Mobbing/Cybermobbing - Friedrich-Dessauer-Gymnasium
Mobbing/Cybermobbing - Friedrich-Dessauer-Gymnasium
Mobbing/Cybermobbing - Friedrich-Dessauer-Gymnasium
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Elternbeirat<br />
Vortragsprotokoll vom<br />
Mittwoch, 30. November 2011 um 19:30 Uhr<br />
<strong>Friedrich</strong>‐<strong>Dessauer</strong>‐<strong>Gymnasium</strong><br />
Thema: <strong>Mobbing</strong>/<strong>Cybermobbing</strong><br />
Vortragender: Bernd Herold, Jugend‐ und Schulkontaktbeamter<br />
der Polizeiinspektion Aschaffenburg<br />
<strong>Mobbing</strong> bzw. <strong>Cybermobbing</strong> ist nach Ansicht des Jugendpolizisten Bernd Herold ein vielfach<br />
unterschätztes Gewaltphänomen, das bereits in der Grundschule auftritt. Entsprechend<br />
votiert er dafür, in Gymnasien bereits in den fünften Klassen zu beginnen. Die Kinder<br />
seien in dieser Phase noch „sehr formbar und aufnahmebereit“. Herold: „Je eher, desto<br />
besser!“<br />
<strong>Mobbing</strong><br />
Die Mechanismen, die beim <strong>Mobbing</strong> auftreten, sind im Grund genommen „sehr einfach<br />
strukturiert“, schildert Herold. Es gebe verschiedene Gewaltformen sowie Hänseleien und<br />
Sticheleien, und das über einen längeren Zeitraum hinweg. Von „<strong>Mobbing</strong>“ spricht man<br />
nach Darstellung von Herold, wenn der Zeitraum der Drangsalierung länger als vier Wochen<br />
dauert und die Vorkommnisse mindestens einmal in der Woche stattfinden, sowie<br />
systematisch durchgeführt werden.<br />
Das Problem sei, dass die <strong>Mobbing</strong>vorfälle nicht sofort oder überhaupt nicht in körperlicher<br />
Gewalt ausarten müssten, sondern sich vielfach in seelischer Gewalt erschöpften, dabei<br />
aber nicht minder schmerzhaft für die Opfer seien, betont Herold. Und manchmal ginge<br />
diese auch von zu Hause aus.<br />
Er schilderte den Fall eines Schülers, der sich über viele Wochen<br />
sehr verändert habe, woraufhin die Schule einen Jugendbeamten<br />
konsultierte, weil sie einen bisher unentdeckten <strong>Mobbing</strong>fall dahinter<br />
vermutete. Wie sich dann herausgestellt habe, habe jedoch die Mutter<br />
die seelischen Veränderungen provoziert, weil sie nach einer<br />
miesen Mathearbeit ihres Sohnes damit gedroht habe, nicht mehr<br />
mit ihm zu reden. Das habe diesen so sehr geschmerzt, dass sich<br />
sein ganzes Verhalten geändert habe.<br />
Ein anderer von Herold beschriebener Fall fällt eher in die „klassische“ Entwicklung:<br />
Ein Schüler kommt an eine neue Schule, kann sich nicht integrieren<br />
und wird als „Spasti“ über Monate verunglimpft, geschubst, bedroht.<br />
Gerade während der Besinnungstage für die Klasse wird er mit sei-<br />
1
nen größten Unterdrückern in einem Zimmer zusammengelegt. Die<br />
drohten ihm, dass er angemalt werde, wenn er einschlafe. Entsprechend<br />
traute er sich nicht zu schlafen, was dann schließlich auch<br />
den Lehrkräften aufgefallen sei.<br />
Letztendlich, so Herold, laufe das <strong>Mobbing</strong> stets nach dem gleichen Schema ab: Ein oder<br />
zwei Täter suchten sich ein oder zwei Opfer aus, um sie zu drangsalieren. Der größte Teil<br />
der Klassengemeinschaft stehe teilnahmslos an der Seite – teils aus Angst, selber in die<br />
Opferrolle zu geraten, teils aus Desinteresse und in Unkenntnis der dynamischen Prozesse,<br />
die dann ablaufen würden. Oftmals rekrutierten sich aus dieser Menge dann sogar Mittäter,<br />
die ebenfalls zu „den Starken“ und tonangebenden Schülern dazugehören wollten, oder<br />
dadurch womöglich zu verhindern trachteten, zu den „Schwächlingen“ gerechnet zu werden.<br />
Dadurch, so Herold, könne es schon vorkommen, dass sich zu den ein bis zwei Tätern<br />
noch bis zu 26 Mittäter dazugesellten (siehe Grafik).<br />
Als Problem stellt sich nach Darstellung von Herold oftmals heraus, die wahren Täter tatsächlich<br />
zu benennen. Denn meist wehrten sich die Opfer natürlich, würden zurückschlagen,<br />
weshalb in der Gegenüberstellung die Schülertäter auch darlegen könnten, dass die<br />
Gewalt auf beiden Seiten stattgefunden habe. Herold: „Es ist eine schwere Aufgabe, die<br />
wahren Kräfteverhältnisse herauszufinden“.<br />
Üblicherweise würden die Opfer zunächst aufgefordert, die Täter zu benennen; erst dann<br />
werde diesen ebenfalls das Wort erteilt. Damit könne man schon ganz gut abklären, wie die<br />
Mechanismen in der Klasse funktionierten. Oft stelle sich dabei heraus, dass die Täter oftmals<br />
eigene <strong>Mobbing</strong>erfahrungen (als Opfer) hätten, welche sie dann selbst zur Täterschaft<br />
getrieben hätten. Das Problem sei also eher ein allgemeines Gewaltproblem, das aus Stärken<br />
und Schwächen und aus gruppendynamischen Prozessen herrühre.<br />
<strong>Cybermobbing</strong><br />
Auch über das Internet und die sozialen Netzwerke wird nach Darstellung von Herold das<br />
<strong>Mobbing</strong> inzwischen ausgetragen. Mangels sozialer Hemmschwellen und der scheinbar<br />
schützenden Anonymität falle das <strong>Mobbing</strong> darüber seelisch oftmals sogar grausamer aus<br />
als in der „realen Welt“. Vielfach gebrauchte Schlüsselbegriffe in diesem Zusammenhang<br />
seien Cyber-Bullying, Cyber-Stalking oder Internet-<strong>Mobbing</strong>. Auch hier gehe es mit Hilfe<br />
elektronischer Kommunikationsmittel über Diffamierung und Belästigung bis hin zur Nötigung.<br />
2
Bisweilen sind allerdings auch hier die Fronten vertauscht:<br />
Herold schildert den Fall an einer Berufsschule. Am Abend hatten<br />
zwei Mitschüler im Chat eine Botschaft puren Hasses erhalten.<br />
Schulleitung und Polizei wurden eingeschaltet. Es stellte sich aber<br />
heraus, dass der Täter „ein armer Wicht“ gewesen sei. Er selbst sei<br />
in den Monaten davor genau von diesen Schülern gemobbt worden,<br />
wie sich bei der Analyse des Chatverlaufs, den der Daten-Provider<br />
der Polizei übermittelt hat, herausgestellt habe. Die zwei Schüler,<br />
die den Rektor bei dem Vorgang um Hilfe gebeten hatten, seien<br />
letztlich sogar die Haupttäter gewesen.<br />
Allein bei Vorfällen von „Happy Slapping“, bei dem mit dem Handy gedrehte Videos von<br />
drangsalierten Schülern „zur Belustigung“ ins Internet gestellt werden, hat es nach Angaben<br />
von Herold in jüngster Zeit im Aschaffenburger Raum rund 19 Fälle gegeben. Umfragen<br />
zufolge (Techniker-Krankenkasse, Forsa) kennen 71 % der Schüler selbst ein Opfer von<br />
<strong>Cybermobbing</strong>. Allerdings nehme die Sensibilität zu, betont Herold. Die Studien zeigten<br />
auch, dass man mit der Präventionsarbeit im Hinblick auf die neuen Medien bereits mit den<br />
6. Klassen beginnen sollte.<br />
„No Blame Approach“<br />
Als neue Anti-<strong>Mobbing</strong>-Strategie stellte Herold auch den „No Blame Approach“ (Ansatz ohne<br />
Schuldzuweisung) vor, der seit einiger Zeit auch in Aschaffenburg mit Erfolg angewandt<br />
werde. Der „No Blame Approach“ wurde vor mehr als 15 Jahren in England entwickelt. Die<br />
besondere Herausforderung – aber auch der Erfolg – der neuen Herangehensweise liegt<br />
darin, die Akteure des <strong>Mobbing</strong>s für ihre Handlungen nicht zu bestrafen, sondern sie als<br />
„Experten“ für die Lösung des <strong>Mobbing</strong>-Problems einzubinden. Es werde natürlich mit den<br />
Opfern und den Tätern gesprochen, und auch mit den Mitläufern und aus der Analyse ein<br />
Verhaltenskodex aufgestellt. Der werde auch immer wieder übergeprüft. Von 220 analysierten<br />
Fällen, so Herold, seien 192 Vorkommnisse auf diese Weise nachhaltig gestoppt worden.<br />
Teilnehmerfragen<br />
Was soll man einem Kind raten, das von Mitschülern gemobbt wird?<br />
Herold: Auf jeden Fall nicht zurückschlagen, oder die Mitschüler ebenfalls beleidigen, sondern<br />
umgehend zum Klassenlehrer gehen.<br />
Haben die <strong>Mobbing</strong>täter eigentlich ein Unrechtbewusstsein bei Ihrem Handeln, und sind sie<br />
sich bewusst, dass ihnen auch eine Strafe drohen kann?<br />
Herold: Die Täter seien sich möglicher drohender Strafen meist nicht bewusst. Deshalb<br />
ergebe sich daraus auch kein abschreckender Effekt. Dies aufzuzeigen, sei auch Inhalt der<br />
Präventionsarbeit. Im Extremfall könnten die Eltern von Opfern nämlich auch zivilrechtliche<br />
Schuldtitel erwirken, die der Täter dann bei schwerwiegenden Taten noch in 30 Jahren abbezahlen<br />
müsse.<br />
3
Sind die <strong>Mobbing</strong>vorkommnisse tatsächlich schlimmer geworden, oder wird nur sensibler<br />
darauf reagiert?<br />
Herold: Früher seien solche Fälle natürlich auch vorgekommen. Allerdings habe bei Rangeleien<br />
stets eine Art Ehrenkodex gegolten: Es gab kein Nachtreten und die Gewalt wurde<br />
„früher gestoppt“. Im Gegensatz zu früher würden heute bei Prügeleien oft auch Zuschauer<br />
mitmachen, es werde aus der Menge heraus nachgetreten, die Feindschaft bis in den Freizeitbereich<br />
getragen und dringe über das Internet auch in den privatesten Schutzbereich<br />
ein. Herold: „Das Opfer ist Tag und Nacht den Attacken ausgesetzt“.<br />
Weiterführende Links<br />
Elternratgeber<br />
www.schau-hin.info<br />
Jugendschutz im Internet<br />
www.jugendschutz.net<br />
Tipps gegen <strong>Mobbing</strong><br />
www.mobbing.seitenstark.de<br />
Infos und Tipps rund ums Internet<br />
www.internet-abc.de/eltern<br />
Sicherheitstipps zu Chats, Messengern und Communities<br />
www.chatten-ohne-risiko.net<br />
iRights/Urheber- und Persönlichkeitsrechte im Internet<br />
http://www.klicksafe.de<br />
Jim-Studie Jugend, Information, Multimedia:<br />
http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM‐pdf11/JIM2011.pdf<br />
Aschaffenburg, 2. Dezember 2011 Stephan Lorz Barbara Ries<br />
(Schriftführer)<br />
(1. Vorsitzende)<br />
4