„Geht es Ihnen gut oder haben Sie noch Kinder in der Schule

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19.11.2013 Aufrufe

Krumm & Eckstein: Geht es Ihnen gut oder haben Sie noch Kinder in der Schule? Was berichten die Eltern zusätzlich zu der erfragten „Kränkung“ und wie tun sie es? Manche Eltern erwähnen nur eine Kränkung, andere mehrere; manche sprechen nur von einem Lehrer oder einer Lehrerin, manche von mehreren, unter denen ihr Kind gelitten hat. Etliche Eltern geben direkt oder indirekt an, wie oft die Kränkungen vorkamen oder wie lange sie anhielten. Z.B. kam in den Fällen 6 und 9 die Kränkung nur einmal vor, in den Fällen 1-5 wiederholt. Bei manchen dauerte das Leiden so lange, wie der Schüler zu dem Lehrer oder der Lehrerin in den Unterricht musste (1, 5, 14) – manchmal also jahrelang. Den meisten dieser Fragen gehen wir im Folgenden genauer nach. Fast alle Eltern lassen erkennen, welches Schülerverhalten oder Schülermerkmal Anlass für das Lehrerverhalten war. Es handelte sich jeweils um ein Ereignis, das dem Lehrer nicht behagte, vor allem um unerwünschte Leistungen: zu langsames Schreiben (1), schlechte Leistungen (3, 8), „blödes Schauen“ (6), unruhiges, also den Lehrer störendes Verhalten (7), eine unerwartete (aber durchaus positive) Antwort einer Schülerin (9). Für manche Lehrer scheint schon die Bitte eines Schülers um Wiederholung einer Erklärung derart frustrierend zu sein, dass sie sich zu Antworten wie im Fall 10 hinreißen lassen. Manche scheint es auch zu nerven, wenn Schüler aktiv sind – wie im Fall 11. Der Lehrer, der eine gute Mathematikschülerin einem Vorurteil entsprechend mit „Herr Brunner“ ansprach (12), wollte vermutlich nur „Spaß“ machen. Er scheint sich nicht klar gemacht zu haben, dass solche „Späßchen“ ein 14 jähriges Mädchen kränken können. Ähnliches gilt für das diskriminierende Verhalten der Lehrer einer Holzfachschule einer Schülerin gegenüber. - Wir gehen im vorliegenden Text den berichteten Anlässen des Lehrerverhaltens nicht weiter nach. Ebenso häufig wie die Eltern in ihren Antworten über den Anlass des Lehrerverhaltens sprechen, äußern sie sich auch über die Folgen für das betroffene Kind. Hierauf gehen wir in Abschnitt 3.2. ein. Wie die Eltern dem Lehrer gegenüber auf die Kränkung ihres Kindes reagierten, ist Gegenstand eines späteren Textes. Was die Eltern berichten, kennen sie zunächst nur vom Hörensagen: Ihr Kind hat es ihnen erzählt. Aber was hat das Kind erzählt? War das Lehrerverhalten genau so, wie es das Kind bzw. die Eltern berichtet haben? Die Frage nach der Gültigkeit der Daten erörtern wir im Abschnitt 3.2.3. Zunächst gehen wir aber auf die Häufigkeit und Dauer der Kränkungen ein. 3.1.2. Häufigkeit und Dauer der Kränkungen Von den interviewten Eltern haben sich 67% an Kränkungen ihres Kindes erinnert und mindestens eine geschildert. Bei den Studenten waren es – je nach Fragemethode – 70-78%. Die Antworthäufigkeit der Eltern liegt nah bei jener der Studenten, wenn man bedenkt, dass Kinder ihren Eltern nicht alles berichten, was sie in der Schule erleben. 11 Die Eltern überblicken im Durchschnitt weniger Schuljahre als die Studenten, sowohl was die Schuljahre ihrer Kinder als auch ihre eigenen betrifft. Viele der Kinder sind noch in der Grundschule und von den befragten Eltern haben nur 30% Matura. So berichten die Eltern mehr Vorfälle aus den unteren Schulstufen als die Studenten. Den Studenten dürften die Schulerlebnisse späterer Jahre näher liegen. Wir haben die Eltern nicht befragt, ob die geschilderte Kränkung ihres Kindes einmalig war oder wiederholt vorkam, jedoch die Studenten. Von jenen Studenten, die Kränkungen 11 Von den Studenten gaben 34% an, dass sie die Kränkungen „dieses Lehrers“ meistens oder häufig mit ihren Eltern besprochen haben. 39% taten es nur selten oder gelegentlich, 27% nie. Auch die von den Eltern erzählten Kränkungssituationen lassen gelegentlich erkennen, dass die Eltern nur zufällig davon erfahren haben oder erst nach längerem Insistieren herausbekamen, was in der Schule passiert ist. 28

Krumm & Eckstein: Geht es Ihnen gut oder haben Sie noch Kinder in der Schule? berichten, gaben 32% auf diese Frage an, die Kränkung sei einmalig gewesen, 68%, sie sei wiederholt vorgekommen. 12 Tabelle 3 zeigt, wie viele Studenten angaben, dass sie während ihrer Schulzeit die ihnen auf einer Liste vorgelegten Kränkungen erfahren haben: Tabelle 3: Ist es vorgekommen, dass ein Lehrer / eine Lehrerin ... [Ja - Antworten auf eine geschlossene Frage] w m Sie ungerecht beurteilt hat 78 83 Sie unfair behandelt hat 73 75 Sie beleidigt hat 62 65 Sie vor anderen bloßgestellt hat 57 61 Sie angeschrien hat 52 59 Sie beschimpft hat 40 51 Sie verspottet hat 38 37 ständig an Ihnen herumgenörgelt hat 39 38 versucht hat, ihnen Schuldgefühle zu machen 33 29 Sie schikaniert hat 37 40 Sie ständig nicht beachtet, übersehen hat 27 33 Sie für dumm befunden hat 36 30 Sie fertiggemacht hat 39 25 Sie als ungeeignet für die Schule bezeichnet hat 27 27 Sie wegen jeder Kleinigkeit bestraft hat 15 22 Sie geschlagen hat 4 15 Körperlich zudringlich wurde 7 4 13 Von jenen Studenten, die im Zusammenhang mit ihren Fallberichten angaben, wiederholt Kränkungen erfahren zu haben (das waren 52% aller Befragten), gaben 86% an, die Kränkungen hätten „mindestens 6 Monate“ gedauert. 28%, die zu diesen insgesamt 86% gehören, fallen in die – auf der Basis offener Antworten gebildete - Kategorie: „Kränkung hat länger als 35 Monate gedauert“. Definiert man Mobbing nach der strengsten Definition in der Literatur als eine „negative kommunikative Handlung“, die „mindestens ein halbes Jahr“ währt und „mindestens einmal pro Woche“ vorfällt (Leymann 1993, S. 21), dann haben nach unseren Daten 16,9% der befragten Studenten während ihrer Schulzeit „Mobbing“ durch Lehrer erlitten. Die Erfahrung verletzenden Lehrerverhalten, von dem die befragten Studenten und Eltern berichten, ist kein seltenes Ereignis. 14 3.2. Die Folgen kränkenden Lehrerverhaltens für Schüler und deren Eltern Viele Eltern nennen zusammen mit ihrer Antwort auf die Frage nach Kränkungen auch Folgen des berichteten Lehrerverhaltens für ihr Kind. Um von allen darüber Auskunft zu 12 13 14 Wenn wir im Folgenden gelegentlich mangels Daten von Eltern Schulerfahrungen von Studenten heranziehen, entnehmen wir sie dem Text, in dem wir über Ergebnisse der Studentenbefragung in Österreich berichten (Krumm & Weiß 2002). Ein Vergleich dieser Befunde mit Tabelle 2 ist unergiebig, da sich die Kategorien nicht entsprechen. Anlässlich des letzten öffentlich erörterten Problemverhaltens einer Lehrkraft im Bundesland Salzburg (siehe Salzburger Nachrichten vom 11.1.02 und danach) schätzte ein Vertreter des Landesschulrats Salzburg den Anteil der versagenden Lehrer im Mittelschulbereich auf einen Promillesatz. Der Amtführende Landesschulratspräsident von Salzburg bezeichnete den Vorfall als „negativen Einzelfall“ (Salzburger Fenster 03/2002, S. 6). Die Schätzungen der Schulaufsicht liegen damit weit unter den Schätzungen von zwei Gewerkschaftsvorsitzenden (Helm und Skala). Sie schätzten 1997 die Zahl der sog. „Schwarzen Schafe“ auf 5% und 10%. Unsere Daten der Mobbingopfer von Lehrern lassen vermuten, dass die wahre Zahl höher ist – ähnlich hoch, wie die Zahl mobbender Schüler (Krumm 1997; 1999a). 29

Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

berichten, gaben 32% auf di<strong>es</strong>e Frage an, die Kränkung sei e<strong>in</strong>malig gew<strong>es</strong>en, 68%, sie sei<br />

wie<strong>der</strong>holt vorgekommen. 12<br />

Tabelle 3 zeigt, wie viele Studenten angaben, dass sie während ihrer Schulzeit die ihnen auf<br />

e<strong>in</strong>er Liste vorgelegten Kränkungen erfahren <strong>haben</strong>:<br />

Tabelle 3: Ist <strong>es</strong> vorgekommen, dass e<strong>in</strong> Lehrer / e<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> ...<br />

[Ja - Antworten auf e<strong>in</strong>e g<strong>es</strong>chlossene Frage] w m<br />

<strong>Sie</strong> ungerecht beurteilt hat 78 83<br />

<strong>Sie</strong> unfair behandelt hat 73 75<br />

<strong>Sie</strong> beleidigt hat 62 65<br />

<strong>Sie</strong> vor an<strong>der</strong>en bloßg<strong>es</strong>tellt hat 57 61<br />

<strong>Sie</strong> ang<strong>es</strong>chrien hat 52 59<br />

<strong>Sie</strong> b<strong>es</strong>chimpft hat 40 51<br />

<strong>Sie</strong> verspottet hat 38 37<br />

ständig an <strong>Ihnen</strong> herumgenörgelt hat 39 38<br />

versucht hat, ihnen Schuldgefühle zu machen 33 29<br />

<strong>Sie</strong> schikaniert hat 37 40<br />

<strong>Sie</strong> ständig nicht beachtet, übersehen hat 27 33<br />

<strong>Sie</strong> für dumm befunden hat 36 30<br />

<strong>Sie</strong> fertiggemacht hat 39 25<br />

<strong>Sie</strong> als ungeeignet für die <strong>Schule</strong> bezeichnet hat 27 27<br />

<strong>Sie</strong> wegen je<strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>igkeit b<strong>es</strong>traft hat 15 22<br />

<strong>Sie</strong> g<strong>es</strong>chlagen hat 4 15<br />

Körperlich zudr<strong>in</strong>glich wurde 7 4 13<br />

Von jenen Studenten, die im Zusammenhang mit ihren Fallberichten angaben, wie<strong>der</strong>holt<br />

Kränkungen erfahren zu <strong>haben</strong> (das waren 52% aller Befragten), gaben 86% an, die<br />

Kränkungen hätten „m<strong>in</strong>d<strong>es</strong>tens 6 Monate“ gedauert. 28%, die zu di<strong>es</strong>en <strong>in</strong>sg<strong>es</strong>amt 86%<br />

gehören, fallen <strong>in</strong> die – auf <strong>der</strong> Basis offener Antworten gebildete - Kategorie: „Kränkung hat<br />

länger als 35 Monate gedauert“.<br />

Def<strong>in</strong>iert man Mobb<strong>in</strong>g nach <strong>der</strong> strengsten Def<strong>in</strong>ition <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur als e<strong>in</strong>e „negative<br />

kommunikative Handlung“, die „m<strong>in</strong>d<strong>es</strong>tens e<strong>in</strong> halb<strong>es</strong> Jahr“ währt und „m<strong>in</strong>d<strong>es</strong>tens e<strong>in</strong>mal<br />

pro Woche“ vorfällt (Leymann 1993, S. 21), dann <strong>haben</strong> nach unseren Daten 16,9% <strong>der</strong><br />

befragten Studenten während ihrer Schulzeit „Mobb<strong>in</strong>g“ durch Lehrer erlitten. Die Erfahrung<br />

verletzenden Lehrerverhalten, von dem die befragten Studenten und Eltern berichten, ist ke<strong>in</strong><br />

selten<strong>es</strong> Ereignis. 14<br />

3.2. Die Folgen kränkenden Lehrerverhaltens für Schüler und <strong>der</strong>en Eltern<br />

Viele Eltern nennen zusammen mit ihrer Antwort auf die Frage nach Kränkungen auch<br />

Folgen d<strong>es</strong> berichteten Lehrerverhaltens für ihr K<strong>in</strong>d. Um von allen darüber Auskunft zu<br />

12<br />

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Wenn wir im Folgenden gelegentlich mangels Daten von Eltern <strong>Schule</strong>rfahrungen von Studenten<br />

heranziehen, entnehmen wir sie dem Text, <strong>in</strong> dem wir über Ergebnisse <strong>der</strong> Studentenbefragung <strong>in</strong> Österreich<br />

berichten (Krumm & Weiß 2002).<br />

E<strong>in</strong> Vergleich di<strong>es</strong>er Befunde mit Tabelle 2 ist unergiebig, da sich die Kategorien nicht entsprechen.<br />

Anlässlich d<strong>es</strong> letzten öffentlich erörterten Problemverhaltens e<strong>in</strong>er Lehrkraft im Bund<strong>es</strong>land Salzburg<br />

(siehe Salzburger Nachrichten vom 11.1.02 und danach) schätzte e<strong>in</strong> Vertreter d<strong>es</strong> Land<strong>es</strong>schulrats Salzburg<br />

den Anteil <strong>der</strong> versagenden Lehrer im Mittelschulbereich auf e<strong>in</strong>en Promill<strong>es</strong>atz. Der Amtführende<br />

Land<strong>es</strong>schulratspräsident von Salzburg bezeichnete den Vorfall als „negativen E<strong>in</strong>zelfall“ (Salzburger<br />

Fenster 03/2002, S. 6). Die Schätzungen <strong>der</strong> Schulaufsicht liegen damit weit unter den Schätzungen von<br />

zwei Gewerkschaftsvorsitzenden (Helm und Skala). <strong>Sie</strong> schätzten 1997 die Zahl <strong>der</strong> sog. „Schwarzen<br />

Schafe“ auf 5% und 10%. Unsere Daten <strong>der</strong> Mobb<strong>in</strong>gopfer von Lehrern lassen vermuten, dass die wahre<br />

Zahl höher ist – ähnlich hoch, wie die Zahl mobben<strong>der</strong> Schüler (Krumm 1997; 1999a).<br />

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