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11 - Bundesnotarkammer

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Heft <strong>11</strong> November 2001 Seite 817 – 896<br />

INHALT<br />

Bekanntmachung<br />

Wahl zum Präsidium der <strong>Bundesnotarkammer</strong> 817<br />

Mitteilungen<br />

Vorstände der Notarkammern: Ehrenpräsident der Notarkammer<br />

Frankfurt, Ehrenpräsident der Notarkammer Hamm 817<br />

26. Deutscher Notartag 2002 in Dresden 818<br />

Jahrestagung der Deutsch-Schweizerischen Juristenvereinigung e.V. 819<br />

Notar a.D. Dr. Germar Hüttinger 80 Jahre alt 819<br />

Veranstaltungen des Fachinstituts für Notare 819<br />

Preisindex für die Lebenshaltung im September 2001 821<br />

Aktuelles Forum<br />

Grziwotz, Neuregelung des Wohnungsbaurechts und Grundstücksverkehr<br />

– ein Überblick 822<br />

Aufsatz<br />

Keim, § 313 BGB und die Beurkundung zusammengesetzter Verträge<br />

827<br />

Rechtsprechung<br />

I. Allgemeines<br />

1. Vererblichkeit des Anspruchs auf Rückforderung einer Schenkung<br />

BGH, Urt. v. 25. 4. 2001 – X ZR 229/99 841<br />

2. Parzellenverwechslung; Treuwidrigkeit der Berufung auf Formmangel<br />

BGH, Urt. v. 18. 5. 2001 – V ZR 353/99 846<br />

3. Zweckgebundener Anspruch und Insolvenz<br />

BGH, Urt. v. 7. 6. 2001 – IX ZR 195/00 850<br />

4. Bestimmungen einer Vereinssatzung zu Mitgliederversammlung<br />

und Vorstand<br />

BayObLG, Beschl. v. 18. 4. 2001 – 3Z BR 100/01 853<br />

III


II. Beurkundung und Betreuung<br />

1. Grundsätzlich wörtliche Befolgung der Verwahrungsanweisung<br />

BGH, Urt. v. 10. 2. 2000 – IX ZR 41/99 (mit Anm. Hertel) 856<br />

2. Haftung bei unrichtiger Notarbestätigung<br />

BGH, Urt. v. 26. 4. 2001 – IX ZR 453/99 862<br />

3. Widerruflichkeit der Auszahlungsanweisungen mehrerer Verkäufer<br />

eines Grundstücks<br />

KG, Beschl. v. 18. 9. 2001 –1W185/01(mitAnm.Wegerhoff) 865<br />

III. Handels- und Gesellschaftsrecht<br />

1. Heilung einer wegen Gläubigerdiskriminierung nichtigen GmbH-<br />

Satzungsbestimmung<br />

BGH, Urt. v. 19. 6. 2000 – II ZR 73/99 (mit Anm. Zöllner) 868<br />

2. Keine Anfechtungsklage wegen „Informationsmängeln‘‘ bezüglich<br />

der Abfindung bei Umwandlungsvorgängen<br />

BGH, Urt. v. 18. 12. 2000 – II ZR 1/99 877<br />

3. Mehrheitsaktionär kein beherrschendes Unternehmen – MLP<br />

BGH, Urt. v. 18. 6. 2001 – II ZR 212/99 884<br />

4. § 181 BGB in der Einmann-GmbH<br />

BayObLG, Beschl. v. 17. <strong>11</strong>. 2000 – 3Z BR 271/00 887<br />

5. Keine Nichtigkeit der Abtretung eines unter dem Mindestnennbetrag<br />

liegenden Teilgeschäftsanteils bei anschließender Zusammenlegung<br />

zu einem darüber liegenden Anteil<br />

KG, Beschl. v. 3. 5. 2001 – 1 W 9272/00 (mit Anm. Rombach) 889<br />

Buchbesprechungen<br />

Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen,<br />

Band 18: Familienrecht 2 und Band 20: Familienrecht<br />

4(Tropf) – Schöner/Stöber, Grundbuchrecht (F. Schmidt) 894<br />

IV


VERKUÈ NDUNGSBLATT DER BUNDESNOTARKAMMER<br />

Herausgegeben im Auftrag der <strong>Bundesnotarkammer</strong> von<br />

Notar Prof. Dr. Günter Brambring, Köln,<br />

Notar Gerhard Lindheimer, Frankfurt,<br />

Notar a. D. Dr. Christoph Reithmann, Wolfratshausen<br />

<strong>11</strong> 2001<br />

Heft <strong>11</strong>, November 2001<br />

Seite 817± 896<br />

BEKANNTMACHUNG<br />

Wahl zum Präsidium der <strong>Bundesnotarkammer</strong><br />

Die 83. Vertreterversammlung hat am 12. 10. 2001 das Präsidium der<br />

<strong>Bundesnotarkammer</strong> gemäß § 81 BNotO neu gewählt.<br />

Gewählt wurden: zum Präsidenten Notar Dr. Tilman Götte, München,<br />

zum ersten Stellvertreter des Präsidenten Rechtsanwalt und Notar Diethard<br />

Koch, Kiel, zum zweiten Stellvertreter des Präsidenten Notarin Bettina<br />

Sturm, Bautzen, zu weiteren Mitgliedern Notar Prof. Dr. Rolf Dieter Zawar,<br />

Homburg, Rechtsanwalt und Notar Hermann Meiertöns, Oldenburg, Notar<br />

Dr. Hans-Christoph Schüller, Düsseldorf, und Rechtsanwalt und Notar<br />

Klaus Mock, Berlin.<br />

Der bisherige Präsident, Notar Dr. Hans-Dieter Vaasen, Aachen, sowie<br />

der bisherige erste Stellvertreter des Präsidenten, Rechtsanwalt und Notar<br />

Johannes Stockebrand, Hamm, wurden in Anerkennung ihrer Verdienste zu<br />

Ehrenpräsidenten der <strong>Bundesnotarkammer</strong> gewählt.<br />

MITTEILUNGEN<br />

Vorstände der Notarkammern<br />

Ehrenpräsident der Notarkammer Frankfurt<br />

Der Vorstand der Notarkammer Frankfurt hat auf seiner Sitzung vom<br />

15. 8. 2001 den nach langjähriger Präsidentschaft aus dem Präsidentenamt<br />

ausgeschiedenen Rechtsanwalt und Notar Dr. Klaus-Dieter Hartmann,<br />

Frankfurt, zum Ehrenpräsidenten ernannt.<br />

DNotZ 2001


818 Mitteilungen<br />

Ehrenpräsident der Notarkammer Hamm<br />

Einstimmig hat die Kammerversammlung vom 4. 4. 2001 auf Vorschlag<br />

des Vorstandes den bisherigen Präsidenten Rechtsanwalt und Notar Johannes<br />

Stockebrand, Hamm, mit dem Ausscheiden aus seinem Präsidentenamt<br />

zum Ehrenpräsidenten der Notarkammer Hamm ernannt.<br />

26. Deutscher Notartag 2002 in Dresden<br />

Vom 19. bis zum 22. 6. 2002 wird die <strong>Bundesnotarkammer</strong> in Dresden<br />

den 26. Deutschen Notartag veranstalten.<br />

Das Präsidium der <strong>Bundesnotarkammer</strong> lädt bereits heute alle Kolleginnen<br />

und Kollegen recht herzlich zur Teilnahme an diesem Notartag ein. Die<br />

schriftlichen Einladungen sowie die Anmeldeformulare werden in Kürze<br />

verschickt werden.<br />

Anlässlich der Eröffnungsveranstaltung im Festsaal des Kulturpalastes in<br />

Dresden am 20. 6. 2002 wird der Vorsitzende des Ausschusses für Europaangelegenheiten<br />

der <strong>Bundesnotarkammer</strong>, Notar Dr. Gerd-Jürgen Richter,<br />

Landau, zu dem Thema „Vorsorge als Prinzip einer sozialen Rechtsordnung<br />

in Europa‘‘ referieren. Hierzu wird am Nachmittag ein Podiumsgespräch<br />

mit Vertretern des Europäischen Parlaments, der Europäischen<br />

Kommission, des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesgerichtshofs sowie<br />

dem Referenten stattfinden.<br />

In der Arbeitssitzung am Vormittag des 21. 6. 2002 wird Notar Dr. Gregor<br />

Basty, Weilheim, zu dem Thema „Verbraucherschutz im Bauträgervertrag:<br />

Eigenheimerwerb ohne Risiko?‘‘ vortragen. Daran wird sich eine<br />

Podiumsdiskussion mit dem Referenten unter Beteiligung von Vertretern<br />

des Bundesjustizministeriums, des Bundesgerichtshofs, der Bauträgerbranche<br />

sowie von Verbraucherschutzverbänden anschließen.<br />

In der Nachmittagsveranstaltung am 21. 6. 2002 wird Notar Dr. Joachim<br />

Püls, Dresden, zum Thema „Signatur statt Siegel? – Notarielle Leistungen<br />

im elektronischen Rechtsverkehr‘‘ sprechen. Auch im Anschluss hieran<br />

wird die Möglichkeit zur Diskussion mit dem Referenten und Vertretern der<br />

Justizverwaltung und des Berufsstandes bestehen.<br />

Am Samstag, dem 22. 6. 2002, wird eine Aussprache zu Zukunftsfragen<br />

des Notariats stattfinden. Alternativ hierzu wird die Teilnahme an einer<br />

Fortbildungsveranstaltung ermöglicht, wobei in Form von Kurzreferaten<br />

jeweils aktuelle Fragen mit Bezug zur notariellen Praxis behandelt werden<br />

sollen.<br />

Während der Dauer der Fachveranstaltungen wird im Kongresszentrum<br />

eine begleitende Ausstellung von im Notariat verwendbaren Verlags- und<br />

EDV-Produkten, einschließlich einer Präsentation des Notarnetzes und des<br />

Deutschen Notarinstituts, stattfinden.<br />

Das Rahmenprogramm umfasst u. a. einen geselligen Abend im unmittelbar<br />

an der Elbe gelegenen Ball- und Brauhaus Watzke (Eröffnungsveranstaltung<br />

am Mittwoch, dem 19. 6. 2002), einen Festball im Hotel<br />

Bellevue in Dresden sowie als Abschlussveranstaltung am Samstag einen<br />

DNotZ 2001


Mitteilungen 819<br />

Ausflug in die Sächsische Schweiz mit Besuch der Bastei und des<br />

Schlosses Königstein. Darüber hinaus werden Führungen durch Museen<br />

und sonstige Sehenswürdigkeiten Dresdens, Stadtrundfahrten, ein Besuch<br />

der Semperoper (je nach Verfügbarkeit von Karten zum Anmeldungszeitpunkt)<br />

sowie Fahrten in die nähere und weitere Umgebung von Dresden<br />

angeboten.<br />

Jahrestagung der Deutsch-Schweizerischen Juristenvereinigung<br />

e. V.<br />

Die Deutsch-Schweizerische Juristenvereinigung e. V. (DSJV) veranstaltet<br />

am 7. 12. 2001 in Freiburg i. Br. ihre Jahrestagung zu dem Thema „Die<br />

Vollstreckung deutscher Urteile in der Schweiz sowie schweizerischer Urteile<br />

in Deutschland‘‘.<br />

Weitere Informationen und Anmeldeformulare sind erhältlich bei der<br />

Deutsch-Schweizerischen Juristenvereinigung e. V., Postfach 1873, 53008<br />

Bonn, Telefon 0228/96 289 146, Telefax 0228/9 814 951, E-Mail info@dsjv.de<br />

bzw. info@dsjv.ch oder können auf der Homepage der DSJV<br />

unter www.dsjv.de bzw. www.dsjv.ch abgerufen werden.<br />

Notar a. D. Dr. Germar Hüttinger 80 Jahre alt<br />

Notar a. D. Dr. Germar Hüttinger, München, feierte am 18. <strong>11</strong>. 2001<br />

seinen 80. Geburtstag. Jahrelang war der Jubilar in vielfältiger Weise in der<br />

Standesarbeit tätig (s. die Würdigung in DNotZ 1996, 929).<br />

Herausgeber und Schriftleiter sprechen Notar a. D. Dr. Germar Hüttinger<br />

ihre herzliche Gratulation und alle guten Wünsche für die Zukunft aus.<br />

Veranstaltungen des Fachinstituts für Notare<br />

1. Grundkurse für angehende Anwaltsnotare<br />

Zeit/Ort:<br />

Block I<br />

Berufsrecht, Allgemeine Notarpraxis und Beurkundungsrecht<br />

10. – 12. 1. 2002<br />

Block II<br />

Grundstücksrecht nebst Grundbuchverfahrensrecht und notarielle Verwahrungstätigkeit<br />

24. – 26. 1. 2002<br />

Block III<br />

Übertragungsverträge und Rechte in Abt. II und III; Kostenrecht<br />

7. – 9. 2. 2002<br />

Block IV<br />

WEG, Erbbaurecht, Bauträgervertrag, Haftpflicht- und Europarecht<br />

21. – 23. 2. 2002<br />

Block V<br />

Familien- und Erbrecht, Internationales Privatrecht<br />

7. – 9. 3. 2002<br />

DNotZ 2001


820 Mitteilungen<br />

Referenten:<br />

Kostenbeitrag:<br />

Block VI<br />

Steuer-, Handels- und Gesellschaftsrecht<br />

21. – 23. 3. 2002<br />

Ausbildungs-Center des DAI, Im Haus der Verbände, Voltairestr. 1,<br />

10 179 Berlin<br />

Notar Dr. Wolfgang Baumann, Wuppertal, Rechtsanwalt Christoph Sandkühler,<br />

Geschäftsführer der Notarkammer Hamm, Notar a. D. Dr. Timm<br />

Starke, Hauptgeschäftsführer der <strong>Bundesnotarkammer</strong>, Köln, Notariatsbürovorsteher<br />

Fritz Reibold, Groß-Gerau, Notar Prof. Dr. Günter Brambring,<br />

Köln, Notar Prof. Dr. Rainer Kanzleiter, Neu-Ulm, Notar Jürgen<br />

Kirchner, Würzburg, Notar Dr. Hans Wolfsteiner, München, Notar a. D.<br />

Christian Hertel, Deutsches Notarinstitut, Würzburg, Notar Prof. Dr.<br />

Hans-Ulrich Jerschke, Augsburg, Notar Dr. Hermann Amann, Berchtesgaden,<br />

Notar Dr. Manfred Rapp, Landsberg/Lech, Notar Dr. Peter Limmer,<br />

Würzburg, Rechtsanwalt und Notar Manfred Blank, Lüneburg, Abteilungsdirektor<br />

Heinz Schlee, Allianz-Versicherung, München, Notar Dr.<br />

Erkki Bernhard, Augsburg, Notar Dr. Karl-Heinz Steinbauer, München,<br />

Notar Dr. Hans Jürgen von Dickhuth-Harrach, Köln, Notar Prof. Dr.<br />

Günther Schotten, Köln, Notar Dr. Sebastian Spiegelberger, Rosenheim,<br />

Notariatsvorsteher Walter Grauel, Mettmann, Rechtsanwalt Dr. Klaus<br />

Engfer, Frankfurt<br />

2600,– DM Gesamtpreis<br />

520,– DM pro Block bei Einzelbuchung<br />

20,– DM für den Erfolgsnachweistest<br />

2. Die notarielle Vertragsgestaltung nach der Schuldrechtsreform<br />

Zeit/Ort:<br />

Referenten:<br />

Kostenbeitrag:<br />

<strong>11</strong>. 1. 2002, Frankfurt<br />

12. 1. 2002, Gelsenkirchen<br />

18. 1. 2002, Hamburg<br />

19. 1. 2002, Berlin<br />

Notar a. D. Christian Hertel, Deutsches Notarinstitut, Würzburg, Notar<br />

Dr. Hermann Amann, Berchtesgaden<br />

587,–/430,– DM (für Notarassessoren und junge Rechtsanwälte)<br />

40,– DM für den Erfolgsnachweistest<br />

3. Notare als Mediatoren, Schlichter und Schiedsrichter<br />

Zeit/Ort:<br />

Referenten:<br />

Kostenbeitrag:<br />

19. 1. 2002, Frankfurt<br />

Notar Dr. Bernd Wegmann, Ingolstadt, Rechtsanwalt und Notar Klaus-R.<br />

Wagner, Wiesbaden, Vors. Richter am OLG Hermann Bietz, Berlin<br />

587,–/430,– DM (für Notarassessoren und junge Rechtsanwälte)<br />

40,– DM für den Erfolgsnachweistest<br />

Änderungen werden vorbehalten. Muss wider Erwarten eine Veranstaltung abgesagt oder<br />

verschoben werden, werden bereits bezahlte Teilnehmergebühren umgehend erstattet.<br />

Weitergehende Ansprüche sind leider ausgeschlossen.<br />

Anfragen und Anmeldungen sind zu richten an das Deutsche Anwaltsinstitut e. V. – Fachinstitut<br />

für Notare –, Postfach 250254, 44740 Bochum, Telefon 0234/9706418, Telefax<br />

0234/703507, E-Mail: notare@anwaltsinstitut.de, Internet: www.anwaltsinstitut.de, Bankverbindung:<br />

Dresdner Bank AG Bochum (BLZ 430 800 83), Konto-Nr. 802 950 700.<br />

DNotZ 2001


Mitteilungen 821<br />

Preisindex für die Lebenshaltung im September 2001<br />

Mitgeteilt vom Statistischen Bundesamt auf Basis 1995 = 100.<br />

1. Deutschland<br />

Alle privaten Haushalte: <strong>11</strong>0,0<br />

2. Früheres Bundesgebiet und Neue Länder und Berlin-Ost<br />

Früheres Bundesgebiet<br />

Neue Länder und Berlin-Ost<br />

a) Alle privaten Haushalte: 109,8 <strong>11</strong>1,0<br />

b) 4-Personen-Haushalte von<br />

Beamten und Angestellten mit<br />

höherem Einkommen: 108,8 109,6<br />

c) 4-Personen-Haushalte von<br />

Arbeitern und Angestellten mit<br />

mittlerem Einkommen: 109,4 <strong>11</strong>0,2<br />

d) 2-Personen-Rentner-Haushalte<br />

mit geringem Einkommen: <strong>11</strong>0,4 <strong>11</strong>1,0<br />

Die Umbasierungsfaktoren für das frühere Bundesgebiet sind DNotZ 2001, Heft 1, S. 5,<br />

zu entnehmen.<br />

Das Statistische Bundesamt ist im Internet unter der Adresse http://www.statistik-bund.de<br />

vertreten. Aktuelle Monatswerte können auch über den Anrufbeantworter 06<strong>11</strong>/75-2888<br />

abgefragt werden, Indexwerte ab 1991 unter Abruffax 06<strong>11</strong>/75-3888.<br />

DNotZ 2001


822 Grziwotz<br />

AKTUELLES FORUM<br />

Notar Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Regen<br />

Neuregelung des Wohnungsbaurechts und Grundstücksverkehr<br />

– ein Überblick<br />

Nicht nur das Schuldrecht wird zum 1. 1. 2002 geändert werden und<br />

Auswirkungen auf den Grundstücksverkehr haben. Auch die Rechtsgrundlagen<br />

des sozialen Wohnungsbaurechts wurden durch das Gesetz zur Reform<br />

des Wohnungsbaurechts v. 13. 9. 2001 (BGBl. I, 2376 ff.) wesentlich<br />

geändert und nötigen zur Anpassung der Musterverträge.<br />

I. Vom sozialen Wohnungsbau zur sozialen Wohnraumförderung<br />

1. Überblick über die Änderungen<br />

Der Gesetzgeber hat das Recht des sozialen Wohnungsbaus, das im<br />

Wesentlichen in der Nachkriegszeit entwickelt wurde, als nicht mehr zeitgemäß<br />

angesehen 1 . Auf die Regelung der Details des bisherigen 1. Förderwegs<br />

mit seinem Kostenmietrecht wird künftig verzichtet. Auch der 2. Förderweg<br />

(Förderung mit nicht öffentlichen Aufwendungshilfen), der eine<br />

Ausweitung des geförderten Personenkreises und der Objekte zuließ, umfasst<br />

heute nur noch einen Bruchteil der geförderten Objekte. Die vereinbarte<br />

Förderung ermöglichte demgegenüber die Festlegung der Förderhöhe,<br />

der Art und Dauer der Belegungsbindungen sowie die Höhe der Sozialmiete.<br />

Die Unterscheidung dieser Förderwege wird überflüssig.<br />

Besondere Bedeutung soll künftig neben dem Städtebaurecht (§§ <strong>11</strong>, 12,<br />

123 und 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB) und dem Bundesbodenschutzrecht<br />

(§ 13 Abs. 4 BBodSchG) auch im Recht der sozialen Wohnraumförderung<br />

Kooperationsverträgen zukommen.<br />

Das Zweite Wohnungsbaugesetz 2 , das Wohnungsbindungsgesetz 3 , die<br />

Neubaumietenverordnung 4 und die Zweite Berechnungsverordnung 5 , das<br />

1) BT-Drucks. 13/5538, S. 1. Demgemäß werden in § 9 Abs. 1 Nr. 7 und § 27 a<br />

Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB die Begriffe „sozialer Wohnungsbau‘‘ durch die soziale<br />

Wohnraumförderung bzw. die diesbezüglichen Zwecke ersetzt: Weitere Änderungen des<br />

BauGB, insbes. von §§ <strong>11</strong> und 12 BauGB enthält das Gesetz zur Umsetzung der UVP-<br />

Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz<br />

v. 27. 7. 2001, BGBl. I, 1950/2014, Art. 12. Siehe dazu Runkel, DVBl. 2001, 1377; Enders/Krings,<br />

DVBl. 2001, 1242 ff., und dies., DVBl. 2001, 1389/1403 f.<br />

2) Art. 2 Gesetz zur Reform des Wohnungsbaurechts. Nunmehr geregelt in den<br />

§§ 1 - 24, 38 - 47 WoFG.<br />

3) Art. 6 G. z. Reform des Wohnungsbaurechts. Nunmehr geregelt in den §§ 25 - 33<br />

WoFG.<br />

4) Art. 9 G. z. Reform des Wohnungsbaurechts.<br />

5) Art. 8 G. z. Reform des Wohnungsbaurechts.<br />

DNotZ 2001


Neuregelung des Wohnungsbaurechts und Grundstücksverkehr – ein Überblick 823<br />

Gesetz über den Abbau der Fehlsubventionen im Wohnungsbau 6 und<br />

weitere Gesetze werden aufgehoben bzw. abgeändert. Lediglich zur Abwicklung<br />

der Förderbeziehungen gelten die bisherigen Vorschriften mit<br />

Anpassungen an die neue Rechtslage fort 7 . Die neue Bezeichnung „soziale<br />

Wohnraumförderung‘‘ soll die Ausrichtung auf den Bestand deutlich<br />

machen 8 . Das neue Recht gilt für alle künftigen Maßnahmen ab dem<br />

1. 1. 2002.<br />

2. Die Änderungen im Einzelnen<br />

a) Die kommunale Aufgabe<br />

Die Aufgabe der Gemeinden, die Grundlage für Grundstücksveräußerungen<br />

von Kommunen ist, findet sich nicht mehr in § 89 II. WoBauG, sondern<br />

in § 4 WoFG. § 4 Abs. 1 WoFG betrifft die Baulandbereitstellung, § 4<br />

Abs. 2 WoFG die zügige Bebauung. Anders als in § 89 Abs. 1 II. WoBauG<br />

ist die Veräußerung von Bauland zu einem angemessenen Preis nicht mehr<br />

vorgesehen. Dies nimmt auf kommunalrechtliche Verbote der Veräußerung<br />

von Vermögensgegenständen unter Wert Rücksicht 9 . Hiervon kann nicht<br />

generell, sondern nur aus Gründen eines besonderen öffentlichen Interesses<br />

abgewichen werden. Für das Grundbuchamt genügt jedoch weiterhin die<br />

diesbezügliche Versicherung der Vertreter der Gemeinde 10 .<br />

b) Kooperationsverträge<br />

Die neuen Bestimmungen zu den Kooperationsverträgen, die zwischen<br />

Wohnungsunternehmen und den zuständigen Stellen abgeschlossen werden<br />

können, finden sich in §§ 14 und 15 WoFG. Gegenstände diesbezüglicher<br />

Vereinbarungen sind insbesondere die Begründung oder Verlängerung von<br />

Mietbindungen an Wohnraum, die Übernahme von Bewirtschaftungsrisiken<br />

und Bürgschaften, die Aufhebung oder Änderung von Belegungs- und<br />

Mietbindungen, die Übernahme von wohnungswirtschaftlichen, baulichen<br />

und sonstigen Maßnahmen, insbesondere von solchen der Verbesserung des<br />

Wohnumfeldes, der Behebung sozialer Missstände und der Quartierverwaltung,<br />

sowie der Überlassung von Grundstücken und Räumen. Die Aufzählung<br />

ist nicht abschließend <strong>11</strong> . Wie auch sonst bestehen die Grenzen der<br />

Angemessenheit, des sachlichen Zusammenhangs und der Unzulässigkeit<br />

einer Leistung des Dritten bei Bestehen eines Anspruchs 12 . Der Gesetzgeber<br />

6) Art. 7 G. z. Reform des Wohnungsbaurechts. Nunmehr geregelt in den §§ 34 - 37<br />

WoFG.<br />

7) §§ 48, 50 WoFG.<br />

8) BT-Drucks. 13/5538, S. 32.<br />

9) Vgl. nur v. Mutius, Kommunalrecht, 1996, Rdn. 42 m.w.Nachw.<br />

10) Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 12. Aufl., 2001, Rdn. 4075 u. 4078.<br />

<strong>11</strong>) Vgl. § 15 Abs. 4 WoFG. Nach BT-Drucks. 14/5538, S. 38, handelt es sich um<br />

öffentlich-rechtliche Verträge.<br />

12) § 15 Abs. 2 WoFG. Vgl. auch §§ <strong>11</strong> Abs. 2, 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB und § 56<br />

VwVfG.<br />

DNotZ 2001


824 Grziwotz<br />

weist wiederum beim Schriftformerfordernis ausdrücklich auf die Beurkundungspflicht<br />

von Grundstücksveräußerungen und -erwerben hin 13 .<br />

c) Haushaltsangehörige und Einkommensermittlung<br />

Die Definition der Haushaltsangehörigen 14 umfasst nunmehr auch den<br />

Lebenspartner und den Partner einer sonstigen auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft.<br />

Dies könnte auch Auswirkungen auf die bisherige Streitfrage<br />

im Rahmen der Aufteilung von Gebäuden im Bereich von Milieuschutzsatzungen<br />

bei Bestehen entsprechender Rechtsverordnungen haben 15 .DieWeiterveräußerung<br />

zur eigenen Nutzung an Familienangehörige ist nämlich<br />

gestattet (§ 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 BauGB). Hierzu gehören aufgrund des<br />

Wortlauts der Ehegatte und der Lebenspartner. Da § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB<br />

zwischen Familienangehörigen und Angehörigen des Haushalts unterscheidet,<br />

könnte man annehmen, dass der nichteheliche Partner nicht (mehr) zum<br />

begünstigten Personenkreis zählt. Allerdings widerspricht dies der Intention<br />

der Mietrechts- und Wohnungsbaureformgesetze, die 16 den haushaltsangehörigen<br />

Partner ausdrücklich besser stellen wollten.<br />

Bei der Einkommensermittlung kommt einer notariellen Unterhaltsvereinbarung<br />

besondere Beweiskraft zu. Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher<br />

Unterhaltsverpflichtungen werden bis zu dem vereinbarten Betrag bei<br />

der Ermittlung des Gesamteinkommens abgesetzt 17 . Die notarielle Urkunde<br />

steht einem gerichtlichen Unterhaltstitel gleich. Der Gesetzgeber hat im<br />

Wohnungsbaurecht die im Familienrecht längst überfällige Anordnung der<br />

notariellen Form für Unterhaltsvereinbarungen 18 zur Vorbeugung gegen<br />

Missbrauch 19 , allerdings nicht zum Schutz des sozial schwächeren Ehegatten,<br />

verfügt.<br />

II. Auswirkungen auf den Grundstücksverkehr<br />

1. Wohnflächenangaben<br />

Wenn bisher bei Bauträgerverträgen 20 oder Aufteilungen nach dem WEG<br />

auf die II. Berechnungsverordnung verwiesen wird, ist dies vorübergehend<br />

13) § 15 Abs. 3 WoFG. Siehe dazu BT-Drucks. 14/5538, S. 53. Ebenso §§ <strong>11</strong> Abs. 3,<br />

124 Abs. 4 BauGB, § 57 VwVfG.<br />

14) § 18 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WoFG.<br />

15) Siehe dazu Grziwotz, DNotZ 1997, 916/937. Durch Art. 7 Abs. 4 MietrechtsreformG<br />

v. 19. 6. 2001 (BGBl. I, <strong>11</strong>49/<strong>11</strong>68) wurde § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB<br />

neu gefasst.<br />

16) Vgl. nur § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB, in dem allerdings wiederum zwischen Familienangehörigen<br />

und den Haushaltsangehörigen unterschieden wird. Vgl. aber §§ 4<br />

Abs. 7, 6 Abs. 7 Satz 1 und § 32 Abs. 2 WoBiG i. d. F. der Änderung durch Art. 7<br />

Abs. <strong>11</strong> Nr. 2, 3 a und 5 MietrechtsreformG v. 19. 6. 2001 (BGBl. I, <strong>11</strong>49/<strong>11</strong>69).<br />

17) § 24 Abs. 2 WoFG. Sonst können Aufwendungen nur bis zu den in § 24 Abs. 2<br />

Satz 2 WoFG genannten Beträgen abgezogen werden, falls kein Unterhaltstitel oder ein<br />

Unterhaltsbescheid vorliegt.<br />

18) Vgl. BVerfG, NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 = DNotZ 2001, 222.<br />

19) BT-Drucks. 14/5538, S. 57.<br />

20) Siehe nur BGH, ZIP 2001, 245 = NJW 2001, 818 = WM 2001, 482 = ZfIR 2001,<br />

<strong>11</strong>1, und Blank, ZfIR 2001, 781 ff.<br />

DNotZ 2001


Neuregelung des Wohnungsbaurechts und Grundstücksverkehr – ein Überblick 825<br />

noch zulässig. Allerdings soll diese Verordnung aufgrund der Ermächtigung<br />

in § 19 Abs. 1 WoFG demnächst ersetzt werden. Ähnlich gilt dies hinsichtlich<br />

der Betriebskosten, auf die vor allem in Mietverträgen, die mit Grundstückskaufverträgen<br />

mitunter eine Einheit bilden, zur Berechnung der Nebenkosten<br />

Bezug genommen wird.<br />

2. Aufhebung des Vorkaufsrechts<br />

Art. 6 Nr. 2 Gesetz zur Reform des Wohnungsbaurechts hebt mit Wirkung<br />

zum 1. 1. 2002 das Vorkaufsrecht des Mieters bei der Umwandlung<br />

von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen nach § 2 b WoBindG auf. Ist<br />

das Vorkaufsrecht vor diesem Zeitpunkt entstanden, ist fraglich, ob es noch<br />

nach dem 1. 1. 2002 ausgeübt werden kann. Nach der gesetzgeberischen<br />

Intention ist dies nicht der Fall 21 . Wird der Vertrag erst nach diesem Termin<br />

wirksam, weil z. B. eine Genehmigung erst dann erteilt wird, kommt ein<br />

Vorkaufsrecht nach § 2 b WoBindG mangels eines wirksamen Vertrages<br />

ohnehin nicht in Betracht. Unberührt von dieser Änderung bleibt das Mietervorkaufsrecht<br />

nach § 577 BGB 22 .<br />

3. Wohnungsvermittlung und Selbsthilfe<br />

Zwei weitere Änderungen betreffen Ergänzungen von Gesetzen, die der<br />

notariellen Praxis geläufig sind: Die Ergänzung von § 2 Abs. 3 Satz 2<br />

WohnungsvermittlungsG stellt klar, dass für die Vermittlung von Sozialwohnungen<br />

keine Maklerprovision gefordert werden darf. Dies betrifft<br />

jedoch nur Miet-, nicht jedoch Kaufverträge. Im Einkommen- und Gewerbesteuerrecht<br />

ist bisher umstritten, ob sich die einmalige Errichtung eines<br />

Gebäudes und dessen Weiterveräußerung im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung<br />

bewegt 23 . Problematisch können entsprechende Verträge<br />

auch im Hinblick auf das Verbot der Schwarzarbeit sein 24 . Demgegenüber<br />

wird Selbsthilfe i. S. des § 12 Abs. 1 Satz 2 WoFG von diesem Verbot<br />

ausdrücklich ausgenommen.<br />

4. Förderzusage und Bestätigung<br />

Mit dem neuen Förderprinzip, nach dem die Förderzusage als öffentlichrechtlicher<br />

Teil der Subventionsgewährung die für die Förderbeziehung<br />

maßgeblichen Bestimmungen enthält, ist der Nachteil verbunden, dass sich<br />

die Bindungen nicht mehr aus dem Gesetz ergeben. Allein die Aussage,<br />

dass eine Wohnungsbindung besteht, genügt deshalb als Information in<br />

Grundstückskaufverträgen für den Erwerber nicht mehr. Diesem sollte<br />

21) Für eine sicherheitshalber eingeholte Negativbescheinigung kann deshalb eine<br />

Gebühr nach § 146 Abs. 1 Satz 1 KostO nicht erhoben werden.<br />

22) Früher § 570 b BGB; s. dazu Götz, BWNotZ 2000, 9 ff.; Langhein, DNotZ, 1993,<br />

650 ff.; Schmidt, DWW 1994, 65 ff., und Wirth, MittBayNot 1998, 9 ff.; vgl. ferner<br />

Schmidt, ZNotP 1998, 218 ff.<br />

23) Vgl. Reiß in Kirchof, EStG, 2001, § 15 Rdn. 120.<br />

24) Vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., 2001, § 134 Rdn. 22.<br />

DNotZ 2001


826 Grziwotz<br />

vielmehr die schriftliche Förderzusage vorgelegt werden. Auch die Miete<br />

für eine geförderte Wohnung folgt künftig dem Konzept der in der Förderzusage<br />

festgelegten höchstzulässigen Miete und nicht mehr dem Kostenmietprinzip<br />

25 . Schließlich ergeben sich aus der Förderzusage ferner die<br />

Dauer der Belegungs- und Mietbindungen 26 . Als Nachweis, insbesondere<br />

auch im Hinblick auf etwaige spätere Änderungen, ist zusätzlich zur Förderzusage<br />

oder alternativ zu ihr eine in § 29 Abs. 2 Satz 1 WoFG vorgesehene<br />

schriftliche Bestätigung der zuständigen Stelle möglich. Die Veräußerung<br />

einer belegungs- oder mietgebundenen Wohnung oder die Begründung<br />

von Wohnungseigentum sind vom Vermieter eines geförderten Gebäudes<br />

der zuständigen Stelle mitzuteilen (§ 32 Abs. 3 WoFG). Hierauf sollte der<br />

Notar die Beteiligten hinweisen.<br />

5. Übertragungsvereinbarungen<br />

Im Rahmen der Übertragung von Belegungs- und Mietbindungen (§ 31<br />

WoFG) kommen neue Aufgaben auf die Notare zu. Es handelt sich hierbei<br />

um eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen der zuständigen Stelle<br />

und dem Verfügungsberechtigten 27 . Ist das Ersatzobjekt noch nicht fertig<br />

gestellt, sollte als Zeitpunkt des Bindungsübergangs die Bezugsfertigkeit<br />

vorgesehen werden. Erst zu diesem Zeitpunkt sollten die dinglichen Rechte<br />

an den geförderten Wohnungen aufgehoben werden. Die Neubestellung an<br />

den Ersatzwohnungen kann aufgrund der zugrunde liegenden Verpflichtungen<br />

bereits vor diesem Zeitpunkt erfolgen. Als Sicherungsmittel sieht § 32<br />

Abs. 1 WoFG eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung gemäß § 61<br />

(Landes-)VwVfG vor. Allerdings dürfte dadurch eine notarielle Zwangsvollstreckungsunterwerfung<br />

gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht ausgeschlossen<br />

sein 28 .<br />

III. Ende der Ablösemöglichkeit<br />

Da die Ablöseverordnung 29 aufgehoben wird, endet am 31. 12. 2001 die<br />

Möglichkeit, Baudarlehen, die nach dem 31. 12. 1999 Eigentümern von<br />

Eigenheimen, Eigensiedlungen oder selbstgenutzten Eigentumswohnungen<br />

bewilligt worden sind, abzulösen, d. h. einen – gegenüber der Nominalsumme<br />

der Darlehensforderung – deutlich reduzierten Ablösungsbetrag zu<br />

zahlen.<br />

25) § 28 WoFG.<br />

26) § 29 Abs. 1 WoFG. Zu beachten ist, dass beim Benennungsrecht gemäß § 26<br />

Abs. 2 Satz 3 WoFG ein Dreier-Vorschlag und beim Besetzungsrecht gemäß § 26<br />

Abs. 2 Satz 4 WoFG ein Einer-Vorschlag zu erfolgen hat.<br />

27) BT-Drucks. 14/5538, S. 61.<br />

28) Vgl. BVerwG, NJW 1995, <strong>11</strong>04 = DVBl. 1995, 675.<br />

29) § 69 II. WoBauG.<br />

DNotZ 2001


§ 313 BGB und die Beurkundung zusammengesetzter Verträge 827<br />

AUFSATZ<br />

Notar Dr. Christopher Keim, Bingen<br />

§ 313 BGB und die Beurkundung zusammengesetzter Verträge<br />

Kaum ein Problem ist für Notare so haftungsträchtig wie die unvollständige<br />

Beurkundung von Grundstücksgeschäften, die im Zusammenhang<br />

mit anderen Verträgen stehen. In jüngster Zeit hat die Rechtsprechung die<br />

Frage, unter welchen Voraussetzungen ein an sich formfreies Rechtsgeschäft<br />

durch seinen Zusammenhang mit einem unter § 313 BGB fallenden Vertrag<br />

der Beurkundungspflicht unterliegt, näher präzisiert. Außerdem haben die<br />

Gerichte dargelegt, inwieweit die Verknüpfung selbst in der Urkunde zum<br />

Ausdruck kommen muss. Die sich aus diesen Forderungen der Rechtsprechung<br />

ergebenden Konsequenzen für die Beurkundung zusammengesetzter<br />

Verträge sollen im folgenden Beitrag untersucht werden.<br />

1. Problemstellung<br />

a) Grundsätzliches<br />

Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an<br />

einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf der notariellen<br />

Beurkundung; soweit das eindeutige Gebot des § 313 Satz 1 BGB. Aus<br />

dieser Formulierung des Gesetzes folgt, dass sämtliche Vereinbarungen, aus<br />

denen sich der schuldrechtliche Vertrag nach dem Willen der Beteiligten<br />

zusammensetzen soll, dem Formzwang unterliegen 1 .<br />

Der Vollständigkeitsgrundsatz gebietet es nach ständiger Rechtsprechung<br />

aber auch, einen Vertrag, der als solcher dem Formgebot des § 313 BGB<br />

nicht unterliegt, dann dem Erfordernis notarieller Beurkundung zu unterstellen,<br />

wenn er mit einem Grundstücksgeschäft im Sinne dieser Vorschrift<br />

eine rechtliche Einheit bildet 2 . Voraussetzung hierfür ist nach den von den<br />

Gerichten immer wieder gebrauchten Formeln, dass die Verträge zusammen<br />

stehen und fallen, nur gemeinsam gelten oder in gegenseitiger Abhängigkeit<br />

stehen 3 . In der notariellen Praxis tritt dieses Problem in vielfachen Variationen<br />

auf: Klassischer Fall ist die Verbindung von Grundstückskauf und<br />

Bauwerksvertrag beim Bauträgervertrag 4 . Aber auch andere Konstellati-<br />

1) So schon RGZ 51, 179; 103, 295; 145, 247.<br />

2) Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 172 m. w. Nachw.<br />

3) BGH, WM 1971, 618; BGH, DNotZ 1975, 87; BGHZ 63, 359/361 = DNotZ 1975,<br />

358; BGH, DNotZ 1979, 333; BGHZ 74, 346/348 = DNotZ 1979, 476; BGHZ 76, 43 =<br />

DNotZ 1980, 409; BGH, DNotZ 1983, 231; BGHZ 85, 315 = DNotZ 1983, 232; OLG<br />

Hamm, BB 1995, 1210; OLG Thüringen, DNotI-Report 1996, 6.<br />

4) Dazu Hartmann, MittRhNotK 2000, <strong>11</strong>.<br />

DNotZ 2001


828 Keim<br />

onen sind denkbar, wie bspw. die Verknüpfung eines Kaufvertrages mit<br />

einem Mietvertrag, wenn der Verkäufer als Mieter weiterhin in dem veräußerten<br />

Anwesen wohnen möchte, oder aber die zusätzliche Beurkundung<br />

von Schiedsverträgen oder Vorkaufsrechten im Zusammenhang mit Grundstücksverkäufen.<br />

Auch der Zusammenhang mit Gesellschaftsverträgen besteht<br />

häufig, falls ein Grundstück bei Gründung einer Gesellschaft als<br />

Einlage in das Gesellschaftsvermögen eingebracht wird. Ein weiterer Anwendungsfall<br />

besteht bei Unternehmensveräußerungen, in denen Sachgesamtheiten<br />

aus Grundstücken, beweglichen Sachen und Rechten verkauft<br />

werden 5 .<br />

b) Aktuelle Fragestellungen<br />

Nachdem in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts vor allem im<br />

Zusammenhang mit den damals verbreiteten Bauherrenmodellen eine lebhafte<br />

Diskussion um dieses Thema stattgefunden hatte 6 , schienen die damit<br />

zusammenhängenden Fragen im Wesentlichen geklärt. Und doch werden<br />

auch zu Beginn des neuen Jahrtausends die Probleme im Umfeld des<br />

zusammengesetzten Vertrages wieder verstärkt diskutiert und bilden den<br />

Gegenstand höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung.<br />

Im Blickpunkt stehen dabei im Wesentlichen drei Fragenkreise:<br />

– Zum einen befassten sich die Gerichte mit den Voraussetzungen, unter<br />

denen ein isoliert betrachtet formfreies Rechtsgeschäft der notariellen<br />

Beurkundung bedarf 7 . Mit Urt. v. 26. <strong>11</strong>. 1999 entschied der BGH, eine<br />

als solche nicht beurkundungsbedürftige Vereinbarung bleibe vom Formgebot<br />

des § 313 BGB frei, wenn sie zwar von einem Grundstücksgeschäft<br />

abhängig sei, dieses aber nicht von ihr 8 .<br />

– Gegenstand weiterer Entscheidungen war die Notwendigkeit der Beurkundung<br />

des Verknüpfungswillens der Parteien, d. h. inwieweit bei getrennter<br />

Beurkundung die wechselseitige oder einseitige Verknüpfung der<br />

Absprachen in den Urkunden selbst zum Ausdruck kommen müsse 9 .<br />

– Schließlich beschäftigten sich die Gerichte mit den Rechtsfolgen der<br />

unvollständigen Beurkundung, insbesondere mit Fragen der Teilnichtigkeit<br />

sowie mit der Heilung nach § 313 Satz 2 BGB 10 .<br />

Erst jüngst bekam die Problematik der Beurkundung zusammengesetzter<br />

Verträge im Rahmen der heftigen Diskussion um die Zulässigkeit des<br />

Bauträgervertrages zusätzliche Brisanz <strong>11</strong> . Es wurde teilweise vorgeschlagen,<br />

als Alternative zum Bauträgervertrag neben dem Grundstücksvertrag<br />

5) Dazu Wiesner, NJW 1984, 85; Sigle/Maurer, NJW 1984, 2657.<br />

6) Korte, DNotZ 1984, 3 ff.; Kanzleiter, DNotZ 1984, 421; Mink, BB 1982, Beilage<br />

24, S. 16; Doerry, ZfBR 1980, 16; Reinelt, BB 1981, 706; Linden, MittBayNot 1981,<br />

170; Lichtenberger, DNotZ 1988, 531.<br />

7) BGH, NJW 2000, 951; BGH, WM 2001, 45/46; OLG Köln, ZfBR 2001, 42.<br />

8) BGH, NJW 2000, 951; BGH, WM 2001, 45/46; BGH, NJW 2001, 1062.<br />

9) BGH, NJW 2000, 2017; OLG Stuttgart, DNotI-Report 2001, 100; OLG Hamm,<br />

DNotI-Report 1996, 164.<br />

10) BGH, NJW 2000, 2017; OLG Düsseldorf, MittRhNotK 2000, 339.<br />

<strong>11</strong>) Dazu DNotI-Report 2001, 67/87; Sorge/Vollrath, DNotZ 2001, 261.<br />

DNotZ 2001


§ 313 BGB und die Beurkundung zusammengesetzter Verträge 829<br />

einen separaten Bauvertrag abzuschließen, ohne die Formproblematik ausreichend<br />

zu beachten 12 .<br />

2. Beurkundungsbedürftigkeit zusammengesetzter Verträge<br />

a) Bisheriger Meinungsstand<br />

Einigkeit bestand schon immer darüber, dass ein zusammengesetzter<br />

Vertrag dann beurkundungsbedürftig ist, wenn er mit den übrigen Verträgen<br />

in rechtlichem Zusammenhang steht und die Rechtsgeschäfte daher von den<br />

Beteiligten als Einheit gewollt sind 13 . Streitig ist jedoch, wann dies im<br />

Einzelnen gegeben ist: Die Rechtsprechung bejahte den rechtlichen Zusammenhang<br />

bisher immer dann, wenn die Verträge nur zusammen stehen oder<br />

fallen oder in gegenseitiger Abhängigkeit stehen, ohne diese Voraussetzung<br />

allerdings näher zu konkretisieren 14 . In den neueren Entscheidungen präzisieren<br />

die Gerichte diese Formel dahingehend, dass die einseitige Abhängigkeit<br />

des Grundstückskaufvertrages von dem weiteren Rechtsgeschäft,<br />

nicht dagegen allein die einseitige Abhängigkeit des anderen Rechtsgeschäfts<br />

vom Grundstücksgeschäft die Beurkundungsbedürftigkeit begründe.<br />

Im letzteren Fall lägen eigenständige Regelungen vor, so dass kein<br />

hinreichender Grund bestehe, die weitere Vereinbarung zum Gegenstand<br />

der notariellen Aufklärung und Beratung zu machen 15 . Der BGH beruft sich<br />

dabei auf Sigle und Maurer 16 , die mit dem Schutzzweck des § 313 BGB<br />

argumentieren: Der Notar könne die Partei nur vor unüberlegten Dispositionen<br />

bewahren, wenn sie alle mit dem Grundstückskauf zusammenhängenden<br />

Abreden kennen. Dies gebiete auch die Beurkundung aller Verträge,<br />

von denen der Abschluss eines Grundstücksgeschäfts abhänge. Werde hingegen<br />

die Geltung des an sich formlosen Vertrages von der Wirksamkeit<br />

des Grundstücksgeschäfts abhängig gemacht, so wollten die Beteiligten den<br />

Grundstückskauf selbst unbedingt, der daher nur in demselben Umfang<br />

beurkundungsbedürftig sei, wie ein separat abgeschlossener Grundstückskauf<br />

17 .<br />

Eine etwas andere Formel verwendet Kanzleiter, der darauf abstellt, ob<br />

das weitere Geschäft wegen des in Aussicht genommenen Grundstücksvertrages<br />

abgeschlossen werde, und nimmt in diesem Fall Beurkundungspflicht<br />

an 18 . Nach anderer Auffassung soll die einseitige Abhängigkeit des formbedürftigen<br />

Grundstückskaufvertrages von dem nicht formbedürftigen Vertrag<br />

entscheidend sein, um den Formzwang zu begründen 19 . Eine sehr differen-<br />

12) Wagner, ZNotP 2000, 461/464; ders. in DAI-Skript „Bauträgervertrag vor dem<br />

Ende?‘‘, S. 63 ff.; dazu Hertel, ZNotP 2001, <strong>11</strong>.<br />

13) Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 173; MünchKommBGB/Kanzleiter, § 313 Rdn. 51.<br />

14) Dort z. B. BGHZ 76, 43/48 = DNotZ 1980, 409; BGHZ 78, 346/349 = DNotZ<br />

1981, <strong>11</strong>5; BGH, NJW 1987, 1069.<br />

15) BGH, NJW 2000, 951; BGH, WM 2001, 45/46.<br />

16) Sigle/Maurer, NJW 1984, 2657.<br />

17) Sigle/Maurer, NJW 1984, 2657/2661.<br />

18) MünchKommBGB/Kanzleiter, § 313 Rdn. 52.<br />

19) Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 174.<br />

DNotZ 2001


830 Keim<br />

zierte, im Ergebnis engere Auffassung vertritt Korte 20 . Danach sei eine<br />

umfassende Beurkundungsbedürftigkeit nur dann erforderlich, wenn die<br />

synallagmatische Verschmelzung aller Leistungen zu einem Schuldverhältnis<br />

festgestellt werden könne. Dies wiederum setze voraus, dass die Abhängigkeit<br />

aller Leistungen hinsichtlich ihrer Begründung und ihrer Abwicklung<br />

bei Störungen der Leistungsverpflichtung vereinbart sei. Einseitige<br />

Abhängigkeiten sollen ebenso wenig genügen wie eine auf die Begründung<br />

oder den Fall von Abwicklungsstörungen beschränkte Abhängigkeit 21 .Bei<br />

einer Verknüpfung zweier Rechtsgeschäfte durch Bedingung oder Rücktritt<br />

müsse in dem Grundstücksgeschäft nur die Verknüpfungsabrede, nicht<br />

dagegen der Abschluss des verknüpften Vertrages selbst beurkundet werden,<br />

wobei der Inhalt des verknüpften Geschäfts allerdings als Tatbestandsmerkmal<br />

der Bedingung oder der Rücktrittsvoraussetzungen oder zur Konkretisierung<br />

des abzuschließenden Geschäfts im Einzelfall zu beurkunden<br />

sei 22 . Handele es sich um dieselben Vertragsteile, spreche allerdings eine<br />

Vermutung für eine echte Geschäftseinheit 23 .<br />

b) Folgerungen aus der neueren Rechtsprechung<br />

Die Kritik Kortes richtete sich insbesondere gegen die Unbestimmtheit<br />

der von der h. M. gebrauchten Formel vom „miteinander Stehen und Fallen‘‘<br />

beider Verträge. Die neue Rechtsprechung des BGH 24 wird dem<br />

immerhin in der Weise gerecht, dass nunmehr allein die Abhängigkeit des<br />

nicht beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäfts vom Grundstücksvertrag<br />

nicht mehr ausreichend ist, um es in den Anwendungsbereich des § 313<br />

BGB mit einzubeziehen. Entscheidend ist einzig die Abhängigkeit des<br />

Grundstücksgeschäfts von dem weiteren Geschäft. Offen bleibt aber der<br />

notwendige Grad der Abhängigkeit, also insbesondere, ob die Verknüpfung<br />

durch Bedingung oder Rücktrittsvorbehalt eine Beurkundungspflicht des<br />

weiteren Vertrages auslöst. Außerdem kann die Formel des BGH nicht zur<br />

Prüfung der Beurkundungsbedürftigkeit von unselbständigen Nebenbestimmungen<br />

herangezogen werden: Bei ihnen ist in der Regel gerade nicht<br />

anzunehmen, dass mit ihrem Vorhandensein der gesamte Grundstückserwerb<br />

stehen und fallen soll, vielmehr besteht hier die Abhängigkeit in<br />

umgekehrter Richtung. Sie sind überhaupt nur sinnvoll im Zusammenhang<br />

mit dem gesamten Grundstücksgeschäft. Wird bspw. in einem normalen<br />

Hauskauf eine Verzugszinsregelung vorgesehen, so dürfte das gesamte<br />

Rechtsgeschäft nicht von ihrem Bestand abhängen. Gleichwohl ist eine<br />

solche Nebenabrede aber in jedem Fall beurkundungsbedürftig. Es ist daher<br />

zunächst eine Abgrenzung notwendig, wann eine Nebenbestimmung im<br />

Rahmen eines einheitlichen und wann ein zusammengesetzter Vertrag vor-<br />

20) Korte, DNotZ 1984, 3 ff. und 82 ff.; ders. in Handbuch der Beurkundung von<br />

Grundstücksgeschäften, 1990, 75 ff.<br />

21) Korte, DNotZ 1984, 3/17.<br />

22) Korte, DNotZ 1984, 82/96.<br />

23) Korte, DNotZ 1984, 82/97.<br />

24) BGH, NJW 2000, 951; BGH, WM 2001, 45.<br />

DNotZ 2001


§ 313 BGB und die Beurkundung zusammengesetzter Verträge 831<br />

liegt, bei dem die Einheitlichkeit erst durch die vom BGH aufgestellten<br />

Kriterien herbeigeführt wird.<br />

c) Einheitliches Rechtsgeschäft nach objektiven Kriterien<br />

Nebenabreden im engeren Sinne sind begrifflich nicht als eigenes<br />

Schuldverhältnis denkbar; sie regeln stets einzelne Elemente des Vertrages<br />

und teilen infolge dessen schon aus objektiven Gründen seinen Formzwang<br />

25 .<br />

Etwas Ähnliches gilt, wenn mehrere schuldrechtlich selbständig denkbare<br />

und sinnvolle Regelungskreise durch den Willen der Beteiligten synallagmatisch<br />

zu einer Einheit verbunden sind, z. B. bei Vereinbarung eines<br />

Wohnrechts als Gegenleistung für eine Grundstücksüberlassung 26 . Obwohl<br />

es sich aus der Sicht der Vertragstypenlehre hier um einen gemischten<br />

Vertrag handelt, kommt es für seine Beurkundungsbedürftigkeit nicht auf<br />

den Verknüpfungswillen der Parteien im Sinne einer gegenseitigen Abhängigkeit<br />

an. Mit der Verbindung der Leistungen im Rahmen des Gegenseitigkeitsverhältnisses<br />

verlieren sie ihre rechtliche Selbständigkeit, so dass es<br />

sich zwingend um einen einheitlich zu beurkundenden Vertrag handelt 27 .<br />

Die rechtliche Einordnung als gemischter Vertrag spielt lediglich insofern<br />

eine Rolle, als der Vertragstyp die Anwendung der jeweiligen dispositiven<br />

Normen des besonderen Schuldrechts bestimmt. Für die Anwendung der im<br />

allgemeinen Schuldrecht angesiedelten Norm des § 313 BGB ist sie ohne<br />

Bedeutung. Es handelt sich vielmehr um einen einheitlichen Vertrag 28 .<br />

d) Zusammengesetzte Verträge<br />

Lediglich bei den zusammengesetzten Verträgen, also bei denen, die<br />

nicht schon nach objektiven Kriterien oder aufgrund des Synallagmas ein<br />

einheitliches Schuldverhältnis bilden, gehören zum Vertrag nur die Abreden,<br />

die nach dem Willen der Parteien von diesen zu einer Einheit verknüpft<br />

werden 29 . Damit steht die Beurkundungsbedürftigkeit allerdings nicht zur<br />

Parteidisposition. Vielmehr muss von dem Grundsatz ausgegangen werden,<br />

dass sich das Beurkundungserfordernis auf den gesamten Vertrag erstreckt.<br />

Das Vorliegen eines einzigen Schuldverhältnisses steht damit in Abhängigkeit<br />

von der Art der rechtlichen Verknüpfung, die die Parteien zwischen den<br />

verschiedenen Abreden vornehmen. Zwar spricht bei Vorliegen mehrerer<br />

Vertragsurkunden zunächst eine Vermutung gegen einen Einheitlichkeitswillen,<br />

zwingend ist dies jedoch nicht. Es kommt auch nicht darauf an, ob<br />

der Einheitlichkeitswille in der Urkunde irgendeinen Ausdruck gefunden<br />

hat 30 . Haben die Parteien vielmehr einen solchen übereinstimmenden Ver-<br />

25) Lichtenberger, DNotZ 1988, 531/543; Korte, Handbuch, Rdn. 3.18.<br />

26) Korte, Handbuch, Rdn. 3.19; Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 171.<br />

27) Korte, Handbuch, Rdn. 3.19; Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 171; Lichtenberger,<br />

DNotZ 1988, 531/534.<br />

28) Korte, Handbuch, Rdn. 3.26.<br />

29) Korte, Handbuch, Rdn. 3.29; Heckschen, Die Formbedürftigkeit mittelbarer<br />

Grundstücksgeschäfte, 1989, <strong>11</strong>1.<br />

30) BGH, NJW-RR 1989, 198/199.<br />

DNotZ 2001


832 Keim<br />

knüpfungswillen und möchten sie durch getrennte Vereinbarungen nur die<br />

Rechtsfolgen hieraus abwenden, so handelt es sich um den rechtlich unbeachtlichen<br />

Versuch, die zwingenden Rechtsfolgen eines Formverstoßes abzuwenden.<br />

Die Einhaltung der Form unterliegt nicht der Gestaltungsmacht<br />

der Parteien 31 .<br />

Der in der Rechtsprechung und Literatur immer wieder gebrauchte<br />

Begriff des Einheitlichkeits- oder Verknüpfungswillens als maßgebliches<br />

Kriterium ist jedoch in Anbetracht der Rechtsgeschäftslehre zumindest<br />

irreführend. Das Rechtsgeschäft enthält immer auch einen äußeren Tatbestand<br />

einer Erklärung, der nicht erklärte Wille ist irrelevant 32 . Es<br />

muss eine – zumindest stillschweigend – erklärte Einigung der Beteiligten<br />

über die Verknüpfung beider Rechtsgeschäfte vorliegen. In diesem<br />

Sinne sind auch die höchstrichterlichen Urteile ungenau, die es ausreichen<br />

lassen, dass der erkennbare, vom anderen Vertragspartner gebilligte<br />

oder zumindest hingenommene Wille eines Vertragspartners ausreiche 33 .<br />

Eben diese Billigung müsste stets geprüft werden, um eine entsprechende<br />

zumindest stillschweigend erklärte Verknüpfungsabrede bejahen<br />

zu können 34 .<br />

e) Inhalt der Verknüpfungsabrede – Intensität der Verknüpfung<br />

Die Präzisierung der Rechtsprechungsformel vom „miteinander Stehen<br />

und Fallen‘‘ durch das Kriterium der Abhängigkeit des Grundstücksvertrages<br />

von dem weiteren Rechtsgeschäft bietet nunmehr für die Praxis erhöhte<br />

Rechtssicherheit. Auch wenn der BGH darauf nicht näher eingeht, dürften<br />

die von Korte vertretenen Abgrenzungsmerkmale damit für die Praxis überholt<br />

sein. Denn der BGH stellt für die Anwendbarkeit des § 313 BGB<br />

maßgeblich auf den Normzweck der Warn- und Schutzfunktion, der Gewährsfunktion<br />

für richtige, vollständige und rechtswirksame Wiedergabe<br />

des Parteiwillens sowie der Beweisfunktion und nicht auf die rechtstechnische<br />

Art der Verknüpfung ab 35 . Zunächst ist festzustellen, dass die abweichende<br />

Auffassung Kortes für die Frage der Bedingung und des Rücktrittsvorbehaltes<br />

nur in Ausnahmefällen zu anderen Ergebnissen führt als die<br />

h. M. In der Regel wird bei Abschluss des Grundstücksgeschäfts die Willensübereinstimmung<br />

hinsichtlich des weiteren Rechtsgeschäfts bereits bestehen.<br />

Werden in diesem Fall lediglich die Bedingungen oder ein Rücktrittsvorbehalt<br />

beurkundet, nicht aber das Rechtsgeschäft selbst, so liegt<br />

auch nach der abweichenden Meinung eine unvollständige Beurkundung<br />

vor, da Teile einer bereits bestehenden Vereinbarung nicht mitbeurkundet<br />

wurden. Unterschiede bestehen nur dann, wenn im Zeitpunkt der Beurkundung<br />

des Grundstücksgeschäfts über den Inhalt des weiteren Rechtsgeschäfts<br />

noch keine Einigkeit besteht. Nach der Rechtsprechungsmeinung<br />

31) BGH, DNotZ 1954, 188/190; 1967, 495; BGH, NJW 1987, 1069/1070.<br />

32) Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 24 Rdn. 1, 13.<br />

33) RGZ 103, 299; BGH, DNotZ 1971, 410; 1976, 685.<br />

34) Lichtenberger, DNotZ 1988, 531/534.<br />

35) BGH, NJW 2000, 951.<br />

DNotZ 2001


§ 313 BGB und die Beurkundung zusammengesetzter Verträge 833<br />

bedarf dann der spätere Abschluss bspw. eines Bauwerksvertrages der<br />

notariellen Beurkundung, nach der Auffassung Kortes nicht.<br />

Vor dem Hintergrund des Normzwecks der notariellen Beurkundung,<br />

insbesondere der Rechtmäßigkeitsgewähr notarieller Verträge, ist aber der<br />

Rechtsprechungsformel den Vorzug zu geben. Diesem Zweck wird nur die<br />

Erstreckung auf alle Vereinbarungen gerecht, da nur so insbesondere der<br />

Erwerber vor unangemessenen Bedingungen im Zusammenhang mit dem<br />

Grundstückserwerb geschützt werden kann 36 . Im klassischen Fall des Bauwerkerrichtungsvertrages<br />

birgt die Errichtungsverpflichtung im Zusammenhang<br />

mit dem Erwerb zumindest die gleichen Risiken des Verlusts von<br />

Vermögenswerten durch unangemessene Bedingungen wie der Erwerb<br />

selbst. Ob bei Beurkundungen des Kaufvertrages schon Einigkeit über den<br />

Abschluss eines Bauvertrages besteht oder nicht, kann aber für seine Beurkundungsbedürftigkeit<br />

vom Schutzzweck des § 313 BGB her betrachtet<br />

keinen Unterschied begründen.<br />

Die neue Rechtsprechung, die die Abhängigkeit des weiteren Geschäfts<br />

vom Grundstücksgeschäft als irrelevant ansieht, verlangt allerdings eine<br />

konsequente Anwendung des § 313 BGB bei einer anderen Fallgruppe. Um<br />

dessen Normzweck gerecht zu werden, hat die Rechtsprechung § 313<br />

Satz 1 BGB auch auf solche Verträge erstreckt, die zwar keine direkte<br />

rechtliche Verpflichtung zum Abschluss eines Grundstücksgeschäfts begründen,<br />

jedoch für den Fall des Nichtabschlusses eines solchen Vertrages<br />

empfindliche Nachteile für einen Vertragspartner vorsehen 37 . Die analoge<br />

Anwendung des § 313 Satz 1 BGB auf diese Fallgruppe ergibt sich nicht<br />

aus dem Erfordernis der vollständigen Beurkundung aller Vertragsvereinbarungen,<br />

sondern aus dem Schutzgut der Vorschrift, die Entschließungsfreiheit<br />

des Käufers bis zum Zeitpunkt der Beurkundung zu garantieren.<br />

Obwohl die Rechtsprechung unter diesem Aspekt bisher fast ausschließlich<br />

Grundstücksvermittlungsverträge beurteilt hat 38 , wird sie eine Einbeziehung<br />

auch anderer Vertragstypen unter diesem Gesichtspunkt stets zusätzlich<br />

prüfen müssen, sofern die Beurkundungspflicht wegen des rechtlichen<br />

Zusammenhangs im Einzelfall nicht gegeben ist 39 . Denn gerade Verträge,<br />

die nur einseitig vom Abschluss des Grundstückskaufvertrages abhängig<br />

sind und daher trotz ihres Zusammenhangs mit diesem nach der neuen<br />

Formel nicht beurkundet werden müssen, enthalten für den Fall des nicht<br />

Zustandekommens des Grundstücksgeschäfts oft Sanktionen, die die Entschlussfreiheit<br />

einer Vertragspartei erheblich einschränken.<br />

f) Drittbeteiligungsfälle<br />

Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH kann ein in seiner<br />

Gesamtheit beurkundungsbedürftiges zusammengesetztes Rechtsgeschäft<br />

36) Kanzleiter, DNotZ 1984, 421/423; auch ders., DNotZ 1994, 275/276.<br />

37) BGH, NJW 1970, 1915/1916; 1971, 93/94; 1987, 54; 1990, 391; BGHZ 76, 46 =<br />

DNotZ 1980, 409; BGH, DNotZ 1990, 651; 1990, 656.<br />

38) Vgl. insbes. das 1. Fertighausurteil BGHZ 76, 64; BGH, DNotZ 1990, 651; 1990,<br />

656.<br />

39) So auch Hartmann, MittRhNotK 2000, <strong>11</strong>/16.<br />

DNotZ 2001


834 Keim<br />

auch dann vorliegen, wenn an den einzelnen Vereinbarungen zum Teil<br />

verschiedene Personen beteiligt sind 40 . Offen bleibt, ob die einseitige Abhängigkeit<br />

des Grundstücksgeschäfts von der weiteren Vereinbarung auch<br />

in diesen Fällen genügt, um sie dem Formerfordernis zu unterwerfen. Die<br />

Frage zu bejahen würde bedeuten, die Privatautonomie einer Partei unzulässig<br />

zu beschränken: Denn es kann nicht sein, eine Vereinbarung allein<br />

deshalb formbedürftig werden zu lassen, weil eine Vertragspartei mit einem<br />

Dritten einen Grundstücksvertrag schließt, der in seinem Bestand von dieser<br />

Vereinbarung abhängt. So wäre bspw. der der Kaufpreisfinanzierung dienende<br />

Kreditvertrag beurkundungsbedürftig, falls der Käufer sich aus Vorsicht<br />

im Kaufvertrag ein Rücktrittsrecht für den Fall vorbehalten würde,<br />

dass der Kreditvertrag nicht zustande kommt. Die Vereinbarungen zwischen<br />

Käufer und Verkäufer können jedoch den finanzierenden Gläubiger nicht in<br />

die Beurkundungsbedürftigkeit drängen. Um ein solches Ergebnis zu vermeiden,<br />

fordert eine Literaturauffassung hier die wechselseitige Abhängigkeit<br />

beider Verträge 41 . Doch auch dies führt nicht zu sachgerechten Ergebnissen.<br />

Vereinbart im oben genannten Beispiel der vorsichtige Käufer auch<br />

in seinem Kreditvertrag ein Rücktrittsrecht bspw. für den Fall der Nichterteilung<br />

einer Genehmigung zu dem Kauf, so ist eine wechselseitige<br />

Abhängigkeit gegeben. Die Beurkundungspflicht des Darlehensvertrages<br />

kann dies aber gleichfalls nicht begründen, da die Abhängigkeit des ansonsten<br />

nicht zu beurkundenden Vertrages vom Grundstücksgeschäft gerade<br />

kein Grund für die Anwendbarkeit des § 313 BGB ist 42 . In derartigen Drittbeteiligungsfällen<br />

macht vielmehr nur die Differenzierung Kortes Sinn, der<br />

darauf abstellt, ob das Rechtsgeschäft mit dem Dritten in den Zusammenhang<br />

von Leistung und Gegenleistung des Grundstücksgeschäfts mit einbezogen<br />

wird 43 . Darauf stellt auch die Begründung des BGH in mehreren<br />

Entscheidungen zu derartigen Fallkonstellationen ab 44 . Die Differenzierung<br />

gegenüber den Vereinbarungen bei identischen Beteiligten rechtfertigt sich<br />

aus der Abwägung zwischen der Privatautonomie einerseits und dem Normzweck<br />

des § 313 BGB andererseits. Der am Grundstücksvertrag unbeteiligten<br />

dritten Vertragspartei kann durch eine Vereinbarung, an der sie nicht<br />

selbst mitwirkt, nicht die Beurkundungspflicht aufgezwungen werden. In<br />

Drittbeteiligungsfällen ist die weitere Vereinbarung daher nur dann zu beurkunden,<br />

wenn entweder ein echter mehrseitiger Vertrag vorliegt oder die<br />

Leistungen an den Dritten zu den Pflichten gehören, die eine Partei gegenüber<br />

der anderen Partei des Grundstückskaufvertrages ausdrücklich übernehmen<br />

will 45 .<br />

40) BGHZ <strong>11</strong>, 90 = DNotZ 1954, 192; BGH, DNotZ 1975, 87; 1976, 83; BGH,<br />

NJW-RR 1989, 198/199.<br />

41) Hartmann, MittRhNotK 2000, <strong>11</strong>/14.<br />

42) Siehe oben Ziff. 2 a und BGH, NJW 2000, 951/952; Sigle/Maurer, NJW 1984,<br />

2657/2661.<br />

43) Korte, Handbuch, Rdn. 3.49.<br />

44) BGHZ <strong>11</strong>, 90/101 = DNotZ 1954, 192; BGH, NJW-RR 1989, 198/199.<br />

45) So auch BGHZ <strong>11</strong>, 90/101 = DNotZ 1954, 192.<br />

DNotZ 2001


§ 313 BGB und die Beurkundung zusammengesetzter Verträge 835<br />

Im ersten Fall ist zwingend auch der Dritte zu beteiligen, da der schuldrechtliche<br />

Vertrag ausdrücklich auch dessen Leistungspflicht mitumfassen<br />

soll. Übernimmt lediglich ein am Grundstücksgeschäft Beteiligter die<br />

Pflicht des Dritten als eigene, so genügt Beurkundung des Hauptvertrages<br />

unter Beteiligung nur seiner Vertragspartner und genauer Bezeichnung der<br />

vom Vertragspartner übernommenen Rechte und Pflichten des Dritten 46 .<br />

Die Auslegung, ob tatsächlich eine synallagmatische Verschmelzung zu<br />

einem Schuldverhältnis gegeben ist, muss unter Berücksichtigung der Interessen<br />

der Vertragsteile erfolgen:<br />

Indizielle Bedeutung kommt dabei einer wirtschaftlichen Verflechtung<br />

zwischen einer Partei des Grundstücksvertrages und dem Dritten zu. Eine<br />

am Horizont des Erklärungsempfängers orientierte Auslegung führt dazu,<br />

dass derjenige, der ersichtlich von dem Drittvertrag profitiert, diese Leistung<br />

in der Regel auch nur zusammen mit dem Grundstück als Bündel<br />

anbieten möchte.<br />

Auch die Risikosphären der Beteiligten am Grundstückskaufvertrag sind<br />

von entscheidender Bedeutung: Macht eine Partei den Grundstücksvertrag<br />

von einem von ihr selbst zu schließenden Vertrag mit einem Dritten abhängig,<br />

so spricht dies dafür, dass dieser nicht in die Rechte und Pflichten des<br />

Grundstücksgeschäfts miteinbezogen sein soll, da dieser Umstand in ihrem<br />

eigenen Verantwortungsbereich liegt. Beruht die Abhängigkeit des Grundstücksvertrages<br />

vom Drittvertrag dagegen auf der Initiative der anderen<br />

Vertragspartei, so wird daraus deren Einheitlichkeitswillen deutlich. Weiß<br />

auch der Dritte um diese Abhängigkeit, so muss er sich auch gefallen lassen,<br />

in den einheitlichen Vertrag mit all seinen Folgen einbezogen zu werden:<br />

Bietet bspw. ein Eigentümer Grundstücke nur unter der Bedingung an,<br />

dass vom Käufer mit einem Dritten ein Bauvertrag mit ganz bestimmtem<br />

Inhalt abzuschließen ist, so stellt sich der Kaufvertrag aus Sicht des Käufers<br />

nicht als isolierter Grundstückskauf, sondern als einheitlicher Erwerb eines<br />

Grundstückes mit einem zu errichtenden Haus dar.<br />

Macht umgekehrt der Käufer ein Angebot unter der Bedingung des<br />

Abschlusses eines Kreditvertrages zur Finanzierung des Kaufpreises und<br />

kommt dies im Vertrag zum Ausdruck, so ändert sich an dem Charakter des<br />

Kaufes dadurch grundsätzlich nichts; eine Einbeziehung des Kreditvertrages<br />

in die Leistungsbeziehungen des Kaufvertrages ist trotz Abhängigkeit<br />

vom Hauptvertrag ersichtlich nicht gewollt.<br />

3. Beurkundung des Verknüpfungswillens<br />

a) Meinungsstand<br />

Bilden mehrere Rechtsgeschäfte wegen ihres inneren Zusammenhangs<br />

ein einheitliches Rechtsgeschäft, dann ist als Teil dessen auch der Verknüpfungswille<br />

selbst mit zu beurkunden. Wie bereits dargestellt, ist in diesem<br />

Punkt die Rechtsprechung zumindest ungenau, da nur Erklärungen, also der<br />

geäußerte Wille, beurkundet werden können. Wenn in den Urteilen von der<br />

46) Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 179.<br />

DNotZ 2001


836 Keim<br />

Beurkundungsbedürftigkeit des Verknüpfungswillens die Rede ist, so<br />

müsste richtigerweise auf eine zumindest stillschweigend vereinbarte Verknüpfungsabrede<br />

abgestellt werden 47 .<br />

Die zwischen den Teilen des einheitlichen Geschäfts bestehende Abhängigkeit<br />

muss urkundlichen Ausdruck finden, wobei es genügt, dass das<br />

Gewollte sich andeutungsweise im Beurkundeten wiederfindet 48 . Nach<br />

überwiegender Meinung steht dies allerdings einer Beurkundung in gesonderten<br />

Urkunden dann nicht entgegen, wenn die Verknüpfungsabrede<br />

mitbeurkundet wird 49 . Streitig ist dabei, ob es ausreicht, den Einheitlichkeitswillen<br />

nur in einer Urkunde zum Ausdruck zu bringen oder ob er in<br />

beiden Urkunden enthalten sein muss. Für den Sonderfall der Ergänzung<br />

eines beurkundeten Grundstückskaufvertrages hatte der BGH entschieden,<br />

es genüge, den rechtlichen Zusammenhang in der zweiten Urkunde zu<br />

verlautbaren 50 . Offen gelassen hatte er die Frage, ob die Beurkundung des<br />

Einheitlichkeitswillens in einer Urkunde auch dann ausreicht, wenn die<br />

rechtliche Einheit von Anfang an gewollt war 51 . Einige Oberlandesgerichte<br />

fordern demgegenüber eine urkundliche Verlautbarung der Verknüpfung<br />

in beiden Urkunden 52 . Die Literatur erachtet teilweise Erkennbarkeit<br />

des Einheitlichkeitswillens in einer Urkunde als ausreichend 53 .<br />

Eine andere Auffassung lehnt dagegen die Möglichkeit der Beurkundung<br />

eines zusammengesetzten Vertrages in mehreren Urkunden generell ab.<br />

Ein von vornherein formgerecht beurkundeter Vertrag liege nur dann vor,<br />

wenn beide Rechtsgeschäfte auch einheitlich beurkundet würden 54 . Danach<br />

stünden einer getrennten Beurkundung verfahrensrechtliche Bedenken<br />

entgegen: Gemäß § 13 BeurkG sei die Niederschrift – gleichgültig<br />

ob sämtliche Erklärungen unmittelbar oder durch eine nach § 13 a<br />

BeurkG zulässige Verweisung in ihr enthalten seien – mit Unterschrift<br />

des Notars abgeschlossen. Im Augenblick des Abschlusses des ersten<br />

Vertrages sei damit eine formgerechte Verknüpfung dieses ersten Vertrages<br />

mit dem noch nicht beurkundeten zweiten Vertrag noch nicht möglich.<br />

Der erste Vertrag sei damit mangels vollständiger Beurkundung zunächst<br />

nichtig 55 . Dieser werde erst durch Verweisung im zweiten Vertrag nach<br />

§ 13 a BeurkG als dessen Bestandteil ex nunc wirksam. Bis zu diesem<br />

Zeitpunkt stelle der Notar aber die erste Urkunde als zunächst nichtige<br />

her 56 .<br />

47) Siehe oben Ziff. 2 a.<br />

48) BGHZ 63, 359/362 = DNotZ 1975, 358; BGHZ 74, <strong>11</strong>6/<strong>11</strong>9 = DNotZ 1979, 403;<br />

BGHZ 87, 150/154 = DNotZ 1983, 618; BGH, NJW 2000, 951.<br />

49) BGHZ 104, 18 = DNotZ 1988, 562; BGH, NJW 2000, 951; Palandt/Heinrichs,<br />

§ 313 Rdn. 32; MünchKommBGB/Kanzleiter, § 313 Rdn. 53.<br />

50) BGHZ 104, 18/23 = DNotZ 1988, 562 unter Berufung auf RG, JW 1925, 2602.<br />

51) So auch in BGH, NJW 2000, 2017.<br />

52) OLG Hamm, DNotI-Report 1996, 164; OLG Stuttgart, DNotI-Report 2001, 100.<br />

53) MünchKommBGB/Kanzleiter, § 313 Rdn. 53; Soergel/Wolf, § 313 Rdn. 70.<br />

54) Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 184; Lichtenberger, DNotZ 1988, 531/542; Hartmann,<br />

MittRhNotK 2000, <strong>11</strong>/17.<br />

55) Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 185; Hartmann, MittRhNotK 2000, <strong>11</strong>/17.<br />

56) Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 185.<br />

DNotZ 2001


§ 313 BGB und die Beurkundung zusammengesetzter Verträge 837<br />

b) Folgerungen der neueren Rechtsprechung<br />

Diese Argumentation erscheint zunächst überzeugend, beruht aber auf der<br />

Annahme, die Abhängigkeit eines Vertrages vom anderen begründe stets die<br />

Beurkundungsbedürftigkeit beider Rechtsgeschäfte. Im Lichte der neueren<br />

Rechtsprechung, die auf die Abhängigkeit des Grundstücksvertrages als<br />

allein maßgebliches Kriterium abstellt, muss diese Auffassung aber angezweifelt<br />

werden. Entscheidend kann danach nur sein, ob mit Abschluss des<br />

Grundstücksgeschäfts eine vollständige Beurkundung aller maßgeblichen<br />

Erklärungen, also auch der Verknüpfungsabrede vorliegt. Wird also der<br />

andere Vertrag vorab beurkundet, so besteht in diesem Zeitpunkt für diesen<br />

noch keine Beurkundungspflicht, mag er auch in seinem Bestand von einem<br />

Grundstücksgeschäft abhängig sein. Die Frage seiner Beurkundungsbedürftigkeit<br />

entscheidet sich erst in dem Moment, in dem ein § 313 BGB unterliegendes<br />

Grundstücksgeschäft in seinem Bestand von ihm abhängig gemacht<br />

wird: Getrennte Beurkundung ist danach also möglich, falls der Grundstücksvertrag<br />

nach dem sonstigen Rechtsgeschäft beurkundet wird und zum<br />

Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstücksgeschäfts die Verbindungsabrede<br />

nicht mitbeurkundet worden ist. Bei dieser Reihenfolge schadet dann auch<br />

die fehlende Beurkundung der Verknüpfungsabrede im ersten Vertrag nicht.<br />

Dieser ist damit zwar unvollständig beurkundet. Das ist jedoch schon deshalb<br />

irrelevant, weil sein Abschluss ohnehin formfrei möglich wäre.<br />

Etwas anderes gilt nur, wenn er seinerseits aus sich selbst heraus, bspw.<br />

gemäß § 15 GmbHG, beurkundungsbedürftig ist.<br />

Als Ergebnis bleibt damit festzuhalten: Entweder hat die Beurkundung in<br />

einer Urkunde zu erfolgen oder aber es ist zuerst der isoliert gesehen nicht<br />

beurkundungsbedürftige Vertrag zu beurkunden und danach das Grundstücksgeschäft<br />

einschließlich der Verknüpfungsabrede. Bei umgekehrter<br />

Reihenfolge produziert der Notar zunächst einen unwirksamen Grundstückskaufvertrag,<br />

den er mit der zweiten Urkunde heilen muss. Für die<br />

Kautelarpraxis gibt es jedoch noch Folgendes zu beachten:<br />

Die Pflicht zur Beurkundung der Verknüpfungsabrede führt unabhängig<br />

davon, welcher Auffassung man folgt, dazu, dass sogar die ansonsten vollständige<br />

Beurkundung mehrerer Grundstückskaufverträge in verschiedenen<br />

Urkunden ohne gegenseitige Bezugnahme zu deren Nichtigkeit führen kann,<br />

wenn sie nach dem Willen der Beteiligtenvoneinander abhängig sein sollen 57 .<br />

4. Der Umfang der Nichtigkeit und die Heilungsmöglichkeit nach § 313<br />

Satz 2 BGB<br />

a) Teilnichtigkeit und § 139 BGB<br />

Gemäß § 125 BGB ist ein Rechtsgeschäft, welches der durch das Gesetz<br />

vorgeschriebenen Form ermangelt, nichtig. Da der zusammengesetzte Vertrag<br />

in seiner Gesamtheit formbedürftig ist, ist der unvollständig beurkundete<br />

Vertrag nicht korrekt beurkundet und damit nach wortgetreuer Aus-<br />

57) So in BGH, NJW 2000, 2017.<br />

DNotZ 2001


838 Keim<br />

legung des § 125 BGB insgesamt nichtig 58 . Die überwiegende Meinung<br />

wendet demgegenüber trotzdem § 139 BGB an und belässt es bei der Wirksamkeit<br />

des übrigen Vertrages, wenn er auch ohne den Teil abgeschlossen<br />

worden wäre, der die Beurkundungspflicht ausgelöst hat 59 . Bei den durch<br />

den Verknüpfungswillen miteinander verklammerten Rechtsgeschäften<br />

kommen beide Auffassungen regelmäßig zum gleichen Ergebnis. Denn<br />

gerade die Abhängigkeit des Grundstücksgeschäfts von dem weiteren Vertrag<br />

hat die Verklammerung und damit die umfassende Beurkundungsbedürftigkeit<br />

zur Folge. Dann steht aber bereits fest, dass das Grundstücksgeschäft<br />

nicht ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre, so dass<br />

die Vorschrift des § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit führt. Da umgekehrt<br />

die Abhängigkeit des isoliert betrachtet nicht beurkundungsbedürftigen<br />

Teils vom Grundstücksvertrag nicht Voraussetzung für dessen Formbedürftigkeit<br />

ist, wäre zwar ein Parteiwille, gerichtet auf eine Restgeltung dieses<br />

anderen Teils, denkbar. Für diese Vertragsbestimmungen muss aber auch<br />

die h. M. von einer Gesamtnichtigkeit dieses Geschäfts ausgehen, da von<br />

diesem Rest auch nicht ein Teil, sondern gar nichts beurkundet worden ist.<br />

Unterschiedlich fällt das Ergebnis lediglich bei der Nichtigkeit bloßer<br />

Nebenabreden aus. Hier überzeugt die h. M., indem sie den Parteien trotz<br />

der Formunwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln die Anwendung des<br />

§ 139 BGB eröffnet, was im Einzelfall nach dem hypothetischen Parteiwillen<br />

zu einer Restgültigkeit des Beurkundeten führen kann 60 . Dies ist sachgerecht,<br />

weshalb der überwiegenden Auffassung zu folgen ist.<br />

Auch herkömmlich gefasste salvatorische Klauseln sollen nach neuerer<br />

Rechtsprechung bei zusammengesetzten Verträgen nicht die Gültigkeit des<br />

beurkundeten Teilvertrages retten können. Eine solche umfasse nämlich<br />

lediglich die Bestimmungen „des Vertrages‘‘ und betreffe daher nicht das<br />

gesamte Geschäft 61 . Die salvatorische Klausel regele nur die Rechtsfolgen<br />

der Nichtigkeit einer Vertragsbestimmung, die auch tatsächlich beurkundet<br />

worden sei, nicht aber die der Nichtigkeit der unzulässigerweise außerhalb<br />

der Urkunde getroffenen Abreden. Aus dieser Rechtsansicht wird die Kautelarpraxis<br />

die Konsequenz ziehen müssen, sämtliche salvatorischen Klauseln<br />

ausdrücklich auch auf nicht beurkundete Teile des Vertrages zu beziehen,<br />

um den in der Realität wichtigsten und häufigsten Fall der Teilnichtigkeit<br />

notarieller Urkunden überhaupt miterfassen zu können. Gefolgt werden<br />

kann dieser Meinung indessen nicht. Wenn die Rechtsprechung gerade auf<br />

den Verknüpfungswillen abstellt, um ein einheitliches, insgesamt beurkundungsbedürftiges<br />

Rechtsgeschäft anzunehmen, dann ist daraus zwingend zu<br />

folgern, dass alle Vertragsbestimmungen, einschließlich der salvatorischen<br />

58) Staudinger/Dilcher, 12. Aufl., § 125 Rdn. 16; für Gesellschaftsverträge wohl auch<br />

MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 32.<br />

59) Palandt/Heinrichs, § 313 Rdn. 45; MünchKommBGB/Einsele, § 125 Rdn. 38; Erman/Brox,<br />

§ 125 Rdn. 18; Jauernig, § 125 Rdn. 10; Soergel/Hefermehl, § 125 Rdn. 12;<br />

Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 222; BGH, NJW 1981, 222; 1983, 565.<br />

60) So jüngst BGH, NJW 2000, 2100 für eine nicht beurkundete Verrechnungsabrede.<br />

61) BGH, NJW 2000, 2017.<br />

DNotZ 2001


§ 313 BGB und die Beurkundung zusammengesetzter Verträge 839<br />

Klausel, auch dieses gesamte einheitliche Rechtsgeschäft betreffen 62 .Für<br />

die in der Entscheidung getroffene terminologische Differenzierung zwischen<br />

dem Vertrag einerseits und dem gesamten Rechtsgeschäft andererseits<br />

fehlt damit die Berechtigung.<br />

b) Heilung nach § 313 Satz 2 BGB<br />

Der nichtige Grundstücksvertrag wird gemäß § 313 Satz 2 BGB dann<br />

dem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in<br />

das Grundbuch erfolgen. Die Heilung erstreckt sich dann auf den Gesamtvertrag<br />

samt allen Nebenabreden, also bei unvollständiger Beurkundung<br />

auch auf die nicht beurkundeten Abreden des zusammengesetzten Vertrages<br />

63 . Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift kommt es nicht auf die<br />

Erfüllung des Vertrages an, sondern im Interesse der Rechtssicherheit nur<br />

auf die Auflassung und die Eintragung im Grundbuch 64 . Ob bspw. eine mit<br />

dem Kaufvertrag verknüpfte Werkleistung eines Bauträgers erfüllt wurde,<br />

ist für die Heilung gleichgültig. Geheilt werden auch nicht beurkundete,<br />

jedoch gemäß § 313 Satz 1 BGB formbedürftige Abreden, die – ohne<br />

Verknüpfung mit dem Grundstücksgeschäft – als solche einer anderen<br />

Formvorschrift unterlägen, wenn deren Schutzzweck von § 313 BGB miterfasst<br />

wird. Dies gilt bspw. für gemäß § 15 GmbHG beurkundungsbedürftige<br />

Geschäftsanteilsabtretungen 65 oder nach § 761 BGB der Schriftform<br />

unterliegende Leibrentenversprechen 66 sowie für rechtsgeschäftliche Formvereinbarungen<br />

67 . Problematisch ist der Zeitpunkt der Heilung nur bei<br />

mehreren miteinander verknüpften Grundstücksverträgen, deren Nichtigkeit<br />

auf der fehlenden Beurkundung der Verknüpfungsabrede beruht. Die ganz<br />

h. M. nimmt hier eine Heilung nach § 313 Satz 2 BGB nur an, wenn<br />

Auflassung und Eintragung sämtliche veräußerten Grundstücke erfassen 68 .<br />

Insofern liegt auch die neueste Entscheidung des BGH ganz auf dieser<br />

Linie 69 . Diese Auffassung verdient Zustimmung, da der Normzweck der<br />

Vorschrift im Interesse der Rechtsordnung an der Aufrechterhaltung abgeschlossener<br />

sachenrechtlicher Tatbestände und der Beteiligten am dadurch<br />

eingetretenen Rechtsfrieden besteht 70 . Durch Eigentumsübertragung eines<br />

von mehreren Grundstücken wird der Vertrag aber nicht vollständig sachenrechtlich<br />

abgeschlossen. In einer Entscheidung bejahte allerdings das<br />

Reichsgericht die Teilgültigkeit des grundbuchlich vollzogenen Vertragsteils<br />

entsprechend § 139 BGB, wenn die Beteiligten den Verpflichtungsvertrag<br />

auch ohne das nicht umgeschriebene Grundstück abgeschlossen<br />

62) Zweifelnd auch MünchKommBGB/Einsele, § 125, Fußn. 149.<br />

63) Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 304.<br />

64) Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 263; Soergel/Wolf, § 313 Rdn. 95; Kanzleiter,<br />

DNotZ 1973, 519/523.<br />

65) Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 304; a. A. OLG Zweibrücken, OLGZ 1985, 45.<br />

66) BGH, NJW 1978, 1577.<br />

67) BGH, NJW 1984, 973.<br />

68) RGZ 56, 386; 60, 340; 78, 44; <strong>11</strong>1, 243; BGHZ 59, 269/271 = DNotZ 1973,<br />

286; Palandt/Heinrichs, § 313 Rdn. 48.<br />

69) BGH, NJW 2000, 2017/2018.<br />

70) BGHZ 82, 395/398 = DNotZ 1982, 619; Kanzleiter, DNotZ 1973, 519/523.<br />

DNotZ 2001


840 Keim<br />

hätten 71 . Dies kommt insbesondere in Betracht, falls das nicht übereignete<br />

Grundstück im Verhältnis zum umgeschriebenen Grundstück wirtschaftlich<br />

ohne Bedeutung ist 72 . Die entsprechende Anwendung des § 139 BGB i. V.<br />

mit § 313 Satz 2 BGB gebietet der Normzweck der Vorschriften: Ebenso<br />

wie die Rechtsprechung bei unvollständiger Beurkundung trotz der an und<br />

für sich daraus folgenden Totalnichtigkeit 73 § 139 BGB anwendet, um bei<br />

Fehlen unwichtiger Bestimmungen den Restvertrag zu erhalten, muss hier<br />

eine teilweise Gültigkeit möglich sein. Auch der fehlende Vollzug hinsichtlich<br />

unwesentlicher Teilgrundstücke soll im Interesse des Rechtsfriedens<br />

den wirtschaftlich gesehen fast vollständig abgeschlossenen sachenrechtlichen<br />

Tatbestand nicht gefährden. Für die Fälle der nicht mitbeurkundeten<br />

Verknüpfungsabrede führt diese Auffassung allerdings nicht zu einer Heilung.<br />

Der Wille der Beteiligten umfasst hier gerade die Abhängigkeit beider<br />

Verträge. Der nicht umgeschriebene Grundbesitz stellt in diesen Fällen<br />

daher notwendigerweise keinen unwesentlichen Teil dar, ohne den die<br />

Beteiligten das Restgeschäft vorgenommen hätten.<br />

5. Zusammenfassung der Ergebnisse<br />

Es bleibt damit Folgendes als Ergebnis der Erörterungen festzuhalten:<br />

a) Höchstrichterlich geklärt ist nunmehr, dass eine als solche nicht beurkundungsbedürftige<br />

Vereinbarung dann beurkundungsbedürftig ist, wenn<br />

ein gemäß § 313 Satz 1 BGB formbedürftiges Grundstücksgeschäft von ihr<br />

abhängig ist. Der umgekehrte Fall der Abhängigkeit des anderen Rechtsgeschäfts<br />

vom Grundstücksgeschäft führt dagegen nicht zu dessen Beurkundungsbedürftigkeit.<br />

b) Diese Abhängigkeit muss jedoch nicht in einer echten Geschäftseinheit<br />

im Sinne der Einbeziehung in das Gegenseitigkeitsverhältnis bestehen,<br />

sondern kann sich auch in einer Verknüpfung durch Bedingung, Rücktrittsvorbehalt<br />

oder Abschlussverpflichtung ausdrücken.<br />

c) Offen bleibt, ob Letzteres auch bei Beteiligung teilweise unterschiedlicher<br />

Vertragsparteien gilt. Richtigerweise dürfte in diesem Fall Beurkundungspflicht<br />

nur bei einer echten Geschäftseinheit gegeben sein.<br />

d) Die zumindest stillschweigende Verknüpfungsabrede muss mitbeurkundet<br />

werden. Ob bei getrennten Urkunden die Bezugnahme in einer<br />

Urkunde ausreicht, bleibt weiter offen. Nach zutreffender Auffassung<br />

kommt es ausschließlich auf die Aufnahme in den beurkundeten Grundstücksvertrag,<br />

nicht in den weiteren Vertrag an.<br />

e) Bei einem zusammengesetzten Rechtsgeschäft führt die Anwendung<br />

des § 139 BGB zwangsläufig zur Gesamtnichtigkeit, wenn das Grundstücksgeschäft<br />

von einem weiteren nicht beurkundeten Geschäft abhängig<br />

ist. Nach fragwürdiger Rechtsprechung schützt davor auch eine herkömmlich<br />

gefasste salvatorische Klausel nicht.<br />

71) RGZ 133, 293/294; offen gelassen in RGZ 137, 324/351 und in BGHZ 59,<br />

269/272 = DNotZ 1973, 286.<br />

72) Staudinger/Wufka, § 313 Rdn. 308.<br />

73) Siehe oben Ziff. 4 a.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 841<br />

f) Die Heilung nach § 313 Satz 2 BGB tritt erst mit Auflassung und<br />

Grundbuchumschreibung aller Grundstücke ein. Ob analog § 139 BGB eine<br />

Ausnahme zu machen ist, wenn lediglich ein wirtschaftlich unbedeutendes<br />

Grundstück nicht übereignet wurde, ist nicht abschließend geklärt. Die<br />

Frage dürfte aber zu bejahen sein.<br />

RECHTSPRECHUNG<br />

I. Allgemeines<br />

Nr. 1 BGB § 528; ZPO § 852 (Vererblichkeit des Anspruchs auf Rückforderung<br />

einer Schenkung)<br />

Der Anspruch des Schenkers nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB auf<br />

Herausgabe des Geschenks erlischt nicht mit dessen Tod, sofern er<br />

bereits vom Schenker geltend gemacht oder abgetreten worden ist. Das<br />

Gleiche gilt, wenn der Schenker durch die Inanspruchnahme unterhaltssichernder<br />

Leistungen Dritter zu erkennen gegeben hat, dass er<br />

ohne die Rückforderung des Geschenks nicht in der Lage war, seinen<br />

notwendigen Unterhalt zu bestreiten.<br />

BGH, Urt. v. 25. 4. 2001 – X ZR 229/99<br />

Die Beklagte ist eine Tochter des am 30. 4. 1994 verstorbenen W. A., der vom 1. 12.<br />

1992 bis zu seinem Tod im Altenkrankenhaus der Klägerin gepflegt wurde.<br />

Da der Vater der Beklagten zur Bezahlung der Pflege- und Unterbringungskosten<br />

finanziell nicht in der Lage war, beantragte er am 17. 6. 1992 die Übernahme der Heimpflegekosten<br />

beim zuständigen Sozialhilfeträger. Mit Bescheid vom 5. 5. 1993 lehnte der<br />

Sozialhilfeträger es ab, dem Vater der Beklagten Sozialhilfe zu gewähren, und berief sich<br />

hierbei u. a. darauf, dass dieser 1989 bzw. 1990 je 17 000,– DM an seine beiden Töchter<br />

und weitere 6000,– DM an eine Enkelin geschenkt habe. Ein gegen diese Entscheidung<br />

eingelegter Widerspruch blieb ohne Erfolg.<br />

Nach dem Tod des Vaters standen noch Pflege- und Unterbringungskosten in Höhe von<br />

44 720,32 DM offen. Nachdem alle bekannten gesetzlichen Erben das Erbe ausgeschlagen<br />

hatten, wurde ein Nachlasspfleger für die unbekannten Erben bestellt, der am 2. 12. 1997<br />

die Ansprüche des Nachlasses gegen die Beklagte und ihre Schwester aus § 528 BGB in<br />

Höhe von je 17 000,– DM an die Klägerin abtrat.<br />

(...) Der Anspruch des Schenkers nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB auf<br />

Herausgabe des Geschenks erlischt nicht mit dessen Tod, sofern er bereits<br />

vom Schenker geltend gemacht oder abgetreten worden ist oder der Schenker<br />

– wie im Streitfall – durch die Inanspruchnahme unterhaltssichernder<br />

Leistungen Dritter zu erkennen gegeben hat, dass er ohne die Rückforderung<br />

des Geschenks nicht in der Lage war, seinen notwendigen Unterhalt zu<br />

bestreiten.<br />

a) Indem er dem Schenker einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenks<br />

nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten<br />

Bereicherung gibt, stellt § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Eingriff in den<br />

Bestand der vollzogenen Schenkung dar. Die entsprechende Verpflichtung<br />

zur Herausgabe mutet das Gesetz dem Beschenkten jedoch ausschließlich<br />

DNotZ 2001


842 Rechtsprechung<br />

zur Behebung einer Notlage des Schenkers zu. § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB<br />

soll den Schenker in die Lage versetzen, seinen Unterhalt selbst zu bestreiten<br />

sowie seine gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber Verwandten und<br />

Ehegatten zu erfüllen (BGHZ 96, 380/382; 127, 354/357). Damit soll<br />

zugleich eine Inanspruchnahme der Allgemeinheit für den Notbedarf des<br />

Schenkers verhindert werden (Senat, BGHZ 137, 76/82 1 ). Bei dem Rückforderungsanspruch<br />

handelt es sich demgemäß um einen zweckgebundenen<br />

Anspruch (vgl. dazu Jauernig/Vollkommer, BGB, 9. Aufl., §§ 528 f. Rdn. 2;<br />

Kollhosser, ZEV 1995, 391/392; ders. in MünchKommBGB, 3. Aufl., § 528<br />

Rdn. 8; Wüllenkemper, JR 1988, 353/357 f.; Zeranski, Der Rückforderungsanspruch<br />

des verarmten Schenkers, S. 55 ff.), weshalb den Gesichtspunkten<br />

der Zweckerreichung bzw. des Zweckfortfalls wesentliche Bedeutung bei<br />

der Beurteilung der Übertragbarkeit, der Pfändbarkeit und der Vererblichkeit<br />

des Anspruchs zukommt.<br />

Dagegen ist es nicht gerechtfertigt, wie das BerufungsG zu Recht annimmt, aus einer<br />

Qualifikation des Anspruchs als eines „höchstpersönlichen‘‘ Folgerungen für den Rechtsübergang<br />

auf Dritte zu ziehen (BGHZ 127, 354/357). Das Gesetz qualifiziert den Anspruch<br />

nicht als höchstpersönlichen. Es können daher aus einer solchen Qualifikation<br />

nicht Beschränkungen der Übertragbarkeit abgeleitet werden, deren Bestehen es überhaupt<br />

erst rechtfertigen könnte, den Anspruch als höchstpersönlichen anzusehen (Kollhosser,<br />

ZEV 1995, 391/392; Haarmann, FamRZ 1996, 522/523).<br />

b) Die Revision hebt jedoch zu Recht hervor, dass grundsätzlich die<br />

Freiheit des Schenkers geschützt ist, darüber zu entscheiden, ob er den<br />

Rückforderungsanspruch geltend machen will oder nicht (BGHZ 127,<br />

354/356), auch wenn die Entstehung des Anspruchs nicht vom Willen des<br />

Schenkers abhängt (Senat, BGHZ 137, 76/82 1 ). Wie der Pflichtteilsanspruch<br />

und der Anspruch des Ehegatten auf Ausgleich des Zugewinns ist<br />

der Rückforderungsanspruch deshalb nach § 852 ZPO der Pfändung nur<br />

unterworfen, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden<br />

ist. Hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs hat der Gesetzgeber mit Rücksicht<br />

auf die familiäre Verbundenheit von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem<br />

diesem allein die Entscheidung überlassen wollen, ob der Anspruch<br />

gegen den Erben durchgesetzt werden soll (vgl. Achilles/Gebhard/Spahn,<br />

Protokolle V, S. 526 f.; Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den<br />

Reichs-Justizgesetzen, Bd. 8, S. 159; BGHZ 123, 183/186 2 ); Gläubiger<br />

sollen diese Entscheidung nicht an sich ziehen können (Motive zum BGB,<br />

Bd. V, S. 418). Ihnen ist es untersagt, auf das den Pflichtteil ausmachende<br />

Vermögen, ohne den Willen des Berechtigten zuzugreifen, den Wert dieses<br />

Vermögens zu realisieren; diese Entscheidungsrecht darf deshalb auch<br />

durch die Anwendung der Gläubigeranfechtungsvorschriften nicht unterlaufen<br />

werden (BGH, Urt. v. 6. 5. 1997 – IX ZR 147/96 3 , NJW 1997, 2384).<br />

Derselben Regelung hat der Gesetzgeber mit Rücksicht auf die (typischerweise<br />

bestehende) persönliche Beziehung zwischen Schenker und Beschenktem<br />

den Anspruch nach § 528 Abs. 1 BGB unterstellt (Hahn/Mug-<br />

1) DNotZ 1998, 875.<br />

2) DNotZ 1994, 780.<br />

3) DNotZ 1998, 827.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 843<br />

dan, aaO). Der Schenker kann, auch wenn objektiv die Voraussetzungen des<br />

§ 534 BGB nicht vorliegen, eine sittliche Verpflichtung zu der schenkweisen<br />

Zuwendung empfunden haben oder er kann sich aus persönlicher Verbundenheit<br />

oder anderen Gründen gehindert sehen, den Beschenkten auf<br />

Rückgabe des Geschenks in Anspruch zu nehmen. Der Rückforderungsanspruch<br />

ist mit Rücksicht hierauf einer Pfändung entzogen; die Motive des<br />

Schenkers unterliegen dabei keiner rechtlichen Nachprüfung. Insoweit<br />

hängt der Eingriff in den Bestand der vollzogenen Schenkung – sofern nicht<br />

die unentgeltliche Zuwendung selbst von dem Gläubiger oder dem Insolvenzverwalter<br />

angefochten werden kann (§ 4 Abs. 1 AnfG; § 134 Abs. 1<br />

InsO) – grundsätzlich davon ab, ob sie von dem Schenker gewollt ist oder<br />

ob es nach seinem Willen bei dem erfüllten Schenkungsversprechen verbleiben<br />

soll.<br />

Für die Vererblichkeit des Anspruchs kommt es nicht nur darauf an,<br />

inwieweit sie mit seiner Zweckbindung vereinbar ist, sondern auch darauf,<br />

ob sie mit dem Schutz in Einklang zu bringen ist, den das Gesetz der<br />

Entscheidungsfreiheit des Schenkers gewährt.<br />

c) Der Anspruch aus § 528 BGB kann deshalb dann noch nach dem Tod<br />

des Schenkers verfolgt werden, wenn er vor seinem Tod auf einen Träger<br />

der Sozialhilfe übergeleitet oder wirksam abgetreten worden ist (BGHZ 96,<br />

380/383; 127, 354/357). Der Erbe kann den Anspruch aus § 528 BGB auch<br />

weiterverfolgen, wenn er noch vom Schenker geltend gemacht worden und<br />

ein Dritter für den Unterhalt des Schenkers bis zu seinem Tod in Vorlage<br />

getreten ist (BGHZ 123, 264/267 4 ). In allen diesen Fällen ist der Anspruch<br />

nicht erloschen, weil sein Zweck noch erreichbar ist und der Schenker<br />

durch die Abtretung oder durch die Geltendmachung seinen Willen bekundet<br />

hat, den Beschenkten auf Herausgabe des Geschenks in Anspruch zu<br />

nehmen. Hat der Schenker sich hingegen, indem er sich mit weniger als<br />

dem angemessenen Unterhalt begnügt und den Anspruch weder selbst<br />

geltend gemacht oder abgetreten hat, gegen eine Inanspruchnahme des<br />

Beschenkten entschieden, hat es dabei grundsätzlich sein Bewenden (vgl.<br />

Erman/Seiler, BGB, 10. Aufl., § 528 Rdn. 6; MünchKommBGB/Leipold,<br />

3. Aufl., § 1922 Rdn. 18; Soergel/Mühl/Teichmann, BGB, 12. Aufl., § 528<br />

Rdn. 8; Staudinger/Cremer, BGB, 13. Bearb., 1995, § 528 Rdn. 12; Zeranski,<br />

aaO, S. 126 ff.).<br />

d) In der Rechtsprechung des BGH ist ferner geklärt, dass in Fällen, in<br />

denen der Schenker Sozialhilfe in Anspruch genommen hat, der Anspruch<br />

aus § 528 BGB auch dann nicht mit dem Tod des Schenkers untergeht,<br />

wenn eine Geltendmachung oder Überleitung auf den Sozialhilfeträger zu<br />

seinen Lebzeiten nicht erfolgt ist (BGH, Urt. v. 14. 6. 1995 – IV ZR<br />

212/94 5 , NJW 1995, 2287/2288). Das ergibt sich allerdings bereits daraus,<br />

dass der Forderungsübergang nach § 90 BSHG nach Abs. 1 Satz 4 der<br />

Vorschrift nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der Anspruch nicht übertragen,<br />

verpfändet oder gepfändet werden kann. Gegenüber dem Sozial-<br />

4) DNotZ 1994, 450. 5) DNotZ 1996, 642.<br />

DNotZ 2001


844 Rechtsprechung<br />

hilfeträger ist demgemäß die Entscheidungsfreiheit des Schenkers, ob er<br />

das Geschenk zurückfordern will oder nicht, ohnehin nicht geschützt. Der<br />

Schenker muss es hinnehmen, dass der Sozialhilfeträger den Beschenkten<br />

auch gegen seinen Willen in Anspruch nimmt. Solange dem Sozialhilfeträger<br />

dieses Recht zusteht, kann der Anspruch auch durch den Tod des<br />

Schenkers nicht untergehen.<br />

e) Für private Dritte, die durch Sachleistungen oder finanzielle Zuwendungen<br />

den Unterhalt des Schenkers sichergestellt haben, gilt diese Privilegierung<br />

freilich nicht. Der BGH hat jedoch in der vorgenannten Entscheidung<br />

bereits darauf hingewiesen, dass es nicht ohne Einfluss auf die Vererblichkeit<br />

des Anspruchs aus § 528 BGB bleiben kann, wenn der Schenker<br />

sich gerade nicht im Interesse des Beschenkten eingeschränkt und mit<br />

einem unangemessenen geringen Unterhalt zufrieden gegeben, sondern<br />

fremde Hilfe in Anspruch genommen hat (BGH, aaO 5 , NJW 1995,<br />

2287/2288). Ist der Schenker, wie im Streitfall der Vater der Beklagten,<br />

nicht in der Lage, sich mit einem geringeren, ohne Inanspruchnahme des<br />

Beschenkten mit den ihm verbliebenen Mitteln bestreitbaren Unterhalt<br />

zufrieden zu geben, weil er krank oder pflegebedürftig ist und auf die<br />

Inanspruchnahme der infolgedessen erforderlich entgeltlichen Leistungen<br />

Dritter zu seiner medizinischen Behandlung oder Pflege nicht verzichten<br />

kann, ist seine Entscheidung über die Rückforderung des Geschenks vorgezeichnet.<br />

Es steht dann nicht mehr in seinem Belieben, ob er auf das ihm<br />

noch zur Verfügung stehende Mittel in Gestalt des Anspruchs nach § 528<br />

Abs. 1 BGB zurückgreift, das ihm die Entgeltung dieser Leistungen ermöglicht.<br />

Indem er diese Leistungen in Anspruch nimmt, bringt er vielmehr<br />

zum Ausdruck, dass er der Rückforderung des Geschenks für seinen Lebensunterhalt<br />

bedarf. Der Schenker verhielte sich widersprüchlich, wenn er<br />

einerseits die Leistungen Dritter zur Sicherstellung seines notwendigen<br />

Unterhalts entgegennähme, es andererseits aber ablehnte, gegenüber dem<br />

Beschenkten den Anspruch geltend zu machen, den ihm das Gesetz gerade<br />

für den Fall einräumt, dass er außerstande ist, diese Leistungen anderweitig<br />

zu vergüten (vgl. Franzen, FamRZ 1997, 528/534). Daher ist für die Vererblichkeit<br />

des Anspruchs nach § 528 BGB die Inanspruchnahme solcher Leistungen<br />

Dritter der Bekundung des Willens des Schenkers zur Geltendmachung<br />

des Rückforderungsanspruchs jedenfalls gleichzustellen.<br />

f) Dem entspricht es, dass Unterhaltsansprüche des Schenkers gegenüber<br />

dem Rückforderungsanspruch gegen den Beschenkten nachrangig sind<br />

(BGH, Urt. v. 13. 2. 1991 – IV ZR 108/90 6 , NJW 1991, 1824). Wenn bereits<br />

derjenige, der dem Schenker zum Unterhalt verpflichtet ist, es nicht hinnehmen<br />

muss, dass der Schenker davon absieht, das Geschenk zurückzufordern,<br />

so muss dies erst recht für denjenigen gelten, der den Unterhalt des<br />

Schenkers sicherstellt, ohne ihm unterhaltspflichtig zu sein.<br />

Aus § 1615 Abs. 1 BGB i. V. mit § 1613 Abs. 1 BGB folgt zwar, dass<br />

Unterhaltsansprüche mit dem Tod des Bedürftigen untergehen, sofern der<br />

6) DNotZ 1992, 102.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 845<br />

Verpflichtete mit ihnen nicht in Verzug war. Diese in § 528 Abs. 1 Satz 3<br />

BGB angeführten Vorschriften sind jedoch nach ständiger Rechtsprechung<br />

des BGH auf den Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB<br />

nicht anwendbar (BGHZ 94, 141/144 7 ; 96, 380/384). Entscheidend ist, dass<br />

der in Vorlage tretende Dritte anstelle des an sich verpflichteten Beschenkten<br />

Leistungen an den Schenker, die dessen Unterhaltssicherung dienten,<br />

erbracht hat, um die Not des Schenkers abzuwenden. Nach dem Rechtsgedanken<br />

des § 843 Abs. 4 BGB bringt die unterhaltssichernde Leistung<br />

eines Dritten, die nach ihrer Zweckbestimmung nur dem Schenker, nicht<br />

aber dem Beschenkten zugute kommen soll, den einmal entstandenen Rückforderungsanspruch<br />

aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zum Erlöschen<br />

(BGHZ 123, 264/267 4 ; Kollhosser, ZEV 1994, 50/51; Haarmann, FamRZ<br />

1996, 522/525). In Fällen, in denen der Schenker zur Behebung seiner<br />

Notlage nicht selbst auf den geschenkten Gegenstand zurückgegriffen,<br />

sondern Hilfeleistungen Dritter empfangen hat, ist es nach der Zweckbestimmung<br />

des § 528 BGB geboten, dass der Anspruch in Höhe der von<br />

dem Dritten an den Schenker erbrachten Leistungen den Tod des Schenkers<br />

auch ohne die in diesen Fällen typischerweise fehlende Leistungsaufforderung<br />

überdauert.<br />

g) Schließlich erscheint es auch interessengerecht, die Fälle, in denen ein<br />

Privater den Unterhalt des Schenkers sicherstellt und diejenigen, in denen<br />

ein Sozialhilfeträger dafür einsteht, in Bezug auf die Vererblichkeit des<br />

Rückforderungsanspruchs nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht unterschiedlich<br />

zu behandeln. In beiden Fällen hat der Schenker fremde Hilfe in<br />

Anspruch genommen, ohne sich im Interesse des Beschenkten einzuschränken<br />

bzw. ohne sich im Hinblick auf seine Pflegebedürftigkeit entsprechend<br />

einschränken zu können.<br />

Die Klägerin hat freiwillig Leistungen zur Deckung des Notbedarfs des<br />

verarmten Vaters der Beklagten erbracht, wobei diese nicht der Beklagten<br />

als Beschenkten, sondern nur dem Vater der Beklagten zugute kommen<br />

sollten. Ein solches freiwilliges Eintreten eines Dritten zur Behebung einer<br />

Notlage liegt im öffentlichen Interesse und ist von der Rechtsordnung<br />

gewünscht, wie etwa in den gesetzlichen Regelungen zum Ausdruck<br />

kommt, die einen Rückgriff ermöglichen, wenn Unterhaltspflichten erfüllt<br />

werden, obwohl primär ein anderer den Unterhalt schuldet (§§ 1607 Abs. 2<br />

Satz 2, 1608 Satz 3, 1584 Satz 3 BGB).<br />

Die Rüge der Revision, dass durch nichts belegt sei, dass die Klägerin,<br />

wie vom BerufungsG angenommen, vom Staat sozialstaatlich in die Pflicht<br />

genommen werde oder worden sei, kann dem Rechtsmittel nach alledem<br />

nicht zum Erfolg verhelfen. Hierauf kommt es nicht an.<br />

h) Der Vererblichkeit des Rückforderungsanspruchs nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB in<br />

dem vom Senat bejahten Umfang steht schließlich auch nicht entgegen, dass sie mit dem<br />

für den Beschenkten gebotenen Vertrauensschutz nicht zu vereinbaren wäre. Der Rückforderungsanspruch<br />

ist zugunsten des Beschenkten unter Vertrauensschutzgesichtspunkten<br />

mehrfach eingeschränkt. Der Beschenkte braucht dem Herausgabeverlangen nicht nach-<br />

7) DNotZ 1986, 138.<br />

DNotZ 2001


846 Rechtsprechung<br />

zukommen, falls er das Geschenk für seinen eigenen angemessenen Unterhalt oder zur<br />

Erfüllung seiner Unterhaltspflichten benötigt (§ 529 Abs. 2 BGB), wenn er entreichert ist<br />

(§ 528 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit § 818 Abs. 3 BGB) sowie wenn bei Eintritt der Bedürftigkeit<br />

des Schenkers seit der Schenkung zehn Jahre verstrichen sind (§ 529 Abs. 1 BGB).<br />

Ein darüber hinausgehendes Bedürfnis nach Vertrauensschutz kann angesichts dieser<br />

Regelungen nicht anerkannt werden (vgl. BGH, Urt. v. 14. 6. 1995 5 , aaO; Kollhosser,<br />

ZEV 1995, 391/394; Haarmann, FamRZ 1996, 522/523).<br />

Nr. 2 BGB §§ 125, 155, 242 (Parzellenverwechslung; Treuwidrigkeit der<br />

Berufung auf Formmangel)<br />

a) Ist den Parteien bei Erklärung der Auflassung irrtümlich eine<br />

unschädliche Parzellenverwechslung unterlaufen, hat der Kläger lediglich<br />

Anspruch auf Erteilung einer der Form des § 29 GBO entsprechenden,<br />

die Falschbezeichnung richtig stellenden, Erklärung (Identitätserklärung).<br />

b) Übersehen Parteien, die sich auf den lastenfreien Übergang eines<br />

Grundstücks einigen, das Bestehen einer möglicherweise valutierten<br />

Hypothek, führt dies regelmäßig nicht zu einer fehlenden Einigung<br />

über den Kaufpreis. Ungeregelt bleibt lediglich, ob und unter welchen<br />

Voraussetzungen der Käufer Beseitigung des Rechtsmangels verlangen<br />

kann.<br />

c) Zur Treuwidrigkeit der Geltendmachung eines Formmangels<br />

durch Beurkundung eines zu niedrigen Kaufpreises, wenn dies geschehen<br />

ist, um die Genehmigung nach der DDR-GVVO zu erlangen, und<br />

wenn der Kaufvertrag über einen sehr langen Zeitraum faktisch vollzogen<br />

wurde.*<br />

BGH, Urt. v. 18. 5. 2001 – V ZR 353/99<br />

Mit notariellem Kaufvertrag vom 10. 5. 1973 erwarben der Kläger und seine zwischenzeitlich<br />

von ihm beerbte Ehefrau von der 1986 verstorbenen Eigentümerin I. L. (im<br />

Folgenden: Erblasserin) zwei Grundstücke zum notariell beurkundeten Kaufpreis von<br />

10 000,– M/DDR. Weil der Erblasserin dieser Preis zu niedrig erschien, zahlten sie ihr<br />

über den beurkundeten Kaufpreis hinaus weitere 15 000,– M/DDR. Zu welchem Zeitpunkt<br />

diese Mehrpreisabrede getroffen wurde, ist ungeklärt. Die Beklagten zu 1) - 17), 19),<br />

21) - 24) sind Erben der Verkäuferin bzw. ihrer Erben. (. . .)<br />

Die Erblasserin war Eigentümerin mehrerer Grundstücke, nämlich des im Grundbuch<br />

von S., Blatt 225 verzeichneten, mit einem Mehrfamilienhaus bebauten, 4 a 50 m 2 großen<br />

Grundstücks, Flur 3, Flurstück 315 sowie der im Grundbuch von S., Blatt 217 aufgeführten,<br />

unbebauten Grundstücke, Flur 3, Flurstück 272 mit einer Fläche von 6 a 40 m 2 (Acker<br />

hinter dem Dorfe, Grünland) und Flurstück 312 mit einer Größe von 10 a 70 m 2 (Hofraum,<br />

Garten). Beim erstgenannten Grundstück ist seit dem 31. 12. 1930 eine Buchhypothek<br />

über 13 500,– RM für die Gebrüder G. und B. S. eingetragen. Auf den anderen Grundstücken<br />

lastet eine Wegerhaltungspflicht.<br />

Der verkaufte Grundbesitz, dessen Erwerb nach der Eingangserklärung des notariellen<br />

Vertrages zu Wohnzwecken und zur Gartennutzung unter Vornahme eines Wohnungstausches<br />

erfolgen sollte, wurde in § 1 des Kaufvertrages mit den Parzellen Flur 3, Flurstücke<br />

272 und 312, eingetragen im Grundbuch von S., Blatt 217, bezeichnet und in § 2<br />

wie folgt beschrieben:<br />

* Leitsatz c der Schriftleitung.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 847<br />

„Bei dem verkauften Grundbesitz handelt es sich um ein in S., D. 1 h gelegenes, mit<br />

einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück, Garten und Wiese. Die Gesamtgröße des<br />

verkauften Grundbesitzes beträgt 1710 m 2 . Der Grundbesitz ist in Abt. II Nr. 1 mit einer<br />

Wegerhaltungspflicht belastet. Weitere Belastungen sind nicht eingetragen. Der Einheitswert<br />

beträgt <strong>11</strong> 900,– M.‘‘<br />

Die Vertragsparteien erklärten zugleich die Auflassung hinsichtlich der Flurstücke 272<br />

und 312 und bewilligten und beantragten die Eintragung der Käufer in das Grundbuch<br />

unter Abschreibung dieser Parzellen vom ursprünglichen Stammgrundstück (§ 5). Der<br />

Kläger und seine Ehefrau wurden als Eigentümer der Flurstücke 272 und 312 in das<br />

Grundbuch eingetragen. Sie nahmen das Gartenflurstück 312, nicht dagegen das von einer<br />

LPG genutzte Flurstück 272 in Besitz; stattdessen bezogen sie das unmittelbar an das<br />

Gartengrundstück 312 angrenzende, auf dem Flurstück 315 befindliche Mehrfamilienhaus.<br />

Ein Entgelt für die Nutzung dieses Hauses zahlten sie nicht. Die Erben verpachteten<br />

die Parzelle 272.<br />

Die Parteien streiten darüber, ob in dem notariellen Kaufvertrag die Flurstücke 272 und<br />

315 verwechselt worden sind. (. . .)<br />

1. Dass sich die genannten Beklagten zur Abgabe einer Auflassungserklärung<br />

verpflichtet haben bzw. rechtskräftig hierzu verurteilt worden<br />

sind, während der Kläger die übrigen Beklagten nun auf Abgabe einer<br />

Identitätserklärung in Anspruch nimmt, ändert an der Zulässigkeit seines<br />

neuen Klagebegehrens nichts. Denn der Kläger kann sein eigentliches Ziel<br />

(Eigentumserwerb am Flurstück 315) auch dadurch erreichen, dass er beim<br />

GBA Erklärungen aller Miterben vorlegt, die entweder auf Auflassung oder<br />

– als qualitatives Minus hierzu – auf klarstellende Identitätserklärungen<br />

gerichtet sind.<br />

2. Rechtsfehlerfrei nimmt das BerufungsG an, dass den Vertragsparteien<br />

bei der Beurkundung des Kaufvertrages und der zugleich erfolgten Auflassung<br />

eine (unschädliche) Parzellenverwechslung hinsichtlich der Flurstücke<br />

272 und 315 unterlaufen ist.<br />

a) Die von der Revisionserwiderung erhobenen Gegenrügen greifen nicht<br />

durch. Das Auslegungsergebnis ist nicht nur – was ausreichen würde –<br />

möglich, sondern auch nahe liegend. Zutreffend stellt das BerufungsG auf<br />

den tatsächlichen Willen der Vertragschließenden und nicht allein auf den<br />

Vertragswortlaut ab (vgl. hierzu BGHZ 20, 109/<strong>11</strong>0 ff.; BGH, Urt. v.<br />

20. <strong>11</strong>. 1997 – IX ZR 152/96 1 , NJW 1998, 746/747 m. w. Nachw.). Dabei<br />

legt es zu Recht besonderes Gewicht auf die in der Präambel des Vertrages<br />

dargestellte Interessenlage – Erwerb zu Wohnzwecken und zur Gartennutzung<br />

unter Vornahme eines Wohnungstausches – und die in § 2 des Kaufvertrages<br />

enthaltene Erklärung, bei dem verkauften Grundbesitz handele<br />

es sich um ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück, Garten<br />

und Wiese. Demgegenüber kommt dem Umstand, dass sich die im Kaufvertrag<br />

aufgeführte Gesamtgröße der veräußerten Grundstücke (1710 m 2 )<br />

und die dort genannten Belastungen nur auf die Flurstücke 272 und 312<br />

beziehen, entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung keine entscheidende<br />

Bedeutung zu. Denn diese Angaben beruhen – ebenso wie die<br />

Flurstücksbezeichnungen – ersichtlich auf den dem Grundbuch entnommenen<br />

Daten. (. . .)<br />

1) DNotZ 1998, 626.<br />

DNotZ 2001


848 Rechtsprechung<br />

b) Die versehentlich erfolgte unrichtige Flurstücksbezeichnung lässt<br />

nicht nur die Wirksamkeit des Kaufvertrages und der erklärten Auflassung<br />

unberührt (Senat, BGHZ 87, 150/153 ff. 2 m. w. Nachw.); sie bleibt auch auf<br />

die Gültigkeit der gemäß der GVVO v. <strong>11</strong>. 1. 1963 (GBl. DDR II, 159 ff.)<br />

erteilten staatlichen Genehmigung ohne Einfluss. Denn für die zuständige<br />

Genehmigungsbehörde war bei entsprechender Würdigung der Vertragsunterlagen<br />

ebenfalls erkennbar, dass die Übertragung des Eigentums an<br />

einem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück beabsichtigt war.<br />

3. Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Annahme, der Vertrag sei wegen einer<br />

verborgenen Unvollständigkeit hinsichtlich des Kaufpreises nicht zustande<br />

gekommen, weil die Parteien einen lastenfreien Übergang der Grundstücke<br />

gewollt, eine Regelung für die auf dem Grundstück Flurstück 315 lastende,<br />

den Kaufpreis übersteigende Hypothek aber nicht getroffen hätten und dies<br />

einen Hauptpunkt des Vertrages betreffe. Das BerufungsG verkennt dabei<br />

schon im Ansatz, dass die außer Betracht gebliebene Hypothek nicht mit<br />

einer fehlenden Einigung über den Kaufpreis gleichgesetzt werden kann.<br />

Nach seinen fehlerfreien Feststellungen wollten die Vertragsparteien das<br />

Hausgrundstück mit Ausnahme der erwähnten Wegerhaltungspflicht lastenfrei<br />

übertragen. Wenn aber das Grundstück in Abt. III lastenfrei übergehen<br />

sollte, betrifft die dort übersehene Hypothek nicht die Vereinbarung über<br />

den Kaufpreis. Sie stellt vielmehr einen den Vertragsparteien verborgen<br />

gebliebenen Rechtsmangel dar, auf den sich der vereinbarte Gewährleistungsausschluss<br />

nicht erstreckt. Ungeregelt blieb damit nicht der zu leistende<br />

Kaufpreis, sondern die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen<br />

der Kläger die Beseitigung der Hypothek verlangen kann. Dabei kann<br />

dahinstehen, ob dem Kaufvertrag insoweit eine durch Heranziehung des<br />

dispositiven Rechts (§ 434 BGB) bzw. durch ergänzende Vertragsauslegung<br />

zu schließende Regelungslücke anhaftet oder ihm teilweise die Geschäftsgrundlage<br />

fehlt mit der Folge, dass eine Vertragsanpassung zu erfolgen<br />

hätte. Denn in allen Fällen werden lediglich die Vertragsmodalitäten, nicht<br />

aber die Wirksamkeit des Vertrages selbst berührt.<br />

4. Mit Erfolg wendet sich die Revision weiterhin gegen die Auffassung<br />

des BerufungsG, der beurkundete Kaufvertrag zum Preis von<br />

10 000,– M/DDR sei als Scheingeschäft gemäß § <strong>11</strong>7 Abs. 1 BGB und die<br />

tatsächlich gewollte Vereinbarung zu einem Preis von 25 000,– M/DDR<br />

mangels Beurkundung nach §§ <strong>11</strong>7 Abs. 2, 313 Satz 1, 125 Satz 1 BGB<br />

nichtig (vgl. Senat, BGHZ 54, 56/62 ff. 3 ; 89, 41/43 4 ;Urt.v.26.10.1979–V<br />

ZR 88/77 5 , NJW 1980, 451). Es kann dahinstehen, ob die Feststellung des<br />

BerufungsG, der Kläger habe weitere 15 000,– M/DDR bezahlt, weil der<br />

Erblasserin der im Vertrag angegebene Kaufpreis zu niedrig erschienen sei,<br />

die Annahme einer solchen Scheinvereinbarung rechtfertigt, oder ob sich der<br />

Vortrag des Klägers auf eine nach erklärter Auflassung erfolgte und damit<br />

formlos mögliche Abänderung der ursprünglich tatsächlich getroffenen<br />

2) DNotZ 1983, 618.<br />

3) DNotZ 1970, 596.<br />

4) DNotZ 1984, 319.<br />

5) DNotZ 1980, 227.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 849<br />

Kaufpreisabrede (vgl. Senat, Urteile v. 28. 9. 1984 – V ZR 43/83 6 ,NJW<br />

1985, 266; v. 22. 3. 2001 – V ZR 316/00, z. V. v.) bezog. Zwar wäre bei einer<br />

zusätzlich vereinbarten Schwarzgeldzahlung aufgrund der unterbliebenen<br />

Eintragung des Eigentumsübergangs auf dem für das Flurstück 315 angelegten<br />

Grundbuchblatt keine Heilung nach § 313 Satz 2 BGB eingetreten (RGZ<br />

61, 264/265 ff.; Staudinger/Wufka, 1995, § 313 Rdn. 267; Erman/Battes,<br />

BGB, 10. Aufl., § 313 Rdn. 75; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 313<br />

Rdn. 50). Auch bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine durch<br />

die erklärte Auflassung schlüssig erfolgte Bestätigung des formnichtigen<br />

Vertrages gemäß § 141 BGB, denn dies würde voraussetzen, dass die Vertragsschließenden<br />

die Nichtigkeit kannten oder zumindest Zweifel an der<br />

Rechtsbeständigkeit der Vereinbarung gehegt hätten (BGHZ 129, 371/377;<br />

138, 339/348 7 ). Den Beklagten ist es aber gemäß § 242 BGB verwehrt, sich<br />

auf eine mögliche Formnichtigkeit des Kaufvertrages zu berufen.<br />

a) Für ein Schuldverhältnis, das vor dem Wirksamwerden des Beitritts<br />

entstanden ist, bleibt zwar das bisherige Recht im Beitrittsgebiet maßgebend<br />

(Art. 232 § 1 EGBGB). Dies schließt jedoch trotz der am 1. 1. 1976 erfolgten<br />

Ablösung des BGB durch die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches nicht<br />

aus, die Rechte der Parteien nunmehr (wieder) an dem allen Rechtsordnungen<br />

immanenten Maßstab des § 242 BGB zu prüfen (Senat, BGHZ 124,<br />

321/324 f. 8 ; 135, 158/169 f.; 121, 378/391; Senat, Urt. v. 7. 5. 1999 – V ZR<br />

205/98, WM 1999, 1720 f. m. w. Nachw.). Danach haben in der ehemaligen<br />

DDR mit unterverbrieftem Kaufpreis geschlossene Verträge im Allgemeinen<br />

Bestand. Eine Unterverbriefung ist nämlich nur vor dem Hintergrund der<br />

DDR-Preisbestimmungen verständlich. Nach der GVVO v. <strong>11</strong>. 1. 1963 (GBl.<br />

DDR II, 159 ff.) unterlagen Verträge, durch die Eigentum an einem Grundstück<br />

oder Gebäude übertragen werden sollte, der Genehmigungspflicht, die<br />

sich auch auf die preisrechtliche Unbedenklichkeit des Rechtsgeschäfts<br />

erstreckte (§ 4 Abs. 2 GVVO). Hierdurch sollte die Durchsetzung der Preisanordnung<br />

Nr. 415 v. 6. 5. 1955 (GBl. DDR I, 330) gesichert werden, die<br />

bei eigengenutzten Grundstücken auf Einheitswerte aus dem Jahr 1939<br />

zurückgriff (Senat, BGHZ 122, 204/208; 124, 321/325 8 m. w. Nachw.; Horn,<br />

Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, 2. Aufl., S. 377,<br />

Rdn. 75). Die Beurkundung eines vorgetäuschten Kaufpreises sollte daher<br />

vor allem dazu dienen, ein bei Offenlegung der wirklich gewollten Vertragsbedingungen<br />

aufgrund der Rechtspraxis der ehemaligen DDR nicht genehmigungsfähiges<br />

Rechtsgeschäft zu verwirklichen. So wäre es ggf. auch hier.<br />

Die Vertragspartner hegten erkennbar die Absicht, die getroffenen Abreden<br />

zu vollziehen, denn sie haben aus ihrer Sicht alle Erklärungen (Auflassung,<br />

Eintragungsbewilligung, Stellung eines Eintragungsantrages) abgegeben,<br />

um den angestrebten Eigentumsübergang an den Flurstücken 315 und 312 zu<br />

gewährleisten (§ 313 Satz 2 BGB). Der Eigentumsübergang an dem Flurstück<br />

315 scheiterte letztlich nur daran, dass der Eintragungsfehler – ebenso<br />

6) DNotZ 1985, 284.<br />

7) DNotZ 1999, 342.<br />

8) DNotZ 1994, 300.<br />

DNotZ 2001


850 Rechtsprechung<br />

wie die im Kaufvertrag erfolgte Falschbezeichnung – unbemerkt blieb. Die<br />

Vertragsparteien haben sich dementsprechend über einen sehr langen Zeitraum<br />

von über 20 Jahren hinweg auf die Rechtsbeständigkeit des 1973 abgeschlossenen<br />

Vertrages eingerichtet. Die Erblasserin nahm den ausgehandelten<br />

Kaufpreis in Empfang und führte den vereinbarten Wohnungstausch mit<br />

den Käufern durch. Hat aber eine Vertragspartei – wie hier – längere Zeit aus<br />

einem nichtigen Vertrag erhebliche Vorteile gezogen und wollen sich nunmehr<br />

ihre Rechtsnachfolger unter Berufung auf den – aus Sicht der Vertragsschließenden<br />

zur Verwirklichung ihrer Ziele notwendigen – Formmangel<br />

ihren Verpflichtungen aus dem zumindest zugunsten der Verkäuferseite vollständig<br />

abgewickelten Kaufvertrag entziehen, so handeln sie in hohem Maße<br />

widersprüchlich und treuwidrig, zumal sie bislang auch nicht die Bereitschaft<br />

gezeigt haben, die der Erblasserin zuteil gewordenen Vorteile den<br />

Käufern zurückzugewähren (vgl. Senat, BGHZ 124, 321/324 f. 8 ;Senat,Urt.<br />

v. 14. 6. 1996 – V ZR 85/95 9 , NJW 1996, 2503/2504).<br />

b) Auch auf eine Nichtigkeit des Kaufvertrages wegen Verstoßes gegen die preisrechtlichen<br />

Bestimmungen (§ 3 GVVO v. <strong>11</strong>. 1. 1963 – GBl. DDR II, 159) könnten sich die<br />

Beklagten gemäß § 242 BGB nicht berufen. Denn in der Rechtswirklichkeit der ehemaligen<br />

DDR genoss ein unter Umgehung der preisrechtlichen Unbedenklichkeitsprüfung<br />

geschlossenen Vertrag durch die in der Regel von den Parteien vermiedene Offenlegung<br />

der tatsächlich vereinbarten Vergütung (vgl. § 69 Abs. 2 ZGB) Bestandsschutz, dessen<br />

durch den Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse bedingter Wegfall keine Rückabwicklung<br />

rechtfertigt (vgl. Senat, BGHZ 124, 321/326 8 ).<br />

c) Der Kaufvertrag ist damit in seiner gewollten Form als wirksam zu<br />

behandeln (Senat, Urt. v. 7. 5. 1999 – V ZR 205/98, aaO, S. 1721). Dies hat<br />

zur Folge, dass der Kläger Erfüllung verlangen (Senat, BGHZ 124, 326 8<br />

m. w. Nachw.) und dementsprechend als vertragliche Nebenpflicht von den<br />

noch nicht rechtskräftig zur Auflassung verurteilten Beklagten zu 1) bis 3),<br />

6), 7), 10), 13) bis 17), 22) bis 24) die Richtigstellung der Eintragungsbewilligung<br />

beanspruchen kann (Köbl, DNotZ 1983, 598/603; Münch-<br />

KommBGB/Westermann, 3. Aufl., § 433 Rdn. 56). (. . .)<br />

Nr. 3 GesO §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 10 Abs. 1; ZPO § 851 Abs. 1 (Zweckgebundener<br />

Anspruch und Insolvenz)<br />

Der Anspruch des Gemeinschuldners aus einem Darlehensvertrag<br />

mit der Zweckbindung, den Kreditbetrag einer bestimmten Person zu<br />

gewähren, gehört grundsätzlich zur Insolvenzmasse. Durch die Leistung<br />

des Kredits an den Begünstigten können daher die Gläubiger<br />

benachteiligt werden.<br />

BGH, Urt. v. 7. 6. 2001 – IX ZR 195/00<br />

Die Klägerin ist Verwalterin in der Gesamtvollstreckung über das Vermögen der A.<br />

GmbH & Co. KG (nachfolgend: Schuldnerin). Die Beklagte ist alleinige Kommanditistin<br />

sowie alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH.<br />

9) DNotZ 1997, 307.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 851<br />

Die Beklagte, die auch unter der Firma G. ein Gerüstbau-Unternehmen betrieb, vermietete<br />

im Rahmen dieses Geschäftsbetriebes der Schuldnerin Gerüstteile, einen Lagerplatz<br />

sowie ein Büro. Ende September 1996 hatte die Schuldnerin aus diesen Verträgen<br />

offene Verbindlichkeiten von 263 200,– DM. Am 4. 10. 1996 schloss die Schuldnerin mit<br />

der D. Bank einen Darlehensvertrag über <strong>11</strong>5 000,– DM. Die Beklagte übernahm die<br />

persönliche Mithaftung für die Rückzahlung dieses Betrages. Es wurde vereinbart, dass<br />

der zu gewährende Kredit ausschließlich der Rückführung des Schuldsaldos auf dem bei<br />

der Bank für die Beklagte unter der Firma G. Gerüstbau geführten Konto dienen sollte.<br />

Das Darlehen wurde diesem Konto, das am 18. 9. 1996 einen Schuldsaldo von<br />

<strong>11</strong>3 969,13 DM aufwies, gutgeschrieben. Die Schuldnerin verpflichtete sich, es in 23 monatlichen<br />

Raten von je 5 000,– DM zurückzuzahlen; sie tilgte insgesamt 20 000,– DM.<br />

Am 9. 6. 1997 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der<br />

Schuldnerin eröffnet. Die Klägerin hat von der Beklagten die überwiesene Darlehenssumme<br />

sowohl nach den Anfechtungsvorschriften als auch unter dem Gesichtspunkt des<br />

Eigenkapitalersatzes zurückverlangt.<br />

Die Rechtshandlung der Schuldnerin ist schon auf der Grundlage des<br />

unstreitigen Sachverhalts zu Recht gemäß § 10 GesO angefochten worden.<br />

1. Mit der Gutschrift des Kreditbetrages von <strong>11</strong>5 000,– DM auf dem von<br />

ihr bei der D. Bank geführten Konto hat die Beklagte eine Leistung aus dem<br />

Vermögen der Schuldnerin erhalten. Diese hat eine Darlehensverbindlichkeit<br />

mit der Bank begründet, um der Beklagten etwas zuzuwenden, und die<br />

Leistung dadurch bewirkt, dass sie mit dem Kreditgeber vereinbart hat, die<br />

Auszahlung unmittelbar auf das die Firma G. betreffende Konto der Beklagten<br />

vorzunehmen. Damit hat die Schuldnerin die aufgrund des Darlehens<br />

ausbezahlte Summe der Beklagten im Wege einer mittelbaren Zuwendung<br />

geleistet (vgl. BGHZ 142, 284/287 ff. m. w. Nachw.).<br />

2. Jede Anfechtung setzt eine Gläubigerbenachteiligung durch die<br />

Rechtshandlung voraus. Wegen einer vom Gemeinschuldner an einen Dritten<br />

erbrachten Leistung kann auf dessen Vermögen nur zugegriffen werden,<br />

sofern infolgedessen das den Gläubigern haftende Kapital, die Insolvenzmasse,<br />

verkürzt wurde (BGH, Urt. v. 17. 6. 1999 – IX ZR 176/98, NJW<br />

1999, 2969/2970; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 29 Rdn. 60 f. m. w.<br />

Nachw.). Diese Voraussetzung ist hier entgegen der Auffassung des BerufungsG<br />

nicht deshalb zu verneinen, weil der Kreditvertrag vom 4. 10. 1996<br />

die Abrede enthielt, dass das Darlehen ausschließlich zur Rückführung des<br />

Schuldsaldos auf dem Konto der Beklagten, das die G. Gerüstbau betraf,<br />

verwendet werden durfte.<br />

Forderungen des Schuldners, die nicht der Vollstreckung unterliegen,<br />

sind grundsätzlich konkursfrei, gehören also nicht zu Gesamtvollstreckungsmasse<br />

(§ 1 Abs. 1 Satz 2 GesO). Vereinbarte Zweckbindungen können<br />

gemäß § 851 Abs. 1 ZPO die Unpfändbarkeit der sie betreffenden<br />

Forderungen bewirken. Ob diese Rechtsfolge ganz allgemein oder nur unter<br />

der zusätzlichen Voraussetzung eintritt, dass der Zweckbindung treuhänderischer<br />

Charakter zukommt, hat der Senat bisher offen gelassen (vgl. BGH,<br />

Urteile v. 20. <strong>11</strong>. 1997 – IX ZR 152/96 1 , WM 1998, 40/41; v. 16. 12. 1999<br />

– IX ZR 270/98 2 , WM 2000, 264/265) und braucht auch hier nicht entschieden<br />

zu werden. Durch die Leistung der Schuldnerin ist die Masse<br />

1) DNotZ 1998, 626. 2) DNotZ 2000, 752.<br />

DNotZ 2001


852 Rechtsprechung<br />

selbst dann verkürzt worden, wenn der Anspruch aus dem Darlehen infolge<br />

der Zweckbindung zunächst unpfändbar war.<br />

a) Nach heute nahezu einhelliger Auffassung gehören Schuldbefreiungsansprüche,<br />

obwohl sie nur an den Drittgläubiger abgetreten werden können<br />

(§ 399 Altern. 1 BGB) und deshalb gemäß § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar<br />

sind, zur Insolvenzmasse. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das<br />

Vermögen des Befreiungsgläubigers wandelt sich der Befreiungsanspruch<br />

in einen in die Masse fallenden Zahlungsanspruch in Höhe der zu tilgenden<br />

Schuld um (BGHZ 57, 78/81; BGH, Urt. v. 16. 9. 1993 – IX ZR 255/92,<br />

ZIP 1993, 1656/1658; Jaeger/Henckel, aaO, § 1 Rdn. 88; Kuhn/Uhlenbruck,<br />

KO, <strong>11</strong>. Aufl., § 1 Rdn. 38; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl.,<br />

§ 1 KO Anm. 2 Ed; HK/Eickmann, 2. Aufl., § 36 Rdn. 23). Die aus der<br />

Unabtretbarkeit folgende Unpfändbarkeit des Befreiungsanspruchs dient<br />

nicht dem Schutz des Gemeinschuldners. Der Anspruch hat auch nicht zum<br />

Ziel, dem Drittgläubiger eine konkursfeste haftungsrechtliche Zuweisung<br />

zu verschaffen (Senatsurt. v. 16. 9. 1993, aaO, S. 1657). Deshalb muss der<br />

Vermögenswert dieses Anspruchs im Falle der Insolvenz desjenigen, dem<br />

der Befreiungsanspruch zusteht, der Gläubigergesamtheit zur Verfügung<br />

stehen. Ein infolge der Wirkung des § 851 ZPO nicht allgemein, sondern<br />

nur im Rahmen seiner Zweckbestimmung pfändbarer Anspruch bleibt daher<br />

nur dann massefrei, wenn die Unpfändbarkeit gerade dem Schutz des<br />

Gemeinschuldners dient (Jaeger/Henckel, aaO, § 1 Rdn. 77).<br />

b) Aus entsprechenden Erwägungen unterlag auch der Anspruch der<br />

Schuldnerin, das auszubezahlende Darlehen dem Konto der Beklagten gutzuschreiben,<br />

bis zu seiner Erfüllung dem Insolvenzbeschlag. Die vereinbarte<br />

Zweckbindung diente allein den Interessen der Bank und der Beklagten<br />

an der Tilgung des auf dem Konto der G. Gerüstbau angewachsenen<br />

Kredits. Sie sollte lediglich die Erfüllung einer bestimmten Verbindlichkeit<br />

der Beklagten bei dem Kreditinstitut bewirken, ihr aber nicht darüber hinaus<br />

eine insolvenzfeste Sicherung verschaffen. Wäre die an die Beklagte<br />

erbrachte Leistung nicht dem zur Konkursmasse gehörenden Vermögen der<br />

Schuldnerin zuzurechnen, hätte die Beklagte allein aufgrund der Zweckbindung<br />

des Darlehensvertrages eine in der Gesamtvollstreckung nicht<br />

mehr angreifbare Rechtsposition erlangt. Der Schuldner wäre dann regelmäßig<br />

in der Lage, eigene Vermögenswerte einem Einzelgläubiger unanfechtbar<br />

zu übertragen, indem er lediglich eine Zwischenperson einschaltet<br />

und für die von dieser zu erbringende Leistung als Zweckbindung die<br />

Befriedigung des von ihm ausgewählten Gläubigers vereinbart. Damit<br />

könnte die Durchsetzung von Rückgewähransprüchen, wie sie durch die<br />

Anfechtungsvorschriften gesichert werden soll, weitgehend unterlaufen, die<br />

Gläubigergesamtheit also nicht mehr angemessen vor der Gefahr einer<br />

Ausplünderung der Masse geschützt werden. Gerade die im Streitfall gewählte<br />

rechtliche Gestaltung macht dies besonders deutlich.<br />

Folglich ist der Anspruch der Schuldnerin aus dem Darlehensvertrag nach<br />

Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der Insolvenzmasse zuzurechnen.<br />

Damit ist durch die Gutschrift auf dem Konto der Beklagten das der<br />

Gläubigergesamtheit haftende Vermögen der Schuldnerin verkürzt worden.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 853<br />

3. Die Übertragung der Vermögenswerte der Gemeinschuldnerin erfüllt<br />

die Voraussetzungen mehrerer Anfechtungstatbestände des § 10 GesO.<br />

a) Die Beklagte hat die Zuwendung unentgeltlich erhalten (§ 10 Abs. 1<br />

Nr. 3 GesO).<br />

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Zuwendung als unentgeltlich<br />

anzusehen, wenn ihr keine Gegenleistung des Empfängers gegenübersteht, dieser also<br />

keine den empfangenen Vermögenswert ausgleichende Leistung an den Zuwendenden<br />

oder einen Dritten schuldet (BGHZ <strong>11</strong>3, 98/101; <strong>11</strong>3, 393/395 f. 3 ; 141, 96/99 f.). Eine<br />

entsprechende Ausgleichspflicht der Beklagten ergibt sich nicht daraus, dass die G.<br />

Gerüstbau gegen die Gemeinschuldnerin fällige Forderungen aus Mietverträgen hatte.<br />

Keine Partei hat behauptet, dass die Auszahlung des Darlehens an die Beklagte von den<br />

Beteiligten in eine rechtliche Beziehung zu den Mietzinsforderungen der G. gesetzt<br />

worden ist. Demgemäß hat das BerufungsG rechtsfehlerfrei ausgeführt, es sei nichts dafür<br />

dargetan, dass die Beklagte durch die Überweisung der Darlehensvaluta zugleich wegen<br />

der Mietzinsforderungen Befriedigung erlangt habe. Die Schuldnerin und die Beklagte<br />

haben also keine rechtliche Verknüpfung zwischen der geleisteten Zahlung und den der G.<br />

zustehenden Mietzinsansprüchen vorgenommen. Die Übertragung ist im letzten Jahr vor<br />

Eröffnung der Gesamtvollstreckung vorgenommen worden. Im Übrigen beträgt hier die<br />

Frist zwei Jahre, weil die Beklagte alleinige Kommanditistin sowie alleinige Gesellschafterin<br />

der Komplementär-GmbH der Schuldnerin war (vgl. BGHZ 129, 236/244).<br />

b) Davon abgesehen ist die Gewährung des Darlehens selbst dann, wenn<br />

sie nicht unentgeltlich erfolgte, gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO anfechtbar.<br />

(. . .)<br />

c) Wegen der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin<br />

hatte die Beklagte als deren gesetzliche Vertreterin und zugleich als Empfängerin<br />

der Leistung auch die Absicht, die Gläubiger durch die angefochtene<br />

Rechtshandlung zu benachteiligen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO).<br />

4. Die Begründetheit der insolvenzrechtlichen Anfechtung kann schließlich nicht deshalb<br />

in Zweifel gezogen werden, weil die Beklagte infolge ihrer persönlichen Haftung<br />

gegenüber der Kreditgeberin möglicherweise zusätzlich für den von der Schuldnerin nicht<br />

zurückgezahlten Teil des Darlehens einstehen muss.<br />

Die eventuell doppelte Inanspruchnahme der Beklagten hat ihren Grund in zwei verschiedenen<br />

Rechtshandlungen, die streng voneinander zu trennen sind. Die Verpflichtung<br />

zur Rückgewähr der erhaltenen Darlehenssumme besteht gegenüber der Masse und beruht<br />

darauf, dass die Beklagte als gesetzliche Vertreterin der Schuldnerin eine Zuwendung an<br />

sich selbst veranlasst hat, die ihr insolvenzrechtlich nicht zusteht. Die Haftung für den<br />

Kredit folgt dagegen aus einer mit der Bank getroffenen schuldrechtlichen Sicherungsabrede,<br />

die zwar in wirtschaftlichem, nicht jedoch in rechtlichem Zusammenhang mit dem<br />

von der Klägerin geltend gemachten Anspruch steht.<br />

Nr. 4 BGB §§ 26, 37, 60 (Bestimmungen einer Vereinssatzung zu Mitgliederversammlung<br />

und Vorstand)<br />

a) Zur Zulässigkeit der Bestimmung eines stellvertretenden Vorstands<br />

in der Satzung eines eingetragenen Vereins.<br />

b) Die Satzung eines Vereins darf bestimmen, dass die Mitgliederversammlung<br />

zu berufen ist, wenn dies 20% der Mitglieder verlangen.<br />

BayObLG, Beschl. v. 18. 4. 2001 – 3Z BR 100/01<br />

3) DNotZ 1992, 384.<br />

DNotZ 2001


854 Rechtsprechung<br />

I. Mit der am 8. 12. 2000 eingegangenen Urkunde meldeten die Vorstandsmitglieder<br />

sich und den Verein zur Eintragung im Vereinsregister an.<br />

Als Vorstandsmitglieder sollen eingetragen werden:<br />

1. A., 1. Vorsitzender,<br />

2. B., stellvertretender Vorsitzender,<br />

3. C., 2. stellvertretender Vorsitzender.<br />

In § 9 Abs. 5 der Satzung des angemeldeten Vereins ist bestimmt:<br />

„Der Vorstand kann eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen. Er hat<br />

innerhalb von 6 Wochen eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen,<br />

wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder dies schriftlich verlangen. Für die außerordentliche<br />

Mitgliederversammlung gelten die Einladungsformalien der ordentlichen Mitgliederversammlung.<br />

Die Tagesordnung ist bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung<br />

nicht erweiterbar.‘‘<br />

§ 10 der Satzung lautet:<br />

„(1) Der Vorstand besteht aus 5 Mitgliedern. Er führt die Geschäfte des Vereins ehrenamtlich.<br />

Zum Vorstand gehören<br />

a) der Vorsitzende<br />

b) der 1. Stellvertreter<br />

c) der 2. Stellvertreter<br />

d) der Schriftführer<br />

e) der Schatzmeister.<br />

(2) Gesetzliche Vertreter i. S. von § 26 BGB sind der Vorsitzende sowie der erste und<br />

zweite Stellvertreter des Vorsitzenden. Sie sind einzelvertretungsberechtigt und von den<br />

Beschränkungen des § 181 BGB befreit.<br />

(3) . . .‘‘<br />

Mit Zwischenverfügung vom 16. 1. 2001 wies das AG darauf hin, der weiteren Behandlung<br />

stehe entgegen, dass (Nr. 1) in § 9 Abs. 5 der Satzung für die Pflicht zur Einberufung<br />

der Mitgliederversammlung eine Minderheit von 20% bestimmt sei und (Nr. 2) dass in<br />

§ 10 Abs. 1 der Satzung die Formulierung „Stellvertreter‘‘ missverständlich sei, da trotz<br />

des nachfolgenden Absatzes der Eindruck entstehe, die Tätigkeit der stellvertretenden<br />

Vorsitzenden sei bedingt. Die vom Urkundsnotar eingelegte Beschwerde hat das LG am<br />

5. 3. 2001 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde des Notars.<br />

II. Die weitere Beschwerde des Notars ist zulässig. Er ist als Urkundsnotar, der den<br />

Eintragungsantrag gestellt hat, gemäß § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG postulationsfähig. Die<br />

Befugnis des Vereins zur weiteren Beschwerde ergibt sich aus der Zurückweisung der<br />

Erstbeschwerde (vgl. BayObLGZ 1998, 195 1 ; Bassenge/Herbst, FGG/RPflG, 8. Aufl.,<br />

§ 27 Rdn. 7).<br />

III. Das Rechtsmittel ist begründet. (. . .)<br />

a) Die vom Notar eingelegte Erstbeschwerde ist zulässig. Dies hat das RechtsbeschwerdeG<br />

selbständig zu prüfen (vgl. BayObLG, GmbHR 1998, <strong>11</strong>23/<strong>11</strong>24). Das LG durfte<br />

davon ausgehen, dass der Notar die Erstbeschwerde für die Beteiligten eingelegt hat. Zwar<br />

trifft die Vollmachtsvermutung des § 129 Satz 1 FGG, die auch die Einlegung von Rechtsmitteln<br />

umfasst (Bassenge/Herbst, FGG/RPflG, 8. Aufl., § 129 Rdn. 2), nicht zu, weil sie<br />

nur für den gilt, der zu einer Anmeldung öffentlich-rechtlich verpflichtet ist (BayObLGZ<br />

1984, 29/32 m. w. Nachw.; BayObLG, ZIP 2000, 791) und keine öffentlich-rechtliche<br />

Pflicht zur Anmeldung des Vereins besteht (§ 78 Abs. 1 BGB i. V. mit § 59 BGB; Soergel/<br />

Hadding, BGB, 13. Aufl., § 59 Rdn. 2). Die Kammer durfte aber annehmen, dass der<br />

Notar nicht ohne Vollmacht handeln wird (vgl. BayObLGZ 1984, 29/32; Jansen, FGG,<br />

2. Aufl., § 13 Rdn. 46; Keidel/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 129 Rdn. 5) und dass er, auch<br />

wenn die Rechtsmittelschrift keine entsprechende Erklärung enthält, das Rechtsmittel für<br />

den Berechtigten einlegt (vgl. BayObLGZ 1987, 314/316 m. w. Nachw. 2 ). Dies ist hier der<br />

Vorverein, vertreten durch seinen Vorstand (vgl. BayObLGZ 1991, 52 3 ; Reichert, Handbuch<br />

des Vereins- und Verbandsrechts, 8. Aufl., Rdn. 177; Soergel/Hadding, § 60 Rdn. 5).<br />

1) DNotZ 1999, 233.<br />

2) DNotZ 1988, 252.<br />

3) DNotZ 1992, 46.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 855<br />

b) Die Bestimmung des § 9 Abs. 5 der Satzung ist zulässig. Diese regelt,<br />

dass eine Mitgliederversammlung einzuberufen ist, wenn mindestens 20%<br />

der Mitglieder dies verlangt. Das LG sieht hierin einen Verstoß gegen § 37<br />

Abs. 1 BGB, der bestimmt, dass die Mitgliederversammlung zu berufen ist,<br />

„wenn der durch die Satzung bestimmte Teil oder in Ermangelung einer<br />

Bestimmung der zehnte Teil der Mitglieder‘‘ dies verlangt. Die Satzung könne<br />

aus dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes nur einen niedrigeren Teil<br />

als ein Zehntel der Mitglieder bestimmen. Dieser auch in der Literatur vertretenen<br />

Auffassung (z. B. Soergel/Hadding, § 37 Rdn. 5; Münch-<br />

KommBGB/Reuter, 3. Aufl., § 37 Rdn. 1; Reichert, Rdn. 791) folgt der Senat<br />

nicht. Die Satzung kann als Voraussetzung für das Einberufungsverlangen<br />

auch ein höheres Quorum als 10% vorsehen (KG, NJW 1962, 1917; OLG<br />

Stuttgart, NJW-RR 1986, 995; Staudinger/Weick, BGB, 1995, § 37 Rdn. 3;<br />

Erman/Westermann, BGB, 10. Aufl., § 37 Rdn. 1; BGB-RGRK/Steffen,<br />

12. Aufl., § 37 Rdn. 1; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 37 Rdn. 1;<br />

Sauter/Schweyer, Der eingetragene Verein, 16. Aufl., Rdn. 159; Stöber,<br />

Handbuch zum Vereinsrecht, 7. Aufl., Rdn. 425). Der Wortlaut des § 37<br />

Abs. 1 BGB ist eindeutig: Der zehnte Teil der Mitglieder soll nur dann gelten,<br />

wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. Die Grenze des Minderheitenschutzes<br />

unterliegt damit grundsätzlich der Satzungsregelung und damit der<br />

Entscheidung der Mitgliederversammlung. Hierin unterscheidet sich § 37<br />

Abs. 1 BGB von § 50 Abs. 1 GmbHG (vgl. hierzu Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 17. Aufl., § 50 Rdn. 2), der die Mindestquote (der zehnte Teil des<br />

Stammkapitals) zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung nicht unter<br />

den Vorbehalt der Satzung stellt, und von § 45 Abs. 1 GenG, der der<br />

Satzung nur vorbehält, für die Einberufung der Generalversammlung eine<br />

geringere Quote als den zehnten Teil der Genossen festzulegen. Wo bei eingetragenen<br />

Vereinen aus Gründen des Minderheitenschutzes die Grenzen<br />

rechtsmissbräuchlicher Regelung zu ziehen sind (zu den Grenzen vgl. KG und<br />

OLG Stuttgart, je aaO), bedarf hier keiner Entscheidung. Diese sind jedenfalls<br />

bei einem Einberufungsquorum von 20% der Mitglieder nicht überschritten.<br />

c) Die Vertretungsregelung in § 10 der Satzung ist nicht missverständlich.<br />

Sie gibt eindeutig darüber Auskunft, wer den Verein wie vertreten<br />

kann. Abs. 1 regelt die Zusammensetzung des Vorstands. Abs. 2 Satz 1<br />

stellt klar, welche von den in Abs. 1 genannten Vorstandsmitgliedern gesetzliche<br />

Vertreter des Vereins i. S. des § 26 BGB sind. Für diese bestimmt<br />

Abs. 2 Satz 2, dass sie einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen<br />

des § 181 BGB befreit sind.<br />

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass von der Frage<br />

der Missverständlichkeit der Vertretungsregelung in der Satzung die Frage<br />

zu unterscheiden ist, inwieweit der Vertreterzusatz, wie angemeldet, im<br />

Vereinsregister eingetragen werden kann (vgl. BGH, NJW 1998, 1071 4 und<br />

BayObLGZ 1997, 107 zur Nichteintragungsfähigkeit des Vertreterzusatzes<br />

bei Geschäftsführern einer GmbH).<br />

4) DNotZ 1998, 968.<br />

DNotZ 2001


856 Rechtsprechung<br />

II. Beurkundung und Betreuung<br />

Nr. 1 BNotO §§ 23, 24, 19 Abs. 1 Satz 1 (Grundsätzlich wörtliche Befolgung<br />

der Verwahrungsanweisung)<br />

Der Notar darf grundsätzlich den Inhalt der ihm erteilten Hinterlegungsanweisung<br />

nicht entgegen deren Wortlaut durch Auslegung des<br />

zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrages ermitteln.<br />

BGH, Urt. v. 10. 2. 2000 – IX ZR 41/99 (mit Anm. Hertel)<br />

Der verklagte Notar beurkundete einen Vertrag, durch den die G. GmbH dem Kläger<br />

ein bestimmtes Trennstück sowie einen ideellen Anteil an einer weiteren Teilfläche eines<br />

Grundstücks mit einem damals im Bau befindlichen Reihenhaus verkaufte. Der Kaufpreis<br />

von insgesamt 530 453,– DM war in zwei Raten auf einem vom Beklagten zu errichtenden<br />

Anderkonto zu hinterlegen, die zweite Rate spätestens bei Übergabe des Grundstücks (§ 3<br />

Nr. 1 des Kaufvertrages). In § 6 Nr. 2 des Vertrages wurde der Beklagte „vom Käufer<br />

unwiderruflich angewiesen, die Auszahlungen an den Verkäufer von dem vorgenannten<br />

Notaranderkonto . . . vorzunehmen‘‘, sobald die sodann unter den Buchst. a – f aufgeführten<br />

Voraussetzungen vorlagen, insbesondere (Buchst. f) „Verkäufer und Käufer dem amtierenden<br />

Notar übereinstimmend und schriftlich erklärt haben, dass der Kaufgegenstand<br />

dem Käufer übergeben worden ist‘‘.<br />

Der Kläger überwies den Kaufpreis auf das Anderkonto. Am 31. 3. 1993 wurden in<br />

einem allein vom Bauleiter unterschriebenen Übergabeprotokoll Baumängel festgehalten.<br />

Der Kläger, dem die Hausschlüssel ausgehändigt wurden, vermietete das Haus und unterrichtete<br />

den Beklagten hiervon. Mit Schreiben vom 9. 9. 1993 wies er den Beklagten darauf<br />

hin, dass es bisher an übereinstimmenden Übergabeerklärungen der Kaufvertragsparteien<br />

fehle, und bat, von einer Auskehrung des hinterlegten Kaufpreises vorerst abzusehen. Der<br />

Beklagte zahlte gleichwohl das Geld an die Verkäuferin aus; die Auszahlungsvoraussetzungen<br />

des § 6 Nr. 2 Buchst. a – e waren erfüllt. In einem gegen die GmbH wegen bestimmter<br />

Mängel geführten Rechtsstreit erwirkte der Kläger ein Urteil, das wegen Vermögenslosigkeit<br />

der Schuldnerin nicht vollstreckt werden konnte. Im August 1996 wurde die<br />

Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH abgelehnt.<br />

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch.<br />

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die<br />

Klageansprüche weiter.<br />

Die Revision führt zur Aufhebung.<br />

I. Das BerufungsG hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten<br />

nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO mit der Begründung verneint, dieser habe seine Pflichten<br />

als Notar deswegen nicht verletzt, weil er entgegen dem Wortlaut des § 6 Nr. 2 Buchst. f<br />

des Kaufvertrages nicht gehalten gewesen sei, die Auszahlung des hinterlegten Geldes an<br />

die Verkäuferin von der schriftlichen Erklärung des Klägers, dass ihm das Grundstück<br />

übergeben worden sei, abhängig zu machen. Eine solche Erklärung habe nicht die Bedeutung<br />

einer selbständigen Auszahlungsvoraussetzung gehabt, sondern sei nur dazu bestimmt<br />

gewesen, dem Beklagten die Feststellung der Übergabe zu erleichtern. Eine<br />

Auslegung jener Bestimmung ergebe unter Berücksichtigung des sonstigen Vertragsinhalts,<br />

dass damit nur das dem Kläger unter bestimmten Voraussetzungen eingeräumte<br />

Recht auf Übergabe schon vor der Abnahme im bauvertraglichen Sinn, nicht aber auch<br />

etwaige Gewährleistungsansprüche hätten gesichert werden sollen. Nachdem für den<br />

Beklagten aufgrund des ihm vorliegenden Übergabeprotokolls und der ihm mitgeteilten<br />

Vermietung des Hauses durch den Kläger die Übergabe zweifelsfrei festgestanden habe,<br />

habe er das Kaufpreisgeld an die Verkäuferin auszahlen dürfen.<br />

II. Diese Begründung trägt die Klageabweisung nicht.<br />

1. Der Beklagte hat dadurch, dass er das Geld auszahlte, obwohl der<br />

Kläger die die Übergabe betreffende schriftliche Erklärung nicht abgegeben,<br />

sondern ausdrücklich verweigert hatte, seine Pflichten aus dem ihm<br />

von den Vertragsparteien erteilten Treuhandauftrag verletzt.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 857<br />

Die dem Beklagten zum Zweck des Vollzugs des Kaufvertrages aufgetragene<br />

Tätigkeit war Gegenstand eines selbständigen Betreuungsgeschäfts i. S.<br />

der §§ 23, 24 BNotO. Inhalt und Umfang der dadurch begründeten Amtspflichten<br />

des Beklagten ergaben sich aus den im Kaufvertrag festgelegten, an<br />

ihn gerichteten Weisungen. Solche Weisungen sind grundsätzlich streng zu<br />

befolgen (BGH, Urt. v. 17. 2. 1994 – IX ZR 158/93 1 , WM 1994,<br />

647 m. w. Nachw.); der Notar hat dabei peinliche Genauigkeit zu beachten<br />

(Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 4. Aufl., § 23 Rdn. <strong>11</strong>6<br />

m. w. Nachw.). Dessen war sich auch das BerufungsG bewusst. Es hat aber<br />

gemeint, der Beklagte habe sich hier nicht an den Wortlaut der Hinterlegungsanweisung<br />

zu halten brauchen, weil eine Auslegung des zwischen den<br />

Beteiligten geschlossenen Vertrages einen vom Wortlaut abweichenden Inhalt<br />

ergebe. Damit hat das BerufungsG verkannt, dass es grundsätzlich nur<br />

auf die dem Notar erteilte Weisung, nicht aber auf Umstände außerhalb des<br />

Treuhandauftrags ankommt (vgl. Seybold/Schippel, BNotO,6.Aufl.,§23<br />

Rdn. 18). Der Inhalt des zwischen den Parteien vereinbarten, vom Notar<br />

abzuwickelnden Vertrages einschließlich der darin enthaltenen, zwischen<br />

ihnen geschlossenen Hinterlegungsvereinbarung ist nicht Bestandteil der<br />

davon zu unterscheidenden Hinterlegungsanweisung (Sandkühler,aaO,§23<br />

Rdn. 22; vgl. auch BGH, Urt. v. 18. <strong>11</strong>. 1999 – IX ZR 153/98, WM 2000,<br />

193/195). Es ist nicht Aufgabe des Notars, den Inhalt des zwischen den<br />

Beteiligten geschlossenen Vertrages durch Auslegung zu ermitteln. Das ist<br />

sogar dann nicht anders, wenn, wie es hier gewesen zu sein scheint, der Notar<br />

den Vertrag selbst entworfen hat. Dieser darf sich deshalb grundsätzlich auch<br />

dann nicht über den Wortlaut einer ihm erteilten Weisung hinwegsetzen,<br />

wenn er meint, nach dem sonstigen Inhalt des zu vollziehenden Vertrages sei<br />

die wörtliche Befolgung der Weisung nicht erforderlich.<br />

Es mag offen bleiben, ob ausnahmsweise etwas anderes zu gelten hat, wenn der<br />

Vertragsinhalt eindeutig ergibt, dass die Parteien die Weisung nicht so gemeint haben, wie<br />

sie formuliert ist. So war es jedenfalls hier nicht. Die vom BerufungsG vorgenommene<br />

Auslegung des Vertrages ist fehlerhaft. Das BerufungsG hat gemeint, die Regelung in<br />

jener Vertragsbestimmung habe nicht den Zweck gehabt, dem Kläger eine mangelfreie<br />

Übergabe des Hauses zu gewährleisten. Wäre es so, dann wären die Rechte des Klägers<br />

aus den §§ 320 und 273 BGB ab Übergabe des Grundstücks infolge der dann ohne<br />

weiteres eintretenden Auszahlungsreife endgültig verloren gewesen. Das hätte die Hinterlegungsvereinbarung<br />

grundsätzlich nach § <strong>11</strong> Nr. 2 AGBG unwirksam gemacht, wenn<br />

es sich, wie der Kläger in der Berufungsinstanz vorgetragen hat, um einen AGB-Vertrag<br />

gehandelt haben sollte (vgl. BGH, Urt. v. <strong>11</strong>. 10. 1984 – VII ZR 248/83 2 , NJW 1985, 852;<br />

Sandkühler, aaO, § 23 Rdn. 27; Haug, Die Amtshaftung des Notars, 2. Aufl., Rdn. 692 a;<br />

Huhn/von Schuckmann, BeurkG, 3. Aufl., § <strong>11</strong> DONot Rdn. 8). Tatsächlich enthält indessen<br />

die Hinterlegungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Verkäuferin, soweit es<br />

um die Auszahlung des hinterlegten Geldes an diese geht, kein Zurückbehaltungsverbot.<br />

Nach § 3 Nr. 1 Buchst. b des Vertrages hatte der Kläger bei Übergabe „alle fälligen oder<br />

dann fällig werdenden Zahlungen (zu leisten), die er dem Verkäufer aufgrund dieses<br />

Vertrages schuldet‘‘; er durfte „wegen ausstehender oder mangelhafter Leistungen nur<br />

angemessene Kaufpreisteile‘‘ zurückhalten. Letzteres wäre ihm unmöglich gewesen, wenn<br />

mit Übergabe des Grundstücks der Beklagte ohne Rücksicht auf etwaige Mängel den<br />

vollen Kaufpreis an die Verkäuferin auszuzahlen gehabt hätte. Die Regelung in § 6 Nr. 2<br />

1) DNotZ 1995, 125. 2) DNotZ 1985, 287.<br />

DNotZ 2001


858 Rechtsprechung<br />

Buchst. f des Vertrages verhinderte einen solchen Rechtsverlust des Klägers, indem sie die<br />

Auszahlung von entsprechenden übereinstimmenden Erklärungen der Vertragspartner<br />

abhängig machte. Dies setzte den Kläger in die Lage, bei Vorhandensein von Mängeln<br />

seine Erklärung erst dann abzugeben, wenn die Verkäuferin ihr Einverständnis dazu erteilt<br />

hatte, dass „angemessene Kaufpreisteile‘‘ bis zur Beseitigung der Mängel auf dem Notaranderkonto<br />

verblieben.<br />

2. Der Beklagte hat die somit gegebene Pflichtverletzung fahrlässig und damit schuldhaft<br />

begangen. Das ergibt sich schon daraus, dass er, wie er selbst vorgetragen hat, bei der<br />

Auszahlung nicht einmal bemerkt hat, dass die Hinterlegungsanweisung schriftliche Übergabeerklärungen<br />

der Vertragsparteien voraussetzte und solche Erklärungen ihm nicht<br />

vorlagen.<br />

3. Die Pflichtverletzung des Beklagten war dafür ursächlich, dass der Kläger seine<br />

Gewährleistungsansprüche, soweit solche bestanden, nicht durchsetzen konnte. Wäre das<br />

hinterlegte Geld noch vorhanden, so könnte er notfalls im Rechtswege erreichen, dass die<br />

Verkäuferin der Auszahlung des Geldes an ihn in dem Umfang zustimmt, in dem es ihr<br />

wegen der Mängel nicht zusteht.<br />

Anmerkung 1. Die Entscheidung bekräftigt, was der BGH schon mehrfach<br />

entschieden hatte, was man sich als Notar aber nicht oft genug wiederholen<br />

kann: Bei der Abwicklung eines Notaranderkontos wie auch bei<br />

anderen Betreuungsgeschäften nach §§ 23, 24 BNotO sind die Weisungen<br />

der Beteiligten „grundsätzlich streng zu befolgen‘‘.<br />

Die grundlegende Bedeutung der Pflicht zur „peinlichen Genauigkeit bei<br />

Treuhandgeschäften‘‘ hatte der BGH in ständiger Rechtsprechung bereits<br />

mehrfach betont: „Das Vertrauen zum Notar ist in besonderem Maße davon<br />

abhängig, dass er die ihm anvertrauten Geldbeträge und Wertsachen mit<br />

peinlicher Korrektheit behandelt und die hierüber erlassenen Dienstvorschriften<br />

genau befolgt. Erweckt er auch nur den Anschein, dass Treuhandgelder<br />

bei ihm gefährdet seien, leidet nicht allein das Vertrauen der Betroffenen<br />

in die Integrität des Berufsstandes; vielmehr wird auch die Funktionsfähigkeit<br />

des Grundstücksmarktes und eines Teils des Kapitalmarktes in<br />

Mitleidenschaft gezogen. Für beide sind Treuhandgeschäfte ein unentbehrliches<br />

Instrument der Vertragsabwicklung. Peinliche Genauigkeit bei Treuhandgeschäften<br />

ist für den Notar daher eine grundlegende Pflicht‘‘ 1 .<br />

Beispiele lassen sich auch aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte entnehmen.<br />

So führte das OLG Celle bereits 1988 aus: „Dass die Beachtung ,peinlicher Genauigkeit<br />

bei Treuhandgeschäften‘ für den Notar grundlegende Amtspflicht ist, ist seit langem in<br />

der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . anerkannt. . . . Die Durchführung von Fremdgeldverwahrungen<br />

nach § 23 BNotO durch einen Notar ist nur dann gewährleistet, wenn<br />

der Notar tatsächlich die ihm erteilten Treuhandaufträge peinlich genau beachtet oder<br />

aber, soweit das nicht möglich ist bzw. rechtlich unzulässig wäre, auf deren Abänderung<br />

drängt, widrigenfalls er die Durchführung der Treuhandaufträge ablehnen muss. Kommt<br />

der Notar dem nicht nach und beachtet er die ihm erteilten Treuhandaufträge nicht genau,<br />

so macht er sich eines Dienstvergehens i. S. von § 95 BNotO schuldig‘‘ 2 .<br />

Ebenso entschied etwa das OLG Schleswig erst kürzlich: „Einem Notar steht bei der<br />

Auslegung einer Treuhandauflage kein Ermessensspielraum zu. Er ist nicht berechtigt,<br />

seine eigene Einschätzung der Risikolage und des Sicherungsbedürfnisses der Beteiligten<br />

1) BGH v. 13. 10. 1986, DNotZ 1987, 556. Ähnlich BGH v. 14. 10. 1985, DNotZ<br />

1986, 310; v. 17. 2. 1994, DNotZ 1995, 125 = NJW 1994, 1403 = WM 1994, 647; vgl.<br />

auch Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 4. Aufl., 2000, § 23 BNotO Rdn.<br />

<strong>11</strong>6; Weingärtner/Schöttler, DONot, 7. Aufl., 1995, Rdn. 146 c.<br />

2) OLG Celle v. 14. 3. 1988, DNotZ 1989, 55/56.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 859<br />

an die Stelle derjenigen des Treugebers zu setzen und muss vielmehr die Auflage mit<br />

peinlicher Genauigkeit beachten sowie wortgetreu ausführen . . . nicht berechtigt, von dem<br />

eindeutigen Wortlaut des Treuhandauftrags abzuweichen‘‘ 3 .<br />

2. Die Pflicht zur wortgetreuen Befolgung der von den Beteiligten erteilten<br />

Weisungen gilt grundsätzlich für alle Arten von selbständigen Betreuungsgeschäften<br />

nach §§ 23, 24 BNotO, also nicht nur für die Verwahrungsanweisung,<br />

die der hier zu besprechenden Entscheidung zugrunde lag, sondern<br />

ebenso für die Treuhandauflagen der finanzierenden Bank oder die<br />

abzulösender (Grundpfand-)Gläubiger (auch bei Direktzahlung des Kaufpreises),<br />

für die Fälligkeitsmitteilung 4 oder für die Vollzugssperre (bei bereits<br />

erklärter Auflassung bis zum Nachweis vollständiger Kaufpreiszahlung<br />

– § 53 BeurkG) 5 etc. Auch hier muss sich der Rechtsverkehr auf die exakte<br />

Einhaltung der vom Notar angenommenen Weisung verlassen können.<br />

3. Für die Gestaltung der Verwahrungsanweisung heißt dies: Der Notar<br />

muss die Anweisung so präzise wie möglich formulieren. Dies gibt ihm das<br />

Gesetz auch in § 54 a Abs. 3 BeurkG als Amtspflicht vor: Denn nur eine<br />

klare und eindeutige Verwahrungsanweisung genügt „den Bedürfnissen<br />

einer ordnungsgemäßen Geschäftsabwicklung und eines ordnungsgemäßen<br />

Vollzugs der Verwahrung‘‘.<br />

Beispielhaft seien einige typische Fehler aufgezählt, die leider immer<br />

wieder bei der Gestaltung der Verwahrungsanweisung unterlaufen:<br />

– Die „Sicherstellung‘‘ der Eigentumsumschreibung oder der ranggerechten<br />

Grundschuldeintragung wird als Auszahlungsvoraussetzung vereinbart<br />

bzw. in der Treuhandauflage der finanzierenden Bank verlangt, ohne dass<br />

dies näher definiert wäre 6 .<br />

– Auszahlungsvoraussetzungen müssen vom Notar überprüfbar sein: So<br />

sollte z. B. nicht die tatsächliche Räumung des Vertragsobjekts durch den<br />

Verkäufer, sondern die Mitteilung eines vertrauenswürdigen Dritten hierüber<br />

Auszahlungsvoraussetzung sein – oder eine Mitteilung durch den<br />

3) OLG Schleswig v. 29. 6. 2000, OLG-Report 2000, 413.<br />

4) Die Fälligkeitsmitteilung ist nach der Rspr. des BGH selbständige Betreuungstätigkeit<br />

nach § 24 BNotO (BGH, DNotZ 1985, 48/50; WM 1985, <strong>11</strong>09; BGHZ 96, 157 =<br />

DNotZ 1986, 406 = NJW 1986, 576; DNotZ 2000, 287).<br />

5) Vgl. hierzu OLG Jena v. 2. <strong>11</strong>. 2000, OLG-Report 2001, 207.<br />

6) Vgl. BGH, DNotZ 1987, 560/561; OLG Celle v. 26. 10. 1992, DNotZ 1994, <strong>11</strong>7;<br />

OLG Hamm v. 21. 2. 1992, DNotZ 1992, 821; v. 23. 5. 1995, DNotZ 1996, 384; KG v.<br />

7. 8. 1990, DNotZ 1991, 762; s. auch Hertel in Eylmann/Vaasen, BNotO und BeurkG,<br />

2000, § 54 a BeurkG Rdn. 45 m. w. Nachw.<br />

Die „Sicherstellung der Grundschuldeintragung‘‘ definiert man sinnvollerweise unter<br />

Rückgriff auf den Formulierungsvorschlag der <strong>Bundesnotarkammer</strong>, DNotZ 1999,<br />

369/370 f. Unter „Sicherstellung der Eigentumsumschreibung‘‘ wird man im Zweifel die<br />

kaufvertraglichen Auszahlungsvoraussetzungen verstehen (vgl. jetzt auch die Fälligkeitsvoraussetzungen<br />

für den Kaufpreis nach § 7 Abs. 2 VerkFlBerGr – Art. 1 des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes,<br />

GrundRBerG, BGBl. 2001 I, 2716). Die „Sicherstellung<br />

der Lastenfreistellung‘‘ dürfte mittlerweile sogar einen allgemein anerkannten festen<br />

Begriffsinhalt haben (vgl. Hertel in Eylmann/Vaasen, § 54 a BeurkG Rdn. 60, Fußn. 102;<br />

vgl. auch den Begriff in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 - 5 MaBV; § 7 Abs. 2 Verk-<br />

FlBerG).<br />

DNotZ 2001


860 Rechtsprechung<br />

Verkäufer, der der Käufer nicht binnen einer bestimmten Frist nach Weiterleitung<br />

durch den Notar an ihn widerspricht 7 .<br />

– Gibt es mehrere Verkäufer (z.B. Erbengemeinschaft oder geschiedene<br />

Ehegatten), so sollte unbedingt die Aufteilung des Restkaufpreises im<br />

Verhältnis der Verkäufer untereinander geregelt werden. Sonst kann die<br />

Auszahlung nicht erfolgen, wenn sich die Verkäufer nicht einigen können 8 .<br />

Insbesondere Treuhandauflagen der finanzierenden Bank sind häufig<br />

ungenau formuliert. Den Treuhandauftrag entwirft die Bank meist selbst.<br />

Bevor der Notar den Treuhandauftrag aber annimmt, muss er prüfen, ob<br />

dieser den Anforderungen des § 54 a Abs. 3 und 4 BeurkG entspricht, d. h.<br />

insbesondere auch eindeutig formuliert ist – und ob er mit dem Kaufvertrag<br />

vereinbar ist.<br />

Auf der sicheren Seite ist der Notar im Regelfall, wenn sich der Treuhandauftrag<br />

inhaltlich und möglichst auch in der Formulierung an den<br />

Formulierungsvorschlag der <strong>Bundesnotarkammer</strong> 9 anlehnt, den diese in<br />

Abstimmung mit den im Zentralen Kreditausschuss zusammengeschlossenen<br />

Verbänden der deutschen Kreditwirtschaft formuliert hat. Dieser Formulierungsvorschlag<br />

wird mittlerweile von einigen, aber leider längst noch<br />

nicht von allen Banken verwendet.<br />

4. Gibt es auch Ausnahmen zu dem Grundsatz, dass Weisungen im<br />

Rahmen eines Betreuungsgeschäfts nach §§ 23, 24 BNotO streng zu befolgen<br />

sind? Vor allem vier Fallgruppen kommen in Betracht:<br />

a) Der BGH selbst ließ ausdrücklich offen, ob der Notar auch bei einer<br />

falsa demonstratio an den Wortlaut der Anweisung gebunden ist: „Es mag<br />

offen bleiben, ob ausnahmsweise etwas anderes zu gelten hat, wenn der<br />

Vertragsinhalt eindeutig ergibt, dass die Parteien die Weisung nicht so<br />

gemeint haben, wie sie formuliert ist.‘‘<br />

Man kann kaum vom Notar erwarten, dass er eine Weisung vollzieht,<br />

obwohl er weiß, dass die Beteiligten eigentlich eine andere Weisung erteilen<br />

wollten. Mir scheint daher, dass der Notar bei einer falsa demonstratio<br />

jedenfalls dann vom Wortlaut der Weisung abweichen kann – und es sogar<br />

muss, wenn dadurch keine Amtspflichten Dritten gegenüber verletzt werden<br />

(etwa weil die finanzierende Bank in ihrer Treuhandauflage ebenfalls die<br />

Einhaltung der kaufvertraglichen Auszahlungsvoraussetzungen verlangt).<br />

Jedoch halte ich den Notar auch für verpflichtet, den Beteiligten seine<br />

vom Wortlaut der Weisung abweichende Verhaltensweise vorab mitzuteilen<br />

(jedenfalls soweit die Zeit dies erlaubt). Dann können die Beteiligten ggf.<br />

noch reagieren, falls gar keine falsa demonstratio vorlag. Sinnvollerweise<br />

wird sich der Notar vorsorglich schriftlich die Änderung (des Wortlauts der)<br />

7) Brambring, DNotZ 1990, 615/628 f.; Haug, Die Amtshaftung des Notars, 2. Aufl.,<br />

1997, Rdn. 691; Hertel in Eylmann/Vaasen, § 54 a BeurkG Rdn. 46; Tönnies in<br />

Beck’sches Notar-Handbuch, 3. Aufl., 2001, A I Rdn. 374; Weingärtner, Das notarielle<br />

Verwahrungsgeschäft, 1998, Rdn. 86.<br />

8) M. E. falsch daher KG v. 18. 9. 2001 – in diesem Heft S. 865 mit abl. Anm. Wegerhoff.<br />

9) Rundschreiben Nr. 05/99 der <strong>Bundesnotarkammer</strong> an alle Notarkammern, DNotZ<br />

1999, 369/370 ff.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 861<br />

Weisung von den Beteiligten bestätigen lassen; denn dann hält er sich auch<br />

an den Wortlaut der Weisung.<br />

b) Zweiter Problemfall ist die mehrdeutige oder lückenhafte Weisung.<br />

Erkennt der Notar die Lücke oder den Auslegungszweifel erst während der<br />

Betreuungstätigkeit, steht er vor der Alternative, entweder gar nichts zu tun<br />

oder selbst eine Auslegung vorzunehmen.<br />

Vorzugswürdig ist selbstverständlich auch hier, wenn die Beteiligten<br />

nachträglich auch zu diesem Punkt eine einvernehmliche Weisung erteilen.<br />

Dies wird aber nicht immer zu erreichen sein.<br />

Das OLG Jena 10 war der Auffassung, dass der Notar dann die Vereinbarung<br />

der Vertragsparteien (und damit wohl auch die Weisung) auslegen und ggf.<br />

auch eine ergänzende Auslegung zur Lückenfüllung vornehmen dürfe.<br />

Für die Auslegung einer mehrdeutigen Weisung – also noch innerhalb der<br />

Wortlautgrenzen – dürfte dies richtig sein. Ansonsten könnte ein Beteiligter<br />

die Abwicklung schon dadurch verhindern, indem er in Frage stellt, wie denn<br />

eine Weisung zu verstehen sei. Für eine ergänzende Vertragsauslegung, die<br />

über den Wortlaut der Weisung hinausgeht, erscheint mir aber die Kompetenz<br />

des Notars sehr zweifelhaft. Notfalls müssen die Beteiligten hier einander<br />

gerichtlich auf Erteilung einer einvernehmlichen Anweisung verklagen.<br />

c) Manchmal ändern sich die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen<br />

während der Verwahrung. So kann etwa ein Genehmigungserfordernis<br />

entfallen, während im Kaufvertrag noch die Genehmigungserteilung als Auszahlungsvoraussetzung<br />

vorgesehen ist. (Dies betraf etwa die Abschaffung der<br />

Teilungsgenehmigung nach §§ 19 ff. BauGB oder nach den jeweiligen Landesbauordnungen.<br />

Ebenso sind nunmehr viele Bauvorhaben genehmigungsfrei,<br />

für die man vor einigen Jahren noch eine Baugenehmigung brauchte <strong>11</strong> .)<br />

Die Beteiligten mögen einander dann schuldrechtlich zum Verzicht auf<br />

oder zur Anpassung der entsprechenden Auszahlungs- oder Fälligkeitsvoraussetzung<br />

verpflichtet sein (Wegfall bzw. die Änderung der Geschäftsgrundlage<br />

– nach der Schuldrechtsreform künftig geregelt in § 313 BGB).<br />

Die öffentlich-rechtliche Betreuungstätigkeit des Notars ist aber von dieser<br />

schuldrechtlichen Ebene klar zu unterscheiden. Solange die Beteiligten ihre<br />

Weisung nicht abgeändert haben, kann der Notar nicht auszahlen (und nicht<br />

den Eintritt auch dieser Fälligkeitsvoraussetzung bescheinigen). Es ist nicht<br />

Aufgabe des Notars zu entscheiden, ob eine solche schuldrechtliche Anpassungspflicht<br />

zwischen den Beteiligten besteht.<br />

Zu Recht entschied daher das OLG Hamm, dass die in einer Treuhandabrede<br />

bestimmte Frist für die Lastenfreistellung eines Grundstücks für die<br />

Amtstätigkeit des Notars auch dann bindend bleibt, wenn ein auf Treu und<br />

10) OLG Jena v. 2. <strong>11</strong>. 2000, OLG-Report 2001, 207. Nach dem Kaufvertrag war die<br />

Auflassung erst nach Bestätigung der Kaufpreiszahlung zum grundbuchamtlichen Vollzug<br />

vorzulegen. Die Notarin ließ die Hinterlegung beim AG nach §§ 372 ff. BGB<br />

genügen, nachdem sich die Verkäufer nicht über ein Konto für die Zahlung einigen<br />

konnten.<br />

<strong>11</strong>) Ist hingegen der Wegfall der Voraussetzung schon absehbar, so wird man dies im<br />

Vertrag bereits regeln – z. B. die Genehmigung durch den während des Vollzugs volljährig<br />

gewordenen Beteiligten.<br />

DNotZ 2001


862 Rechtsprechung<br />

Glauben gestützter Anspruch eines Verwahrungsbeteiligten auf Anpassung<br />

der Vereinbarung wegen einer geringfügigen Fristüberschreitung ernsthaft<br />

in Betracht zu ziehen ist 12 .<br />

Sofern eine neue Weisung der Beteiligten einzuholen ist, muss der Notar hierfür mindestens<br />

Schriftform verlangen (§ 54 a Abs. 4 BeurkG) – was insbesondere bei einer<br />

Änderung des Treuhandauftrags der finanzierenden Bank oder abzulösender Gläubiger<br />

manchmal übersehen wird. Die damit verbundene Änderung der Verwahrungsvereinbarung<br />

zwischen den Kaufvertragsparteien kann aber sogar beurkundungsbedürftig sein<br />

(insbes. nach § 313 BGB oder § 15 Abs. 4 GmbHG). Dies schlägt zwar nicht unmittelbar<br />

auf die verfahrensrechtliche Verwahrungsanweisung gegenüber dem Notar durch. M. E.<br />

darf der Notar aber die geänderte Anweisung nicht annehmen, wenn die zugrunde liegende<br />

Vertragsänderung unwirksam ist 13 .<br />

d) Umgekehrt gibt es Fälle, in denen der Notar trotz Vorliegen der<br />

formalen Voraussetzungen die Weisung nicht durchführen darf: Wenn der<br />

Notar nämlich erkennt, dass er an der Erreichung unerlaubter oder unredlicher<br />

Zwecke mitwirken würde. Für das Notaranderkonto ist dies in § 54 d<br />

Nr. 1 BeurkG ausdrücklich geregelt. Für andere Amtstätigkeiten ergibt sich<br />

dies aus der allgemeinen Regel des § 14 Abs. 2 BNotO 14 .<br />

5. Schließlich führt die BGH-Entscheidung auch die Rechtsfolgen vor<br />

Augen: Verstößt der Notar gegen die Weisung der Beteiligten, so haftet er für<br />

den daraus entstehenden Schaden (§ 19 BNotO) – wie im vorliegenden Fall.<br />

Ebenso kann der Notar aber auch disziplinarisch zur Verantwortung gezogen<br />

werden. Dabei werden Verstöße gegen die erteilten Treuhandauflagen als<br />

schweres Dienstvergehen gewertet, wie die Rechtsprechung zeigt 15 .<br />

Notar a. D. Christian Hertel, LL. M., Würzburg<br />

Nr. 2 BGB § 249 (Haftung bei unrichtiger Notarbestätigung)<br />

Die Haftung eines Notars, der unrichtigerweise bestätigt hat, die<br />

Eintragung einer Gesamtgrundschuld zur Absicherung eines noch auszuzahlenden<br />

Darlehens sei an erster Rangstelle sichergestellt, wird<br />

nicht dadurch eingeschränkt, dass bei pflichtgemäßem Verhalten des<br />

Grundbuchamts die angestrebte dingliche Sicherung teilweise erreicht<br />

worden wäre.<br />

BGH, Urt. v. 26. 4. 2001 – IX ZR 453/99<br />

Die inzwischen in Konkurs gefallene E. GmbH (im Folgenden: Eigentümerin oder<br />

Darlehensnehmerin) war Eigentümerin des im Grundbuch von O. eingetragenen Grundbesitzes.<br />

Dieses Grundbuchblatt weist im Bestandsverzeichnis unter Nr. 1 das Flurstück<br />

2267/173 (660 m 2 ; im Folgenden: Grundstück Nr. 1) und unter Nr. 2 die beiden Flurstücke<br />

2264/173 und 2265/173 (zusammen 2637 m 2 ; im Folgenden: Grundstück Nr. 2)<br />

aus. Am 5. 2. 1992 bestellte die Eigentümerin am Grundstück Nr. 2 eine Eigentümerbriefgrundschuld<br />

über 2 Mio. DM. Ein entsprechender Eintragungsantrag wurde am 18. 2.<br />

12) OLG Hamm v. 23. 5. 1995, DNotZ 1996, 384 mit Anm. Preuß.<br />

13) Hertel in Eylmann/Vaasen, § 54 a BeurkG Rdn. 27.<br />

14) Daher anerkannte die Rspr. entsprechende Fälle beim Notaranderkonto auch bereits<br />

vor In-Kraft-Treten des § 54 d BeurkG; vgl. BGH v. 22. <strong>11</strong>. 1977, DNotZ 1978, 373.<br />

15) Vgl. etwa BGH v. 14. 10. 1985, DNotZ 1986, 310; OLG Celle v. 14. 3. 1988,<br />

DNotZ 1989, 55/56.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 863<br />

1992 beim GBA gestellt. Die zuständige Rechtspflegerin verfügte am 18. 5. 1992 die<br />

Eintragung in das Grundbuch sowie die Bildung des Grundschuldbriefs und dessen Versendung<br />

an die Eigentümerin. Diese bestellte am 2. 6. 1992 dem Kläger zur Absicherung<br />

eines von ihm zu gewährenden Darlehens von 675 000,– DM an beiden Grundstücken<br />

eine Buchgrundschuld über 750 000,– DM, die den ersten Rang erhalten sollte; bereits<br />

einen Tag zuvor hatte die GmbH eine die Eigentümergrundschuld betreffende Rangrücktrittsbewilligung<br />

erklärt. Der Kläger beauftragte mit Schreiben vom 1. 6. 1992 den verklagten<br />

Notar (Beklagter zu 2) mit der Durchführung des Eintragungsverfahrens und der<br />

Erteilung einer Notarbestätigung, die abgegeben werden sollte, wenn die erstrangige<br />

Eintragung der Buchgrundschuld sichergestellt war.<br />

Am 3. 6. 1992 beantragte die Eigentümerin beim GBA die Eintragung einer nachträglich<br />

von ihr bewilligten Erweiterung der Haftung der Eigentümergrundschuld auf das<br />

Grundstück Nr. 1 (Nachverpfändung). Einen Tag später, am 4. 6. 1992, wurde in Abt. III<br />

des Grundbuchs unter lfd. Nr. 9 die ursprünglich bestellte, nur das Grundstück Nr. 2<br />

erfassende Eigentümergrundschuld eingetragen. Am 5. 6. 1992 reichte der Beklagte zu 2)<br />

den Antrag auf erstrangige Eintragung der Buchgrundschuld über 750 000,– DM beim<br />

GBA ein; zugleich nahm er Einsicht in die Grundakten. Noch am selben Tag stellte er eine<br />

„notarielle Bescheinigung‘‘ aus, in der es heißt: „Es ist sichergestellt, dass die neue<br />

Grundschuld von 750 000,– DM nebst Zinsen und Nebenleistung rechtlich und wirtschaftlich<br />

mit 1. Rang in das Grundbuchblatt . . . eingetragen wird‘‘. Daraufhin zahlte der Kläger<br />

den Darlehensbetrag von 675 000,– DM an die Darlehensnehmerin aus. Das GBA schickte<br />

am 9. 6. 1992 den Grundschuldbrief für die Eigentümergrundschuld von 2 Mio. DM der<br />

Eigentümerin zu. Diese trat, um einen weiteren Kredit zu erlangen, die Grundschuld Ende<br />

Juni 1992 unter Übergabe des Briefes an die F. S. ab.<br />

Am 29. 7. 1992 wurde die Nachverpfändung (Einbeziehung des Grundstücks Nr. 1 in<br />

die Eigentümergrundschuld) sowie unter lfd. Nr. 10 eine Vormerkung für die zugunsten<br />

des Klägers bestellte Buchgrundschuld über 750 000,– DM in das Grundbuch eingetragen.<br />

Hierbei wurde ein Rangvermerk aufgenommen, wonach das vorgemerkte Recht im Rang<br />

vor dem Recht in Abt. III Nr. 9 eingetragen werden sollte. Am 19. 8. 1992 wurde die<br />

Vormerkung in eine entsprechende Grundschuld umgeschrieben. Bei beiden Eintragungen<br />

unterließ es das GBA, das Rangverhältnis auch bei der unter Nr. 9 eingetragenen Eigentümerbriefgrundschuld<br />

zu vermerken. Die Abtretung dieser Grundschuld an die F. S. wurde<br />

am 14. 10. 1995 in das Grundbuch eingetragen und auf dem Brief vermerkt.<br />

Die belasteten Grundstücke gerieten in die Zwangsversteigerung, wurden dann aber<br />

freihändig für 950 200,– DM verkauft. In einem zwischen dem Kläger und der F. S.<br />

geführten Prozess, in dem der Kläger den beiden jetzigen Beklagten – der Beklagte zu 1)<br />

ist das Land N. – den Streit verkündete, wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Grundschuld<br />

Nr. 9 für beide belasteten Grundstücke der unter Nr. 10 eingetragenen Grundschuld<br />

des Klägers vorgehe. Dieser überließ daraufhin den Veräußerungserlös der F. S. Im<br />

jetzigen Rechtsstreit nimmt er die Beklagten in Höhe von 1 203 242,23 DM auf Ersatz des<br />

Schadens in Anspruch, der ihm dadurch entstanden ist, dass er bei der Erlösverteilung<br />

hinter der F. S. zurücktreten musste; außerdem verlangt er in diesem Rahmen Feststellung<br />

der Ersatzpflicht für noch entstehende weitere Schäden.<br />

Das LG hat der gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Zahlungsklage dem Grunde nach<br />

stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das BerufungsG hat die Beklagten<br />

auf die Zahlungsklage – dem Grunde nach – und auf die Feststellungsklage jeweils zum<br />

Ersatz eines Teils des Schadens verurteilt, und zwar den Beklagten zu 1) wegen des Rangverlustes<br />

hinsichtlich des Grundstücks Nr. 1 und den Beklagten zu 2) wegen des Rangverlustes<br />

hinsichtlich des Grundstücks Nr. 2. Hiergegen haben alle drei Parteien im Rahmen<br />

ihrer jeweiligen Beschwer Revision eingelegt. Die Revision des Beklagten zu 1) und die<br />

gegen diesen gerichtete Revision des Klägers hat der V. Zivilsenat des BGH nicht angenommen.<br />

Die Revision des Beklagten zu 2) hat der jetzt entscheidende Senat nicht angenommen.<br />

Mit dem nunmehr noch anhängigen Rechtsmittel verfolgt der Kläger den ihm vom BerufungsG<br />

aberkannten Teil des Klageanspruchs gegen den Beklagten zu 2) weiter.<br />

Die Revision des Klägers ist begründet; der Beklagte zu 2) ist auch<br />

insoweit zum Schadensersatz verpflichtet, als es um das Grundstück Nr. 1<br />

geht.<br />

DNotZ 2001


864 Rechtsprechung<br />

I. 1. Das BerufungsG hat zu Recht eine die Haftung nach § 19 Abs. 1<br />

Satz 1 BNotO auslösende schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten zu<br />

2) (im Folgenden: Beklagter) darin gesehen, dass er am 5. 6. 1992 eine der<br />

Rechtslage nicht entsprechende notarielle Bestätigung – es handelte sich<br />

dabei um einen Akt der Betreuungstätigkeit i. S. des § 24 BNotO (vgl.<br />

BGH, Urt. v. 17. 6. 1999 – IX ZR 100/98 1 , WM 1999, 1642/1643 m. w.<br />

Nachw.) – erteilt hat. Aus diesem Grund hat der Senat die Revision des<br />

Beklagten nicht angenommen.<br />

2. Das BerufungsG hat trotzdem eine Haftung des Beklagten für den<br />

Verlust des auf das Grundstück Nr. 1 entfallenden Erlösanteils mit der<br />

Begründung verneint, insoweit wäre ein Schaden letztlich nicht eingetreten,<br />

wenn das GBA den Rangvermerk ordnungsgemäß – nämlich auch bei der<br />

Grundschuld Nr. 9 – eingetragen hätte. Durch die Abtretung von Ende Juni<br />

1992 habe die F. S. zwar die damals schon auf dem Grundstück Nr. 2<br />

lastende Grundschuld, nicht aber das infolge der Nachverpfändung erst<br />

durch die Eintragung am 29. 7. 1992 entstandene Recht auf dem Grundstück<br />

Nr. 1 erwerben können. Da der Kläger insoweit bei richtiger grundbuchmäßiger<br />

Behandlung mit seiner Grundschuld den Vorrang erlangt hätte,<br />

fehle es, so hat das BerufungsG gemeint, in diesem Umfang an einem<br />

Schaden im Rechtssinne.<br />

Diese rechtliche Beurteilung ist, wie die Revision des Klägers zu Recht<br />

rügt, unzutreffend.<br />

a) Wie das BerufungsG unangefochten festgestellt hat, hätte der Kläger<br />

den Darlehensbetrag – am Nachmittag des 5. 6. 1992 – „zweifelsohne‘‘<br />

nicht ausgezahlt, wenn der Beklagte die Rechtslage richtig bescheinigt<br />

hätte. Dieser Schluss liegt, obwohl die Notarbestätigung nur hinsichtlich<br />

der Belastung des Grundstücks Nr. 2 unzutreffend war, schon deswegen<br />

nahe, weil, wie den Grundakten zu entnehmen ist, allein dieses Grundstück<br />

bebaut und im Übrigen erheblich größer ist als das Grundstück Nr. 1. Wenn<br />

aber der Kläger das Geld ohne ausreichende Sicherheit nicht ausgezahlt<br />

hätte, war bereits durch diese Auszahlung der Schaden eingetreten (zum<br />

Beginn der Verjährung auch Urt. v. 15. 10. 1992 – IX ZR 43/92, WM 1993,<br />

251/255). Hätte der Kläger nachträglich – teilweise – doch noch eine<br />

Sicherheit erhalten, dann hätte das zwar seinen Schaden gemindert. Dieser<br />

Umstand vermag aber, da der Kläger später infolge der unrichtigen Behandlung<br />

durch das GBA keine Sicherheit erlangt hat, an der Ursächlichkeit der<br />

pflichtwidrigen Ausstellung der Notarbescheinigung für den Schadenseintritt<br />

nichts zu ändern.<br />

b) Die Ersatzpflicht des Beklagten für den Teil des Schadens, der bei<br />

richtiger grundbuchmäßiger Behandlung durch den Erlös aus dem Verkauf<br />

des Grundstücks Nr. 1 aufgewogen worden wäre, entfällt nicht unter dem<br />

Gesichtspunkt der Haftungsbegrenzung durch den Schutzzweck der verletzten<br />

Pflicht. Allerdings kann sich die Haftung desjenigen, der, wie der<br />

Beklagte, zum Ersatz eines Vertrauensschadens verpflichtet ist – der Be-<br />

1) DNotZ 2000, 287.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 865<br />

klagte hat grundsätzlich den Kläger so zu stellen, wie dieser stünde, wenn<br />

er das Darlehen nicht ausgezahlt hätte –, auf den Vermögensnachteil des<br />

Geschädigten beschränken, der gerade durch die verletzte Pflicht vermieden<br />

werden sollte (BGHZ <strong>11</strong>6, 209/212 2 ; BGH, Urteile v. 20. <strong>11</strong>. 1997 – IX ZR<br />

286/96, WM 1998, 142/143; v. 19. 12. 2000 – XI ZR 349/99, ZIP 2001,<br />

230/231 mit Anm. Balzer, z. V. b. in BGHZ). Es mag deshalb sein, dass der<br />

Beklagte nicht für alle denkbaren Schäden einzustehen hat, die der Kläger<br />

durch die Auszahlung des Darlehensbetrages erlitten hat. Daraus ergibt sich<br />

jedoch keine Einschränkung des eingeklagten Anspruchs. Der Kläger<br />

macht, wie dessen Darlegungen zu dem ihm entstandenen Schaden zeigen,<br />

nur die Nachteile geltend, die ihm dadurch entstanden sind, dass er sich mit<br />

der F. S. um den Grundstückserlös streiten und diesen schließlich an jene<br />

auskehren musste; auch der Feststellungsantrag bezieht sich nicht auf einen<br />

darüber hinausgehenden Ausfallschaden. Es ist jedenfalls nicht gerechtfertigt,<br />

die Haftung des Beklagten für den Schaden, der darauf beruht, dass die<br />

Grundschuld des Klägers nicht, wie vom Beklagten unrichtig bestätigt, die<br />

erste Rangstelle erhalten hat, weiter zu beschränken und von der Ersatzpflicht<br />

den Teil des Schadens auszunehmen, der durch pflichtgemäßes<br />

Verhalten des GBA vermieden worden wäre. Für die Beurteilung der Frage,<br />

ob die vom Kläger gewünschte dingliche Absicherung gewährleistet war,<br />

war der Beklagte in vollem Umfang verantwortlich. Dass ein Teil des<br />

Schadens neben der unzutreffenden notariellen Bestätigung auch durch das<br />

pflichtwidrige Verhalten des GBA verursacht worden ist, mindert die<br />

Ersatzpflicht des Beklagten nicht. Insoweit bleibt es bei dem Grundsatz,<br />

dass alle Verursacher eines Schadens für diesen als Gesamtschuldner<br />

haften (vgl. BGHZ 31, 5/13 3 ; MünchKommBGB/Grunsky, 3. Aufl., vor<br />

§ 249 Rdn. 50).<br />

II. Der Feststellungsantrag ist hinsichtlich des dem Kläger durch die<br />

Auszahlung der Darlehenssumme entstandenen Schadens insgesamt begründet,<br />

soweit dieser nicht eingetreten wäre, wenn der Kläger mit seiner<br />

Grundschuld die erste Rangstelle erhalten hätte; nur in diesem Umfang<br />

nimmt der Kläger, wie bereits erwähnt, den Beklagten in Anspruch.<br />

III. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben, soweit die gegen den<br />

Beklagten zu 2) gerichtete Klage abgewiesen worden ist. Da, vom Betragsverfahren<br />

abgesehen, keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen<br />

sind, ist der Beklagte auch insoweit – hinsichtlich des Zahlungsantrags dem<br />

Grunde nach – zu verurteilen.<br />

Nr. 3 BNotO § 15 (Widerruflichkeit der Auszahlungsanweisungen mehrerer<br />

Verkäufer eines Grundstücks)<br />

Enthält ein Grundstückskaufvertrag Weisungen der mehreren Verkäufer<br />

an den Notar betreffend die Auszahlung des zu hinterlegenden<br />

Kaufpreises im Verhältnis der Verkäufer untereinander, so sind diese<br />

2) DNotZ 1992, 552. 3) DNotZ 1960, 260.<br />

DNotZ 2001


866 Rechtsprechung<br />

Weisungen jedenfalls dann seitens einzelner Verkäufer widerruflich,<br />

wenn sie nicht ausdrücklich als unwiderruflich ausgestaltet sind (Abgrenzung<br />

zu Senat, OLGZ 1987, 273 1 ).<br />

KG, Beschl. v. 18. 9. 2001 – 1 W 185/01 (mit Anm. Wegerhoff)<br />

(. . .) Der Senat hat in seinem vom LG angeführten Beschl. v. 12. 5.<br />

1992 – 1 W 7271/89 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH<br />

(DNotZ 1960, 265) die Auffassung vertreten, dass übereinstimmende<br />

Weisungen betreffend die Auszahlung des vom Notar verwahrten Kaufpreises<br />

aus einem Grundstückskaufvertrag zwar im Verhältnis zwischen<br />

Verkäufer und Käufer auch ohne ausdrückliche Bezeichnung als unwiderruflich<br />

grundsätzlich nicht einseitig widerruflich sind (vgl. dazu Senat,<br />

OLGZ 1987, 273/275 1 , nicht aber im Verhältnis der Verkäufer untereinander<br />

(ebenso später Senat, unveröffentlichter Beschl. v. 21. 9. 1999 – 1 W<br />

2680/99). Die Unwiderruflichkeit solcher Weisungen im Verhältnis zwischen<br />

Verkäufer und Käufer folgt daraus, dass die Auszahlungsanweisung<br />

von den gegenläufigen Sicherungsinteressen verfolgenden Vertragsparteien<br />

gemeinsam erteilt wird und ohne eine Bindung des Notars der<br />

Sicherungszweck der Weisung nicht erreicht werden könnte, mit der<br />

Einschaltung des Notars im Ergebnis eine von Einflussnahmen des Käufers<br />

unabhängige, der Zug-um-Zug-Abwicklung vergleichbare Vertragsabwicklung<br />

ohne risikobehaftete Vorleistung des Verkäufers zu erreichen<br />

(Senat, OLGZ 1987, 273/275 1 ). Im Verhältnis der Verkäufer untereinander<br />

betreffend ihre anteilige Berechtigung am Kaufpreis fehlt es indessen<br />

an einer vergleichbaren Interessenlage, worauf das LG zutreffend hingewiesen<br />

hat. Daher muss es in solchem Fall zumindest dann bei dem sich<br />

aus der Rechtsnatur der Weisung als einer dem Bereich der freiwilligen<br />

Gerichtsbarkeit zuzuordnenden Verfahrenshandlung ergebenden allgemeinen<br />

Grundsatz bleiben, das selbst übereinstimmende Weisungen mehrerer<br />

Beteiligter durch einen Beteiligten widerrufen werden können (BGH,<br />

aaO), wenn die Weisungen der Verkäufer untereinander – wie hier – nicht<br />

ausdrücklich als unwiderruflich ausgestaltet sind. Im Übrigen nimmt der<br />

Senat auf die rechtlich zutreffende Begründung der Entscheidung des LG<br />

Bezug.<br />

Die Begründung der weiteren Beschwerde gibt zu einer anderen Beurteilung<br />

keinen Anlass. Insbesondere haben in Fällen der vorliegenden Art<br />

weder der Notar noch die Instanzen des Beschwerdeverfahrens nach § 15<br />

BNotO zu prüfen und zu entscheiden, ob der von einem Teil der Verkäufer<br />

erklärte Widerruf der ursprünglichen Auszahlungsanweisung nach materiellem<br />

Recht begründet ist. Die vom Beteiligten zu 1) angeführte Entsch. des<br />

BGH v. 10. 2. 2000 2 (NJW 2000, 1644) befasst sich nach dem mitgeteilten<br />

Inhalt lediglich mit der Maßgeblichkeit übereinstimmender Auszahlungsanweisungen<br />

im Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer des Grundstückskaufvertrages<br />

und ist deshalb hier nicht einschlägig. (. . .)<br />

1) DNotZ 1987, 577. 2) In diesem Heft S. 856.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 867<br />

Anmerkung: Der Beschluss des KG v. 18. 9. 2001 (1 W 185/01) betrifft<br />

den Fall eines im Hinblick auf die Kaufpreisverteilung erklärten Widerrufs<br />

einer mehrseitigen Verwahrungsanweisung durch einen von mehreren Verkäufern.<br />

Die Entscheidung vermag weder im Ergebnis noch in der Begründung<br />

zu überzeugen. Dies beruht im Wesentlichen darauf, dass sich das<br />

Gericht bei seiner Entscheidungsfindung in erster Linie mit der eigenen<br />

Rechtsprechung befasst, anstatt den Fall ausgehend vom Gesetzeswortlaut<br />

einer Entscheidung zuzuführen.<br />

Mit der Einführung der §§ 54 a bis e BeurkG durch die zum 31. 8.<br />

1998 1 in Kraft getretene Novellierung des Beurkundungsgesetzes wurde<br />

das bis dahin überwiegend in der Dienstordnung für Notare (DONot)<br />

geregelte notarielle Verwahrungsverfahren gesetzlich kodifiziert. Dabei<br />

wurde mit § 54 c BeurkG eine Neuregelung in das Gesetz aufgenommen,<br />

die sich eingehend mit dem Widerruf der dem Notar erteilten Verwahrungsanweisungen<br />

auseinandersetzt 2 . § 54 c Abs. 1 BeurkG stellt hierbei<br />

als Grundsatz die freie Widerruflichkeit der Verwahrungsanweisung auf,<br />

und zwar sowohl für die einseitige als auch für die mehrseitige Verwahrungsanweisung.<br />

Eine mehrseitige Verwahrungsanweisung kann jedoch<br />

grundsätzlich nur von allen Anweisenden einvernehmlich geändert werden<br />

(§ 54 c Abs. 2 BeurkG). Erfolgt der Widerruf lediglich durch einen<br />

der Anweisenden, ist er nach § 54 c Abs. 3 Satz 1 BeurkG von dem<br />

Notar nur dann zu beachten, wenn er damit begründet wird, dass das der<br />

Verwahrung zugrundeliegende Rechtsverhältnis aufgehoben, unwirksam<br />

oder rückabzuwickeln ist. Da § 54 c Abs. 3 BeurkG im vorstehenden<br />

Fall keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Verwahrungsanweisung<br />

im Verhältnis der Verkäufer untereinander als mehrseitig einzustufen<br />

ist. Die Abgrenzung zwischen dem Vorliegen einer einseitigen<br />

oder mehrseitigen Verwahrungsanweisung hat nach dem Schutzbedürfnis<br />

der Beteiligten zu erfolgen 3 . Dabei kommt es entscheidend darauf an,<br />

wer durch die dem Notar übertragene Verfügungsbefugnis gesichert werden<br />

soll 4 . Daher sind im Zweifel alle Anweisungen im Verhältnis der<br />

Vertragsparteien zueinander als mehrseitig einzustufen, welche dem<br />

Schutz des Empfangsberechtigten ab Fälligkeit der Einzahlung bzw. dem<br />

Schutz des Einzahlenden bis zum Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen<br />

dienen 5 . Eine Einordnung der Verwahrungsanweisung im Verhältnis<br />

der Verkäufer untereinander gelingt nach dieser Faustformel nicht.<br />

Gleichwohl geht die Literatur davon aus, dass mehrere Verkäufer Anweisungen<br />

über die Kaufpreisverteilung untereinander im Zweifel nur einvernehmlich<br />

vornehmen können, wenn auch ohne Mitwirkung des Käu-<br />

1) BGBl. I, 2585.<br />

2) Vgl. hierzu Hertel, ZNotP Beilage 3/1998, 8; Weingärtner, NotBZ 1998, 127 ff.;<br />

Brambring, ZfIR 1999, 333 ff.; Eylmann/Vaasen/Hertel, BeurkG, §§ 54 a ff.; Keidel/<br />

Winkler, BeurkG, §§ 54 a ff.<br />

3) Hertel, aaO, S. 8; Keidel/Winkler, BeurkG, § 54 c Rdn. 10.<br />

4) Keidel/Winkler, BeurkG, § 54 c Rdn. 10.<br />

5) Hertel, aaO, S. 8.<br />

DNotZ 2001


868 Rechtsprechung<br />

fers 6 . Das KG beruft sich demgegenüber bei seiner Entscheidung darauf,<br />

dass es im Verhältnis der Verkäufer untereinander betreffend ihre anteilige<br />

Berechtigung am Kaufpreis an einer vergleichbaren Interessenlage<br />

– wie im Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer – fehle. Daher<br />

müsse es zumindest dann bei dem sich aus der Rechtsnatur der Weisung<br />

als einer dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnenden<br />

Verfahrenshandlung ergebenden allgemeinen Grundsatz bleiben, dass<br />

selbst übereinstimmende Weisungen mehrerer Beteiligter durch einen<br />

derselben widerrufen werden können, wenn die Weisungen der Verkäufer<br />

untereinander – wie in dem zur Entscheidung stehenden Fall – nicht<br />

ausdrücklich als unwiderruflich ausgestaltet sind. Das KG verkennt, dass<br />

die Verkäufer zwar im Verhältnis zum Käufer gleiche Interessen verfolgen<br />

dürften, dies aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass sie damit nicht<br />

entgegengesetzte Interessen untereinander verfolgen können und insoweit<br />

grundsätzlich auch ein beachtenswerten Schutzbedürfnis vorliegt. Gerade<br />

im Hinblick auf die Verteilung des Kaufpreises muss davon ausgegangen<br />

werden, dass jeder Verkäufer eigene finanzielle Interessen verfolgt. Die<br />

entgegengesetzte Interessenlage der Verkäufer hat sich im vorstehenden<br />

Fall durch den einseitigen Widerruf eines der Verkäufer auch verwirklicht.<br />

Auch im Hinblick darauf, dass Konstellationen denkbar sind, in<br />

welchen ein Verkäufer im Vertrauen auf die Verwahrungsanweisung Verpflichtungen<br />

eingegangen ist und durch den einseitigen Widerruf seines<br />

Mitverkäufers diesen nicht mehr zeitgerecht nachkommen und damit<br />

möglicherweise in eine Zwangslage geraten kann, erscheint es sachgerecht,<br />

mit der in der Literatur vertretenen Auffassung daran festzuhalten,<br />

dass mehrere Verkäufer eine bestimmte Auszahlung im Zweifel nur<br />

einvernehmlich widerrufen können.<br />

Notarassessor Stefan Wegerhoff, Köln<br />

III. Handels- und Gesellschaftsrecht<br />

Nr. 1 AktG § 242 Abs. 2; GmbHG §§ 34 Abs. 3, 33 Abs. 2, 30 Abs. 1<br />

(Heilung einer wegen Gläubigerdiskriminierung nichtigen GmbH-<br />

Satzungsbestimmung)<br />

a) Die Regelung des § 242 Abs. 2 AktG findet auf nichtige Bestimmungen<br />

der Ursprungssatzung sowohl im Aktien- als auch im GmbH-<br />

Recht entsprechende Anwendung.<br />

b) Die Regelung einer GmbH-Satzung, nach der die Einziehung eines<br />

Geschäftsanteils bei dessen Pfändung für ein unter dem Verkehrswert<br />

liegendes Entgelt zulässig ist, ist nichtig, wenn für den vergleichbaren<br />

Fall der Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund<br />

6) Eylmann/Vaasen/Hertel, BeurkG, § 54 c Rdn. 17; Hertel, aaO, S. 8; Keidel/Winkler,<br />

BeurkG, § 54 c Rdn. <strong>11</strong>.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 869<br />

nicht dieselbe oder gar keine Entschädigungsregelung getroffen wird<br />

(Ergänzung zu BGHZ 32, 151 1 und BGHZ 65, 22 2 ).<br />

c) Der Beschluss über die Einziehung eines Geschäftsanteils ist nichtig,<br />

wenn bereits bei der Beschlussfassung feststeht, dass die Entschädigung<br />

des Gesellschafters ganz oder teilweise nur aus gebundenem Vermögen<br />

gezahlt werden kann und der Beschluss nicht klarstellt, dass die<br />

Zahlung nur bei Vorhandensein ungebundenen Vermögens erfolgen<br />

darf.<br />

BGH, Urt. v. 19. 6. 2000 – II ZR 73/99 (mit Anm. Zöllner)<br />

Der Kläger hat als Rechtsnachfolger seines Vaters zwei Geschäftsanteile an der Beklagten<br />

im Nominalwert von 33 000,– DM und 7 000,– DM erworben. Diese Anteile hat die<br />

Sparkasse O. wegen einer ihr gegen den Kläger zustehenden Forderung von<br />

574 032,10 DM pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Die Beklagte setzte<br />

die Abfindungssumme auf 88 400,– DM fest und zahlte diesen Betrag an die Sparkasse.<br />

Dazu beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten, die Geschäftsanteile des<br />

Klägers zum „Steuerkurswert‘‘ – darunter verstehen die Parteien den „steuerlichen Einheitswert‘‘<br />

– einzuziehen. Dieser Beschluss stützt sich auf § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages,<br />

der wie folgt lautet: „Sofern ein Geschäftsanteil gepfändet wird oder der<br />

Inhaber eines Geschäftsanteils in Konkurs oder ein gerichtliches Vergleichsverfahren<br />

gerät, ist die Gesellschaft befugt, den Geschäftsanteil zum Steuerkurswert zwecks Einziehung<br />

zu erwerben.‘‘<br />

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen den Einziehungsbeschluss. Er hat sich<br />

auf die Nichtigkeit des § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages berufen und geltend gemacht,<br />

die Anteile hätten einen Verkehrswert von ca. 1,6 Mio. DM. Aus den von der<br />

Beklagten überreichten Unterlagen ergibt sich, dass der Jahresabschluss per 31. 12. 1997<br />

einen Überschuss von 18 031,98 DM ausweist. Der Prüfungsbericht enthält dazu den<br />

Vermerk, der Abfindungsbetrag von 88 400,– DM sei zunächst als sonstige Forderung<br />

behandelt worden und werde nunmehr aus dem über das Kapital hinausgehenden Vermögen<br />

getilgt.<br />

LG und BerufungsG haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger<br />

sein Klagebegehren weiter.<br />

I. Die Revision führt zur Zurückverweisung.<br />

II. 1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Regelung in der<br />

Satzung einer GmbH wegen Gläubigerdiskriminierung nichtig, wenn sie bei<br />

Pfändung eines Geschäftsanteils dessen Einziehung gegen ein unter dem<br />

Verkehrswert liegendes Entgelt zulässt und dieselbe Entschädigungsregelung<br />

nicht auch für den vergleichbaren Fall der Ausschließung eines Gesellschafters<br />

aus wichtigem Grund getroffen wird (BGHZ 65, 22/28 f. 2 unter<br />

Einschränkung von BGHZ 32, 151/155 ff. 1 ).<br />

Den beiden Entscheidungen liegen zwar Fallgestaltungen zugrunde, in<br />

denen die Einziehung des Geschäftsanteils sowohl bei dessen Pfändung als<br />

auch bei Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund in der<br />

Satzung – unterschiedlich – geregelt war. Der Grundsatz gilt jedoch auch<br />

dann, wenn die Satzung lediglich die Einziehung gegen ein geringwertiges<br />

Entgelt für den Fall der Anteilspfändung (bzw. der Insolvenz des Gesellschafters),<br />

nicht aber die Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem<br />

Grund und die Anteilseinziehung regelt. Denn in einem solchen Falle ist<br />

1) DNotZ 1960, 331. 2) DNotZ 1976, 181.<br />

DNotZ 2001


870 Rechtsprechung<br />

der Gesellschafter zum vollen Wert abzufinden (vgl. BGHZ 9, 157/167 ff. 3 ;<br />

ferner BGHZ <strong>11</strong>6, 359/370 f. 4 ), während der Gläubiger sich von vornherein<br />

mit einem niedrigeren Betrag begnügen muss.<br />

Diese Konstellation ist im vorliegenden Fall gegeben. Würde der Kläger<br />

aus der Beklagten ausgeschlossen, könnte er durch Veräußerung seines<br />

Anteils an die Gesellschafter, in den von § 33 Abs. 2 GmbHG gesteckten<br />

Grenzen an die Gesellschaft oder – mit deren Genehmigung – an Dritte<br />

dessen vollen Wert realisieren. Seine Gläubiger hingegen erhalten bei Anteilspfändung<br />

oder in der Insolvenz nur einen Betrag in Höhe des „Steuerkurswertes‘‘<br />

bzw. „steuerlichen Einheitswertes‘‘, der in der Regel niedriger<br />

als der wirkliche Anteilswert ist. Das BerufungsG ist daher zu Recht zu<br />

dem Ergebnis gelangt, dass die Bestimmung des § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages<br />

nichtig ist.<br />

Allerdings ist es dem Kläger verwehrt, sich auf die Nichtigkeit der<br />

Regelung zu berufen. Das folgt aus einer entsprechenden Anwendung des<br />

§ 242 Abs. 2 Satz 1 AktG. Ist ein Hauptversammlungsbeschluss nichtig<br />

i. S. des § 241 Nr. 1, 3 und 4 AktG, so kann nach dieser Vorschrift seine<br />

Nichtigkeit dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Beschluss<br />

in das Handelsregister eingetragen worden ist und seitdem drei Jahre vergangen<br />

sind. Da das Gesetz die Heilung generell für Beschlüsse vorsieht,<br />

die wegen ihrer Bedeutung in das Handelsregister einzutragen sind, umfasst<br />

die Regelung auch nichtige Beschlüsse über Satzungsänderungen (BGHZ<br />

99, 2<strong>11</strong>/217). Nach dem Wortlaut der Bestimmung erstreckt sich die Heilung<br />

zwar nicht auf nichtige Regelungen der ursprünglichen Satzung. Darin<br />

ist jedoch zu Recht eine Ungleichbehandlung der durch Beschluss der<br />

Gründer festgestellten und der durch Hauptversammlungsbeschluss geänderten<br />

Satzungsbestimmungen gesehen worden, die sich weder rechtsdogmatisch<br />

noch rechtssystematisch rechtfertigen lässt (vgl. Geßler, ZGR 1980,<br />

427/453). Da Sinn der Regelung die Herbeiführung von Rechtssicherheit<br />

ist, die bei gleicher Sachlage für alle Satzungsbestimmungen im Rechtsverkehr<br />

der Gesellschaften erforderlich ist und nicht davon abhängt, ob die<br />

Regelung bereits in der Ursprungssatzung getroffen oder später durch<br />

Hauptversammlungsbeschluss eingefügt worden ist, erscheint es geboten,<br />

den Rechtsgedanken dieser Vorschrift auch auf nichtige Bestimmungen der<br />

Ursprungssatzung anzuwenden (vgl. Geßler, ZGR 1980, 427/453; tendenziell<br />

ablehnend wohl GroßkommAktG/K. Schmidt, 4. Aufl., § 242 Rdn. 8;<br />

offen gelassen in BGHZ 99, 2<strong>11</strong>). Dem Einwand, damit werde gegen<br />

zwingendes Gesetzesrecht verstoßendes Satzungsrecht auf ewig sanktioniert<br />

(so Säcker, JZ 1980, 82/84, Fußn. 14), ist zutreffend mit dem Hinweis<br />

begegnet worden, das RegisterG könne die Löschung nach §§ 142 Abs. 1,<br />

144 Abs. 2 FGG jederzeit von Amts wegen bewirken (Geßler, ZGR 1980,<br />

427/453; BGHZ 99, 2<strong>11</strong>/217 f.; vgl. auch GroßkommAktG/K. Schmidt,<br />

4. Aufl., § 242 Rdn. 8, 14). Er müsste überdies in gleicher Weise für nachträglich<br />

eingefügtes Satzungsrecht gelten.<br />

3) DNotZ 1953, 429. 4) DNotZ 1992, 526.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 871<br />

Die Vorschrift des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG ist im GmbH-Recht entsprechend<br />

anzuwenden (BGHZ 80, 212 5 ; BGH, AG 1984, 149). Auch im<br />

GmbH-Recht ist die Sicherheit des Rechtsverkehrs von ausschlaggebender<br />

Bedeutung.<br />

Da der Gesellschaftsvertrag der Beklagten am 14. <strong>11</strong>. 1977 geschlossen,<br />

die Beklagte kurz darauf in das Handelsregister eingetragen worden ist und<br />

die Regelung des § 5 Abs. 3 zu den damals geschaffenen Bestimmungen<br />

gehört, sind die Voraussetzungen für ihre Heilung entsprechend § 242<br />

Abs. 2 Satz 1 AktG erfüllt.<br />

2. Die Revision rügt jedoch zu Recht, dass das BerufungsG die Nichtigkeit<br />

des Einziehungsbeschlusses nicht unter dem Gesichtspunkt der §§ 34<br />

Abs. 3, 30 Abs. 1 bzw. § 33 Abs. 2 GmbHG gewürdigt hat.<br />

Nach diesen Vorschriften darf der Erwerb eigener Geschäftsanteile nicht<br />

aus dem Vermögen der Gesellschaft finanziert werden, das zur Deckung der<br />

Stammkapitalziffer benötigt wird.<br />

Der Kläger hat behauptet, seine Geschäftsanteile verkörperten inzwischen<br />

einen Wert von ca. 1,6 Mio. DM. Fallen der im Gesellschaftsvertrag<br />

vereinbarte Abfindungsbetrag und der wirkliche Wert des Geschäftsanteils<br />

infolge der Geschäftsentwicklung der Gesellschaft auseinander und ist der<br />

Abfindungsbetrag unter diesen Umständen unangemessen gering, muss<br />

dem Gesellschafter ein angemessener Abfindungsbetrag gezahlt werden<br />

(BGHZ <strong>11</strong>6, 359/360 4 ; 123, 281/284 ff.; BGH, ZIP 1993, <strong>11</strong>60/<strong>11</strong>62).<br />

Nach den von der Beklagten überreichten Unterlagen kann nicht ausgeschlossen<br />

werden, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Falle<br />

erfüllt sind. Der Jahresabschluss weist für das Geschäftsjahr 1997 lediglich<br />

einen Jahresüberschuss von ca. 18 000,– DM aus. Da der Stichtag des<br />

Einziehungsbeschlusses sehr nahe an dem Stichtag der Jahresbilanz liegt,<br />

spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine zum 29. 10. 1997<br />

erstellte Bilanz zu fortgeführten Buchwerten, auf die für die Feststellung<br />

einer Unterbilanz abzustellen ist (vgl. zuletzt BGH, ZIP 1996, 1984), zu<br />

keinem wesentlich anderem Ergebnis führt.<br />

Der wahre Wert des Geschäftsanteils ist dagegen unter Berücksichtigung<br />

der stillen Reserven und des Geschäftswertes des Unternehmens festzustellen<br />

(BGH, WM 1967, 479; BGHZ <strong>11</strong>6, 359/370 f.). Da bei Ermittlung des<br />

angemessenen Abfindungsbetrages von diesem Wert auszugehen ist, ist die<br />

Behauptung des Klägers, seine Geschäftsanteile seien ca. 1,6 Mio. DM<br />

wert, als schlüssig anzusehen und für die Revisionsinstanz als richtig zu<br />

unterstellen.<br />

Führen die Feststellungen des BerufungsG zu einem entsprechenden<br />

Ergebnis, so wäre der Einziehungsbeschluss nichtig, weil bereits bei seiner<br />

Fassung festgestanden hätte, dass die Gesellschaft die sofort fällige Abfindung<br />

nicht aus ihrem ungebundenen Vermögen hätte aufbringen können.<br />

Das BerufungsG wird demnach der Frage nachzugehen haben, ob dem<br />

Kläger ein den Steuerkurswert übersteigender angemessener Abfindungs-<br />

5) DNotZ 1982, 171.<br />

DNotZ 2001


872 Rechtsprechung<br />

wert zusteht und ob dessen Zahlung bezogen auf den Stichtag des Einziehungsbeschlusses<br />

zu einer Unterbilanz führt.<br />

3. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das<br />

BerufungsG zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, die weiterhin<br />

erforderlichen Feststellungen – ggf. nach ergänzendem Vortrag der<br />

Parteien – zu treffen.<br />

Anmerkung: Die Entscheidung, die auch in der amtlichen Sammlung<br />

BGHZ 144, 365 abgedruckt ist, befasst sich mit zwei verschiedenen Nichtigkeitsfragen.<br />

Zum einen behandelt sie die Nichtigkeit einer GmbH-Satzungsregelung<br />

über das Entgelt bei Einziehung eines Geschäftsanteils wegen<br />

dessen Pfändung. Zum anderen nimmt sie Nichtigkeit eines Einziehungsbeschlusses<br />

an, wenn bereits bei der Beschlussfassung feststeht, dass<br />

die Entschädigung ganz oder teilweise nur aus zur Deckung des Stammkapitals<br />

gebundenem Vermögen gezahlt werden kann und der Beschluss<br />

nicht klarstellt, dass die Zahlung nur bei Vorhandensein ungebundenen<br />

Vermögens erfolgen darf. Zu beidem findet sich im Urteil nichts aufregend<br />

Neues. Gleichwohl gibt das Urteil Anlass zu einigem Nachdenken.<br />

1. In Fortführung früherer Rechtsprechung sieht das Urteil eine Satzungsregelung<br />

als nichtig an, wenn sie die Einziehung eines Geschäftsanteils<br />

für den Fall seiner Pfändung oder Verstrickung in ein Insolvenzverfahren<br />

zu einem unter dem Verkehrswert des Anteils liegenden Wert (in<br />

der einschlägigen Satzung war der steuerliche Einheitswert vorgesehen)<br />

zulässt und nicht dieselbe Entschädigungsregelung auch für den Fall der<br />

Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund vorsieht. Wie<br />

der Senat selbst hervorhebt, lagen in den von ihm zitierten früheren Entscheidungen<br />

(BGHZ 65, 22 = DNotZ 1976, 181 sowie BGHZ 32, 151 =<br />

DNotZ 1960, 331) für die beiden genannten Einziehungs- bzw. Ausschlusskonstellationen<br />

jeweils unterschiedliche Satzungsregelungen vor, während<br />

im hier zu besprechenden Fall für die Ausschließung aus wichtigem Grund<br />

keine Satzungsregelung getroffen war. Mit Recht stellt die Entscheidung<br />

diesen Fall den früheren gleich. Denn da die Ausschließung aus wichtigem<br />

Grund auch ohne Grundlage in der Satzung zulässig ist, für diesen Fall aber<br />

bei Fehlen einer abweichenden Regelung der volle Verkehrswert zu zahlen<br />

ist, liegt eine Benachteiligung der Gläubiger gegenüber den Gesellschaftern<br />

auch hier jedenfalls im gleichen Maß vor, wie wenn die Satzung für die<br />

Ausschließung ein höheres Entgelt vorsähe. Etwas anderes könnte man<br />

insoweit nur annehmen, wenn die für den Pfändungsfall getroffene Entgeltregelung<br />

der Satzung auch auf die Ausschließung aus wichtigem Grund<br />

anzuwenden wäre. Das stieße jedoch auf erhebliche Bedenken, weil die<br />

Gesellschafter mit einer solchen für sie belastenden Regelung im Ausschließungsfall<br />

nicht rechnen. Sie ist, auch wenn man den grundsätzlichen Willen,<br />

die Nichtigkeit von Satzungsbestimmungen zu vermeiden, unterstellen<br />

kann, hier wegen ihres besonders einschneidenden Gehalts nicht als gewollt<br />

anzusehen (zum Erfordernis der Erkennbarkeit von Einschränkungen der<br />

Abfindung für die Gesellschafter Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 17. Aufl., § 34 Rdn. 22; Scholz/Westermann, GmbHG, 9. Aufl.,<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 873<br />

§34Rdn.29;Niemeier, ZGR 1990, 314/316). Die Anwendbarkeit auf den<br />

Fall der Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund ist daher<br />

nicht im Weg der Auslegung zu gewinnen. Eine analoge Anwendung<br />

scheidet wegen Unterschiedlichkeit der Interessenlage ebenfalls aus.<br />

Eine andere Frage ist freilich, ob der BGH den Nichtigkeitsgrund der<br />

benachteiligenden Entgeltregelung überzeugend abgrenzt. Die Nichtigkeit<br />

von Entgeltregelungen für Einziehung und Ausschließung ergibt sich jedenfalls<br />

nicht schon dann, wenn die Regelung nach den Gründen des Ausschlusses<br />

differenziert (vgl. Hueck/Fastrich, aaO, Rdn. 26 mit Nachw.).<br />

Zweifellos dürfte das Entgelt knapper bemessen werden, wenn der Ausschluss<br />

wegen schuldhafter Pflichtverletzungen erfolgt. Verschuldet sich<br />

ein Gesellschafter so, dass es zur Pfändung seines Anteils kommt, kann<br />

darin durchaus eine Pflichtverletzung auch gegenüber der Gesellschaft und<br />

den Mitgesellschaftern liegen. Auch muss eine Regelung wie die in der<br />

vorliegenden Satzung getroffene subjektiv keineswegs von der Absicht der<br />

Gläubigerbenachteiligung getragen sein. Zum einen ist ja eigentlicher Gläubiger<br />

des Entgelts im Fall der Ausschließung oder Einziehung auch bei<br />

Anteilspfändung der Gesellschafter selbst und nicht der pfändende Zwangsvollstreckungsgläubiger,<br />

dem der Entgeltanspruch nur zur Einziehung überwiesen<br />

ist. Wird das Entgelt durch die Abfindungsregelung geringer bemessen<br />

als der Verkehrswert, ist das gerade auch bei Pfändung für den Gesellschafter<br />

selbst nachteilig, weil die Einziehung des Anteils ihn in geringerem<br />

Maß von Verbindlichkeiten befreit (so war es im vorliegenden Fall: der<br />

pfändende Gläubiger machte eine Forderung von über einer halben Mio.<br />

DM geltend, der satzungsmäßige Abfindungsbetrag belief sich auf 88 400,–<br />

DM. Lag der Verkehrswert, wie vom klagenden Gesellschafter behauptet,<br />

über dem letztgenannten Betrag, blieb der Gesellschafter in Höhe der<br />

Differenz gegenüber dem Gläubiger unbefreit).<br />

Zum anderen gibt es auch die Konstellation, dass der vollstreckbare<br />

Anspruch des Gläubigers niedriger ist als die von der Gesellschaft zu leistende<br />

Entschädigung. Der Gläubiger erleidet dann aus der Satzungsregelung<br />

gar keinen Nachteil. Das zeigt, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegen<br />

die Satzungsregelung – ein anderer Nichtigkeitsgrund kommt bei der Konstruktion<br />

des BGH schwerlich in Frage – jedenfalls arg pauschal ist. Bezeichnenderweise<br />

wird denn auch die Rechtsgrundlage für die Nichtigkeit<br />

in der Entscheidung nicht (ebenso wenig in BGHZ 65, 22) genannt. Offenbar<br />

haben sich, wie im Kapitalgesellschaftsrecht nicht selten, gewisse Vorstellungen<br />

von guter gesellschaftsrechtlicher Ordnung gegenüber der gesetzlichen<br />

Nichtigkeitsgrundlage verselbständigt und führen nun ein „normatives‘‘<br />

Eigenleben ohne Rücksicht auf die Angemessenheit der Nichtigkeitsfolge<br />

im konkreten Fall.<br />

Zu fragen könnte andererseits auch sein, ob nicht jede Entgeltregelung<br />

unterhalb des Verkehrswerts als (objektiv) gläubigerbeschwerend der Nichtigkeit<br />

anheim zu fallen hat, wie dies früher vom RG und auch noch vom<br />

BGH in BGHZ 32, 151 angenommen worden ist. Das Abstellen auf die<br />

Ungleichbehandlung von Gläubigern und Gesellschaftern als nichtigkeitsbegründend<br />

ist jedenfalls kein evident maßgebender Gesichtspunkt; genau-<br />

DNotZ 2001


874 Rechtsprechung<br />

er: warum sollen die Gläubiger eines Gesellschafters bei einem Gesellschaftsanteil<br />

als Vollstreckungsobjekt auf einen Teil des Verkehrswertes nur<br />

deshalb verzichten müssen, weil auch der Gesellschafter, wenn er ausgeschlossen<br />

wird, darauf verzichten muss? Der in BGHZ 65, 22 entwickelte<br />

Gesichtspunkt, dass der Gläubiger den Geschäftsanteil als Vollstreckungsobjekt<br />

gleichsam in der Gestalt entgegennehmen muss, in der er auch dem<br />

Gesellschafter gegenüber ausgeformt ist, überzeugt nicht ohne weiteres.<br />

Denn der Verkehrswert ist auch dann, wenn der Gesellschafter im Fall<br />

seiner Ausschließung ein geringeres Entgelt erhält, kein bloß fiktiver Wert,<br />

sondern ein durch den Gesellschafter im Fall der Veräußerung des Anteils<br />

jedenfalls prinzipiell realisierbarer Wert. Es war deshalb durchaus nicht<br />

ohne Überzeugungskraft, wenn die ältere Rechtsprechung für ihre Auffassung<br />

an die zu § 15 Abs. 5 GmbHG entwickelte Einschränkung anknüpfte,<br />

dass die Anteilsvinkulierung die Veräußerung im Zwangsvollstreckungsfall<br />

nicht hindern dürfe. Man wird das heute mit der Maßgabe für richtig halten<br />

dürfen, dass die Vinkulierung eine Veräußerung im Vollstreckungsfall nicht<br />

hindern darf, sofern nicht die Gesellschaft den vollen Verkehrswert des<br />

Anteils aus eigenem oder fremdem Vermögen zur Verfügung stellt.<br />

2. Die vom BGH bejahte Nichtigkeit der in der Satzung getroffenen<br />

Entgeltregelung blieb in der Entscheidung folgenlos, weil das Gericht<br />

„Heilung‘‘ der nichtigen Satzungsregelung entsprechend § 242 Abs. 2<br />

Satz 1 AktG annahm. Nach dieser Norm kann die auf § 241 Nr. 1, 3 oder 4<br />

beruhende Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses nicht mehr<br />

geltend gemacht werden, wenn die Eintragung im Handelsregister erfolgt<br />

ist und seither drei Jahre verstrichen sind. Richtig ist jedenfalls zweierlei:<br />

zum einen ist die genannte Norm auch auf die GmbH anzuwenden (vgl. aus<br />

der Literatur nur Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., Anh.<br />

§ 47 Rdn. 35 ff.; ausführlich Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im<br />

Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, 325 ff.; jetzt wohl allg. M.; anders noch<br />

BGHZ <strong>11</strong>, 235 = DNotZ 1954, 87 sowie BGH, WM 1978, 552, wo statt der<br />

Dreijahresfrist eine angemessene Frist für maßgeblich erachtet, die Heilung<br />

durch Zeitablauf aber ebenfalls bejaht wurde). Richtig ist zum anderen,<br />

dass die ursprüngliche Nichtigkeit einzelner Satzungsbestimmungen wegen<br />

Gesetz- oder Sittenwidrigkeit nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister<br />

schwerlich länger anhalten kann, als wenn diese Bestimmungen<br />

durch Satzungsänderungsbeschlüsse der Satzung einverleibt werden.<br />

Problematisch, oder sagen wir es anders, im Ergebnis unbefriedigend ist,<br />

dass aufgrund dieser Regelung Satzungsbestimmungen bei Kapitalgesellschaften<br />

wirksam werden können, die zwingendem Gesetzesrecht widersprechen<br />

oder inhaltlich gegen die guten Sitten verstoßen. Letztlich führt dies<br />

dazu, dass Satzungsrecht stärker zu wirken vermag als zwingendes Gesetz.<br />

Bisher haben Rechtsprechung und h. L. nicht den Mut oder Impetus gefunden,<br />

von dem klar und eindeutig formulierten Gesetz abzuweichen (vgl. auch<br />

BGHZ 99, 2<strong>11</strong>/217; anders U. Stein, ZGR 1994, 472; ausführlich gegen diese<br />

abweichende Auffassung Casper, aaO, S. 219 ff.). Solche keineswegs mehr<br />

selbstverständliche Gesetzestreue mag zu loben sein. Rechtspolitisch ist die<br />

gesetzliche Regelung jedoch, was die Fälle inhaltlichen Konflikts zwischen<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 875<br />

Satzung und zwingendem Recht anlangt, eher als verfehlt anzusehen.<br />

Rechtssicherheitsüberlegungen können sie jedenfalls kaum rechtsfertigen,<br />

da ein inhaltlicher Konflikt von Satzung und Gesetz jedenfalls dem geschulten<br />

Sachverstand in der Regel auch nach Jahren erkennbar bleibt.<br />

3. War sonach die Einziehung des klägerischen Geschäftsanteils aufgrund<br />

der ursprünglich nichtigen, aber als geheilt anzusehenden Satzungsregelung<br />

zulässig und die Bemessung des Entgelts abweichend von der<br />

Abfindung eines auszuschließenden Gesellschafters und abweichend vom<br />

Verkehrswert durch die Satzungsregelung gedeckt, hält das Gericht den<br />

konkreten Einziehungsbeschluss gleichwohl für nichtig, wenn das zu zahlende<br />

Entgelt nicht aus dem durch die Erhaltung des Stammkapitals ungebundenen<br />

Vermögen beglichen werden kann und diese mangelnde Auszahlungsfähigkeit<br />

des Abfindungsbetrags bereits bei Fassung des Einziehungsbeschlusses<br />

feststand.<br />

a) Daran ist zunächst richtig, dass Einziehungsentgelte und Abfindungen<br />

bei Ausschluss eines Gesellschafters nur aus durch Stammkapital ungebundenem<br />

Vermögen beglichen werden dürfen. Das ist selbstverständlich. Sicher<br />

ist auch, dass ein Beschluss, der die Auszahlung zulasten des Stammkapitals<br />

vorsähe, wegen Inhaltsverstoßes gegen gläubigerschützende Vorschriften<br />

nichtig wäre.<br />

b) Daraus allein folgt freilich noch nicht, dass ein Beschluss, der dies<br />

nicht vorsieht oder anordnet, sondern bei dem die alsbaldige Zahlung nur<br />

de facto lediglich zulasten des Stammkapitals möglich wäre, ebenfalls<br />

nichtig ist. Denn jedenfalls dürfte die Zahlung auch bei Wirksamkeit des<br />

Beschlusses nicht erfolgen. Würde sie dennoch vorgenommen, würden<br />

sowohl der Zahlungsempfänger nach § 31 Abs. 1 (in den Grenzen des<br />

Abs. 2) als auch die übrigen Gesellschafter nach Abs. 3 und die Geschäftsführer<br />

nach Abs. 6 haften. Ein nichtigkeitsbegründender Verstoß gegen<br />

gläubigerschützende Regeln könnte daher hinsichtlich des Einziehungsbeschlusses<br />

nur angenommen werden, wenn man allein schon in der Fassung<br />

des Beschlusses eine verbotene Gläubigergefährdung sieht. Das ist<br />

zumindest nicht unproblematisch, wie ja auch die zur zusätzlichen Nichtigkeitsvoraussetzung<br />

erhobene, inhaltlich recht unbestimmte Formel zeigt,<br />

dass die Auszahlungsunfähigkeit im Beschlusszeitpunkt „feststehen‘‘ müsse.<br />

Die Problematik wird etwa an der bei Hueck/Fastrich, aaO,Rdn.34,zu<br />

findenden Begründung deutlich, dass zwar der Einziehungsbeschluss § 30<br />

GmbHG nicht unmittelbar verletze (er verletzt ihn richtigerweise gar nicht),<br />

sondern erst durch Auszahlung (der Beschluss zahlt indessen nicht aus),<br />

doch könne ein Beschluss keine Gültigkeit haben, dessen Durchführung<br />

von vornherein und auf Dauer in offenem Widerspruch (!) zum Kapitalerhaltungsgrundsatz<br />

stehe. Nun könnte man diesen Widerspruch allenfalls<br />

dann als offenen qualifizieren, wenn die fehlende Deckung nicht nur feststeht,<br />

sondern erkennbar ist. Aber auch wenn man nicht auf die Offenheit,<br />

sondern nur auf die Tatsache des „Widerspruchs‘‘ abstellt, reicht das nicht<br />

aus. Wäre es richtig, müssten auch alle Beschlüsse über obligatorische<br />

Geschäfte, deren Erfüllung zur Verletzung von § 30 führt, der Nichtigkeit<br />

anheimfallen. Das würde in seltsamem Gegensatz dazu stehen, dass solche<br />

DNotZ 2001


876 Rechtsprechung<br />

Geschäfte nach fast allg. M. als gültig betrachtet werden (so auch Hueck/<br />

Fastrich, aaO, § 30 Rdn. 21). Verneint man, wie wohl richtig, einen Verstoß<br />

gegen Gläubigerschutznormen aufgrund des Einziehungsbeschlusses allein,<br />

geht es nur um den Schutz des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters<br />

vor einer Einziehung, deren Entgelt (jedenfalls vorläufig) nicht<br />

bezahlt werden kann. Dieses Schutzbedürfnis reicht jedenfalls für die Begründung<br />

der Nichtigkeitsfolge nicht aus. Ihm trägt die Rechtsprechung<br />

dadurch Rechnung, dass der Beschluss als unter der aufschiebenden gesetzlichen<br />

Bedingung der Entgeltzahlung gefasst angesehen wird (vgl. Hueck/<br />

Fastrich, aaO, § 34 Rdn. 35 mit Nachw.).<br />

4. Erstaunlich ist, dass das Gericht trotz der Annahme, die Satzungsregelung<br />

sei geheilt, dazu kommt, für die Einziehung des Geschäftsanteils müsse<br />

wegen zu großer Differenz zwischen dem in der Satzung festgelegten Abfindungsbetrag<br />

und dem wirklichen Wert des Geschäftsanteils ein angemessener<br />

Abfindungsbetrag gezahlt werden. Woraus das folgen soll, wenn der<br />

Kläger sich, wie das Gericht formuliert, auf die Nichtigkeit der in der Satzung<br />

getroffenen Entgeltregelung nicht berufen kann, wird nicht deutlich. In<br />

der Literatur findet sich hierzu der Gedanke, dass die Heilungswirkung des<br />

§ 242 Abs. 2 AktG nicht nach außen zulasten der Gesellschaftsgläubiger<br />

wirke (so Hueck/Fastrich, aaO, § 34 Rdn. 27; Lutter/Hommelhoff, GmbHG,<br />

15. Aufl., § 34 Rdn. 53; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 34 Rdn.<br />

103, der sich zu Unrecht auf mich im KölnerKommAktG, § 242 Rdn. 44,<br />

beruft). Davon ist nichts zu halten, und zwar schon deshalb nicht, weil § 242<br />

Abs. 2 Satz 1 die Heilung ausdrücklich für die Fälle Gläubigerinteressen<br />

verletzender Beschlüsse vorsieht. Welchen Sinn sollte hier die Beschränkung<br />

der Heilung auf das Innenverhältnis denn haben? Möglicherweise hat sich<br />

der BGH bei seiner Aussage, der Gesellschafter müsse zum Verkehrswert<br />

abgefunden werden, von der Macht der in anderen Abfindungsfällen entwickelten<br />

Gewohnheit leiten lassen, dass in der Satzung enthaltene ursprünglich<br />

wirksame Abfindungsregelungen durch die den inneren Anteilswert<br />

stark erhöhende Geschäftsentwicklung ihre Maßgeblichkeit verlieren (zu<br />

den möglichen Konstruktionen, die freilich alle dogmatisch unbefriedigend<br />

sind und vor allem personengesellschaftsrechtliches Denken zu undifferenziert<br />

auf die GmbH übertragen, vgl. Hueck/Fastrich, aaO, § 34 Rdn. 24). Das<br />

alles passt jedoch nicht auf den vorliegenden Fall.<br />

5. Nicht völlig klar ist weiter, wie das Gericht allein aufgrund der Tatsache,<br />

dass die vorausgegangene Jahresbilanz lediglich einen Jahresüberschuss<br />

von 18 000,– DM auswies, auf die mangelnde Deckung des Auszahlungsbetrags<br />

durch stammkapitalungebundenes Vermögen geschlossen<br />

hat. Das hätte der zusätzlichen Feststellung bedurft, dass die Bilanz keine<br />

ausreichenden Rücklagen auswies, die bei der GmbH nur in seltenen Fällen<br />

nicht aufgelöst werden können. In diesem Sinn werden vermutlich die Feststellungen<br />

des Gerichts zu verstehen sein.<br />

6. Als im Ergebnis im wesentlichen zutreffend ist die im Urteil enthaltene<br />

Aussage anzusehen, für die „Feststellung einer Unterbilanz‘‘ (gemeint<br />

ist: für die Feststellung, ob bei Auszahlung des Einziehungsentgelts das zur<br />

Deckung des Stammkapitals erforderliche Vermögen angegriffen wird) sei<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 877<br />

auf eine „Bilanz zu fortgeführten Buchwerten‘‘, d. h. ohne Berücksichtigung<br />

der stillen Reserven und ohne Berücksichtigung des Geschäftswert<br />

des Unternehmens, abzustellen (ausführlich zu dieser Auffassung BGHZ<br />

109, 334; s. a. BGH, NJW 1997, 196). Zu welchen sachlich merkwürdigen<br />

Ergebnissen dies freilich führen kann, zeigt gerade der vorliegende Fall, in<br />

welchem die Geschäftsanteile des Klägers einen Nominalwert von 40 000,–<br />

DM aufwiesen, während das Gericht von einem möglichen Verkehrswert<br />

der Anteile in Höhe von 1,6 Mio. DM (als schlüssig vorgetragen) ausging.<br />

Würde diese Annahme zutreffen, wären hohe stille Reserven gegeben und<br />

das Stammkapital wäre durch einen vielfachen Vermögenswert (rechnerisch<br />

dem 40fachen!) gedeckt. Die Rigorosität, statt dessen von der Jahresbilanz<br />

auszugehen, rechtfertigt sich daher nur aus zwei Gesichtspunkten: Zum<br />

einen, um Missbräuchen vorzubeugen, insbesondere die Berufung auf die<br />

unrichtige Annahme stiller Reserven abzuschneiden, vor allem aber, um bei<br />

Wahrung des Erfordernisses der Jahresbilanzidentität keine Unterbilanz<br />

entstehen zu lassen, wie sie unvermeidlich wäre, wenn zulasten stiller<br />

Reserven ausbezahlt werden dürfte. Das ist im Ergebnis wohl vernünftig,<br />

wenn auch nicht der eigentlichen Schutzidee der Stammkapitalerhaltung<br />

und -deckung entsprechend. Die theoretisch stimmige Einschränkung, dass<br />

bilanzrechtlich auflösbare stille Reserven berücksichtigungsfähig sein<br />

müssten (dazu BGHZ 109, 334/339; Hueck/Fastrich, aaO, § 30 Rdn. 6), hat<br />

praktisch angesichts der nahezu ausnahmslosen Höherbewertungsverbote<br />

keine nennenswerte Bedeutung. Will die Gesellschaft bei hohen stillen<br />

Reserven ohne Verletzung von § 30 GmbHG auszahlen, muss sie daher<br />

stille Reserven durch Veräußerung realisieren. Das mag manchen unter der<br />

Schutzidee des § 30 GmbHG als überschießend erscheinen (vgl. etwa<br />

Sonnenhol/Stützle, DB 1979, 927 f.; Meister, WM 1980, 394). Gute Praxis<br />

lässt aber eine weitherzigere Sachbehandlung schwerlich zu.<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Zöllner, Tübingen<br />

Nr. 2 UmwG §§ 207, 210, 212, 305 (Keine Anfechtungsklage wegen<br />

„Informationsmängeln‘‘ bezüglich der Abfindung bei Umwandlungsvorgängen)<br />

Der in den §§ 210, 212 UmwG für die Fälle des zu niedrigen, des nicht<br />

ordnungsgemäßen und des fehlenden Barabfindungsangebots normierte<br />

Ausschluss von Klagen gegen den Umwandlungsbeschluss gilt auch insoweit,<br />

als die von der Strukturmaßnahme betroffenen Anteilsinhaber die<br />

Verletzung von Informations-, Auskunfts- oder Berichtspflichten im<br />

Zusammenhang mit der gemäß § 207 UmwG anzubietenden Barabfindung<br />

geltend machen. Solche die Abfindung betreffenden abfindungswertbezogenen<br />

Informationsmängel können ausschließlich im Spruchverfahren<br />

gemäß §§ 305 ff. UmwG gerügt werden.<br />

BGH, Urt. v. 18. 12. 2000 – II ZR 1/99<br />

Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten. Am 6. 12. 1996 beschloss deren außerordentliche<br />

Hauptversammlung mit der erforderlichen Mehrheit die formwechselnde Umwand-<br />

DNotZ 2001


878 Rechtsprechung<br />

lung in eine GmbH. Die hiergegen von der Klägerin zu 1) erhobene Anfechtungs- und<br />

Nichtigkeitsklage ist erstinstanzlich abgewiesen, das Berufungsverfahren gemäß § 148<br />

ZPO im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit ausgesetzt worden. Da die Klägerin<br />

zu 1) das Fehlen eines Prüfungsberichts zur angebotenen Barabfindung beanstandet hatte,<br />

ließ der Vorstand der Beklagten einen solchen Bericht durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

erstellen. Die ordentliche Hauptversammlung der Beklagten vom 26. 6. 1997<br />

beschloss mit der erforderlichen Mehrheit u. a. die Entlastung des Vorstands und die<br />

Bestätigung des Umwandlungsbeschlusses vom 6. 12. 1996; dagegen erklärten die Kläger<br />

Widerspruch zur Niederschrift des Notars. Mit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage<br />

wenden sich sämtliche Kläger gegen den Bestätigungsbeschluss, die Kläger zu 2) und 3)<br />

außerdem gegen den Entlastungsbeschluss. Bezüglich des Bestätigungsbeschlusses machen<br />

die Kläger u. a. eine Verletzung ihres Auskunftsrechts hinsichtlich der Herleitung,<br />

Plausibilität und Angemessenheit des Barabfindungsangebots sowie hinsichtlich des Prüfungsberichts<br />

geltend; insbesondere seien Fragen zur voraussichtlichen Geschäftsentwicklung<br />

der Beklagten im ersten Halbjahr 1997 und zu den Prognosen für die Folgejahre, zu<br />

der im Prüfungsbericht erwähnten Dokumentation des Vorstands für die Ermittlung der<br />

angebotenen Abfindung, zur Bewertung der Beklagten in der Bilanz ihrer Großaktionärin<br />

und zum Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens – speziell zu den Feuerversicherungswerten<br />

der Gebäude – nicht oder nur unzureichend beantwortet worden; ferner leide<br />

der Prüfungsbericht selbst an Mängeln.<br />

Die Klagen und die gegen die Klageabweisung gerichteten Rechtsmittel blieben erfolglos.<br />

Das OLG ist der Ansicht, die von den Klägern behaupteten Verletzungen<br />

ihres aktienrechtlichen Auskunftsrechts im Zusammenhang mit Fragen zum<br />

Barabfindungsangebot und zum hierzu eingeholten Prüfungsbericht berechtigten<br />

nicht zur Anfechtung des von der Hauptversammlung gemäß § 244<br />

AktG gefassten Bestätigungsbeschlusses, weil auch sie dem Klageausschluss<br />

nach § 210 UmwG unterfielen. Bei derartigen Informationsmängeln<br />

sei die Barabfindung bereits als „nicht ordnungsgemäß angeboten‘‘ i. S. des<br />

§ 210 UmwG anzusehen, zumindest ergebe sich der Anfechtungsausschluss<br />

aus dem Gesetzeszweck; wenn nämlich schon das völlige Fehlen eines<br />

Barabfindungsangebots nicht zur Anfechtung berechtige, so müsse dies erst<br />

recht für den Fall der weniger schwerwiegenden Verletzung des Informationsrechts<br />

der Aktionäre im Zusammenhang mit dem Barabfindungsangebot<br />

und dem hierzu erstellten Prüfungsbericht gelten. Diese Beurteilung hält<br />

revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.<br />

§ 210 UmwG schließt Klagen gegen die Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses<br />

aus, die darauf gestützt werden, dass das Barabfindungsangebot<br />

zu niedrig bemessen oder die Barabfindung im Umwandlungsbeschluss nicht<br />

oder nicht ordnungsgemäß angeboten worden ist; § 212 UmwG sieht für<br />

diese Fälle vor, dass die angemessene Barabfindung auf Antrag des gemäß<br />

§ 207 UmwG antragsberechtigten Anteilsinhabers durch das Gericht im<br />

Spruchverfahren gemäß §§ 305 ff. UmwG zu bestimmen ist. Nach Sinn und<br />

Zweck dieser Vorschriften gilt der Klageausschluss – verbunden mit der<br />

entsprechenden Verweisung in das Spruchverfahren – auch insoweit, als die<br />

von der Strukturmaßnahme betroffenen Minderheitsaktionäre die Verletzung<br />

von Informations-, Auskunfts- oder Berichtspflichten im Zusammenhang<br />

mit der gemäß § 207 UmwG anzubietenden Barabfindung geltend machen.<br />

1. Die §§ 210, 212 UmwG verfolgen das Ziel, zu einem angemessenen<br />

Ausgleich der Interessen der Gesellschaft und der ihr weiter angehörenden<br />

Gesellschafter einerseits und der aus Anlass der Umwandlung ausscheiden-<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 879<br />

den Gesellschafter andererseits beizutragen. Im Hinblick auf das berechtigte<br />

Unternehmensinteresse an einer zügigen Durchführung der beschlossenen<br />

Strukturmaßnahme beschränkt § 210 UmwG den Umfang der Eintragungssperre,<br />

die § 198 Abs. 3 i. V. mit § 16 Abs. 2 und 3 UmwG bei<br />

Erhebung einer Anfechtungsklage anordnet und die zu erheblichen finanziellen<br />

Schäden bei der Gesellschaft führen kann. Den schutzwürdigen<br />

Belangen der freiwillig ausscheidenden Anteilsinhaber wird gemäß § 212<br />

UmwG dadurch Rechnung getragen, dass die Höhe der ihnen nach § 207<br />

UmwG zustehenden Abfindung im gerichtlichen Spruchverfahren gemäß<br />

§§ 305 ff. UmwG überprüft und festgesetzt wird; dadurch ist sichergestellt,<br />

dass ihnen voller Wertausgleich für die aufgegebene Beteiligung zuteil<br />

wird. Vor diesem Hintergrund ist aus dem systematischen Zusammenhang<br />

der drei Tatbestandsvarianten des zu niedrigen, des fehlenden und des nicht<br />

ordnungsgemäßen Barabfindungsangebots in § 210 UmwG zugleich der<br />

weiterreichende generelle Ausschluss von Anfechtungsklagen wegen Verletzung<br />

der Informationsrechte zur Barabfindung (§ 131 AktG) abzuleiten.<br />

a) Das wirklich oder nur angeblich zu niedrige Angebot (§ 210<br />

1. Altern. UmwG) berechtigt nicht zur Anfechtungsklage. Demgegenüber<br />

dienen Rügen, die abfindungswertbezogene Informationsmängel – wie fehlende<br />

Angaben zur Berechnung der Höhe der Abfindung oder die mangelnde<br />

Plausibilität der Begründung zur Angebotshöhe oder die Unrichtigkeit<br />

der zugrunde liegenden Berechnungen – beanstanden, fast ausschließlich<br />

dem Ziel, die „Hauptrüge‘‘, das Angebot sei zu niedrig, zu begründen.<br />

Insofern könnten derartige abfindungswertbezogene Rügen schon deshalb<br />

als unzulässig anzusehen sein, weil sie den Gesetzeszweck, die Durchführung<br />

der im Unternehmensinteresse liegenden Umwandlung nicht durch<br />

einen bloßen Streit über die Höhe der Abfindung zu blockieren, unterlaufen<br />

würden. Allerdings griffe eine solche Argumentation zu kurz, weil die<br />

Information über die Abfindung auch dem weitergehenden Ziel dient, dass<br />

der noch unentschiedene Gesellschafter in die Lage versetzt wird zu beurteilen,<br />

ob der angebotene bzw. vereinbarte Ausgleichsanspruch angemessen<br />

ist und der Zustimmung zu der Strukturmaßnahme unter diesem Gesichtspunkt<br />

keine Bedenken entgegenstehen (vgl. z. B.: BGH, Urt. v. 18. 12. 1989<br />

– II ZR 254/88, WM 1990, 140/142 – zu § 352 c AktG a. F.; BGHZ 122,<br />

2<strong>11</strong>/238 – zu § 304 AktG; Urt. v. 19. 6. 1995 – II ZR 58/94, ZIP 1995,<br />

1256/1258 – zu § 305 Abs. 5 AktG). Allein aus dem zu niedrigen Angebot<br />

ließe sich daher der vollständige Anfechtungsausschluss für die Rüge abfindungswertbezogener<br />

Informationsmängel nicht herleiten. Er ergibt sich<br />

jedoch aus dem Zusammenhang mit den Regelungen über das fehlende und<br />

das nicht ordnungsgemäße Angebot, die weitergehend auch Fälle von Beeinträchtigungen<br />

Informationsrechte betreffen.<br />

b) Das Fehlen des Barabfindungsangebots im Umwandlungsbeschluss<br />

bewirkt das weitestgehende Informationsdefizit des Anteilsinhabers in Bezug<br />

auf die ihm nach § 207 UmwG geschuldete Abfindung. Der für diesen<br />

Fall angeordnete Anfechtungsausschluss steht daher in einem Spannungsfeld<br />

zu den Bestrebungen des Reformgesetzgebers, den Interessen der von<br />

der Strukturmaßnahme der formwechselnden Umwandlung betroffenen An-<br />

DNotZ 2001


880 Rechtsprechung<br />

teilsinhaber an hinreichend ausführlicher Vorabinformation auch hinsichtlich<br />

der zu gewährenden Barabfindung durch Formalisierung grundlegender<br />

Information in einer Reihe von Vorschriften Rechnung zu tragen: So muss<br />

der ausführliche schriftliche Umwandlungsbericht gemäß § 192 Abs. 1<br />

Satz 3 i. V. mit §§ 193, 194 Abs. 1 Nr. 6 UmwG auch eine Darstellung und<br />

Erläuterung des Abfindungsangebots nach § 207 UmwG enthalten; gemäß<br />

§ 238 i. V. mit §§ 230, 231 UmwG hat die formwechselnde Kapitalgesellschaft<br />

anlässlich der Vorbereitung der Hauptversammlung den Anteilsinhabern<br />

das Barabfindungsangebot nach § 207 UmwG zu übersenden oder im<br />

Bundesanzeiger und den sonst bestimmten Gesellschaftsblättern bekannt zu<br />

machen, ferner den Umwandlungsbericht in ihren Geschäftsräumen zur<br />

Einsicht der Aktionäre auszulegen und ihnen auf Verlangen in Abschrift zu<br />

übersenden; weiterhin hat gemäß §§ 208, 30 UmwG eine Prüfung der<br />

Barabfindung durch Umwandlungsprüfer zu erfolgen; schließlich ist bezüglich<br />

der Durchführung der Hauptversammlung gemäß § 239 UmwG die<br />

Auslegung des Umwandlungsberichts und eine mündliche Erläuterung des<br />

Entwurfs des Umwandlungsbeschlusses der Aktiengesellschaft durch das<br />

Vertretungsorgan vorgeschrieben. Gleichwohl hat der Gesetzgeber in<br />

§§ 210, 212 Satz 2 UmwG auch für das fehlende und das nicht ordnungsgemäße<br />

Abfindungsangebot – in bewusster Abkehr von den früheren Regelungen<br />

in § 375 Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG a. F. und § 13 UmwG 1969, die<br />

in diesen Fällen eine Subsidiarität des Spruchstellenverfahrens gegenüber<br />

der Anfechtungsklage vorsahen – den Klageausschluss und damit zugleich<br />

die ausschließliche Überprüfung im Rahmen des Spruchverfahrens angeordnet.<br />

Im Falle des fehlenden Barabfindungsangebots sind sämtliche vorstehend<br />

erwähnten, durch das Umwandlungsgesetz eingeräumten Informationsrechte<br />

der Anteilsinhaber tangiert. Fehlt das Barabfindungsangebot im<br />

Umwandlungsbeschluss, so gibt es mangels Darstellung auch keine Herleitung<br />

und Erläuterung hierzu im Umwandlungsbericht, keine entsprechende<br />

Barabfindungsprüfung und keine der verschiedenen Mitteilungen aus Anlass<br />

der Vorbereitung der Hauptversammlung. Dieses durch das fehlende<br />

Barabfindungsangebot verursachte Ausbleiben der vorgesehenen Vorabinformation<br />

des Anteilsinhabers unterfällt ebenso dem Anfechtungsausschluss<br />

wie die daraus resultierenden sachlichen Informationsdefizite im<br />

Zusammenhang mit Berichten oder Auskünften des Vertretungsorgans der<br />

Gesellschaft auf Fragen der Aktionäre in der Hauptversammlung. Denn es<br />

ist nicht ersichtlich, welche essentiellen mündlichen Erläuterungen des<br />

Entwurfs des Umwandlungsbeschlusses gemäß § 239 UmwG der Vorstand<br />

in Bezug auf ein fehlendes Abfindungsangebot geben könnte. Der Bericht<br />

– und dasselbe muss, da die Informationspflicht als Gesamtheit zu sehen<br />

ist, auch für Auskünfte gemäß § 131 AktG gelten – könnte allenfalls (wahrheitsgemäß)<br />

ausführen, man habe das Angebot schlicht vergessen oder<br />

bewusst unterlassen, um Anfechtungsklagen, die auf die unvollständige<br />

Begründung eines solchen Angebots gestützt werden, den Boden zu entziehen;<br />

man wolle sich mit etwa ausscheidenden Anteilseignern darüber erst<br />

im Beschlussverfahren auseinandersetzen. Danach ist in diesem Fall das<br />

gesamte die Barabfindung betreffende Verfahren – ohne dass eine Anfech-<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 881<br />

tung unter dem Blickwinkel einer Verletzung des aktienrechtlichen Auskunftsrechts<br />

i. S. des § 131 AktG in Betracht käme – von Gesetzes wegen<br />

in das Spruchverfahren verwiesen. Soweit in der Kommentarliteratur (Decher<br />

in Lutter, UmwG, 2. Aufl., § 210 Rdn. 3, unter Hinw. auf Grunewald<br />

in Lutter, aaO, § 32 Rdn. 3, 4) die Ansicht vertreten wird, bei fehlendem<br />

Angebot könne der Registerrichter die Eintragung der Umwandlung ablehnen,<br />

steht dies nicht in Einklang mit den §§ 210, 212 UmwG; denn dadurch<br />

würde eine Blockade des Vollzugs der Umwandlung bewirkt, die durch den<br />

Ausschluss der Anfechtungsklage in § 210 UmwG gerade verhindert werden<br />

soll.<br />

c) Der verbleibende Bereich zwischen dem zu niedrigen und dem fehlenden<br />

Angebot wird durch das ebenfalls dem Klageausschluss unterliegende<br />

nicht ordnungsgemäße Angebot ausgefüllt. Es ist – entgegen einer in<br />

der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. Grunewald in Lutter, aaO, § 32<br />

Rdn. 4; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, § 32 Rdn. 2) – nicht nur bei<br />

unklarer, widersprüchlicher oder unvollständiger Formulierung gegeben,<br />

sondern erfasst darüber hinaus sämtliche Verstöße – einzeln oder kombiniert<br />

– gegen die bereits vorstehend unter 1 b erwähnten, durch das<br />

UmwG 1994 zugunsten der Anteilsinhaber angeordneten Informationsbzw.<br />

Mitteilungspflichten der Gesellschaft im Zusammenhang mit dem<br />

Barabfindungsangebot (vgl. § 192 Abs. 1 Satz 3 i. V. mit §§ 193, 194<br />

Abs. 1 Nr. 6 UmwG; § 238 i. V. mit §§ 230, 231 UmwG; § 239 sowie<br />

§§ 208, 30 UmwG; vgl. insoweit auch zum alten Umwandlungsrecht: § 375<br />

Abs. 2 Satz 2 und 3 i. V. mit § 369 Abs. 4 AktG a. F.). Bei Informationsrechtsverstößen<br />

solcher Art ist die Barabfindung im Umwandlungsbeschluss<br />

sowohl im Wort- als auch im Rechtssinne „nicht ordnungsgemäß<br />

angeboten‘‘ worden.<br />

Auch die von der Revision in den Vordergrund gestellte Verletzung des<br />

Auskunftsrechts gemäß § 131 AktG durch Nichtbeantwortung oder unzureichende<br />

Beantwortung abfindungswertrelevanter Fragen unterfällt dem<br />

Anfechtungsausschluss, da sie dem nicht ordnungsgemäßen Angebot i. S.<br />

des § 210 UmwG zumindest gleichsteht. Gerade im Verhältnis zu einer<br />

fehlerhaften, unvollständigen oder sogar ganz fehlenden Darstellung und<br />

Erläuterung der Barabfindung im schriftlichen Umwandlungsbericht oder<br />

seiner mündlichen Erläuterung gemäß § 239 UmwG, die dem Anfechtungsausschluss<br />

unmittelbar unterliegen, ist eine unterschiedliche Behandlung<br />

von Informationsdefiziten unter dem Blickwinkel des § 131 AktG nicht<br />

gerechtfertigt.<br />

Die Gleichstellung derartiger Verstöße gegen das Auskunftsrecht gemäß<br />

§ 131 AktG mit dem nicht ordnungsgemäßen Angebot i. S. des § 212<br />

UmwG in Bezug auf wertrelevante, das Abfindungsangebot betreffende<br />

Fragen ist jedenfalls im Vergleich zu dem fehlenden Angebot gerechtfertigt:<br />

Wenn nicht einmal das gänzliche Fehlen eines Abfindungsangebots, das ein<br />

vollständiges Informationsdefizit des Aktionärs zur Folge hat, die Anfechtbarkeit<br />

des Umwandlungsbeschlusses begründet, kann erst recht nicht eine<br />

Auskunftspflichtverletzung in Form des nur unvollständig oder mangelhaft<br />

begründeten und erläuterten Abfindungsangebots – als geringerer Mangel<br />

DNotZ 2001


882 Rechtsprechung<br />

im Hinblick auf die Willensbildung des Aktionärs – die Anfechtungsklage<br />

eröffnen.<br />

d) Die solchermaßen gesetzlich vorgesehene Einbeziehung von Informationsmängeln<br />

über die Höhe der angemessenen Abfindung in den Ausschluss<br />

des Anfechtungsrechts wegen eines zu niedrig bemessenen, nicht<br />

ordnungsgemäßen oder gar fehlenden Angebots der Abfindung (§ 210<br />

UmwG) führt allerdings dazu, dass die Gesellschaft Auseinandersetzungen<br />

über die Höhe der Abfindung durch Unterlassen von Angaben, die zu ihrer<br />

Berechnung erforderlich sind, ganz oder teilweise in das Spruchstellenverfahren<br />

verlagern kann. Damit wird zwar sowohl den zum Ausscheiden<br />

entschlossenen als auch den noch unentschlossenen Anteilseignern zugemutet,<br />

über die Umwandlung zu befinden, ohne konkret zu wissen, wie hoch<br />

die ihnen bei ihrem Ausscheiden zustehende Abfindung wäre. Diese<br />

Rechtsfolge ist indessen infolge der teilweisen Neugestaltung des Verhältnisses<br />

zwischen Anfechtungsklage und Spruchverfahren hinzunehmen.<br />

Wenn die Anteilsinhaber diesen Unsicherheitsfaktor nicht in Kauf nehmen<br />

wollen, steht es ihnen frei, die Umwandlung insgesamt abzulehnen. Im<br />

Übrigen besteht die Ungewissheit praktisch ohnehin fast immer, weil in<br />

nahezu allen Fällen die Höhe der Abfindung erst Jahre später nach Abschluss<br />

eines langwierigen Spruchverfahrens feststeht; wie die bisherige<br />

Erfahrung mit Anfechtungsklagen bei anderen Strukturmaßnahmen zeigt,<br />

ist der durch Anfechtung erzielbare Informationsgewinn mit Blick auf die<br />

Frage der Durchführung des Spruchverfahrens eher gering. Von daher<br />

bedeutet der Verzicht des Gesetzgebers in den §§ 210, 212 UmwG auf die<br />

frühere Zweigleisigkeit gerichtlicher Verfahren bezüglich der Barabfindung<br />

bei der formwechselnden Umwandlung zugleich eine Straffung und Beschleunigung,<br />

die sogar auch dem wohlverstandenen Interesse der ausscheidenswilligen<br />

Minderheitsaktionäre an einem gezielten und effektiven<br />

Rechtsschutz entspricht (vgl. schon Hommelhoff, ZGR 1993, 452/471).<br />

Eine bleibende rechtliche Beeinträchtigung derjenigen, die ausscheiden<br />

wollen, ist in keinem Falle zu befürchten. Ihr Anspruch auf die volle, dem<br />

Wert ihrer aufgegebenen Beteiligung entsprechende Abfindung ist durch<br />

das von Amts wegen zu führende, zugunsten aller, nicht nur der Beteiligten<br />

wirkende streitige Spruchverfahren gemäß §§ 305 ff. UmwG in vollem<br />

Umfang sichergestellt. Auch Kostennachteile muss der ausscheidende Gesellschafter<br />

nicht befürchten, weil gerade in den von §§ 210, 212 UmwG<br />

erfassten Fällen des zu niedrigen, nicht ordnungsgemäßen oder gar fehlenden<br />

Barabfindungsangebots eine Abweichung von der Grundregel des<br />

§ 312 Abs. 4 Satz 1 UmwG, wonach der Rechtsträger neuer Rechtsform<br />

die Gerichtskosten des Spruchverfahrens zu tragen hat, nicht veranlasst ist;<br />

Entsprechendes gilt gemäß § 13 a Abs. 1 FGG hinsichtlich der nach Billigkeit<br />

von der Gesellschaft zu übernehmenden außergerichtlichen Kosten des<br />

Antragstellers.<br />

2. Gegen eine Erstreckung des Anfechtungsausschlusses gemäß § 210<br />

UmwG auf Verletzungen des allgemeinen aktienrechtlichen Auskunfts- und<br />

Fragerechts zur Angemessenheit des Barabfindungsangebots lässt sich nicht<br />

der Gang des Gesetzgebungsverfahrens zum Klageausschluss hinsichtlich<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 883<br />

des Verschmelzungsbeschlusses bei zu niedrigem Umtauschverhältnis<br />

gemäß § 14 Abs. 2 UmwG anführen. Zwar ist danach ein Vorschlag des<br />

Bundesrats, dass nach § 14 Abs. 2 UmwG bereits die unzureichende Erläuterung<br />

des Umtauschverhältnisses zur Anfechtung des Strukturbeschlusses<br />

nicht genügen soll, nach ablehnender Stellungnahme der Bundesregierung<br />

nicht Gesetz geworden (vgl. Begr. RegE bei Neye, UmwG/UmwStG 1994,<br />

134 f.). Dieser Umstand lässt indes sichere Rückschlüsse für den hier<br />

betroffenen weiter gehenden Anfechtungsausschluss im Zusammenhang<br />

mit der Barabfindung gemäß § 210 UmwG (vgl. bei der Verschmelzung:<br />

§ 32 UmwG) nicht zu, zumal ein vergleichbarer Hinweis in den Gesetzesmaterialien<br />

zu §§ 210, 212 UmwG nicht zu finden ist. Dagegen spricht vor<br />

allem die bereits erwähnte bewusste Erweiterung des Anfechtungsausschlusses<br />

in Abkehr von den einschlägigen Regelungen des alten Rechts in<br />

§§ 375 Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG und § 13 UmwG a. F.<br />

3. Soweit der Senat – wie bereits erwähnt – zu Teilausschlüssen des<br />

Klagerechts im Zusammenhang mit Abfindungsregelungen aus Anlass anderer<br />

aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen entschieden hat, die Aktionäre<br />

müssten durch hinreichende Informationen in die Lage versetzt werden zu<br />

beurteilen, ob der angebotene bzw. vereinbarte Ausgleichsanspruch angemessen<br />

sei und der Zustimmung zu der Strukturmaßnahme unter diesem<br />

Gesichtspunkt keine Bedenken entgegenstünden (vgl. z. B.: BGH, Urt. v.<br />

18. 12. 1989 – II ZR 254/88, WM 1990, 140/142 – zu § 352 c AktG a. F.;<br />

BGHZ 122, 2<strong>11</strong>/238 – zu § 304 AktG; Urt. v. 19. 6. 1995 – II ZR 58/94,<br />

ZIP 1995, 1256/1258 – zu § 305 Abs. 5 AktG), kann daran im Hinblick auf<br />

die gesetzlichen Neuregelungen der §§ 210, 212 UmwG, soweit es den<br />

Abfindungsanspruch betrifft, nicht festgehalten werden (Aufgabe von BGH,<br />

Urt. v. 19. 6. 1995 – II ZR 58/94, ZIP 1995, 1256/1258 – zu § 305 Abs. 6<br />

AktG).<br />

4. Aus dem Umstand, dass die §§ 210, 212 UmwG keine ausdrückliche<br />

Aussage hinsichtlich eines zu hohen Angebots enthalten, lässt sich nichts<br />

Entscheidendes gegen die vom Senat für richtig gehaltene Auslegung der<br />

Varianten des fehlenden oder des nicht angemessenen Angebots in § 210<br />

UmwG ableiten. Ein zu hohes Angebot kann für die bei dem Unternehmensträger<br />

der neuen Rechtsform verbleibenden Anteilseigner eine Beeinträchtigung<br />

darstellen, gegen die sie sich gerichtlich zur Wehr setzen können<br />

müssen. Soweit das neue Umwandlungsgesetz für diese Form der<br />

Beeinträchtigung nicht ausdrücklich ein Spruchverfahren vorsieht, könnte<br />

ihnen Rechtsschutz sowohl durch die analoge Anwendung der Vorschriften<br />

über das Spruchverfahren als auch durch die Eröffnung der Möglichkeit<br />

einer Anfechtungsklage gewährt werden. Die Eröffnung der Anfechtungsklage<br />

stünde allerdings im Widerspruch zu den Zielen, die der Gesetzgeber<br />

mit den §§ 210, 212 UmwG verfolgt, und könnte den erforderlichen Rechtsschutz<br />

der verbleibenden Anteilsinhaber überdies auch nur in einem Teil<br />

der in Betracht kommenden Fälle gewährleisten. Wird nämlich die Abfindung<br />

ausscheidender Anteilseigner erst im Spruchverfahren heraufgesetzt<br />

oder erstmals zu hoch festgesetzt und ist dann wegen Ablaufs der Anfechtungsfrist<br />

die Anfechtungsklage für die betroffenen, im Unternehmen ver-<br />

DNotZ 2001


884 Rechtsprechung<br />

bliebenden Anteilseigner nicht mehr möglich, so stünde ihnen – vom<br />

Gesetzgeber offenbar nicht bedacht – kein Rechtsbehelf offen, mit dessen<br />

Hilfe sie auf eine zutreffende Festsetzung der Abfindung hinwirken könnten.<br />

Deshalb könnte es auch von Verfassungs wegen geboten sein, ihnen<br />

ebenfalls Rechtsschutz im Spruchverfahren zu eröffnen, weil sie ansonsten<br />

einen Vermögensverlust erleiden müssten, der möglicherweise auf eine<br />

verfassungswidrige Beeinträchtigung ihres durch Art. 14 GG geschützten<br />

Mitgliedschaftsrechts hinausliefe.<br />

Nr. 3 AktG §§ 16 Abs. 4, 312 Abs. 1 (Mehrheitsaktionär kein beherrschendes<br />

Unternehmen – MLP)<br />

a) Der Mehrheitsaktionär, der zugleich Vorstandsvorsitzender der<br />

Aktiengesellschaft ist und Beteiligungen von 9% bzw. 15% an deren<br />

Tochtergesellschaften hält, in denen er zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrates<br />

ist, wird nicht über die Zurechnungsregelung des § 16<br />

Abs. 4 AktG Unternehmen i. S. der §§ 15 ff. AktG.<br />

b) Die Zurechnungsregelung des § 16 Abs. 4 AktG setzt die Eigenschaft<br />

des Normadressaten als Unternehmen voraus, vermag sie jedoch<br />

nicht zu begründen.<br />

BGH, Urt. v. 18. 6. 2001 – II ZR 212/99<br />

Die Klägerin, eine Schutzgemeinschaft von Kleinaktionären und Aktionärin der Beklagten,<br />

wendet sich mit ihrer Anfechtungsklage gegen die zu den Tagesordnungspunkten<br />

3 und 4 in der Hauptversammlung vom 15. 6. 1998 für das Geschäftsjahr 1997 beschlossene<br />

Entlastung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat. Diese hätten es pflichtwidrig<br />

unterlassen, einen Abhängigkeitsbericht zu erstatten bzw. auf seine Erstattung<br />

hinzuwirken. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte ist eine Holding,<br />

die an verschiedenen Gesellschaften – überwiegend mehrheitlich, u. a. an der M.-Vermögensverwaltung<br />

AG mit 50,01% und der M.-Service GmbH mit 50,4% – beteiligt ist<br />

(Geschäftsbericht S. 54). Ihr Vorstandsvorsitzender L. hält an ihr eine Beteiligung von<br />

53,2%, das Vorstandsmitglied T. eine solche von 12%. Beide Vorstandsmitglieder und ihre<br />

Familienangehörigen sind u. a. an diesen Tochtergesellschaften beteiligt, der Vorstandsvorsitzende<br />

L. an der M.-Vermögensverwaltung AG mit 9% und an der M.-Service GmbH<br />

mit 15%. T. ist in diesen Gesellschaften Vorstandsvorsitzender, L. Vorsitzender des Aufsichtsrates.<br />

Die Klägerin vertritt die Ansicht, aus diesen Einzelheiten folge, dass L. Unternehmenseigenschaft<br />

zukomme und die Beklagte von ihm abhängig sei.<br />

LG und BerufungsG haben der Klage wegen Fehlens des Abhängigkeitsberichtes stattgegeben.<br />

Die Revision führt zur Abweisung der Anfechtungsklage.<br />

Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 AktG billigt die Hauptversammlung mit der<br />

Entlastung die Verwaltung der Gesellschaft durch die Mitglieder des Vorstandes<br />

und des Aufsichtsrates. Die im Einzelnen umstrittene Frage, ob<br />

Entlastung auch einer Verwaltung erteilt werden darf, die u. a. gesetzwidrig<br />

gehandelt hat (so Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG,<br />

§ 120 Rdn. 38; GroßkommAktG/Mülbert, 4. Aufl., § 120 Rdn. 75 m. w.<br />

Nachw.), oder ob ein unter derartigen Voraussetzungen gefasster Entlastungsbeschluss<br />

anfechtbar ist (so Kölner KommAktG/Zöllner, §120<br />

Rdn. 47; Hüffer, AktG, 4. Aufl., § 120 Rdn. 12; Semler in MHG, Bd. 4,<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 885<br />

2. Aufl., § 34 Rdn. 32; Volhard in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die<br />

Hauptversammlung, II c 4), kann dahingestellt bleiben. Denn die Anfechtungsklage<br />

ist im vorliegenden Falle bereits nach der strengeren Ansicht<br />

nicht begründet, weil den Mitgliedern der Verwaltung der Beklagten ein<br />

gesetzwidriges Verhalten, das Gewicht hat, nicht vorgeworfen werden kann.<br />

1. Der Vorstand der Beklagten war nicht verpflichtet, nach § 312 Abs. 1<br />

Satz 1 AktG einen Abhängigkeitsbericht zu erstatten. Demgemäß bestand<br />

für den Aufsichtsrat auch keine Veranlassung, auf die Erstattung eines<br />

solchen Berichtes hinzuwirken. Die Beklagte war von ihrem Mehrheitsaktionär<br />

und Vorstandsvorsitzenden L. nicht abhängig nach § 17 Abs. 2<br />

AktG, weil dieser nicht als Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift angesehen<br />

werden kann.<br />

Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 69, 334/346 – VEBA/Gelsenberg;<br />

BGHZ 135, 107/<strong>11</strong>3 – VW) ist ein Aktionär dann Unternehmen<br />

im konzernrechtlichen Sinne, wenn er neben der Beteiligung an der Aktiengesellschaft<br />

anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen hat, die nach<br />

Art und Intensität die ernsthafte Sorge begründen, er könne wegen dieser<br />

Bindung seinen aus der Mitgliedschaft folgenden Einfluss auf die Aktiengesellschaf<br />

zu deren Nachteil ausüben. Liegt die Interessenbindung in der<br />

Beteiligung an einer anderen Gesellschaft, ist diese Besorgnis dann gegeben,<br />

wenn seine Beteiligung „maßgeblich‘‘ ist und somit die Möglichkeit<br />

besteht, dass er sich unter Ausübung von Leitungsmacht auch in anderen<br />

Gesellschaften unternehmerisch betätigt.<br />

a) Der Mehrheitsaktionär der Beklagten ist zwar an zwei ihrer Tochtergesellschaften<br />

mit 9% (M.-Vermögensverwaltung AG) bzw. 15% (M.-Service<br />

GmbH) beteiligt. Das sind jedoch keine maßgeblichen Beteiligungen. Eine<br />

maßgebliche Beteiligung liegt nur dann vor, wenn der Aktionär mit den ihm<br />

rechtlich zu Gebote stehenden Mitteln (Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung)<br />

auf das Unternehmen bestimmend Einfluss nehmen kann.<br />

Das ist bei einer Mehrheitsbeteiligung der Fall, die hier jedoch nicht vorliegt.<br />

Allerdings kann auch eine unter 50% liegende Beteiligung in Verbindung<br />

mit weiteren verlässlichen Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art zu<br />

der Möglichkeit einer Einflussnahme führen, die dann bestimmend ist,<br />

wenn sie beständig und umfassend ausgeübt werden kann und gesellschaftsrechtlich<br />

vermittelt ist. Das kann dann der Fall sein, wenn die Hauptversammlungen<br />

der Aktiengesellschaft erfahrungsgemäß so besucht sind, dass<br />

die unter 50% liegende Beteiligung des Großaktionärs regelmäßig ausreicht,<br />

um für einen längeren Zeitraum Beschlüsse mit einfacher Mehrheit<br />

durchzusetzen (BGHZ 135, 107/<strong>11</strong>4). Abgesehen davon, dass derartige Voraussetzungen<br />

von der Klägerin nicht dargelegt worden sind, verbietet sich<br />

ihre Annahme für die M.-Vermögensverwaltung AG schon mit Rücksicht<br />

auf die geringe Höhe der Beteiligung des L. an dieser Aktiengesellschaft<br />

und, soweit man die M.-Service GmbH in diese Überlegungen einbezieht,<br />

auch an dieser Gesellschaft.<br />

Es ist auch nicht ersichtlich, dass L. als Aufsichtsratsvorsitzender der<br />

M.-Vermögensverwaltung AG und der M.-Service GmbH angesichts der<br />

DNotZ 2001


886 Rechtsprechung<br />

geringen Höhe seiner Beteiligung eine unternehmerische Tätigkeit an diesen<br />

Gesellschaften zu entfalten vermag.<br />

Denkbar ist ferner, dass er eine unternehmerische Tätigkeit durch Koordination<br />

des Abstimmungsverhaltens seiner an den Tochtergesellschaften<br />

beteiligten Familienmitglieder entfaltet. Dazu enthält das Berufungsurteil<br />

jedoch keine Feststellungen. Die Revisionserwiderung erhebt insoweit auch<br />

keine Gegenrüge.<br />

b) Die Revisionserwiderung vertritt die Ansicht, die Mehrheitsbeteiligung<br />

des L. an der Beklagten räume ihm als mittelbare Beteiligung an den<br />

beiden Tochtergesellschaften zusammen mit den von ihm daran gehaltenen<br />

unmittelbaren Minderheitsbeteiligungen und seiner Vorstandseigenschaft in<br />

der Beklagten die Möglichkeit ein, persönlich – und nicht nur für die<br />

Beklagte – Einfluss auf die Tochtergesellschaften zu nehmen. Auf diese<br />

Weise könne er eine eigenständige unternehmerische Tätigkeit in beiden<br />

Tochtergesellschaften entfalten, die zum Nachteil der Holding als einer<br />

mehrgliedrigen Gesellschaft mit Fremdbeteiligungen ausschlagen könne.<br />

Damit lässt sich jedoch eine Unternehmenseigenschaft des L. nicht begründen.<br />

Die Zurechnungsregelung des § 16 Abs. 4 AktG setzt die Eigenschaft<br />

des Normadressaten als Unternehmen voraus, vermag sie jedoch nicht zu<br />

begründen. Das folgt nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut aller in einem<br />

systematischen Regelungszusammenhang stehender Absätze dieser Vorschrift,<br />

sondern auch aus ihrem Zweck, die Mehrheitsbeteiligung eines<br />

Unternehmens an einem anderen Unternehmen als eigenständige Unternehmensverbindung<br />

zu definieren und darauf den Vermutungstatbestand der<br />

Abhängigkeit i. S. des § 17 Abs. 2 AktG zu gründen (vgl. dazu Hüffer,<br />

AktG, 4. Aufl., § 16 Rdn. 1).<br />

Das führt zwar dazu, dass der nicht unternehmerisch tätige Mehrheitsaktionär<br />

einer Holding wie der Beklagten, der zudem noch ihr Vorstandsvorsitzender<br />

ist, das Verhalten der Tochtergesellschaften allein zu beeinflussen<br />

vermag. Das kann für die Holding Gefahren mit sich bringen. Denn<br />

deren Interessen stimmen nicht notwendigerweise mit denen der Tochtergesellschaften<br />

überein, wie die Revisionserwiderung zutreffend ausführt. Somit<br />

ist es jedenfalls denkbar, dass die Interessen der Beklagten als einer<br />

Mehrheitsholding gegenüber denjenigen der Tochtergesellschaften vernachlässigt<br />

werden. Dennoch besteht zu dem Fall, dass der Großaktionär auf die<br />

andere Gesellschaft unmittelbar aufgrund einer eigenen maßgeblichen Beteiligung<br />

bestimmenden Einfluss nehmen kann, ein wesentlicher Unterschied.<br />

Der Einfluss, den der Großaktionär in der anderen Gesellschaft<br />

zulasten der Aktiengesellschaft ausübt, ist der Kontrolle ihrer Minderheitsaktionäre<br />

entzogen. Insoweit bedarf es eines weitergehenden Schutzes der<br />

Minderheitsaktionäre, der durch die Verpflichtung zur Erstattung eines<br />

Abhängigkeitsberichts und der durch ihn eröffneten Möglichkeit gewährleistet<br />

wird, eine Sonderprüfung zu erzwingen (§§ 312 Abs. 1, 315 AktG).<br />

Bei der mittelbaren Mehrheitsbeteiligung bedarf es eines solchen besonderen<br />

Schutzes nicht: Der Einfluss kann nur namens der Obergesellschaft<br />

– hier der Beklagten – ausgeübt werden. Insoweit sind die Aktionäre durch<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 887<br />

Rechte geschützt, die sich in §§ <strong>11</strong>7 Abs. 2, 243 Abs. 2 AktG, der Treupflicht<br />

des Mehrheits- gegenüber den Minderheitsaktionären mit der bei<br />

ihrer Verletzung gegebenen Anfechtungsmöglichkeit nach § 243 Abs. 1<br />

AktG sowie weiteren Schadensersatzansprüchen manifestieren. Nähme<br />

z. B. L. als Vorstandsmitglied die Interessen der Beklagten nicht ordnungsgemäß<br />

wahr, würde er sich ihr gegenüber schadensersatzpflichtig machen<br />

(§ 93 Abs. 2 AktG). Darüber hinaus bestünde gegenüber den Aktionären<br />

eine Schadensersatzpflicht nach § <strong>11</strong>7 Abs. 2 AktG bzw. § 823 Abs. 2<br />

BGB i. V. mit § 266 StGB und § 400 Abs. 1 insbesondere Nr. 1 AktG.<br />

Würde er seinen Einfluss als Aktionär in der Hauptversammlung ausüben,<br />

käme als Korrektiv die Anfechtungsmöglichkeit nach § 243 Abs. 1 und 2<br />

AktG in Betracht. Der Interessenkonflikt ist also derart gestaltet, das er mit<br />

den innerhalb der Gesellschaft bestehenden Schutzinstrumenten bewältigt<br />

werden kann. Eines weitergehenden Schutzes bedarf es somit nicht.<br />

Nr. 4 BGB § 181; GmbHG § 47 (§ 181 BGB in der Einmann-GmbH)<br />

a) § 181 BGB findet Anwendung, wenn sich der gesetzliche Vertreter<br />

des Gesellschafters einer GmbH mit dessen Stimme zum Geschäftsführer<br />

bestellt.<br />

b) Bei der Einmann-Gesellschaft hat eine auf § 181 BGB beruhende<br />

Unwirksamkeit der Stimmabgabe die Unwirksamkeit des Beschlusses<br />

zur Folge.<br />

BayObLG, Beschl. v. 17. <strong>11</strong>. 2000 – 3Z BR 271/00<br />

I. Alleinige Gesellschafterin der GmbH ist eine eingetragene Genossenschaft, die von<br />

ihren beiden Vorstandsmitgliedern A. und B. vertreten wird. Die beiden Vorstände der<br />

Alleingesellschafterin, die nicht vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit sind, fassten<br />

am 13. 4. 2000 den Beschluss, wonach A. zum weiteren Geschäftsführer der GmbH<br />

bestellt werde. Die Anmeldung der Bestellung des neuen Geschäftsführers beanstandete<br />

das RegisterG mit Zwischenverfügung vom 19. 5. 2000. Die Beschwerde der Gesellschaft<br />

gegen die Zwischenverfügung hat das LG mit Beschl. v. 24. 7. 2000 zurückgewiesen.<br />

Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde der Gesellschaft.<br />

II. Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.<br />

1. Das LG hat unter teilweiser Bezugnahme auf die Zwischenverfügung<br />

des RegisterG ausgeführt, A. habe als organschaftlicher Vertreter der Alleingesellschafterin<br />

nicht für seine eigene Bestellung zum Geschäftsführer<br />

der GmbH stimmen können. Der Wirksamkeit des Bestellungsbeschlusses<br />

stehe § 181 BGB entgegen.<br />

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG; § 550 ZPO)<br />

stand.<br />

a) Dem RegisterG steht bei einer Anmeldung, die eine Änderung der<br />

Person des Geschäftsführers betrifft, ein Prüfungsrecht zu, da zum Schutze<br />

des Rechtsverkehrs (vgl. § 15 HGB) unrichtige Eintragungen in das Handelsregister<br />

vermieden werden sollen. Deshalb obliegt es dem RegisterG,<br />

die formellen Voraussetzungen der Eintragung festzustellen und bei begründeten<br />

Bedenken auch die Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen nachzuprü-<br />

DNotZ 2001


888 Rechtsprechung<br />

fen (§ 12 FGG). Darüber hinaus ist das Gericht auch zur Prüfung verpflichtet,<br />

ob das zur Eintragung Angemeldete überhaupt eintragungsfähig ist und<br />

ob die mitgeteilten Tatsachen die begehrte Eintragung rechtfertigen. In<br />

diesem Rahmen hat das RegisterG auch die Rechtsgültigkeit eines Gesellschafterbeschlusses<br />

zu prüfen. Es muss die Eintragung verweigern, wenn<br />

ein zur Eintragung angemeldeter Beschluss nicht wirksam ist (vgl. Bay-<br />

ObLG, GmbHR 1992, 304/305 f. m. w. Nachw.).<br />

b) Der hier zur Eintragung angemeldete Beschl. v. 13. 4. 2000 leidet an<br />

einem Mangel, da die Alleingesellschafterin nicht wirksam vertreten war.<br />

Für sie handelten ihre zwei gesamtvertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder,<br />

die nicht vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) entbunden<br />

waren. Durch den Beschluss sollte eines dieser beiden Vorstandsmitglieder<br />

der Alleingesellschafterin zum weiteren Geschäftsführer der GmbH<br />

bestellt werden. Die Berufung zum Vertretungsorgan der GmbH hätte die<br />

rechtliche Stellung dieses Vorstandsmitglieds unmittelbar verstärkt. Damit<br />

lag in seiner Person ein Interessenkonflikt vor, wie ihn § 181 BGB im Auge<br />

hat. Diese Vorschrift soll verhindern, dass verschiedene und damit möglicherweise<br />

einander entgegenstehende Interessen durch ein und dieselbe<br />

Person vertreten werden, solange dies nicht durch Gesetz oder Vollmacht<br />

gestattet ist, weil ansonsten stets die Gefahr der Schädigung eines Teils<br />

besteht (vgl. BGHZ 51, 209/215 1 betreffend einen Testamentsvollstrecker).<br />

Aus diesem Grunde wird überwiegend § 181 BGB herangezogen, wenn der<br />

Vertreter eines Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung der<br />

GmbH mit den Stimmen der von ihm vertretenen Person sich selbst zum<br />

Geschäftsführer bestellt (LG Berlin, NJW-RR 1997, 1534; Erman/Palm,<br />

BGB, 10. Aufl., § 181 Rdn. 12; Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 181<br />

Rdn. <strong>11</strong>; Soergel/Leptin, BGB, 13. Aufl., § 181 Rdn. 21; Staudinger/Schilken,<br />

BGB [1995], § 181 Rdn. 25; Roth/Altmeppen, GmbHG, 3. Aufl., § 47<br />

Rdn. 30; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 3. Aufl., § 47 Rdn. 67;<br />

Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 47 Rdn. 181; a. A. – Anwendung<br />

des § 47 Abs. 4 GmbHG – Hachenburg/Hüffer, GmbHG, 8. Aufl., § 47<br />

Rdn. <strong>11</strong>1; Kirsten, GmbHR 1989, 406/410). Dieser Auffassung, die auch<br />

der BGH für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts vertritt (BGHZ <strong>11</strong>2, 339),<br />

schließt sich der Senat an. Die Frage, inwieweit § 181 BGB bei Beschlüssen<br />

einer Gesellschafterversammlung allgemein anwendbar ist („Sozialakt‘‘,<br />

vgl. BGHZ 52, 316/318 2 ), stellt sich hier nicht, da es nur um die<br />

Einordnung eines Interessenkonflikts zwischen gesetzlichem Vertreter und<br />

Vertretenen geht.<br />

c) Der Beschl. v. 13. 4. 2000 ist aufgrund dieses Mangels unwirksam und<br />

nicht nur anfechtbar.<br />

Ist in der Gesellschafterversammlung einer GmbH das Zustandekommen<br />

eines bestimmten Beschlusses notariell beurkundet oder vom Versammlungsleiter<br />

förmlich festgestellt worden, so ist der Beschluss mit dem beurkundeten<br />

bzw. festgestellten Inhalt vorläufig verbindlich; formelle und<br />

1) DNotZ 1969, 381. 2) DNotZ 1970, 298.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 889<br />

materielle Mängel, welche die Anfechtbarkeit begründen, können nur durch<br />

Erhebung der Anfechtungsklage geltend gemacht werden (BayObLGZ<br />

1991, 371/374 3 ). Hier wurde der Beschluss zwar weder von einem Versammlungsleiter<br />

förmlich festgestellt noch notariell beurkundet. Sein Inhalt<br />

wurde jedoch von den beiden für die Alleingesellschafterin handelnden<br />

Personen schriftlich niedergelegt (vgl. § 48 Abs. 3 GmbHG) und gemeinsam<br />

unterzeichnet. Dies steht, da damit alle an der Beschlussfassung beteiligten<br />

Personen übereinstimmend die Auffassung bekundet haben, dass ein<br />

Beschluss mit dem dokumentierten Inhalt zustande gekommen ist, einer<br />

förmlichen Feststellung durch einen Versammlungsleiter gleich. Eine wegen<br />

§ 181 BGB unwirksame Stimmabgabe wird im Grundsatz, nicht anders<br />

als das Mitzählen der Stimmen von in Wahrheit nicht stimmberechtigten<br />

Personen (vgl. BGHZ 104, 66/69 4 ), als bloßer Anfechtungsgrund angesehen<br />

(Soergel/Leptin, § 181 Rdn. 21; Rowedder/Koppensteiner, §47 Rdn.69).<br />

Nach diesen Grundsätzen wäre der Beschluss, da keine Nichtigkeitsgründe<br />

gemäß § 241 AktG ersichtlich sind, vorbehaltlich einer erfolgreichen Anfechtungsklage<br />

durch das RegisterG als wirksam zu behandeln.<br />

Diese Grundsätze gelten jedoch im vorliegenden Fall nicht, da es sich bei<br />

der GmbH um eine Einmann-Gesellschaft handelt. In diesem Sonderfall<br />

bewirkt eine Unwirksamkeit der Stimmabgabe auch die Unwirksamkeit des<br />

Einmann-Beschlusses (vgl. Lindemann, Die Beschlussfassung in der Einmann-GmbH,<br />

S. 201 ff.; a. A. Winkler, DNotZ 1970, 476/486). Zum einen<br />

passt für den fehlerhaften Einmann-Beschluss das Anfechtungserfordernis<br />

nicht, da es sich hierbei um ein Instrument zum Austragen von Konflikten<br />

zwischen Gesellschaftermehrheit und -minderheit handelt (Lindemann,<br />

S. 163 ff.). Im Übrigen kommt hier der Beschluss unmittelbar mit der<br />

Willensbildung des Alleingesellschafters und ohne jeden weiteren Zwischenschritt<br />

zustande, was es rechtfertigt, von einer Trennung zwischen<br />

Stimmabgabe und Beschluss abzusehen. Schließlich kann nur auf diese<br />

Weise im vorliegenden Fall dem Schutzzweck des § 181 BGB ausreichend<br />

Rechnung getragen werden.<br />

d) Das RegisterG hat zu Recht eine Zwischenverfügung gewählt, da der<br />

beanstandete Mangel behebbar war. Durch den Abschluss eines Insichgeschäfts<br />

überschreitet der Vertreter seine Vertretungsmacht. Das betreffende<br />

Rechtsgeschäft ist aber nicht nichtig, sondern nur entsprechend §§ 177, 180<br />

BGB schwebend unwirksam (vgl. Palandt/Heinrichs, § 181 Rdn. 15).<br />

Nr. 5 GmbHG §§ 5 Abs. 1, 17 Abs. 4 (Keine Nichtigkeit der Abtretung<br />

eines unter dem Mindestnennbetrag liegenden Teilgeschäftsanteils<br />

bei anschließender Zusammenlegung zu einem darüber liegenden<br />

Anteil)<br />

Die Bildung und Abtretung eines Teilgeschäftsanteils unter einem<br />

gesetzlich bestimmten Mindestnennbetrag ist nicht wegen Verstoßes<br />

3) DNotZ 1992, 533. 4) DNotZ 1989, 21.<br />

DNotZ 2001


890 Rechtsprechung<br />

gegen §§ 17 Abs. 4, 5 Abs. 1 GmbHG n. F. (bzw. § 5 Abs. 3 GmbHG<br />

a. F.) nichtig, wenn der Anteil unmittelbar anschließend in einem einheitlichen<br />

Beurkundungsvorgang mit anderen Anteilen zu einem den<br />

Mindestnennbetrag erreichenden Geschäftsanteil zusammengelegt<br />

wird.<br />

KG, Beschl. v. 3. 5. 2001 –1W9272/00(mitAnm.Rombach)<br />

(. . .) Rechtlich zutreffend ist das LG zunächst von der Befugnis des<br />

RegisterG ausgegangen, die Anmeldung der GmbH anhand der eingereichten<br />

Unterlagen daraufhin zu überprüfen, ob die angemeldeten Änderungen<br />

des Gesellschaftsvertrages wirksam zustande gekommen sind. Dies umfasst<br />

die Prüfung der Frage, ob der zugrunde liegende Gesellschafterbeschluss<br />

formell ordnungsgemäß zustande gekommen ist (vgl. Senat, FGPrax 1997,<br />

154/155 m. w. Nachw.).<br />

Das LG hat – übereinstimmend mit dem AG – angenommen, dass die<br />

Teilung eines Geschäftsanteils von 3 700,– DM in Teilgeschäftsanteile von<br />

3 600,– DM und 100,– DM sowie die nachfolgende Abtretung des Anteils<br />

von 100,– DM an den neu eintretenden Gesellschafter wegen Verstoßes<br />

gegen §§ 17 Abs. 4, 5 Abs. 3 GmbHG nichtig gewesen sei. Hiergegen<br />

bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Denn das LG hat nicht<br />

berücksichtigt, dass die genannten Vorschriften nach ihrem Zweck, die<br />

Bildung von Kleinstgeschäftsanteilen mit einem Nennbetrag von unter<br />

500,– DM zu verhindern, vorliegend im Hinblick darauf nicht eingreifen,<br />

dass die Bildung des Anteils von 100,– DM nur ein Zwischenstadium auf<br />

dem Weg zur in derselben Urkundsverhandlung vorgenommenen Neuverteilung<br />

der Geschäftsanteile unter den bisherigen sowie dem neu eintretenden<br />

Gesellschafter war, und zwar in § 5 GmbHG entsprechender Weise.<br />

1. Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 GmbHG bleiben in Bezug auf Gesellschaften,<br />

die – wie hier – vor dem 1. 1. 1999 in das Handelsregister eingetragen<br />

wurden, für Mindestbetrag und Teilbarkeit von Kapital, Einlagen und Geschäftsanteilen<br />

die bis dahin gültigen Beträge weiter maßgebend, solange<br />

die Nennbeträge nicht an die gesetzliche Neuregelung angepasst sind; die<br />

durch Teilung gebildeten Geschäftsanteile dürfen daher nicht auf einen<br />

niedrigeren als den Mindestnennbetrag von 500,– DM lauten und müssen<br />

durch 100,– DM teilbar sein (vgl. Scholz/Winter, GmbHG, 9. Aufl., § 17<br />

Rdn. <strong>11</strong> a). Die Bildung und Abtretung eines Teilgeschäftsanteils ist gemäß<br />

§ 134 BGB nichtig, wenn dieser und der verbleibende Restteil diese Erfordernisse<br />

nicht erfüllen (vgl. BGHZ 14, 25/33 1 ;OLGSchleswig, NJW-RR<br />

1995, 554; Scholz/Winter, aaO,Rdn.<strong>11</strong>).<br />

Sinn und Zweck der Vorschriften des § 17 GmbHG – wie auch des § 5<br />

GmbHG – ist es, die Abtretung von Teilen eines Geschäftsanteils zu<br />

erschweren. Es soll vermieden werden, dass die bei der GmbH vorausgesetzte<br />

verhältnismäßig geringe Zahl von Mitgliedern unangemessen erweitert<br />

wird; eine Vervielfältigung der Geschäftsanteile und der Handel mit<br />

1) DNotZ 1954, 538.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 891<br />

ihnen sollen erschwert werden (vgl. RGZ 105, 152/154; BGHZ <strong>11</strong>,<br />

124/126 2 ; BGH, WM 1966, 472/473; OLG Hamm, DB 1976, 907/908 3 ;<br />

OLG Frankfurt/M., DB 1977, 2180; Scholz/Winter, aaO,Rdn.1;Knoob/<br />

Seefeldt, GmbHR 1961, 140). Insbesondere durch die Normierung eines<br />

Mindestnennbetrages von 500,– DM wird die Bildung von Kleinstgeschäftsanteilen<br />

und eine damit einhergehende Vervielfältigung der Zahl<br />

von Gesellschaftern verhindert.<br />

2. Der vorgenannte Zweck der §§ 17 Abs. 4, 5 Abs. 3 GmbHG, die<br />

Bildung von Geschäftsanteilen mit einem Nennbetrag von unter 500,– DM<br />

zu verhindern, wird jedoch durch die im vorliegenden Fall vorgenommene<br />

Bildung und Abtretung eines Teilgeschäftsanteils von 100,– DM nicht verletzt.<br />

Zwar behielten die gebildeten mehreren Geschäftsanteile gemäß § 15<br />

Abs. 2 GmbHG zunächst ihre rechtliche Selbständigkeit, nachdem sie auf<br />

den neu eintretenden Gesellschafter übergegangen waren. Die Gesellschafter<br />

haben jedoch unmittelbar im Anschluss an die Übertragung des Teilgeschäftsanteils<br />

von 100,– DM sowie der weiteren Teilgeschäftsanteile auf<br />

den Neugesellschafter unter dessen Beteiligung die Vereinigung der jeweils<br />

von ihnen innegehaltenen Geschäftsanteile beschlossen. Eine solche Vereinigung<br />

bzw. Zusammenlegung mehrerer Geschäftsanteile ist nach allgemeiner<br />

Meinung zulässig, wenn die Geschäftsanteile voll eingezahlt sind<br />

und nach dem Gesellschaftsvertrag keine Nachschusspflicht besteht (vgl.<br />

RGZ 142, 36; BGHZ 42, 89/92 4 ; Priester, GmbHR 1976, 130; Baumbach/<br />

Hueck/Fastrich, GmbHG, 17. Aufl., § 15 Rdn. 18 m. w. Nachw.). Dies war<br />

vorliegend ausweislich der Beurkundungsniederschrift der Fall. Infolge der<br />

danach wirksam vorgenommenen Zusammenlegung der auf einen Gesellschafter<br />

entfallenden Teilgeschäftsanteile ging auch der dem Neugesellschafter<br />

übertragene Teilgeschäftsanteil von 100,– DM in dem entstandenen<br />

einheitlichen Geschäftsanteil von 13 600,– DM auf. Damit war er nach<br />

Abschluss des Beurkundungsvorgangs nicht mehr als selbstständiger Geschäftsanteil<br />

rechtlich existent und seine selbstständige erneute Abtretung<br />

ausgeschlossen (vgl. Scholz/Winter, aaO, § 15 Rdn. 1 m. w. Nachw.). Der<br />

genannte Gesetzeszweck, eine Vervielfältigung der Zahl von Gesellschaftern<br />

durch Bildung und Abtretung von Kleinstgeschäftsanteilen zu verhindern,<br />

wird daher durch das gewählte Vorgehen nicht berührt.<br />

3. In der obergerichtlichen Rechtsprechung gerade auf dem Gebiet des<br />

Gesellschaftsrechts ist mit Recht anerkannt, dass für die Auslegung und<br />

Anwendung des Gesetzes nicht allein dessen Wortlaut maßgebend ist, es<br />

vielmehr wesentlich auf dessen Zweck ankommt. Daher ist der Zweck des<br />

Gesetzes bei seiner Auslegung und Anwendung zu berücksichtigen mit der<br />

Folge, dass bestimmte Sachverhalte bzw. Fallgruppen, die zwar nach dem<br />

Wortlaut des Gesetzes, nicht aber nach seinem Zweck seinem Anwendungsbereich<br />

unterfallen, im Wege teleologischer Reduktion aus diesem heraus-<br />

2) DNotZ 1954, 85.<br />

3) DNotZ 1976, 617.<br />

4) DNotZ 1965, 490.<br />

DNotZ 2001


892 Rechtsprechung<br />

zunehmen sein können. So hat der BGH in seiner die vergleichbare Problematik<br />

der Auslegung des Begriffs der „Gleichzeitigkeit‘‘ in § 17 Abs. 5<br />

GmbHG betreffenden Entscheidung auf den Zweck der Vorschrift abgestellt,<br />

eine willkürliche Vervielfältigung der Geschäftsanteile zu vermeiden,<br />

und einen Verstoß dann nicht angenommen, wenn die Aufteilung des<br />

Geschäftsanteils geschäftlich bedingt und wirtschaftlich gerechtfertigt ist<br />

und dieser Zweck daher nicht berührt wird (BGHZ <strong>11</strong>, 124/126 ff. 2 ;vgl.<br />

auch zu § 15 Abs. 2 GmbHG RGZ 142, 36/40 f.; zu § 181 BGB BGHZ 56,<br />

97/101 f. 5 ).<br />

Auch für die vorliegende Fallgestaltung der Bildung und Abtretung eines<br />

nicht den Mindestnennbetrag der §§ 17 Abs. 4, 5 Abs. 3 GmbHG erreichenden<br />

Teilgeschäftsanteils, der unmittelbar anschließend in einem einheitlichen<br />

Beurkundungsvorgang mit anderen Teilgeschäftsanteilen zu einem<br />

§ 5 GmbHG genügenden Geschäftsanteil zusammengelegt wird, gebietet<br />

es die teleologische Auslegung, einen Verstoß gegen die genannten<br />

Vorschriften zu verneinen, da deren Sinn und Zweck nicht berührt werden,<br />

wenn der unzulässige Teilgeschäftsanteil nur vorübergehend zur Neuaufteilung<br />

des Stammkapitals gebildet worden ist und im Rechtsverkehr keine<br />

selbständige Bedeutung erlangen kann.<br />

Anmerkung: 1. § 17 Abs. 4 GmbHG sieht vor, dass die Bestimmungen<br />

in § 5 Abs. 1 und 3 GmbHG über Teilbarkeit und Mindestnennbetrag der<br />

Stammeinlagen bei der Teilung von Geschäftsanteilen entsprechende Anwendung<br />

finden. Ausgehend von dem allgemein anerkannten Normzweck,<br />

die Bildung von Kleinstgeschäftsanteilen und den Handel mit diesen möglichst<br />

zu verhindern, wird diese Vorschrift in Kommentarliteratur und<br />

Rechtsprechung bislang so verstanden, dass bei der Teilung eines Geschäftsanteils<br />

jeder Teil, d. h. sowohl der beim Veräußerer verbleibende als<br />

auch der abveräußerte (Teil-)Geschäftsanteil, den Anforderungen des § 5<br />

Abs. 1 und 3 GmbHG genügen muss (BGHZ 14, 25/33 = DNotZ 1954, 538;<br />

OLG Schleswig, NJW-RR 1995, 554; Lutter/Hommelhoff, GmbHG,<br />

15. Aufl., 2000, § 17 Rdn. 5; Winter in Scholz, GmbHG, 9. Aufl., 2000,<br />

§17Rdn.<strong>11</strong>;Rowedder in Rowedder, GmbHG, 3. Aufl., 1997, § 17 Rdn.<br />

3; Zutt in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl., 1992, § 17 Rdn. 12). Von diesem<br />

Grundsatz ist bislang weder in der Kommentarliteratur noch in der Rechtsprechung<br />

eine Ausnahme gemacht worden für den Fall, dass ein abveräußerter<br />

(Teil-)Geschäftsanteil sofort mit einem anderen Geschäftsanteil<br />

des Erwerbers vereinigt wird.<br />

In dem vom KG entschiedenen Fall ist von einem Geschäftsanteil im<br />

Nennbetrag von 3 700,– DM ein Teilgeschäftsanteil im Nennbetrag von<br />

100,– DM an einen neu eintretenden Gesellschafter abgetreten worden.<br />

Einen Verstoß gegen §§ 17 Abs. 4, 5 Abs. 3 i. V. mit § 86 Abs. 1 Satz 2<br />

GmbHG hat das KG allerdings verneint, da der Teilgeschäftsanteil im<br />

Nennbetrag von 100,– DM unmittelbar im Anschluss an seine Übertragung<br />

auf den Erwerber mit anderen, gleichzeitig von diesem erworbenen Ge-<br />

5) DNotZ 1971, 670.<br />

DNotZ 2001


Rechtsprechung 893<br />

schäftsanteilen zu einem den Anforderungen der §§ 17 Abs. 4, 5 Abs. 3<br />

i. V. mit § 86 Abs. 1 Satz 2 GmbHG genügenden Geschäftsanteil im Nennbetrag<br />

von 13 600,– DM vereinigt worden sei. Nach Abschluss des Beurkundungsvorgangs<br />

sei der Teilgeschäftsanteil im Nennbetrag von 100,– DM<br />

nicht mehr als selbständiger Geschäftsanteil existent und könne im Rechtsverkehr<br />

keine eigenständige Bedeutung erlangen. Da der Normzweck der<br />

§§ 17 Abs. 4, 5 Abs. 3 GmbHG bei Gesamtbetrachtung von Abtretung des<br />

Teilgeschäftsanteils und Vereinigung mit den anderen Geschäftsanteilen des<br />

Erwerbers nicht berührt sei, sei ein Verstoß gegen diese Vorschriften bei<br />

teleologischer Auslegung zu verneinen.<br />

2. Die Argumentation des KG steht und fällt mit der Wirksamkeit der<br />

Vereinigung des Teilgeschäftsanteils im Nennbetrag von 100,– DM mit den<br />

anderen Geschäftsanteilen des Erwerbers. Die Vereinigung von GmbH-Geschäftsanteilen<br />

ist gesetzlich nicht geregelt. Nach einhelliger Ansicht in<br />

Rechtsprechung und Kommentarliteratur, der sich auch das KG anschließt,<br />

ist die Zusammenlegung von Geschäftsanteilen trotz § 17 Abs. 2 GmbHG<br />

zulässig, wenn die Geschäftsanteile voll eingezahlt sind, nach dem Gesellschaftsvertrag<br />

keine Nachschusspflicht besteht und die Anteile keine unterschiedlichen<br />

Rechte vermitteln (RGZ 142, 36/40; BGHZ 42, 89/92 =<br />

DNotZ 1965, 490; BGHZ 63, <strong>11</strong>6/<strong>11</strong>8; Scholz/Winter, aaO, § 15 Rdn. 104;<br />

Rowedder/Rowedder, aaO, § 15 Rdn. <strong>11</strong>1; Lutter/Hommelhoff, aaO,§15<br />

Rdn. 7; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 17. Aufl., 2000, § 15 Rdn.<br />

18). Ob eine Vereinigung auch zulässig ist, wenn die Geschäftsanteile<br />

gleichmäßig eingezahlt sind und die Inanspruchnahme eines Vorgängers<br />

nach § 22 Abs. 3 GmbHG ausgeschlossen ist, ist hingegen umstritten (vgl.<br />

Rowedder/Rowedder, aaO; Baumbach/Hueck/Fastrich, aaO, einerseits; Lutter/Hommelhoff,<br />

aaO,andererseits).<br />

Dass die Geschäftsanteile voll eingezahlt seien, meint das KG in dem<br />

entschiedenen Fall der Beurkundungsniederschrift entnehmen zu können.<br />

Dies verwundert, kann die Niederschrift doch lediglich die Zusicherung der<br />

Volleinzahlung der Geschäftsanteile enthalten, nicht aber Aufschluss darüber<br />

geben, ob alle vereinigten Geschäftsanteile tatsächlich voll eingezahlt<br />

sind. Zu einer nur vermeintlichen Volleinzahlung kommt es in der Praxis<br />

insbesondere in Fällen der verdeckten Sacheinlage, da derartige Geschäfte<br />

nach ständiger Rechtsprechung trotz dinglicher Wirksamkeit des Einlagegeschäfts<br />

den Zweck der Erfüllung der Einlageverpflichtung verfehlen<br />

(BGHZ 28, 314/319 = DNotZ 1959, 133; BGHZ <strong>11</strong>3, 335/348 = DNotZ<br />

1991, 843; BGHZ 125, 141/149). Allein auf der Grundlage der Beurkundungsniederschrift<br />

konnte das KG somit überhaupt nicht beurteilen, ob<br />

sämtliche vereinigten Teilgeschäftsanteile voll eingezahlt waren und ob<br />

demnach deren Vereinigung zu einem den Anforderungen der §§ 17 Abs. 4,<br />

5 Abs. 1 GmbHG genügenden Geschäftsanteil wirksam ist.<br />

3. Ein Verstoß gegen §§ 17 Abs. 4, 5 Abs. 1 GmbHG führt zur Nichtigkeit<br />

der Abtretung des Teilgeschäftsanteils (BGHZ 14, 25/33 = DNotZ<br />

1954, 538). Die Ansicht des KG, die Abtretung eines unter dem Mindestnennbetrag<br />

liegenden Teilgeschäftsanteils sei ausnahmsweise nicht nichtig,<br />

wenn dieser anschließend mit anderen Anteilen zu einem über dem Min-<br />

DNotZ 2001


894 Buchbesprechungen<br />

destnennbetrag liegenden Anteil zusammengelegt wird, schafft für den<br />

Rechtsverkehr mit GmbH-Geschäftsanteilen zusätzliche und überflüssige<br />

Unsicherheit. Ob die Abtretung des unter dem Mindestnennbetrag liegenden<br />

Teilgeschäftsanteils wirksam ist, kann letztlich – ungeachtet aller<br />

Zusicherungen – keiner der Beteiligten und erst recht keiner ihrer Rechtsnachfolger<br />

mit Sicherheit wissen. Der Rechtsklarheit und der sicheren<br />

Zuordnung von GmbH-Beteiligungen wäre besser gedient gewesen, wenn<br />

das KG es bei der Nichtigkeit der Abtretung des unter dem Mindestnennbetrag<br />

liegenden Teilgeschäftsanteils belassen hätte. Ob andere Gerichte<br />

dem KG folgen würden, erscheint zweifelhaft. Die notarielle Praxis sollte<br />

weiterhin davon ausgehen, dass bei der Teilung von GmbH-Geschäftsanteilen<br />

sowohl der abgeteilte als auch der beim Veräußerer verbleibende Teil<br />

den Anforderungen der §§ 17 Abs. 4, 5 Abs. 1 und 3 GmbHG genügen<br />

müssen, selbst wenn der eine oder andere Teil unmittelbar anschließend mit<br />

einem weiteren Geschäftsanteil vereinigt wird.<br />

Notarassessor Dr. Paul Rombach, LL. M., Würzburg<br />

BUCHBESPRECHUNGEN<br />

Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen.<br />

Kommentar. 13. Auflage. Band 18: Familienrecht 2 (§§ 1587<br />

bis 1588, VAHRG, VAÜG). Wissenschaftliche Redaktion: Prof. Dr. Gerhard<br />

Hohloch. 2000. 548 Seiten. DM 185,80 (Verlag W. Kohlhammer<br />

GmbH, Stuttgart).<br />

Der Band enthält die Kommentierung des Versorgungsausgleichs des BGB, des Nebenrechts<br />

(Barwert-Verordnung; Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich,<br />

VAHRG) und des vereinigungsbedingten Überleitungsrechts (Gesetz zur Überleitung des<br />

Versorgungsausgleichs auf das Beitrittsgebiet, VAÜG). Im Bearbeiterkreis hat gegenüber<br />

der Vorauflage eine gewisse Verschiebung von den Vertretern der Praxis hin zur Lehre<br />

stattgefunden. Zu Schmeiduch ist die Vizepräsidentin des AG Stuttgart Häußermann<br />

getreten, die Lehre vertreten neben Winter jetzt Hohloch, Freiburg, der neben der Bandredaktion<br />

einen Kurzbeitrag zur Kommentierung liefert, und Lipp, Gießen. Minz, jetzt<br />

Rechtsanwalt, behält im Wesentlichen sein bisheriges Bearbeitungsgebiet bei, für die<br />

Anmerkungen zum „Kaiserparagraphen‘‘ (§ 1588 BGB) zeichnet Gaul, Bonn, verantwortlich.<br />

Die Seitenzahl der Kommentierung ist mit der Vorauflage fast gleich, ihr erheblich<br />

angewachsener Umfang wird durch das veränderte Format aufgefangen. Die Verfasser<br />

konnten, da grundlegende Reformen der Materie seit der letzten Bearbeitung (Stand<br />

Sommer 1988) ausgeblieben sind, auf dem vorhandenen Erläuterungsbestand aufbauen<br />

und die bisherige Gliederung über weite Strecken beibehalten. Die Fülle des seither<br />

angefallenen Stoffes, allein zu § 1587 a BGB sind seit dem 1. 6. 1988 56 einschlägige<br />

Entscheidungen des BGH ergangen, zwang zu einer inhaltlichen Fortschreibung, die einer<br />

Neubearbeitung gleichkommt. Dies zeigt auch ein Blick auf den äußerst sorgfältig redigierten<br />

Fußnotenapparat, den Entscheidungen und Literaturstellen aus der Zeit ab 1990<br />

prägen. Wo angezeigt, geben die Fußnoten Hinweise auf Zweifelsfragen und Entwicklungslinien,<br />

die über das im zusammenhängenden Text – im Hinblick auf dessen Verständlichkeit<br />

– Darstellbare hinausführen und der wissenschaftlichen Arbeit wie der Fortentwicklung<br />

der Rechtsprechung Anregung geben. Das in neuerer Zeit in den Vordergrund<br />

getretene Problem der Unterbewertung teildynamischer Versorgungsleistungen macht dies<br />

DNotZ 2001


Buchbesprechungen 895<br />

anschaulich. Im Kommentierungstext zu § 1587 a BGB sind die für den Praktiker maßgeblichen<br />

Leitlinien unter Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BGH verlässlich<br />

und in der von einem Großkommentar zu erwartenden Vertiefung dargestellt. Mit den<br />

Textverweisen in den Fußnoten stößt die Bearbeitung in die Frontlinie der gegenwärtigen<br />

Diskussion vor. Der Gesamteindruck vermittelt eine Breite der Anschauung, die nur ein so<br />

groß angelegtes Werk wie der „Soergel‘‘ bieten kann. Die Darstellungstechnik ist so<br />

gewählt, dass der Kommentar auf Jahre hinaus im Zusammenspiel mit ergänzenden<br />

elektronischen Medien einen zentralen Platz behaupten wird.<br />

Richter am BGH Karl-Friedrich Tropf, Karlsruhe<br />

Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen.<br />

Kommentar. 13. Auflage. Band 20: Familienrecht 4 (§§ 1741<br />

bis 1921). Wissenschaftliche Redaktion: Prof. Dr. Gerhard Hohloch.<br />

2000. 626 Seiten. DM 215,15 (Verlag W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart).<br />

Der Verlag hat in der Neuauflage des Standardkommentars das Familienrecht, das seit<br />

der Vorauflage aus den Jahren 1987/1988 den nachhaltigsten Umgestaltungen ausgesetzt<br />

war, vorgezogen. Der auf dem Bearbeitungsstand Frühjahr 2000 befindliche Band 20 hat<br />

das Adoptionsrecht, das Vormundschaftsrecht, die rechtliche Betreuung und die Pflegschaft<br />

zum Inhalt. Beim Adoptionsrecht, das seit der Reform des Jahres 1976 in seinen<br />

Grundzügen unverändert geblieben ist, konnte der Bearbeiter (Liermann) auf dem bewährten<br />

Erläuterungsstand aufbauen und diesen an die zwischenzeitliche Entwicklung von<br />

Lehre und Rechtsprechung heranführen. Eine Neukommentierung machten in diesem<br />

Bereich die Änderung der rechtlichen Stellung des nichtehelichen Vaters im Adoptionsverfahren<br />

(§§ 1747, 1748) und eine Reihe von Folgeregelungen der allgemeinen Reform<br />

des Kindschaftsrechts im Jahre 1997 erforderlich. Sie ist durchweg gut gelungen und<br />

schließt an den hohen wissenschaftlichen Standard der Vorauflage an. Die Fülle des<br />

seither angefallenen Materials und das Bestreben nach Vollständigkeit haben die Kommentierung<br />

(unter Berücksichtigung des veränderten Formats) auf etwa das Doppelte ihres<br />

bisherigen Umfangs anschwellen lassen. Das durch das Reformgesetz von 1990 und das<br />

Reparaturgesetz von 1999 umgestaltete Betreuungsrecht hat in Zimmermann (Vizepräsident<br />

des LG Passau) einen Neubearbeiter gefunden, der von seinem Vorgänger (Damrau)<br />

auch das Recht der Vormundschaft und der Pflegschaft übernommen hat. Wie es<br />

einem Großkommentar angemessen ist, legt der Verfasser Wert auf eine eingehende<br />

Darstellung der Gesetzesgeschichte, der Zielvorstellungen der Novellen und der im<br />

Gesetzgebungsverfahren aufgetretenen Differenzen. Die Dokumentation der Materialien<br />

ist mustergültig. Die Erläuterungen bleiben der Tradition des „Soergel‘‘, wissenschaftliche<br />

Präzision mit leichter Fasslichkeit und Übersichtlichkeit zu verbinden, treu. Gelegentliche<br />

Schwächen der Textredaktion (z.B. bei der Bezugnahme auf § 1600 d „Absatz 1‘‘ Satz 1<br />

im Gesetzestext des § 1747 Abs. 1) sind bei einem so umfangreich angelegten Werk<br />

verzeihlich, aber doch nicht unvermeidlich. Den Gesamteindruck einer auch redaktionell<br />

äußerst sorgfältigen Arbeit vermögen sie nicht zu verwischen. Der Bearbeitungsstand<br />

Frühjahr 2000 hätte in dem einen oder anderen Fall eine noch zeitnähere Darstellung<br />

zugelassen. So wird zur lange umstrittenen Vergütung des Betreuers einer vermögenden<br />

Person nach den Stundensätzen des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern<br />

zwar eine umfassende Darstellung der Problematik unter Auseinandersetzung mit Rechtsprechung<br />

und (auch interessenbestimmter) Literatur geboten, ein Hinweis auf den Vorlagebeschl.<br />

des BayObLG v. 15. 12. 1999 (FamRZ 2000, 318), der zur Entscheidung der<br />

Frage durch den BGH (Beschl. v. 31. 8. 2000 – XII ZB 217/99) geführt hat, wäre aber<br />

vielleicht zusätzlich zu erwarten gewesen. Bei einem Kommentar, dessen Verdienst und<br />

Bedeutung in der vertieften wissenschaftlichen Durchdringung des Stoffes liegt, können<br />

Gesichtspunkte der Tagesaktualität indessen ohnehin nicht von ausschlaggebender Bedeutung<br />

sein. Maßgeblich ist der Gesamteindruck souveräner Kommentierkunst. Sie ist dem<br />

Band uneingeschränkt zu attestieren.<br />

Richter am BGH Karl-Friedrich Tropf, Karlsruhe<br />

DNotZ 2001


896 Buchbesprechungen<br />

Grundbuchrecht. Von Dr. Hartmut Schöner und Kurt Stöber. Handbuch<br />

der Rechtspraxis, Band 4. 12. Auflage. 2001. 1854 Seiten. DM 218,–<br />

(Verlag C.H. Beck, München).<br />

Das Werk erscheint nunmehr unter „Schöner/Stöber‘‘, den Bearbeitern des „Haegele‘‘<br />

seit der 6. Auflage. Das ist in Ordnung, sind sie doch längst zu den kompetenten<br />

Gestaltern des umfassendsten kompakten Grundbuchwerkes auf dem Markt geworden.<br />

Auch wenn der Name Haegele im Titel verschwunden ist, wird das Buch sicher noch<br />

einige Zeit im Sprachgebrauch damit tituliert werden. Die 12. Auflage ist wieder gewachsen.<br />

Trotz 71 zusätzlicher Seiten ist das Buch handlich geblieben; durch anderes Papier ist<br />

es nicht ganz so dick wie die Vorauflage. Während bei der <strong>11</strong>. Auflage von 1997 neben<br />

den beiden Herausgebern noch Peter Limmer mitgewirkt hat, ist in der 12. an dessen Stelle<br />

Ulrich Keller, Diplom-Rechtspfleger in Leipzig, getreten. Er hat den umfangreichen Teil<br />

über den Grundstücksverkehr in den Beitrittsländern neu bearbeitet.<br />

In der neuen Auflage sind die Grundgliederungen und die Randnummern der Vorauflage<br />

im Wesentlichen beibehalten worden. Das Inhaltsverzeichnis (S. IX bis XXXIX) ist<br />

zum Teil ausführlicher geworden. Der sechste Teil (öffentlich-rechtliche Verfügungsbeschränkungen<br />

und Vorkaufsrechte) und der siebte Teil (Beitrittsgebiet) haben ein übersichtlicheres<br />

Gliederungsschema erhalten.<br />

Neue Rechtsprechung und vor allem neue Gesetzeslagen sind auf dem Stand Herbst<br />

2000 eingearbeitet. Dies betrifft z. B. den Erbbauzins mit Reallast, überarbeitet auf den<br />

neuesten Stand im jetzigen Kapitel „Erbbauzins-Reallast‘‘ (S. 816 ff.). Die Euro-Umstellung<br />

ist im neu gefassten siebten Abschnitt mit neuen Randnummern eingehend behandelt.<br />

Die Wertsicherungsklauseln nach neuer Rechtslage werden auf S. 1360 ff. dargestellt.<br />

Auch das Gesetz zu Beschleunigung fälliger Zahlungen ist eingearbeitet, etwa bei der<br />

Gestaltung der Kaufpreisfälligkeit, wo zur Abbedingung von § 284 Abs. 3 BGB geraten<br />

wird (Rdn. 315), was jedenfalls bei Individualverträgen zulässig sei.<br />

Bundesweit uneinheitlich ist die Rechtslage bei den Teilungsgenehmigungen. In<br />

Rdn. 3815 ff. ist übersichtlich dargestellt, was in welchen Bundesländern gilt. Insgesamt<br />

muss man feststellen, dass der Befreiungsschlag des Bundesgesetzgebers von 1997 zur<br />

Abschaffung der Teilungsgenehmigung und damit zur Verwaltungsvereinfachung kaum<br />

gelungen ist. Durch endgültige Satzungen bewahren sich gegenwärtig die Gemeinden und<br />

Städte ihr Überwachungsrecht. Die seit 1998 eingeführte Überwachung des Grundstücksverkehrs<br />

in Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen und solchen mit Erhaltungssatzungen<br />

ist ausführlich auf den S. 1584 ff. und 1588 ff. behandelt.<br />

Bei der Darstellung des Mietervorkaufsrechts möchte ich zu Rdn. 4186 einem Missverständnis<br />

vorbeugen. Dort werde ich bei der Aussage, ein Verzicht, der vor Entstehen<br />

des Vorkaufsrechts abgegeben werde, sei unwirksam, mit meinem Aufsatz in ZNotP 1998,<br />

218 (als „Vgl. ausführlich‘‘) zitiert. Das erweckt den Anschein, ich stehe hinter dieser<br />

Aussage. Ich habe aber – im Einklang mit Staudinger/Mader, § 505 BGB Rdn. 24, 25 –<br />

versucht nachzuweisen, dass das Instrument zur Nichtausübung eines Vorkaufsrechts nicht<br />

ein Verzicht (= Vertrag des Vorkaufsberechtigten mit dem Vorkaufsverpflichteten), sondern<br />

eine einseitige Erklärung ist – genauso wie die Ausübung –, und aufgefordert, im<br />

Zusammenhang mit § 579 b Abs. 4 BGB den so beliebten wie unzutreffenden Begriff<br />

„Verzicht‘‘ endlich aus dem Verkehr zu ziehen: Also das Gegenteil von dem, was das Zitat<br />

als richtig erscheinen lässt. Der normale Vorgang, wie der Vorkaufsberechtigte die Nichtausübung<br />

bewirken kann, wird bei Schöner/Stöber dagegen nicht angesprochen.<br />

Beim Wohnungseigentum ist der neue Abschnitt „Bezeichnung der Art des SE‘‘<br />

(Rdn. 2872 a bis e) erwähnenswert, der sich mit den Begriffen „Wohnungseigentum‘‘ und<br />

„Teileigentum‘‘ und ihrer rechtlichen Bedeutung befasst. Die verfestigende Rechtsprechung<br />

des BayObLG hierzu (z.B. inhaltlich unzulässige Eintragung bei fehlender Kongruenz<br />

von Nutzungsart und Bezeichnung) wird zu Recht kritisiert.<br />

Von der umfangreichen und höchst empfehlenswerten Neubearbeitung des Teils über<br />

das Grundstücksrecht im Beitrittsgebiet sei Rdn. 4200 d herausgegriffen, wo die gesamte<br />

Gesetzgebung seit 1991 bis November 2000 mit kurzen Inhaltsangaben aufgelistet ist –<br />

wertvoll für jeden Suchenden.<br />

Zum Schluss: der „Haegele‘‘ bleibt auch als „Schöner/Stöber‘‘ unentbehrlich in jedem<br />

Notariat.<br />

Notar a. D. Friedrich Schmidt, Bayreuth<br />

DNotZ 2001

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