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11 Vektoranalysis

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<strong>11</strong> <strong>Vektoranalysis</strong> 54<br />

<strong>11</strong> <strong>Vektoranalysis</strong><br />

Wir wollen nun Vektorfelder betrachten.<br />

Definition Es sei U ⊂ R n . Ein Vektorfeld im R n ist eine Abbildung v : U →<br />

R n , die jedem Punkt x ihres Definitionsbereichs U einen Vektor v(x) zuordnet.<br />

Abbildung 14: Ein Vektorfeld im R 2<br />

Wir können ein Vektorfeld v graphisch darstellen, indem wir in jedem Punkt<br />

den zugeordneten Vektor zeichnen (vgl. Abbildung 14). Dabei ist es zweckmäßig,<br />

den Vektor v(x) in x beginnen zu lassen anstatt im Ursprung. Wenn die Abbildung<br />

v zur Klasse C k gehört, sagen wir auch, das Vektorfeld v gehört zur<br />

Klasse C k . Wir setzen im Folgenden voraus, dass Vektorfelder mindestens zur<br />

Klasse C 1 gehören. Wir werden im Folgenden auch ausschließlich Vektorfelder<br />

im R 2 oder R 3 betrachten. Für ein solches Vektorfeld benutzen wir die Notation<br />

⃗v anstelle von v.<br />

Beispiel <strong>11</strong>.1 Wir betrachten eine Flüssigkeit, die sich durch ein Rohr bewegt.<br />

Ordnen wir jedem Punkt der Flüssigkeit den zugehörigen Geschwindigkeitsvektor<br />

zu, dann erhalten wir das vektorielle Geschwindigkeitsfeld ⃗v der Flüssigkeit.<br />

Beispiel <strong>11</strong>.2 Die Anziehungskraft einer Masse M, die sich im Ursprung des<br />

R 3 befindet, auf eine Masse m lässt sich durch ein Vektorfeld ⃗v im R 3 , das<br />

Gravitationsfeld, beschreiben. Nach dem Newton’schen Gravitationsgesetz gilt:<br />

⎛<br />

− mMG ⎞<br />

r<br />

x<br />

⃗v = ⎝<br />

3<br />

y ⎠ ,<br />

− mMG<br />

r 3<br />

− mMG<br />

r 3<br />

wobei G die Gravitationskonstante und r = √ x 2 + y 2 + z 2 ist. Es gilt<br />

⃗v = − grad V mit V = − mMG ,<br />

r<br />

z


<strong>11</strong> <strong>Vektoranalysis</strong> 55<br />

wobei V das Gravitationspotential ist. Also ist ⃗v ein Gradientenfeld, d.h. Gradient<br />

einer reellwertigen Funktion. Die Frage, wann ein Vektorfeld ein Gradientenfeld<br />

ist, wird uns im Folgenden noch beschäftigen.<br />

Definition<br />

Ist ⃗v ein Vektorfeld, dann nennt man einen Weg σ(t), für den gilt<br />

σ ′ (t) = ⃗v(σ(t)),<br />

eine Bahnkurve oder Flußlinie von ⃗v. Geometrisch bedeutet dies, dass die Vektoren<br />

von ⃗v in den Punkten von σ(t) die Geschwindigkeitsvektoren von σ(t)<br />

sind.<br />

In Beispiel <strong>11</strong>.1 ist eine Bahnkurve genau der Weg, den ein kleines Teilchen,<br />

das in der Flüssigkeit schwebt, beschreibt.<br />

Wie findet man eine Bahnkurve durch einen Punkt a zu einem gegebenen<br />

Vektorfeld ⃗v? Geometrisch sucht man eine Kurve, die durch den Punkt a geht<br />

und deren Tangentialvektoren in allen Punkten mit den Vektoren des Vektorfeldes<br />

⃗v identisch sind. Eine Bahnkurve, die zum Zeitpunkt t = 0 durch den Punkt<br />

a läuft, findet man durch Lösen der Differentialgleichung<br />

mit der Anfangsbedingung<br />

σ ′ (t) = ⃗v(σ(t))<br />

σ(0) = a.<br />

Ist ⃗v ein Vektorfeld im R 3 , so entspricht dieser Differentialgleichung das System<br />

von gewöhnlichen Differentialgleichungen<br />

mit den Anfangsbedingungen<br />

Es sei nun<br />

x ′ (t) = v 1 (x(t), y(t), z(t))<br />

y ′ (t) = v 2 (x(t), y(t), z(t))<br />

z ′ (t) = v 3 (x(t), y(t), z(t))<br />

(x(0), y(0), z(0)) = (a 1 , a 2 , a 3 ).<br />

⃗v =<br />

⎛<br />

⎝ v 1<br />

v 2<br />

v 3<br />

ein Vektorfeld im R 3 . Wir betrachten nun bestimmte Operationen auf Vektorfeldern.<br />

⎞<br />

⎠<br />

Definition<br />

Die Rotation von ⃗v ist das Vektorfeld<br />

⎛<br />

⎞<br />

rot ⃗v =<br />

⎜<br />

⎝<br />

∂v 3<br />

∂y<br />

− ∂v2<br />

∂z<br />

∂v 1<br />

∂z − ∂v 3<br />

∂x<br />

∂v 2<br />

∂x − ∂v 1<br />

∂y<br />

⎟<br />

⎠ .


<strong>11</strong> <strong>Vektoranalysis</strong> 56<br />

Um eine Merkregel für die Rotation eines Vektorfeldes zu notieren, führen<br />

wir das Symbol ∇ ein:<br />

( ∂<br />

∇ =<br />

∂x , ∂ ∂y , ∂ )<br />

.<br />

∂z<br />

Das Symbol ∇ ist ein Operator für reellwertige Funktionen. Ist f : R 3 → R eine<br />

reellwertige Funktion, so gilt<br />

( ∂f<br />

∇f =<br />

∂x , ∂f<br />

∂y , ∂f )<br />

.<br />

∂z<br />

Also ist ∇f der Gradient von f und unsere Notation stimmt mit der alten<br />

Notation überein. Fassen wir ∇ als einen Vektor im R 3 auf und bezeichnen wir<br />

die Vektoren der Standardbasis des R 3 mit<br />

⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞<br />

⃗e 1 =<br />

⎝ 1 0<br />

0<br />

⎠ , ⃗e 2 =<br />

⎝ 0 1<br />

0<br />

⎠ , ⃗e 3 =<br />

⎝ 0 0<br />

1<br />

so können wir das Vektorprodukt ∇ × ⃗v bilden und es gilt<br />

∣ ⃗e 1 ⃗e 2 ⃗e 3 ∣∣∣∣∣<br />

rot ⃗v = ∇ × ⃗v =<br />

∂ ∂ ∂<br />

∂x ∂y ∂z<br />

.<br />

∣ v 1 v 2 v 3<br />

⎠ ,<br />

Beispiel <strong>11</strong>.3 Für<br />

gilt:<br />

⎛<br />

⃗v = ⎝<br />

x xy<br />

1<br />

⎞<br />

⎠<br />

⃗e 1 ⃗e 2 ⃗e 3<br />

rot ⃗v = ∇ × ⃗v =<br />

∂ ∂<br />

∂x ∂y<br />

∣ x xy 1<br />

∂<br />

∂z<br />

⎛<br />

∣ = ⎝ 0 0<br />

y<br />

⎞<br />

⎠ .<br />

Satz <strong>11</strong>.1 Für jede C 2 -Funktion f : R 3 → R gilt:<br />

rot(∇f) = ∇ × (∇f) = ⃗0,<br />

d.h. die Rotation eines Gradienten ist der Nullvektor.<br />

Beweis. Es gilt<br />

∇ × (∇f) =<br />

∣<br />

⃗e 1 ⃗e 2 ⃗e 3<br />

∂<br />

∂x<br />

∂f<br />

∂x<br />

∂<br />

∂y<br />

∂f<br />

∂y<br />

∂<br />

∂z<br />

∂f<br />

∂z<br />

⎛<br />

∣ = ⎜<br />

⎝<br />

∂ 2 f<br />

∂y∂z − ∂2 f<br />

∂z∂y<br />

∂ 2 f<br />

∂z∂x − ∂2 f<br />

∂x∂z<br />

∂ 2 f<br />

∂x∂y − ∂2 f<br />

∂y∂x<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠ .<br />

Da f zur Klasse C 2 gehört, sind nach Satz 6.1 die gemischten partiellen Ableitungen<br />

zweiter Ordnung gleich und damit ist jede Komponente gleich Null.<br />


<strong>11</strong> <strong>Vektoranalysis</strong> 57<br />

Beispiel <strong>11</strong>.4 Es sei<br />

Dann gilt<br />

⎛<br />

⃗v = ⎝<br />

y<br />

−x<br />

0<br />

⃗e 1 ⃗e 2 ⃗e 3<br />

rot ⃗v =<br />

∂ ∂<br />

∂x ∂y<br />

∣ y −x 0<br />

∂<br />

∂z<br />

Also ist nach Satz <strong>11</strong>.1 ⃗v kein Gradientenfeld.<br />

⎞<br />

⎠ .<br />

⎛<br />

∣ = ⎝ 0 0<br />

−2<br />

⎞<br />

⎠ ≠ ⃗0.<br />

Ein anderer Grundoperator ist die Divergenz, die nun definiert werden soll.<br />

Definition<br />

Die Divergenz eines Vektorfelds ⃗v ist das skalare (!) Feld<br />

Beispiel <strong>11</strong>.5 Für<br />

gilt:<br />

div ⃗v = ∇ · ⃗v = ∂v 1<br />

∂x + ∂v 2<br />

∂y + ∂v 3<br />

∂z .<br />

⎛<br />

⃗v = ⎝<br />

x xy<br />

1<br />

div ⃗v = ∂<br />

∂x (x) + ∂ ∂y (xy) + ∂ (1) = 1 + x.<br />

∂z<br />

Satz <strong>11</strong>.2 Für jedes C 2 -Vektorfeld ⃗v gilt:<br />

⎞<br />

⎠<br />

div rot ⃗v = ∇ · (∇ × ⃗v) = 0,<br />

d.h. die Divergenz einer Rotation ist gleich Null.<br />

Beweis. Es gilt:<br />

div rot ⃗v =<br />

( ∂<br />

∂x , ∂ ∂y , ∂ ∂z<br />

) ⎛ ⎜ ⎝<br />

∂v 3<br />

∂y<br />

− ∂v2<br />

∂z<br />

∂v 1<br />

∂z − ∂v 3<br />

∂x<br />

∂v 2<br />

∂x − ∂v 1<br />

∂y<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

= ∂2 v 3<br />

∂x∂y − ∂2 v 2<br />

∂x∂z + ∂2 v 1<br />

∂y∂z − ∂2 v 3<br />

∂y∂x + ∂2 v 2<br />

∂z∂x − ∂2 v 1<br />

∂z∂y = 0.<br />

✷<br />

Beispiel <strong>11</strong>.6 Für<br />

gilt:<br />

⎛ ⎞<br />

⃗v = ⎝ x2 y<br />

z ⎠<br />

xyz<br />

div ⃗v = ∂<br />

∂x (x2 y) + ∂ ∂y (z) + ∂ (xyz) = 2xy + xy = 3xy.<br />

∂z<br />

Aus Satz <strong>11</strong>.2 folgt, dass ⃗v nicht Rotation eines anderen Vektorfelds sein kann.


<strong>11</strong> <strong>Vektoranalysis</strong> 58<br />

Definition<br />

Der Laplace-Operator ∇ 2 für Funktionen f ist wie folgt definiert:<br />

∇ 2 f = ∇ · (∇f) = ∂2 f<br />

∂x 2 + ∂2 f<br />

∂y 2 + ∂2 f<br />

∂z 2 .<br />

Bemerkung <strong>11</strong>.1 Man schreibt für den Laplace-Operator auch oft<br />

∆ := ∇ 2 .<br />

Damit stehen uns nun drei sogenannte Differentialoperatoren zur Verfügung.<br />

Es gelten verschiedene Rechenregeln für diese Operatoren. Satz <strong>11</strong>.1 und<br />

Satz <strong>11</strong>.2 sind Beispiele dafür. Eine weitere Rechenregel, die im wesentlichen<br />

eine Variante der Produktregel ist, notieren wir in dem folgenden Satz.<br />

Satz <strong>11</strong>.3 Es gilt<br />

div(f⃗v) = f div ⃗v + ⃗v · ∇f.<br />

Beweis. Es gilt<br />

div(f⃗v) = ∂<br />

∂x (fv 1) + ∂ ∂y (fv 2) + ∂ ∂z (fv 3)<br />

= f ∂v 1<br />

∂x + v ∂f<br />

1<br />

∂x + f ∂v 2<br />

∂y + v ∂f<br />

2<br />

∂y + f ∂v 3<br />

∂z + v ∂f<br />

3<br />

∂z<br />

( ∂v1<br />

= f<br />

∂x + ∂v 2<br />

∂y + ∂v )<br />

3 ∂f<br />

+ v 1<br />

∂z ∂x + v ∂f<br />

2<br />

∂y + v ∂f<br />

3<br />

∂z<br />

= f(∇ · ⃗v) + ⃗v · ∇f.<br />

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