Karl-Heinz Peschke WIRTSCHAFT AUS ... - Ordo Socialis
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Eingriffe des Staates die Beweislast tragen. „Grundsätzlich bedarf nicht die freie Wirtschaft, das<br />
heißt die freie Entfaltung und Betätigung der einzelnen und der frei gebildeten Gruppen, die für<br />
ihre Daseinsbedingungen, ihren Lebensunterhalt und letzten Endes ihre Selbstverwirklichung<br />
tätig sein wollen, der Begründung oder Rechtfertigung, sondern umgekehrt die Beschränkung<br />
der Freiheit durch Eingriffe oder Anordnungen von oben.“ 80<br />
2. Schaffung gerechter Institutionen<br />
Der Appell an die Moral ist notwendig, aber er allein genügt nicht, um dem Wirtschaftsleben<br />
Ordnung zu geben. Vorher muss jede Anstrengung gemacht werden, um gerechte wirtschaftliche<br />
Institutionen zu schaffen.<br />
„Sündige“ gesellschaftliche Strukturen werden in christlichen Kreisen heute oft denunziert, aber<br />
es ist leichter, das Ideal der gesellschaftlichen Ordnung zu verkünden, als gerechte Strukturen<br />
konkret zu verwirklichen. Die Schaffung gerechter wirtschaftlicher Institutionen ist nicht einfach.<br />
Wie in allen menschlichen Bereichen müssen die Menschen tun, was sie können. Institutionen<br />
können nicht in einem kulturellen Vakuum errichtet werden. Damit sie ihre Aufgabe richtig<br />
erfüllen, bedürfen sie des lebendigen Ethos einer Kultur. „Ein Ethos, in dem Familienbindungen<br />
die Norm der Gleichheit vor dem Gesetz verdrängen, bringt Institutionen hervor, die von Günstlingswirtschaft<br />
und Nepotismus gekennzeichnet sind und die mehr Achtung vor den Regeln der<br />
Familienzugehörigkeit als vor den Regeln der Gerechtigkeit haben.“ 81 Ein anderes Ethos ist gefragt;<br />
zu seiner Entstehung bedarf es jedoch eines Bildungsprozesses. In der konkreten Situation<br />
— hier wie überall — ist nur eine Annäherung an das Ideal einer gerechten Gesellschaft möglich.<br />
Die Verwirklichung der bestmöglichen Annäherung ist das Charisma des politischen Führers.<br />
Der Staat muss die anti-sozialen Tendenzen von Individuen und gesellschaftlichen Gruppen in<br />
Schach halten. Einer durch Vermögenskonzentration in Händen weniger verursachten Störung<br />
des Machtgleichgewichts muss er entgegenwirken. Andererseits müssen geeignete Institutionen<br />
die Macht des Staates kontrollieren und begrenzen. Ansonsten kann die staatliche Autorität nur<br />
allzu leicht zu Despotismus, Oligarchie und Diktatur führen. Ein solches Gegengewicht bildet<br />
eine starke, wirtschaftlich unabhängige Mittelklasse in Verbindung mit demokratischen Institutionen.<br />
82<br />
Eine Grundforderung der Gerechtigkeit ist die Erhaltung der Stabilität des Geldwertes. Eine hohe<br />
Inflationsrate ist eine äußerst ungerechte Umverteilung des Reichtums zum Schaden der Armen.<br />
Am meisten leiden unter der Inflation die einfachen Leute, die ihre Ersparnisse auf Sparkonten<br />
gelegt haben oder die von Pensionen und ähnlichen Einkünften leben, die nur schwerfällig erhöht<br />
und der Inflation angepasst werden. Natürlich hat die Inflation durch ihren negativen Einfluss<br />
auf das Sparen auch schädliche Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft. Mehr denn<br />
je hängt heute das Schicksal des Einzelnen nicht nur von seiner persönlichen Tüchtigkeit, sondern<br />
auch von den vom Staat geschaffenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen<br />
ab. Ganze Bevölkerungsgruppen können aufgrund veränderter wirtschaftlicher Bedingungen in<br />
Armut geraten, z. B. in der Landwirtschaft oder im Bergbau. Eine verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik<br />
kann deshalb nur in Verbindung mit Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, Familien-,<br />
Umwelt-, Entwicklungs- und Bildungspolitik gemacht werden.<br />
80 O. von Nell-Breuning: Gerechtigkeit und Freiheit, 170.<br />
81 M. Novak: Freedom with Justice,30.<br />
82 „Unter den 160 jetzt auf dem Planeten etablierten Regierungen, welche zwanzig oder dreißig Nationen schützen die Menschenrechte<br />
am besten? Alle sind liberale Gesellschaften. Man betrachte die wirtschaftliche Entwicklung. Unter den 160 existierenden<br />
Regierungen, welche zwanzig oder dreißig Nationen fördern am besten Kreativität und Erfindung, individuelle Freiheit<br />
und freiwillige Zusammenarbeit, die alle zu wirtschaftlichem Fortschritt führen? Vor etwa vierzig Jahren rangierte Japan hinter<br />
verschiedenen Nationen Lateinamerikas; die Qualität seiner Arbeit hatte mit den niedrigsten Ruf. Liberale Institutionen haben<br />
geholfen, es in meteorischer Weise voranzutreiben“ (M. Novak: Freedom with Justice, 143). Selbst wenn die Achtung für die<br />
Menschenrechte in den von Novak gepriesenen freien, demokratischen Gesellschaften nicht immer vollkommen ist, muss man<br />
ihm doch einräumen, dass aufs Ganze gesehen die Menschenrechte in ihnen am besten geschützt sind.<br />
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