Jugendstrafrecht - Studentenverbindung Concordia Bern

Jugendstrafrecht - Studentenverbindung Concordia Bern Jugendstrafrecht - Studentenverbindung Concordia Bern

concordiabern.ch
von concordiabern.ch Mehr von diesem Publisher
19.11.2013 Aufrufe

Jugendstrafrecht Brigitte Lüthi, Manuela Mosimann Grund, weshalb es „den anderen gut geht“. Das ADHS ist näher zu überprüfen (früher hiess es POS). ADHS wird mit der Pubertät meistens schwächer. Eine ambulante Massnahme macht Sinn Eine Therapie, eine Aufsicht ist notwendig. Die Eltern sind laut Sachverhalt motiviert und das Elternhaus ist tragfähig. Als Strafe kommt eine Freiheitsstrafe oder eine Arbeitsleistung in Betracht. Fall 4: Kevin, 16, hat in der Turnhalle wiederholt Kameraden bestohlen. Er ist Kiffer und immer benebelt. In der Schule schwänzt er oft. Trotz seiner Intelligenz ist Kevin in den Leistungen schwankend und wenig motiviert. Seine Zukunftspläne sind unrealistisch. Die Eltern sind beruflich sehr eingespannt. Sie halten Kevin für einen Träumer, der noch etwas Zeit brauche. Der Cannabis-Konsum ist für sie kein Problem. Kevin ist psychisch abhängig. Kevin ist ein „Wegläufer“, eine Person, die ausweicht. Er hat unrealistische Zukunftspläne. Regelmässiger Cannabis-Überkonsum ist gefährlich für die Entwicklung des Jugendlichen. Die Eltern verharmlosen die Situation, unterschätzen die Bedrohung. Die Chancen für eine ambulante Massnahme sind fraglich, sie müsste allenfalls mit einer persönlichen Betreuung verbunden werden. Es ist zu überlegen, ob eine stationäre Massnahme erforderlich ist. Kommt darauf an, ob die Eltern einsichtig sind. Fall 5: Jana, 17, hat ein anderes Mädchen geschlagen und ihm Verletzungen im Gesicht zugefügt, die im Spital genäht werden mussten. Zum Streit kam es, weil die Kollegin eine Kette zurück haben wollte, die ihr Jana gestohlen hatte. Jana arbeitet als Magazinerin in einer für sie unbefriedigenden Situation. Sie hat sich von der allein erziehenden Mutter losgesagt und wohnt mit einer Kollegin in einer billigen Wohnung. Ressourcen: Jana hat sich von der Mutter losgelöst, eine eigene Wohnung bezogen. Das zeugt von Stärke. Sie arbeitet viele Ressourcen. Prognose: Jana hat ein Gewaltdelikt begangen, aber es ist kein gesuchtes Gewaltdelikt, weshalb die Prognose gut ausfällt. Jana braucht eine Klärung ihrer beruflichen Perspektiven eine persönliche Betreuung, die dafür sorgt, dass eine Berufsabklärung vorgenommen wird und allenfalls hilft, ihr eine Lehrstelle zu finden. Es könnte sinnvoll sein, dass diese Aufgabe eine Frau übernimmt. Als Strafe kommt eine Arbeitsleistung in Betracht. Allgemeines zu den Fällen: Die Massnahme ist von der Prognose (zukünftiges Verhalten) abhängig (z.B. Macho-Gehabe geht nicht von alleine weg, Planung von Delikten deutet auf die Schwierigkeit einer positiven Entwicklung hin, bei Gelegenheitsdelikten besteht dafür eher die Chance auf Besserung. Es sind auch die Stärken hervorzuheben) ; die Strafe vom Verschulden. V. Verjährung JStG 36 - 37: Verjährung Die Verjährungsfristen im JStG sind kürzer als im StGB. Man unterscheidet zwischen Verfolgungsverjährung und Vollstreckungsverjährung. Verfolgungsverjährung: Wie lange eine Straftat untersucht und verfolgt werden kann. Es besteht kein rechtsgültiges Urteil Vollstreckungsverjährung: Hier besteht ein rechtsgültiges Urteil. Die Vollstreckungsverjährung beginnt mit dem rechtskräftigen Urteil zu laufen und gibt Aufschluss darüber, wie lange ein Urteil vollstreckt werden kann. 29

Jugendstrafrecht Brigitte Lüthi, Manuela Mosimann VI. Verfahren und Vollzug im JStG Das JStG beinhaltet Mindestgarantien für den Vollzug des Rechts. JStG 38: Örtliche Zuständigkeit Für das formelle Recht sind im Moment die Kantone zuständig. Der Bund greift mit JStG 38 in die Kompetenz der Kantone ein. Rechtfertigung: - Es ist im Sinne des Jugendstrafrechts, dass Mindestgarantien im JStG verankert sind und dass diese sich entfalten können. - Aufgrund der Menschenrechtskonvention ist der Bund verpflichtet, Mindestgarantien zu realisieren. Im StGB gilt das Tatortprinzip. Im JStG gilt das Wohnortprinzip, das JStG knüpft an die persönliche Situation des Jugendlichen an. Das JStG verwendet in Art. 38 I die Formulierung: „die Behörde des Ortes zuständig, an dem der Jugendliche bei Eröffnung des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“. Es wird auf den Mittelpunkt des Jugendlichen abgestellt. Dies ist in fast allen Fällen der Wohnort. Zwei Ausnahmen vom Wohnortprinzip: 1) Bei Übertretungen gilt Tatortprinzip (JStG 38 III) 2) Bei Jugendlichen ohne gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz gilt JStG 38 II JStG 39: Verfahren Die Kantone sind im Moment noch für das Verfahren zuständig. Der Bund wird das übernehmen. Die Organisation der Rechtspflege bleibt aber in der Zuständigkeit der Kantone. Die Öffentlichkeit wurde in Jugendverfahren abgelehnt. Dies gilt auch weiterhin für die Verfahren vor den Jugendanwaltschaften und im Einzelfall vor dem Jugendrichter. Kommt es zu Gerichtsverhandlungen, dann ist diese öffentlich (wegen EMRK 6), wenn der Jugendlichen dies verlangt oder das öffentliche Interesse es erfordert. EMRK 6 Ziff. 1 verlangt, dass das Urteil öffentlich verkündet werden muss und die Öffentlichkeit im Prozess nur ausgeschlossen werden darf, wenn die Interessen des Jugendlichen es erfordern. Der schweizerische Gesetzgeber wird in JStG 39 der EMRK nur minimal gerecht. Die EMRK schreibt vor, dass Urteile veröffentlicht werden sollen (Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Gerichtsverhandlungen sind öffentlich). JStG 39 II: Grundsatz: Das Verfahren ist nicht öffentlich. In gerichtlichen Verfahren muss die Öffentlichkeit zugelassen werden, wenn der Jugendliche dies verlangt und dem Begehren keine höherwertigen Interessen entgegenstehen oder das öffentliche Interesse es erfordert. Nach Abs. 3 ist der Jugendliche persönlich anzuhören. Vorbehalten bleiben Bestimmungen über einzelne Verfahren. Jugendliche haben fast immer eine Verteidigung, sie werden somit auch bzgl. der Zulassung der Öffentlichkeit beraten. JStG 40: Verteidigung BGE 111 Ia 181ff.: Auch im Jugendstrafverfahren besteht ein Anspruch auf Verteidigung Verteidigung der ersten Stunde (der Verteidiger ist schon in der ersten Einvernahme mit dabei), sofern dies vom Jugendlichen gewünscht wird. Die Voraussetzungen hierzu sind relativ weit umschrieben. Eine Verteidigung muss eingesetzt werden in den Fällen von JStG 40 II: Ein Fall von lit. b liegt bspw. vor, wenn der Jugendliche fremdsprachig ist oder bei schwierigen Sachverhalten und komplexem Verfahren. 30

<strong>Jugendstrafrecht</strong><br />

Brigitte Lüthi, Manuela Mosimann<br />

VI.<br />

Verfahren und Vollzug im JStG<br />

Das JStG beinhaltet Mindestgarantien für den Vollzug des Rechts.<br />

JStG 38: Örtliche Zuständigkeit<br />

Für das formelle Recht sind im Moment die Kantone zuständig. Der Bund greift mit JStG 38 in die<br />

Kompetenz der Kantone ein.<br />

Rechtfertigung:<br />

- Es ist im Sinne des <strong>Jugendstrafrecht</strong>s, dass Mindestgarantien im JStG verankert sind und dass diese<br />

sich entfalten können.<br />

- Aufgrund der Menschenrechtskonvention ist der Bund verpflichtet, Mindestgarantien zu realisieren.<br />

Im StGB gilt das Tatortprinzip.<br />

Im JStG gilt das Wohnortprinzip, das JStG knüpft an die persönliche Situation des Jugendlichen an.<br />

Das JStG verwendet in Art. 38 I die Formulierung: „die Behörde des Ortes zuständig, an dem der Jugendliche<br />

bei Eröffnung des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“. Es wird auf den Mittelpunkt<br />

des Jugendlichen abgestellt. Dies ist in fast allen Fällen der Wohnort.<br />

Zwei Ausnahmen vom Wohnortprinzip:<br />

1) Bei Übertretungen gilt Tatortprinzip (JStG 38 III)<br />

2) Bei Jugendlichen ohne gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz gilt JStG 38 II<br />

JStG 39: Verfahren<br />

Die Kantone sind im Moment noch für das Verfahren zuständig. Der Bund wird das übernehmen. Die<br />

Organisation der Rechtspflege bleibt aber in der Zuständigkeit der Kantone.<br />

Die Öffentlichkeit wurde in Jugendverfahren abgelehnt. Dies gilt auch weiterhin für die Verfahren vor<br />

den Jugendanwaltschaften und im Einzelfall vor dem Jugendrichter. Kommt es zu Gerichtsverhandlungen,<br />

dann ist diese öffentlich (wegen EMRK 6), wenn der Jugendlichen dies verlangt oder das öffentliche<br />

Interesse es erfordert. EMRK 6 Ziff. 1 verlangt, dass das Urteil öffentlich verkündet werden<br />

muss und die Öffentlichkeit im Prozess nur ausgeschlossen werden darf, wenn die Interessen des Jugendlichen<br />

es erfordern.<br />

Der schweizerische Gesetzgeber wird in JStG 39 der EMRK nur minimal gerecht.<br />

Die EMRK schreibt vor, dass Urteile veröffentlicht werden sollen (Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Gerichtsverhandlungen<br />

sind öffentlich).<br />

JStG 39 II: Grundsatz: Das Verfahren ist nicht öffentlich.<br />

In gerichtlichen Verfahren muss die Öffentlichkeit zugelassen werden, wenn der Jugendliche dies<br />

verlangt und dem Begehren keine höherwertigen Interessen entgegenstehen oder das öffentliche Interesse<br />

es erfordert.<br />

Nach Abs. 3 ist der Jugendliche persönlich anzuhören. Vorbehalten bleiben Bestimmungen über einzelne<br />

Verfahren.<br />

Jugendliche haben fast immer eine Verteidigung, sie werden somit auch bzgl. der Zulassung der Öffentlichkeit<br />

beraten.<br />

JStG 40: Verteidigung<br />

BGE 111 Ia 181ff.: Auch im Jugendstrafverfahren besteht ein Anspruch auf Verteidigung Verteidigung<br />

der ersten Stunde (der Verteidiger ist schon in der ersten Einvernahme mit dabei), sofern dies<br />

vom Jugendlichen gewünscht wird. Die Voraussetzungen hierzu sind relativ weit umschrieben.<br />

Eine Verteidigung muss eingesetzt werden in den Fällen von JStG 40 II:<br />

Ein Fall von lit. b liegt bspw. vor, wenn der Jugendliche fremdsprachig ist oder bei schwierigen Sachverhalten<br />

und komplexem Verfahren.<br />

30

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!