimmtraining durchgeführt. In Tabelle 3 sind die Minima<br />

(min), Maxima (max), der Mittelwert (MW) sowie dessen Streuung (sd) für jedes Einzelitem<br />

angegeben.<br />

Item Call Center min* max* MW sd<br />

für Tätigkeit wichtig CCN 4 2 6 5,0 1,13<br />

ausreichende Informationen N=22 3 6 4,4 0,85<br />

viel gelernt 4 6 4,8 0,73<br />

gute Anwendung im Arbeitsalltag 2 6 4,0 1,13<br />

animiert Gelerntes anzuwenden 2 6 4,7 1,20<br />

Ziele sind deutlich geworden 2 6 5,1 1,15<br />

entsprach Wünschen u. Vorstellungen 1 6 4,3 1,17<br />

gute Art und Weise 2 6 4,7 0,95<br />

gute Zeit und Umfang 1 6 4,9 1,15<br />

gutes "Klima" 4 6 5,6 0,59<br />

130


Maßnahme hat mir gefallen 4 6 5,1 0,71<br />

gute Didaktik 3 6 4,8 0,73<br />

gute Organisation 1 6 4,8 1,15<br />

verständliche Einführung 4 6 5,2 0,53<br />

kompetenter Trainer 4 6 5,0 0,72<br />

sachgerechte Antworten 4 6 5,3 0,70<br />

Training entsprach Erwartungen 3 6 4,7 0,77<br />

zu knappe Trainingszeit 1 6 3,8 1,93<br />

mit weniger Zeitaufwand effektiver 1 6 4,0 1,65<br />

hilfreiche Trainingsmethoden 4 6 4,9 0,61<br />

Information vom AG 1 6 3,2 1,57<br />

Änderungswünsche / Hinweise 1 2 1,9 0,29<br />

*... Range: 1 (maximale Unzufriedenheit) bis 6 (maximale Zufriedenheit)<br />

Tab. 3: Deskriptive Beschreibung der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center „CCN 4“<br />

(Maßnahme: Stimmtraining)<br />

Es ergibt sich ein ähnliches Bild für diese Maßnahme wie für den Kurs „Basics for Agents“.<br />

Zwar sind alle Mittelwerte jenseits des „Cut-offs“ (MW cutoff =3) zur Unzufriedenheit, jedoch<br />

liegen die Werte niedriger als die der Rückenschule. Eine Betrachtung auf Einzelitem - Ebene<br />

ist auch hier zu empfehlen. Als kritisch sind auch hier die Fragen zur Trainingszeit und zur<br />

Information durch den Arbeitgeber (s. CCN 2!) hervorzuheben, hinzu kommt die Anwendbarkeit<br />

des Gelernten im Alltag.<br />

Abbildung 48 zeigt die graphische Darstellung des Profilverlaufes des Mittelwertes in den<br />

Grenzen der jeweilig angegebenen Minima und Maxima. Die Streuungen der Werte sind Tabelle<br />

3 zu entnehmen.<br />

131


CCN 4<br />

(N=22)<br />

6<br />

Zufriedenheit<br />

5<br />

4<br />

3<br />

Minimum<br />

Maximum<br />

MW<br />

2<br />

1<br />

für Tätigkeit wichtig<br />

ausreichende Informationen<br />

viel gelernt<br />

gute Anwendung im Arbeitsalltag<br />

animiert Gelerntes anzuwenden<br />

Ziele sind deutlich geworden<br />

entsprach Wünschen u. Vorstellungen<br />

gute Art und Weise<br />

gute Zeit und Umfang<br />

gutes "Klima"<br />

Maßnahme hat mir gefallen<br />

gute Didaktik<br />

gute Organisation<br />

verständliche Einführung<br />

kompetenter Trainer<br />

sachgerechte Antworten<br />

Training entsprach Erwartungen<br />

zu knappe Trainingszeit<br />

mit weniger Zeitaufwand effektiver<br />

hilfreiche Trainingsmethoden<br />

Information vom AG<br />

Abb. 48: Profilverlauf der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center „CCN 4“<br />

(Maßnahme: Stimmtraining)<br />

CCN 5<br />

Im Call Center CCN 5 wurde die Maßnahme „Basics for Agents“ durchgeführt. Es wird nur<br />

die Teilnehmerzufriedenheit mit dem Training ausgewertet. In Tabelle 4 sind die Minima<br />

(min), Maxima (max), der Mittelwert (MW) sowie dessen Streuung (sd) für jedes Einzelitem<br />

angegeben.<br />

Item Call Center min* max* MW sd<br />

für Tätigkeit wichtig CCN 5 3 6 4,8 1,03<br />

ausreichende Informationen N=10 3 6 4,8 0,97<br />

viel gelernt 3 5 4,2 0,79<br />

gute Anwendung im Arbeitsalltag 3 6 4,6 0,84<br />

animiert Gelerntes anzuwenden 4 6 4,8 0,63<br />

Ziele sind deutlich geworden 4 6 4,9 0,74<br />

entsprach Wünschen u. Vorstellungen 2 6 4,1 1,29<br />

gute Art und Weise 1 6 4,0 1,56<br />

132


gute Zeit und Umfang 1 6 3,9 1,66<br />

gutes "Klima" 2 6 4,7 1,34<br />

Maßnahme hat mir gefallen 2 6 4,5 1,18<br />

gute Didaktik 3 6 4,7 0,82<br />

gute Organisation 1 6 4,2 1,69<br />

verständliche Einführung 4 6 5,3 0,67<br />

kompetenter Trainer 2 6 4,7 1,49<br />

sachgerechte Antworten 2 6 4,6 1,26<br />

Training entsprach Erwartungen 2 6 4,3 1,34<br />

zu knappe Trainingszeit 1 6 4,4 2,01<br />

mit weniger Zeitaufwand effektiver 1 6 3,2 2,04<br />

hilfreiche Trainingsmethoden 4 5 4,4 0,52<br />

Information vom AG 1 6 3,9 1,73<br />

Änderungswünsche / Hinweise 2 2 2,0 0,00<br />

* ... Range: 1 (maximale Unzufriedenheit) bis 6 (maximale Zufriedenheit)<br />

Tab. 4: Deskriptive Beschreibung der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center „CCN 5“<br />

(Maßnahme: „Basics for Agents“)<br />

Ein verglichen mit 1 und 2 etwas verändertes Bild ergibt sich aus Tabelle 4 für diese Maßnahme:<br />

Die Mittelwerte liegen etwa einen Punkt tiefer, es liegen die Mehrzahl der Minimalausprägungen<br />

im Bereich „Unzufriedenheit“ und die Streuung der Werte ist höher. Eine Betrachtung<br />

auf Einzelitem-Ebene ist zu empfehlen, dabei muss aber die größere Testerfahrung<br />

der Mitarbeiter berücksichtigt werden, welche Teilnehmer einer Langzeiterhebung sind.<br />

Als kritisch sind die Fragen zur Art und Weise, zum zeitlichen Umfang sowie zur Organisation<br />

einzustufen, hier bestehen offensichtlich Verbesserungsspielräume.<br />

Abbildung 49 zeigt die graphische Darstellung des Profilverlaufes des Mittelwertes in den<br />

Grenzen der jeweilig angegebenen Minima und Maxima. Die Streuungen der Werte sind Tabelle<br />

4 zu entnehmen.<br />

133


CCN 5<br />

(N=10)<br />

6<br />

Zufriedenheit<br />

5<br />

4<br />

3<br />

Minimum<br />

Maximum<br />

MW<br />

2<br />

1<br />

für Tätigkeit wichtig<br />

ausreichende Informationen<br />

viel gelernt<br />

gute Anwendung im Arbeitsalltag<br />

animiert Gelerntes anzuwenden<br />

Ziele sind deutlich geworden<br />

entsprach Wünschen u. Vorstellungen<br />

gute Art und Weise<br />

gute Zeit und Umfang<br />

gutes "Klima"<br />

Maßnahme hat mir gefallen<br />

gute Didaktik<br />

gute Organisation<br />

verständliche Einführung<br />

kompetenter Trainer<br />

sachgerechte Antworten<br />

Training entsprach Erwartungen<br />

zu knappe Trainingszeit<br />

mit weniger Zeitaufwand effektiver<br />

hilfreiche Trainingsmethoden<br />

Information vom AG<br />

Abb. 49: Profilverlauf der Teilnehmerzufriedenheit im Call Center „CCN 5“<br />

(Maßnahme: „Basics for Agents“)<br />

134


Gesamtdarstellung<br />

Im Folgenden werden die Profilverläufe aller vier Call Center miteinander verglichen. Dies<br />

soll die Interpretation für den Praktiker erleichtern, um Verbesserungsspielräume durch Kontrastierung<br />

schnell zu erkennen. Dazu werden in Abbildung 50 die Mittelwert-Verläufe gemeinsam<br />

dargestellt, die Werte mit den zugehörigen Streuungen sind den Tabellen 1-4 zu<br />

entnehmen.<br />

In Abbildung 51 erfolgt auch die Darstellung der Änderungswünsche der Mitarbeiter bezüglich<br />

der Maßnahmen. Dieses hier dichotom als Veränderungswunsch „ja“ oder „nein“ ausgewertete<br />

Item gibt einen weiteren Hinweis auf die Zufriedenheit mit der jeweiligen Maßnahme:<br />

Werden viele Verbesserungswünsche geäußert, kann dies als Verbesserungsbedürftigkeit<br />

interpretiert werden.<br />

Vergleich über alle Callcenter<br />

6,0<br />

5,0<br />

Zufriedenheit<br />

4,0<br />

3,0<br />

CCN 2 N=10<br />

CCN 3 N=12<br />

CCN 5 N=10<br />

CCN 4 N=22<br />

2,0<br />

1,0<br />

für Tätigkeit wichtig<br />

ausreichende Informationen<br />

viel gelernt<br />

gute Anwendung im Arbeitsalltag<br />

animiert Gelerntes anzuwenden<br />

Ziele sind deutlich geworden<br />

entsprach Wünschen u. Vorstellungen<br />

gute Art und Weise<br />

gute Zeit und Umfang<br />

gutes "Klima"<br />

Maßnahme hat mir gefallen<br />

gute Didaktik<br />

gute Organisation<br />

verständliche Einführung<br />

kompetenter Trainer<br />

sachgerechte Antworten<br />

Training entsprach Erwartungen<br />

zu knappe Trainingszeit<br />

mit weniger Zeitaufwand effektiver<br />

hilfreiche Trainingsmethoden<br />

Information vom AG<br />

Abb. 50: Profilverlauf der Teilnehmerzufriedenheit in den Call Centern<br />

(Maßnahmen: Rückenschule, Stimmtraining und Basics for Agents)<br />

135


Änderungswünsche an der Programmdurchführung<br />

1 - ja<br />

2 - nein<br />

2,0<br />

1,9<br />

1,9<br />

2,0<br />

1,8<br />

1,0<br />

CCN 2 N=10 CCN 3 N=12 CCN 4 N=22 CCN 5 N=10<br />

Abb. 51: Änderungswünsche an der Programmdurchführung<br />

Insgesamt kann von einer hohen Zufriedenheit der Befragten mit den jeweiligen Maßnahmen<br />

ausgegangen werden. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für ein Lernen für die Arbeit<br />

bzw. zur Verhaltensprävention erfüllt. Dennoch sind einige Fragen bei Einzelpersonen mit<br />

Unzufriedenheit beantwortet worden. Verbesserungsspielräume existieren damit und sollten<br />

auf Umsetzbarkeit hin geprüft werden. Wertvolle Informationen können dazu den Fragebögen<br />

im letzten, offen zu beantwortenden Item entnommen werden (qualitative Auswertung).<br />

Im nächsten Punkt werden nun die Trainingseffekte auf der Lernebene ausgewertet.<br />

Trainingswirkung<br />

Die unmittelbare Wirkung der Einzelmaßnahmen auf das Erleben und Verhalten der Teilnehmer<br />

ist für Programmentwickler, Mitarbeiter und Unternehmensführung gleichermaßen<br />

entscheidend. Nur wenn sich hier ein Effekt nachweisen lässt, kann von der Sinnhaftigkeit<br />

der Maßnahme gesprochen werden. Der Effektnachweis ist an verschiedene Bedingungen<br />

geknüpft, die hier nicht erörtert werden können. Eine Schwierigkeit besteht in der Herstellung<br />

eines angemessenen Messverfahrens, welches das interessierende Verhalten valide misst<br />

(und damit die empirischen Gütekriterien erfüllt) und Veränderungen im Vorher - Nachher -<br />

Vergleich abzubilden vermag. Solche Instrumente existieren für Praxisanwendungen eher<br />

selten, da die Anforderungen mit jedem Projekt wechseln und eine wissenschaftliche Konstruktion<br />

objektiver, reliabler und valider Verfahren schnell an zeitliche und finanzielle Barrieren<br />

stößt.<br />

136


Dennoch besteht in der Praxis häufig die Forderung, Trainingsmaßnahmen in entsprechend<br />

eng begrenztem Rahmen zu evaluieren. Damit sich diese Evaluation nicht allein auf die stark<br />

subjektiv geprägte Sicht der Teilnehmerzufriedenheit beschränken muss (manche Autoren<br />

sprechen von „Happy Sheets“ ohne viel Aussagekraft), muss auf ein eher pragmatisch kriteriumsorientiertes<br />

Vorgehen zum Erhalt empirischer Daten zurückgegriffen werden. Diese<br />

Verfahren können auch bei nicht erfolgter vorheriger Überprüfung Ihrer messtheoretischen<br />

Güte wertvolle Informationen über einen Trainingserfolg liefern. Bei der Interpretation muss<br />

allerdings eine Einschränkung in der kausalen Aussagekraft vorgenommen werden, Nulleffekte<br />

sind auch eher wahrscheinlich und vor diesem Hintergrund zu bewerten (ein Programm<br />

kann gewirkt haben, aber das Messgerät zeigt dies nicht an).<br />

Mit der Konstruktion des Verfahrens „Arbeitsbedingte <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden“ (AGB) wurde<br />

der erläuterte Weg beschritten, indem bereits existierende Verfahren und Praxisexperten<br />

zu Rate gezogen wurden. Dabei entstand ein subjektives Screening-Instrument mit 28 Items,<br />

wobei 26 Items zu einer Kernaussage „<strong>Gesundheit</strong>szustand“ bzw. den 4 Subskalen<br />

- Beschwerden Kopf und Nacken<br />

- Psychovegetative Beschwerden<br />

- Beschwerden Muskel-Skelett-System und<br />

- Beschwerden der Atemwege<br />

verdichtet wurden. Dies wurde anhand einer umfangreichen Stichprobe (N=360) realisiert. Es<br />

wurde eine varimaxrotierte Faktorenanalyse gerechnet, deren Lösung die angestrebte Skalenstruktur<br />

(4 Subskalen) aufwies bzw. eine Zuordnung der Items zu den Faktoren ermöglichte<br />

(s. Tabelle 5).<br />

Skala<br />

Item - Nr.<br />

Beschwerden Kopf und Nacken 6, 13, 14, (24,*) 25, 26, 27<br />

Psychovegetative Beschwerden 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23<br />

Beschwerden Muskel-Skelett-System 7, 8, 9, 10, 11, 12<br />

Beschwerden der Atemwege 1, 2, 3, 4, 5<br />

* ... Item wurde in der Nachbefragung nicht mehr eingesetzt<br />

Tab. 5: Itemzuordnung zu den Subskalen der AGB<br />

137


Das Format der Skalen ist ein ordinales Rating mit 5 äquidistanten Merkmalsabstufungen<br />

(immer - oft - manchmal - selten - nie). Diesen wurden in dieser Reihenfolge die Zahlen 1 bis<br />

5 zugeordnet. Ein niedriger Wert bedeutet dabei einen ungünstigen, ein hoher Wert einen<br />

günstigen <strong>Gesundheit</strong>szustand. Die Skalen dienen neben dem Gesamt-Mittelwert als abhängige<br />

Variable (AV) der varianzanalytischen Auswertung des quasiexperimentellen Designs.<br />

Die inferenzstatistische Auswertungsstrategie beruht also auf einer zweifaktoriellen<br />

univariaten Varianzanalyse des Gesamt-Mittelwertes (Y) und einer multivariaten Auswertung<br />

der 4 Subskalen mit den Variablenbezeichnungen<br />

P = Beschwerden Kopf und Nacken<br />

Q = Psychovegetative Beschwerden<br />

R = Beschwerden Muskel-Skelett-System<br />

S = Beschwerden der Atemwege<br />

Es kommt die zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung auf einem Faktor zum<br />

Einsatz. Zur Prüfung der Voraussetzungen für eine Varianzanalyse (metrisches Daten-<br />

Niveau, Varianzenhomogenität und Normalverteilung der Messwerte) wird angenommen,<br />

dass metrisches Niveau durch bewusst eingesetzte äquidistante Merkmalsabstufungen im<br />

Antwortformat (s.a. Bortz & Döring, 1995) vorliegt. Die Varianzenhomogenität wird bei der<br />

Wahl der Methode berücksichtigt (SPSS), die Normalverteilungsannahme ist für jede AV<br />

mittels Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstest zu prüfen. Bei Nichtvorliegen ist die Aussagekraft<br />

der Befunde einzuschränken bzw. u. U. auf ein nichtparametrisches Verfahren auszuweichen<br />

(Wilcoxon-Test). Im Falle signifikanter Effekte in der multivariaten Varianzanalyse<br />

sind nachfolgend Scheffé-Tests zu rechnen, um den Effekt einer oder mehrerer AVn zuordnen<br />

zu können.<br />

Die zu prüfende Hypothese besteht darin, ob das jeweilige Training eine gesundheitsförderliche<br />

Wirkung hatte. Dieser Trend ist zunächst anhand der gefundenen Pre - Post - Mittelwerte<br />

abzulesen. Für jedes Call Center werden daher zunächst deskriptiv die Variablenausprägungen<br />

in Pre- und Posttest dargestellt, bei Hypothesenkonformität erfolgt danach o.<br />

g. inferenzstatistische Bewertung. Die Werte von CCN 2 und CCN 3 werden auch zusammengefasst<br />

dargestellt, da hier die gleichen Maßnahmen erfolgten (Rückenschule). Schließlich<br />

werden die Werte aller drei Call Center (CCN 5 wird nicht ausgewertet!) zusammengefasst<br />

und auf den Gesamteffekt hin überprüft.<br />

138


CCN 2<br />

(A) Prüfung der Normalverteilung<br />

Die Prüfung auf Normalverteilung ergibt für die Gesamtskalen und für die Subskalen in Pre -<br />

und Posttest normalverteilte Werte. Ausnahme bildet lediglich die Subskala Q (Psychovegetative<br />

Beschwerden) für die Kontrollgruppe im Posttest. Die Varianzanalyse soll dennoch für<br />

alle Messwerte erfolgen.<br />

(B) Univariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Gesamtskala AGB<br />

AGB gesamt Pretest<br />

AGB gesamt Posttest<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Mittelwert Standardabweichung N<br />

4,5769 ,2900 8<br />

4,3141 ,4565 12<br />

4,4192 ,4112 20<br />

4,4231 ,3131 8<br />

4,3910 ,7253 12<br />

4,4038 ,5839 20<br />

Tab. 6: Deskriptive Beschreibung von VG und KG – Gesamtskala AGB<br />

139


CCN 2: Mittelwerte AGB<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

Gesamtmittelwerte AGB<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Abb. 52: AGB-Mittelwerte in Pre- und Postmessung für VG und KG<br />

Das Ergebnis zeigt eine leichte <strong>Gesundheit</strong>sabnahme in der Versuchsgruppe und einen<br />

leichten Anstieg in der Kontrollgruppe. Dies ist nicht hypothesenkonform, bedarf daher keiner<br />

weiteren inferenzstatistischen Überprüfung.<br />

140


(C) Multivariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Subskalen der AGB<br />

Kopf und Nacken Pretest<br />

Kopf und Nacken Posttest<br />

Psychovegetative<br />

Beschwerden Pretest<br />

Psychovegetative<br />

Beschwerden Posttest<br />

Beschwerden Muskeln/<br />

Skellett Pretest<br />

Beschwerden Muskeln/<br />

Skellett Posttest<br />

Beschwerden Atemwege<br />

Pretest<br />

Beschwerden Atemwege<br />

Posttest<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Mittelwert Standardabweichung N<br />

4,0417 ,6770 8<br />

3,7917 ,6160 12<br />

3,8917 ,6359 20<br />

4,0208 ,6451 8<br />

3,7500 ,6981 12<br />

3,8583 ,6738 20<br />

4,7222 ,4072 8<br />

4,4907 ,6857 12<br />

4,5833 ,5889 20<br />

4,5556 ,3984 8<br />

4,9259 1,6236 12<br />

4,7778 1,2725 20<br />

4,8750 ,1942 8<br />

4,5139 ,5794 12<br />

4,6583 ,4911 20<br />

4,6875 ,3013 8<br />

4,4306 ,5794 12<br />

4,5333 ,4944 20<br />

4,6000 ,2138 8<br />

4,3833 ,5750 12<br />

4,4700 ,4692 20<br />

4,3500 ,3665 8<br />

4,1500 ,4523 12<br />

4,2300 ,4219 20<br />

Tab. 7: Deskriptive Beschreibung von VG und KG<br />

141


CCN 2 - Mittelwerte P<br />

CCN 2 - Mittelwerte Q<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

5,0<br />

Pre-Postvergleich<br />

Kopf- und Nackenbeschwerden<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Psychovegetative Beschwerden<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Messzeitpunkt<br />

CCN 2 - Mittelwerte R<br />

CCN 2 - Mittelwerte S<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

Beschwerden Muskeln/ Skelett<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Beschwerden Atemwege<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Messzeitpunkt<br />

Abb. 53: Pre - Post - Vergleiche auf den Subskalen der AGB<br />

Die einzelnen Subskalen zeigen den Trend der Gesamtskala, insgesamt sind die Unterschiede<br />

sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen den Messzeitpunkten sehr gering<br />

und verhalten sich tendenziell hypothesenkonträr. Daher sind statistische Nachweise nicht<br />

erforderlich, alle vorhandenen Unterschiede bzw. Interaktionseffekte sind zudem nicht signifikant.<br />

142


CCN 3<br />

(A) Prüfung der Normalverteilung<br />

Die Prüfung auf Normalverteilung ergibt für die Gesamtskalen und für die Subskalen in Preund<br />

Posttest ausnahmslos normalverteilte Werte. Die Varianzanalyse kann für alle Messwerte<br />

erfolgen.<br />

(B) Univariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Gesamtskala AGB<br />

AGB gesamt Pretest<br />

AGB gesamt Posttest<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Mittelwert Standardabweichung N<br />

4,5000 ,3046 12<br />

4,4654 ,4195 10<br />

4,4843 ,3526 22<br />

4,1410 ,4365 12<br />

4,4346 ,2440 10<br />

4,2745 ,3843 22<br />

Tab. 8: Deskriptive Beschreibung von VG und KG–Gesamtskala AGB<br />

CCN 3: Mittelwerte AGB<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

Gesamtmittelwerte AGB<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

Messzeitpunkt<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Abb. 54: AGB-Mittelwerte in Pre- und Postmessung für VG und KG<br />

Das Ergebnis zeigt eine subjektiv eingeschätzte <strong>Gesundheit</strong>sabnahme in der Versuchsgruppe<br />

und gleich bleibende Werte in der Kontrollgruppe.<br />

143


Dies ist nicht hypothesenkonform, bedarf daher eigentlich keiner weiteren inferenzstatistischen<br />

Überprüfung. Testet man das Ergebnismuster auf Signifikanz, lässt sich ein signifikanter<br />

Haupteffekt im Messwiederholungsfaktor (p= .011) und beim Interaktionseffekt feststellen<br />

(p= .029). Die Maßnahme hat also zunächst im subjektiven Empfinden einen gegenteiligen<br />

Effekt ausgelöst.<br />

(C) Multivariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Subskalen der AGB<br />

Kopf und Nacken Pretest<br />

Kopf und Nacken Posttest<br />

Psychovegetative<br />

Beschwerden Pretest<br />

Psychovegetative<br />

Beschwerden Posttest<br />

Beschwerden Muskeln/<br />

Skellett Pretest<br />

Beschwerden Muskeln/<br />

Skellett Posttest<br />

Beschwerden Atemwege<br />

Pretest<br />

Beschwerden Atemwege<br />

Posttest<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Mittelwert Standardabweichung N<br />

4,0278 ,7136 12<br />

3,9000 ,7825 10<br />

3,9697 ,7304 22<br />

3,6944 ,6698 12<br />

4,0000 ,3685 10<br />

3,8333 ,5634 22<br />

4,5556 ,3143 12<br />

4,6222 ,4602 10<br />

4,5859 ,3790 22<br />

4,2222 ,3482 12<br />

4,4778 ,4321 10<br />

4,3384 ,4006 22<br />

4,8333 ,2247 12<br />

4,8167 ,3805 10<br />

4,8258 ,2976 22<br />

4,5000 ,4714 12<br />

4,8833 ,1766 10<br />

4,6742 ,4098 22<br />

4,5667 ,3892 12<br />

4,4400 ,4789 10<br />

4,5091 ,4264 22<br />

4,1000 ,7160 12<br />

4,3400 ,3893 10<br />

4,2091 ,5903 22<br />

Tab. 9: Deskriptive Beschreibung von VG und KG<br />

144


CCN 3 - Mittelwerte P<br />

CCN 3 - Mittelwerte Q<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

Beschwerden Kopf/ Nacken<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Psychovegetative Beschwerden<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Messzeitpunkt<br />

CCN 3 - Mittelwerte R<br />

CCN 3 - Mittelwerte S<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

5,0<br />

Pre-Postvergleich<br />

Beschwerden Muskeln/ Skelett<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Beschwerden Atemwege<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Messzeitpunkt<br />

Abb. 55: Pre-Post-Vergleiche auf den Subskalen der AGB<br />

Die einzelnen Subskalen zeigen den Trend der Gesamtskala, insgesamt sind die Unterschiede<br />

sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen den Messzeitpunkten auch hier<br />

gering und verhalten sich tendenziell hypothesenkonträr. Daher sind statistische Nachweise<br />

nicht erforderlich.<br />

Wird dennoch auf signifikante Wirkungen geprüft, lassen sich signifikante Effekte für den<br />

Messzeitpunkt bei Q (p= .002) und S (p= .016) und bei der Interaktion von R (p= .040) nachweisen.<br />

145


CCN 2 + CCN 3<br />

(A) Prüfung der Normalverteilung<br />

Die Prüfung auf Normalverteilung ergibt für die Gesamtskalen und für die Subskalen in Preund<br />

Posttest in den meisten Fällen normalverteilte Werte. Abweichungen bestehen lediglich<br />

bei der Kontrollgruppe in der Variablen R (Muskeln / Skelett) im Pre- und in der Variablen Q<br />

(Psychovegetative Beschwerden) im Posttest. Die Varianzanalyse wird für alle Messwerte<br />

durchgeführt.<br />

(B) Univariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Gesamtskala AGB<br />

AGB gesamt Pretest<br />

AGB gesamt Posttest<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Mittelwert Standardabweichung N<br />

4,5308 ,2936 20<br />

4,3829 ,4365 22<br />

4,4533 ,3783 42<br />

4,2538 ,4081 20<br />

4,4108 ,5491 22<br />

4,3361 ,4878 42<br />

Tab. 10: Deskriptive Beschreibung von VG und KG–Gesamtskala AGB<br />

Rückenschule - Mittelwerte AGB<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

Gesamtmittelwerte AGB<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Abb. 56: AGB-Mittelwerte in Pre- und Postmessung für VG und KG<br />

146


Das Ergebnis zeigt für die Gesamtmaßnahme „Rückenschule“ in 2 Call Centern eine subjektiv<br />

eingeschätzte <strong>Gesundheit</strong>sabnahme in der Versuchsgruppe und gleich bleibende Werte<br />

in der Kontrollgruppe. Dies ist nicht hypothesenkonform, bedarf daher eigentlich keiner weiteren<br />

inferenzstatistischen Überprüfung. Testet man das Ergebnismuster auf Signifikanz,<br />

lässt sich ein signifikanter Interaktionseffekt feststellen (p= .048). Die Maßnahme hat also<br />

zunächst im subjektiven Empfinden einen gegenteiligen Effekt ausgelöst.<br />

(C) Multivariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Subskalen der AGB<br />

Kopf und Nacken Pretest<br />

Kopf und Nacken Posttest<br />

Psychovegetative<br />

Beschwerden Pretest<br />

Psychovegetative<br />

Beschwerden Posttest<br />

Beschwerden Muskeln/<br />

Skellett Pretest<br />

Beschwerden Muskeln/<br />

Skellett Posttest<br />

Beschwerden Atemwege<br />

Pretest<br />

Beschwerden Atemwege<br />

Posttest<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Mittelwert Standardabweichung N<br />

4,0333 ,6810 20<br />

3,8409 ,6813 22<br />

3,9325 ,6798 42<br />

3,8250 ,6633 20<br />

3,8636 ,5742 22<br />

3,8452 ,6109 42<br />

4,6222 ,3539 20<br />

4,5505 ,5844 22<br />

4,5847 ,4840 42<br />

4,3556 ,3959 20<br />

4,7222 1,2300 22<br />

4,5476 ,9391 42<br />

4,8500 ,2087 20<br />

4,6515 ,5115 22<br />

4,7460 ,4053 42<br />

4,5750 ,4135 20<br />

4,6364 ,4924 22<br />

4,6071 ,4521 42<br />

4,5800 ,3238 20<br />

4,4091 ,5218 22<br />

4,4905 ,4422 42<br />

4,2000 ,6018 20<br />

4,2364 ,4260 22<br />

4,2190 ,5110 42<br />

Tab. 11: Deskriptive Beschreibung von VG und KG<br />

147


Rückenschule - Mittelwerte P<br />

Rückenschule - Mittelwerte Q<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

5,0<br />

5,0<br />

Beschwerden Kopf/ Nacken<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Psychovegetative Beschwerden<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Messzeitpunkt<br />

Rückenschule - Mittelwerte R<br />

Rückenschule - Mittelwerte S<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

5,0<br />

5,0<br />

Beschwerden Muskeln/ Skelett<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Beschwerden Atemwege<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

MZP<br />

Messzeitpunkt<br />

Abb. 57: Pre-Post-Vergleiche auf den Subskalen der AGB (Maßnahme: Rückenschule)<br />

Die einzelnen Subskalen zeigen wieder den Trend der Gesamtskala, insgesamt sind die<br />

Unterschiede sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen den Messzeitpunkten auch<br />

hier gering und verhalten sich tendenziell hypothesenkonträr. Daher sind statistische Nachweise<br />

nicht erforderlich.<br />

Wird dennoch auf signifikante Wirkungen geprüft, lassen sich signifikante Effekte für den<br />

Messzeitpunkt bei R (p= .036) und S (p= .002), jedoch nicht bei den Interaktionen nachweisen.<br />

148


CCN 4<br />

(A) Prüfung der Normalverteilung<br />

Die Prüfung auf Normalverteilung ergibt für die Gesamtskalen und für die Subskalen in Preund<br />

Posttest in den meisten Fällen normalverteilte Werte. Abweichungen bestehen lediglich<br />

bei der Kontrollgruppe in der Variablen R (Muskeln / Skelett) im Pretest. Die Varianzanalyse<br />

wird für alle Messwerte durchgeführt.<br />

(B) Univariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Gesamtskala AGB<br />

Beschwerden Atemwege<br />

Pretest<br />

AGB gesamt Posttest<br />

VG_KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Mittelwert Standardabweichung N<br />

4,4105 ,4241 19<br />

4,3931 ,5358 29<br />

4,4000 ,4899 48<br />

4,0040 ,4674 19<br />

4,2268 ,3960 29<br />

4,1386 ,4350 48<br />

Tab. 12: Deskriptive Beschreibung von VG und KG–Gesamtskala AGB<br />

CCN 4 - Mittelwerte AGB<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

Gesamtmittelwerte AGB<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG_KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Abb. 58: AGB-Mittelwerte in Pre- und Postmessung für VG und KG<br />

Das Ergebnis zeigt auch beim Stimmtraining eine subjektiv eingeschätzte leichte <strong>Gesundheit</strong>sabnahme<br />

in der Versuchsgruppe und gleich bleibende Werte in der Kontrollgruppe.<br />

149


Dies ist aber nicht hypothesenkonform und bedarf daher eigentlich keiner weiteren inferenzstatistischen<br />

Überprüfung. Testet man das Ergebnismuster auf Signifikanz, lässt sich ein<br />

signifikanter Messwiederholungseffekt feststellen (p= .048). Die Maßnahme hat also im subjektiven<br />

Empfinden einen gegenteiligen Effekt ausgelöst oder die Teilnehmer sind nun sensibilisierter<br />

bezüglich dem eigenen <strong>Gesundheit</strong>szustand.<br />

(C) Multivariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Subskalen der AGB<br />

Kopf und Nacken Pretest<br />

Kopf und Nacken Posttest<br />

Psychovegetative<br />

Beschwerden Pretest<br />

Psychovegetative<br />

Beschwerden Posttest<br />

Beschwerden Muskeln/<br />

Skelett Pretest<br />

Beschwerden Muskeln/<br />

Skelett Posttest<br />

Beschwerden Atemwege<br />

Pretest<br />

Beschwerden Atemwege<br />

Posttest<br />

VG_KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Mittelwert Standardabweichung N<br />

3,9792 ,6691 16<br />

4,0556 ,7280 27<br />

4,0271 ,6995 43<br />

3,2708 ,9045 16<br />

3,8765 ,6055 27<br />

3,6512 ,7790 43<br />

4,5486 ,4670 16<br />

4,5473 ,5165 27<br />

4,5478 ,4930 43<br />

4,1597 ,3673 16<br />

4,3251 ,4168 27<br />

4,2636 ,4028 43<br />

4,7500 ,3277 16<br />

4,7037 ,4418 27<br />

4,7209 ,3996 43<br />

4,4792 ,5672 16<br />

4,5926 ,3931 27<br />

4,5504 ,4622 43<br />

4,4375 ,4455 16<br />

4,3778 ,5416 27<br />

4,4000 ,5033 43<br />

3,8750 ,7443 16<br />

4,0667 ,7606 27<br />

3,9953 ,7515 43<br />

Tab. 13: Deskriptive Beschreibung von VG und KG<br />

150


CCN 4 - Mittelwerte P<br />

CCN 4 - Mittelwerte Q<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

5,0<br />

5,0<br />

Beschwerden Kopf/ Nacken<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

VG_KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Psychovegetative Beschwerden<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

VG_KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Messzeitpunkt<br />

CCN 4 - Mittelwerte R<br />

CCN 4 - Mittelwerte S<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

5,0<br />

5,0<br />

Beschwerden Muskeln/ Skelett<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

VG_KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Beschwerden Atmung<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

VG_KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Abb. 59: Pre-Post-Vergleiche auf den Subskalen der AGB<br />

Messzeitpunkt<br />

Die einzelnen Subskalen bestätigen den Trend der Gesamtskala, insgesamt sind die Unterschiede<br />

sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen den Messzeitpunkten zwar gering,<br />

verhalten sich tendenziell jedoch hypothesenkonträr. Daher sind statistische Nachweise nicht<br />

erforderlich.<br />

Wird dennoch auf signifikante Wirkungen geprüft, lassen sich signifikante Effekte sowohl für<br />

den Messzeitpunkt bei P (p= .001), Q (p= .000) und S (p= .005) als auch für P (p= .046) bei<br />

der Interaktion nachweisen.<br />

151


Gesamtbetrachtung<br />

(A) Prüfung der Normalverteilung<br />

Auf die Prüfung der Normalverteilung kann verzichte werden, da die Stichprobengröße N>30<br />

ist. Die Varianzanalyse kommt zur Anwendung.<br />

(B) Univariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Gesamtskala AGB<br />

AGB gesamt Pretest<br />

AGB gesamt Posttest<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

Gesamt<br />

Mittelwert Standardabweichung N<br />

4,4915 ,3193 36<br />

4,4129 ,4615 49<br />

4,4462 ,4071 85<br />

4,1293 ,4595 36<br />

4,3132 ,4720 49<br />

4,2353 ,4729 85<br />

Tab. 14: Deskriptive Beschreibung von VG und KG–Gesamtskala AGB<br />

Gesamteffekt - Mittelwerte AGB<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

4,0<br />

Gesamtmittelwerte AGB<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Abb. 60: AGB-Mittelwerte in Pre- und Postmessung für VG und KG<br />

Das Ergebnis zeigt auch insgesamt eine subjektiv eingeschätzte leichte <strong>Gesundheit</strong>sabnahme<br />

in der Versuchsgruppe und in etwa gleich bleibende Werte in der Kontrollgruppe.<br />

Dies ist nicht hypothesenkonform und bedarf daher eigentlich keiner weiteren inferenzstatistischen<br />

Überprüfung.<br />

152


Testet man das Ergebnismuster auf Signifikanz, lassen sich ein hochsignifikanter Messwiederholungseffekt<br />

(p= .000) und ein sehr signifikanter Interaktionseffekt (p= .002) feststellen.<br />

Die Maßnahme hat also im subjektiven Empfinden einen gegenteiligen Effekt<br />

ausgelöst oder die Teilnehmer sind nun sensibilisierter bezüglich dem eigenen <strong>Gesundheit</strong>szustand.<br />

(C) Multivariate Ergebnisse von Pre- und Posttest der Subskalen der AGB<br />

Kopf und Nacken<br />

Pretest<br />

Kopf und Nacken<br />

Posttest<br />

Psychovegetati<br />

ve Beschwerden<br />

Pretest<br />

Psychovegetati<br />

ve Beschwerden<br />

Posttest<br />

Beschwerden<br />

Muskeln/ Skelett<br />

Pretest<br />

Beschwerden<br />

Muskeln/ Skelett<br />

Posttest<br />

Beschwerden<br />

Atemwege Pretes<br />

t<br />

Beschwerden<br />

Atemwege Posttes<br />

t<br />

VG/K<br />

G Versuchsgrupp<br />

e Kontrollgrupp<br />

e Gesam<br />

t Versuchsgrupp<br />

e Kontrollgrupp<br />

e Gesam<br />

t Versuchsgrupp<br />

e Kontrollgrupp<br />

e Gesam<br />

t Versuchsgrupp<br />

e Kontrollgrupp<br />

e Gesam<br />

t Versuchsgrupp<br />

e Kontrollgrupp<br />

e Gesam<br />

t Versuchsgrupp<br />

e Kontrollgrupp<br />

e Gesam<br />

t Versuchsgrupp<br />

e Kontrollgrupp<br />

e Gesam<br />

t Versuchsgrupp<br />

e Kontrollgrupp<br />

e Gesam<br />

t<br />

Mittelwer<br />

t 4,009<br />

3,959<br />

23,980<br />

43,578<br />

73,870<br />

73,747<br />

14,589<br />

54,548<br />

84,566<br />

04,268<br />

54,503<br />

4,403<br />

94,805<br />

64,680<br />

34,733<br />

34,532<br />

4,612<br />

24,578<br />

4,516<br />

74,391<br />

84,444<br />

74,055<br />

64,142<br />

94,105<br />

9<br />

Standardabweichu N<br />

ng<br />

,6666 36<br />

,7084 49<br />

,6874 85<br />

,8170 36<br />

,5856 49<br />

,7036 85<br />

,4035 36<br />

,5422 49<br />

,4860 85<br />

,3907 36<br />

,8921 49<br />

,7294 85<br />

,2687 36<br />

,4700 49<br />

,4002 85<br />

,4827 36<br />

,4362 49<br />

,4554 85<br />

,3836 36<br />

,5275 49<br />

,4735 85<br />

,6788 36<br />

,6325 49<br />

,6500 85<br />

Tab. 15: Deskriptive Beschreibung von VG und KG<br />

153


Gesamteffekt - Mittelwerte R<br />

Gesamteffekt – Mittelwerte S<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

Beschwerden Muskeln/ Skelett<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Beschwerden Atemwege<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Messzeitpunkt<br />

Gesamteffekt - Mittelwerte P<br />

Gesamteffekt – Mittelwerte Q<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

5,0<br />

Pre-Post-Vergleich<br />

Beschwerden Kopf/ Nacken<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Psychovegetative Beschwerden<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

1<br />

VG/KG<br />

Versuchsgruppe<br />

Kontrollgruppe<br />

2<br />

Messzeitpunkt<br />

Messzeitpunkt<br />

Abb. 61: Pre-Post-Vergleiche auf den Subskalen der AGB<br />

Die einzelnen Subskalen bestätigen wieder den Trend der Gesamtskala, insgesamt sind die<br />

Unterschiede sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen den Messzeitpunkten zwar<br />

gering, verhalten sich tendenziell jedoch hypothesenkonträr. Daher sind statistische Nachweise<br />

nicht erforderlich.<br />

Wird dennoch auf signifikante Wirkungen geprüft, lassen sich signifikante Effekte für den<br />

154


Messzeitpunkt bei allen Subskalen feststellen:<br />

- P (p= .001)<br />

- Q (p= .031)<br />

- R (p= .005)<br />

- S (p= .005)<br />

Der Interaktionseffekt ist im Falle P signifikant (p= .032). Damit muss die Hypothese einer<br />

gesundheitsförderlichen Wirkung der Trainings zunächst als falsifiziert abgelehnt werden.<br />

Die recht homogene tendenzielle Wirkung einer kritischeren Selbsteinschätzung des eigenen<br />

<strong>Gesundheit</strong>szustandes nach Rücken- bzw. Stimmtraining bedarf der Erklärung bzw. Interpretation.<br />

Interpretation<br />

Die Befundlage ist sehr deutlich und zeigt keine bzw. hypothesenkonträre Effekte. Die AGB<br />

weist nicht die vermuteten Verbesserungen in den Selbsteinschätzungen des <strong>Gesundheit</strong>szustandes<br />

der Teilnehmer nach. Das Antwortverhalten lässt im Gegenteil häufig den Schluss<br />

zu, dass eine zunächst allgemein relativ hoch eingeschätzte <strong>Gesundheit</strong> einer kritischeren<br />

Sicht auf die eigene Befindlichkeit gewichen ist. Dies kann in Bezug auf die direkt im Anschluss<br />

an die Maßnahme, die zudem von den Teilnehmern z. T. als zeitlich zu knapp bemessen<br />

eingeschätzt wurde, erfolgte Messung nicht verwundern. Es hat offensichtlich eine<br />

Sensibilisierung stattgefunden, die allein durch die Vormessung auch in der Kontrollgruppe<br />

sichtbar wurde. Diese Interpretation wird durch die Korrelation der Einschätzung des AGB-<br />

Gesamtwertes mit der Einschätzung des allgemeinen <strong>Gesundheit</strong>szustandes gestützt: In der<br />

Versuchsgruppe besteht im Pretest eine Nullkorrelation (r= .08), im Posttest korrelieren beide<br />

Werte (r= .41**). In der Kontrollgruppe besteht bereits im Pretest eine signifikante Korrelation<br />

(r= .31*), im Posttest ist sie sehr signifikant (r=. 50**).<br />

Hier zeigen sich die Schwierigkeiten, die bei der Konstruktion angemessener Messverfahren<br />

zur Trainingsevaluation auftreten können. Das vorliegende Instrument (AGB) ist scheinbar in<br />

der Lage, veränderungssensitiv zu messen. Signifikante Unterschiede in den Messzeitpunkten<br />

bzw. bei den Interaktionseffekten belegen dies. Es misst aber nicht die eigentlichen<br />

Lerneffekte, die durch die Trainings erzielt worden sein können, sondern bereits Transfereffekte,<br />

welche u. U. erst sehr viel später (z. B. nach einem Jahr) zum Tragen kommen. Zu-<br />

155


nächst kann es zu negativem Transfer kommen, d. h. die eigenen Schwachstellen werden<br />

erst einmal wahrgenommen, bevor sie durch gezielte Verhaltensänderung beseitigt werden<br />

können.<br />

Die Konsequenz daraus muss sein, dass für einen Trainingserfolgs-Nachweis im direkten<br />

Anschluss an die Maßnahme andere, spezifischer darauf zugeschnittene Instrumente eingesetzt<br />

werden. Soll ein Transfereffekt auf allgemeinere gesundheitsbewusste Verhaltensweisen<br />

nachgewiesen werden, ist der AGB-Fragebogen möglicherweise ein sehr hilfreiches Instrument,<br />

um schnell und ohne sehr großen Aufwand subjektive Daten zu erheben. Der Erhebungszeitpunkt<br />

müsste allerdings später gewählt werden, was wiederum das Wirken von<br />

zahlreichen Störeinflüssen zur Folge hat.<br />

Weitere Gründe für Nulleffekte:<br />

- keine Bildung von Zufallsstichproben<br />

- keine zufällige Zuordnung der Gruppen auf die Bedingungen (VK/ KG)<br />

- dadurch möglicherweise unterschiedliche Reaktion der Teilnehmer auf die Befragung<br />

- fehlende Symmetrie zwischen Prädiktoren (Programmpunkte) und Kriterien<br />

(Messinstrument)<br />

- Probleme subjektiver Verfahren (Selbsteinschätzungen) – ein objektives Kriterium<br />

wäre gut!<br />

156


5.3.5 Fazit<br />

Im Sinne einer langfristigen Gesunderhaltung und Förderung der Motivation der Call Center<br />

Agenten galt es, typischen Arbeitsbelastungen im Call Center präventiv geeignete gesundheitsförderliche<br />

Maßnahmen entgegenzusetzen.<br />

Projektziel des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Neuruppin (AAS) war, den<br />

Einfluss von verhaltenspräventiven Maßnahmen auf den Abbau arbeitsbedingter Belastungen<br />

zu untersuchen und zum anderen ein geeignetes Analyseinstrument für das Belastungsscreening<br />

zu entwickeln. Es ist bekannt, dass unter den speziellen Arbeitsbedingungen<br />

im Call Center neben einer Optimierung der Arbeitsgestaltungsbedingungen auch die<br />

Einflussnahme auf das <strong>Gesundheit</strong>sverhalten der Mitarbeiter von besonderer Bedeutung ist.<br />

Die Untersuchung bestätigte, dass in bestehenden Call Centern Defizite in den Bereichen<br />

Verhältnisprävention und Verhaltensprävention über systematische Analysen unter wirksamer<br />

Mitarbeiterbeteiligung erkannt werden können und dass diese Erkenntnisse die Grundlage<br />

für die Auswahl unterschiedlicher gesundheitsförderlicher Interventionsmaßnahmen<br />

bilden.<br />

Das AAS führte in verschiedenen Call Centern Untersuchungen zur ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung<br />

durch. Parallel dazu wurden über anonyme Mitarbeiterbefragungen die individuellen<br />

Auswirkungen der Belastungen aus der Arbeitssituation ermittelt. Speziell dazu<br />

wurde ein praxistaugliches Analyseinstrument entwickelt, welches die Möglichkeit bietet,<br />

objektiv gefundene Defizite den subjektiv empfundenen Belastungen gegenüberzustellen<br />

und daraus eine Rang- und Reihenfolge der Maßnahmeplanung aufzustellen. Diese Methodik<br />

erwies sich als geeignet, Zusammenhänge zwischen auftretenden <strong>Gesundheit</strong>sbeschwerden<br />

und ergonomischen Unzulänglichkeiten aufzuzeigen.<br />

Im Ergebnis der Analysen in den einzelnen Call Centern wurden in Auswertung der objektiven<br />

Beurteilung aus Expertensicht und aus den subjektiven Befragungsergebnissen spezifische<br />

Maßnahmen zur <strong>Gesundheit</strong>sförderung abgeleitet. Der Abgleich der objektiv und subjektiv<br />

ermittelten Faktoren ermöglichte, diese Maßnahmen unternehmensbezogen als gezieltes<br />

Präventions- und Motivationsinstrument nutzen zu können.<br />

157


In den Call Centern kamen ausgewählte Trainings (Rückenschule, Stimmtraining, Basics for<br />

Agents) zum Einsatz, deren Wirkung auf die psychische und physische <strong>Gesundheit</strong> sowie<br />

hinsichtlich der Teilnehmerzufriedenheit in einer Nachuntersuchung evaluiert wurde. Nachgewiesen<br />

werden konnte hier insgesamt eine hohe Zufriedenheit der Befragten mit den<br />

durchgeführten Maßnahmen, eine wesentliche Voraussetzung für die Zielerreichung auf dem<br />

Wege zur Verhaltensprävention.<br />

Die Trainings bewirkten in allen untersuchten Unternehmen entgegen den Erwartungen keine<br />

Verbesserung in der Selbsteinschätzung des <strong>Gesundheit</strong>szustandes der Teilnehmer. Bezüglich<br />

der individuell bewerteten <strong>Gesundheit</strong> zeigte sich eine leichte Verschlechterung bei<br />

den an den Maßnahmen beteiligten Call Center Agents gegenüber dem Ausgangszustand<br />

(Vorhermessung) und im Vergleich zur Kontrollgruppe, deren <strong>Gesundheit</strong>szustand gleich<br />

blieb. Es ist aber nicht anzunehmen, dass sich der <strong>Gesundheit</strong>szustand tatsächlich verschlechtert<br />

hat. Ebenso ist eine spürbare Verbesserung nach Durchführung von einzelnen<br />

Trainingsmaßnahmen im Ergebnis des Projektes nicht zu erwarten gewesen. Die Einzelmaßnahmen<br />

waren also nicht ausreichend für den Nachweis eines tiefgreifenden positiven<br />

<strong>Gesundheit</strong>seffektes. Das Ergebnis kann so interpretiert werden, dass die singulären Aktionen<br />

eine Sensibilisierung bewirkt haben. Die Call Center Agents wurden auf für sie selbst<br />

bisher nur latent vorhandene Probleme aufmerksam gemacht und nahmen ihre <strong>Gesundheit</strong><br />

nach Beendigung der Trainingsprogramme bewusster wahr.<br />

Ausblick<br />

Für einen nachhaltigen Abbau arbeitsbedingter <strong>Gesundheit</strong>sgefährdungen ist die Verbesserung<br />

der Arbeitsbedingungen und die Förderung der <strong>Gesundheit</strong> als langfristiger Prozess zu<br />

begreifen. Die Grundlage für Partizipation und Motivation der Mitarbeiter bildet die Anwendung<br />

geeigneter Instrumentarien zur Wissensvermittlung wie das hier zum Einsatz gekommene<br />

Konzept „Basics for Agents“. Im Bewusstsein der Call Center Agents kann damit zunächst<br />

eine wesentliche Grundlage für die wirksame Einflussnahme auf eine persönliche<br />

Verhaltensänderung geschaffen werden. Darauf können dann bedarfsorientiert gezielte Trainingsmaßnahmen<br />

aufbauen, die stets einer Wirkungskontrolle zu unterziehen sind. In regelmäßigen<br />

Zeitabständen sind wiederholte Interventionen mit dem Ziel einer Prozessstabilisierung<br />

anzustreben.<br />

158


Erwähnt werden soll hier auch die Tatsache, dass Investitionen zur optimalen Gestaltung<br />

von Arbeitsplätzen, Umgebungsfaktoren und der Arbeitsorganisation (Verhältnisse) nur bis<br />

zu einem bestimmten Punkt sinnvoll erscheinen, um Belastungen effektiv entgegenzuwirken.<br />

Präventive Einflussnahme auf das Verhalten der Call Center Agents ist unerlässlich als Ergänzung<br />

für die Gesunderhaltung, Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter. Verhältnisprävention<br />

und Verhaltensprävention sollten gleichrangig in die Unternehmensstrategie<br />

zum <strong>Gesundheit</strong>sschutz integriert werden.<br />

159


6 Literatur/ Anlagen<br />

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Wiesbaden: Westdeutscher Verlag GmbH.<br />

164


Anlage 1<br />

Eingesetzte Verfahren und Quellenangaben<br />

Verfahren<br />

SAHIB 96<br />

System zur Analyse der Hardware-<br />

Komponenten am Bildschirmarbeitsplatz<br />

Ziel<br />

Einschätzung der Arbeitsplätze hinsichtlich der<br />

Arbeitsplatzausstattung, der Arbeitsumgebung und<br />

der Raumgestaltung unter Berücksichtigung der<br />

Bildschirmarbeitsverordnung<br />

(Kurtz, Buchheim & Hippmann, 1996)<br />

BEBA_CC<br />

Belastung und Beanspruchung bei der<br />

Call - Center - Arbeit<br />

(in Anlehnung an Pohlandt, Jordan,<br />

Maßloch, Ott 1997)<br />

Das Verfahren BEBA gibt eine Anleitung zum Auffinden<br />

und Abbauen psychischer Belastungen, die<br />

durch die Arbeitsaufgabe und die Arbeitsorganisation<br />

bedingt sind.<br />

Der BEBA_CC ( Call Center) basiert auf dem BE-<br />

BA - Psychische Belastungen bei Büroarbeit.<br />

SALSA<br />

Salutogenetische subjektive Arbeitsanalyse<br />

(Rimann & Udris; in Strohm, 1997)<br />

Der SALSA ist geeignet, die wahrgenommene<br />

(subjektive) Arbeitssituation hinsichtlich verschiedener<br />

Merkmale der Aufgaben, der Belastungen<br />

sowie der organisationalen und sozialen Ressourcen<br />

zu erfassen.<br />

BMS II<br />

Ermüdung - Monotonie - Sättigung -<br />

Stress<br />

(Plath & Richter, 1984)<br />

Der BMS sowie die Beanspruchungsratings dienen<br />

der Erfassung arbeitsbedingter psychischer Fehlbeanspruchungsfolgen<br />

wie psychischer Ermüdung,<br />

Monotonie, psychischer Sättigung und Stress.<br />

Beanspruchungs - Ratings<br />

(Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,<br />

in Anlehnung an Plath und<br />

Richter)<br />

LIDA<br />

Lernen in der Arbeit<br />

(Wardanjan, Richter & Uhlemann;<br />

2000)<br />

Ermittlung von lernförderlichen Merkmalen der<br />

Unternehmensorganisation aus der Sicht der Beschäftigten.<br />

Zum einen werden Fragen zu Bedingungen<br />

gestellt, welche durch ihre motivations<strong>fördern</strong>de<br />

Wirkung das Lernen in der Arbeit unterstützen.<br />

Zum anderen wird nach dem Vorhandensein<br />

konkreter Lernunterstützungen gefragt.<br />

FLMA<br />

Fragebogen zu lernrelevanten Merkmalen<br />

der Arbeitsaufgabe<br />

(Richter & Wardanjan; 2000)<br />

Der Fragebogen dient der Erfassung der Lernhaltigkeit<br />

der Arbeitsaufgabe aus Sicht der Beschäftigten,<br />

um mögliche Ressourcen der Lernkultur<br />

eines Unternehmens aufzudecken.<br />

165


Anlage 2<br />

Merkmale der Arbeitsaufgabengestaltung<br />

Gestaltungsmerkmal<br />

Ganzheitlichkeit<br />

Anforderungsvielfalt<br />

Möglichkeit der sozialen<br />

Interaktion<br />

Autonomie<br />

Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten<br />

Erläuterungen<br />

Die Mitarbeiter erkennen die Bedeutung und den Stellenwert<br />

ihrer Tätigkeit. Die Aufgaben sind umfassend und es besteht die<br />

Möglichkeit die Ergebnisse selbständig auf Übereinstimmung mit<br />

den Anforderungen zu prüfen.<br />

Bei der Erledigung der Aufgaben kommen unterschiedliche Fähigkeiten,<br />

Kenntnisse und Fertigkeiten zum Einsatz. Die Aufgaben<br />

enthalten planende, ausführende und kontrollierende Elemente.<br />

Es werden unterschiedliche Anforderungen an Körperfunktionen<br />

und Sinnesorgane gestellt.<br />

Funktionierende Möglichkeiten der sozialen Interaktion vermitteln<br />

die Erfahrung sozialer Unterstützung der Beschäftigten bei<br />

der Bewältigung ihrer Aufgaben, aber auch ihrer Probleme und<br />

Schwierigkeiten. Aufgaben sollten so gestaltet sein dass Kooperation<br />

möglich aber auch notwendig ist. Gegenseitige Unterstützung<br />

hilft Belastungen besser zu verarbeiten.<br />

Die Aufgabenerledigung kann vom Mitarbeiter selbst reguliert<br />

werden. Dies stärkt das Selbstwertgefühl und die Bereitschaft<br />

zur Übernahme von Verantwortung. Eine starke Abhängigkeit<br />

von technischen Systemen und eine starke sachlich nicht hinreichend<br />

begründbare Reglementierung der Arbeitsabläufe (inhaltlich<br />

und zeitlich) sollte vermieden werden.<br />

Berufliche Qualifikationen werden bei der Erledigung der Arbeitsaufgaben<br />

genutzt, bleiben erhalten und werden weiterentwickelt.<br />

Die allgemeine geistige Flexibilität bleibt durch die Lösung<br />

von problemhaltigen und abwechslungsreichen Aufgaben<br />

erhalten.<br />

Merkmale der Arbeitsaufgabengestaltung in Anlehnung an Ulich, Conrad-Betschardt &<br />

Baitsch (1989)<br />

166


Anlage 3<br />

Funktionen von Pausen<br />

Funktion der Pause<br />

Erholungsfunktion<br />

Gliederungsfunktion<br />

Ausgleichsfunktion<br />

Informationsfunktion<br />

Kompensations- und Pufferfunktion<br />

Vermittlungsfunktion<br />

Persönliche Funktion<br />

Soziale Funktion<br />

Erläuterung<br />

Pausen tragen dazu bei, dass sich der Organismus nach<br />

längerer körperlicher und geistiger Belastung erholen<br />

kann. Der Pausenzeitpunkt sollte so gewählt werden,<br />

dass dem Eintreten von Ermüdung vorgebeugt wird.<br />

Durch Pausen kann der Arbeitstag in überschaubare Teile<br />

differenziert, sowie Motivationsverlusten (z. B. bei kurzzyklischen<br />

Tätigkeiten) vorgebeugt werden.<br />

Der Wechsel der Aufmerksamkeitsbindung auf eine<br />

selbstgewählte Pausentätigkeit kann einen gewissen<br />

Ausgleich für den Organismus bewirken<br />

Die gemeinsame Pause kann Gelegenheit für einen persönlichen<br />

und dienstlichen Informationsaustausch bieten.<br />

In den Pausen können Abstimmungsschwierigkeiten zwischenverschiedenen<br />

Abteilungen oder Arbeitsplätzen<br />

behoben werden.<br />

Im Falle eines Tätigkeitswechsels ist die Pause sinnvoll,<br />

um sich auf Anforderungen der neuen Aufgaben einzustellen.<br />

Eine Pause gibt dem Arbeitnehmer die Gelegenheit, seine<br />

persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen.<br />

Häufig ist eine Pause die einzige Gelegenheit für die Beschäftigten,<br />

um soziale Kontakte zu anderen Personen<br />

aufzubauen und zu pflegen.<br />

In Anlehnung an den Leitfaden „Effektive Arbeitsgestaltung“<br />

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