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Karl-Heinz Peschke WIRTSCHAFT AUS ... - Ordo Socialis

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Gerechte Institutionen der Wirtschaft sind für die Gesellschaft unverzichtbar. Zuerst und vorrangig<br />

müssen die den Zielen der Wirtschaft inhärenten Werte in die Rechtsordnung eingepflanzt<br />

werden. Dies ist — wie die Wirtschaft selbst — ein dynamischer Prozess; er verlangt immer<br />

wieder neue Anpassungen der Sozial- und Rechtsordnung. Der Grundsatz „societas semper reformanda“<br />

trifft auch für die Wirtschaftsordnung zu. Darüber hinaus gilt jedoch, dass, je mehr<br />

die Werte der wirtschaftlichen Ordnung vom Gewissen der Bürger internalisiert sind, es umso<br />

besser steht um ihre Verwirklichung. Unglücklicherweise ist das tatsächliche Verhalten der<br />

Menschen „alles andere, als was die Wertordnung eigentlich diktiert. Ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer,<br />

alle denken an ihre Interessen“ 83 . Dies ist in gewissem Grade verständlich und natürlich;<br />

aber es besteht die Gefahr, dass das eigene Interesse das Streben nach höheren Werten<br />

erstickt. „Deshalb ist es wichtig, dass auch die moralisch-kulturellen Institutionen ihre Aufgaben<br />

so gut erfüllen wie die ökonomischen Institutionen die ihren!“ Hier sind die Kirchen besonders<br />

zum Dienst an der Gesellschaft aufgerufen. 84<br />

3. Option für die Armen<br />

Zu den Hauptaufgaben des Staates gehört es, die Mindestbedingungen menschlicher Würde für<br />

alle zu garantieren. Von höchster Priorität ist die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Armen.<br />

Artikel 25 der Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen 1948 fasst treffend<br />

die diesbezüglichen Verpflichtungen des Staates zusammen: „Jeder hat Anspruch auf eine<br />

Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlfahrt zu sichern imstande ist,<br />

insbesondere auf Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Fürsorge und erforderliche soziale<br />

Leistungen. Er hat außerdem das Recht auf Sicherheit bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Arbeitsunfähigkeit,<br />

Witwenschaft, Alter oder in anderen Fällen, in denen er die Mittel zu seinem Unterhalt<br />

durch Umstände verliert, die unabhängig von seinem Willen sind.“<br />

Das bedeutet nicht — wie bereits erwähnt —, dass der Staat für diese Bedürfnisse selbst Sorge<br />

tragen muss. Zu schnell wird bei Feststellung einer sozialen Notlage der Schluss gezogen, dass<br />

der Staat verpflichtet sei, etwas zu unternehmen. Sozial ist nicht gleichbedeutend mit staatlich.<br />

Kardinal Höffner bemerkt zu Recht: „Bedenklich ist allerdings der Trend zum Versorgungsstaat.<br />

Die katholische Soziallehre tritt um des Menschen willen für die Stärkung der Eigenverantwortung<br />

und für die Überwindung des Anspruchsdenkens ein. Ein Volk kann auf die Dauer nicht<br />

mehr ausgeben als es durch seine Arbeit erwirtschaftet.“ 85 Die Kernfamilie wie die Großfamilie<br />

haben in dieser Hinsicht Pflichten gegenüber ihren Mitgliedern. Auch Verbände und karitative<br />

Organisationen haben hier eine Aufgabe. In voller Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip<br />

sollten diese Gruppen zuerst angesprochen werden. Wenn jedoch die Hilfe dieser Gruppen<br />

nicht ausreicht oder gar ganz versagt, hat der Staat eine Pflicht zu helfen — sofern er dazu in der<br />

Lage ist.<br />

Häufig wird behauptet, dass in der Mehrzahl der Fälle die Armen arm sind, weil sie faul seien<br />

und schwere Arbeit scheuten. Die US-amerikanischen Bischöfe haben gegen dieses Vorurteil<br />

protestiert. „Forschungsberichte haben immer wieder festgestellt, dass Arme denselben starken<br />

Wunsch nach Arbeit haben wie der Rest der Bevölkerung. Wir bitten alle, sich solcher Taten,<br />

Worte oder Einstellungen zu enthalten, welche die Armen brandmarken, die Zuwendungen, die<br />

diese erhalten, übergroß darstellen und das Ausmaß an Betrug bei den Sozialleistungen übertreiben.<br />

Dies sind Symptome einer strafenden Einstellung gegenüber den Armen.“ 86 Millionen<br />

Menschen sind arm, weil sie ihre Arbeitsplätze verloren haben oder weil ihre Löhne zu niedrig<br />

sind.<br />

83 Arthur F. Utz: Gemeinsames und Verschiedenes in der marxistischen und christlichen Wirtschaftsanalyse, in: Kann der Christ<br />

Marxist sein? muss er Kapitalist sein? Hrsg. v. Arthur F. Utz. Bonn: WBV; Scientia Humana Institut 1989, 39—57, hier 53.<br />

84 Werner Lachmann: Ausweg aus der Krise. Fragen eines Christen an Marktwirtschaft und Sozialstaat, Wuppertal: Brockhaus<br />

1984,61. Vgl. Paul VI.: „Evangelii nuntiandi“(1975), Nr. 36.<br />

85 J. Kard. Höffner: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsethik,<br />

86 Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten von Amerika: Wirtschaftliche Gerechtigkeit für alle, Nr. 193 f.<br />

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