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die gestischen wirkungen der architektur<br />
Der junge Wölfflin fragte sich bei seinen Untersuchungen<br />
zur Architektur: „Wie ist es möglich, dass architektonische<br />
Formen Ausdruck eines Seelischen, einer Stimmung<br />
sein können? ... Wir bezeichnen die Wirkung, die wir<br />
empfangen, als Eindruck. Und diesen Eindruck fassen<br />
wir als Ausdruck des Objekts. Also dürfen wir das Problem<br />
auch so formulieren: Wie können architektonische Formen<br />
Ausdruck sein?” (Heinrich Wölfflin, Prolegomena).<br />
Zwei Aspekte des architektonischen Ausdrucks werden<br />
hier voneinander geschieden und sogleich miteinander<br />
verknüpft: ein subjektiver, der Eindruck, der an die<br />
Empfindungen unseres Selbst gebunden ist, und ein objektiver,<br />
der Ausdruck, der das Gebaute als Ding charakterisiert.<br />
Der Akt des Erlebens identifiziert beide: „Diesen Eindruck<br />
fassen wir als Ausdruck…”. Indem er – Wölfflin –<br />
die Ausdrucksqualitäten spezifiziert, lenkt er<br />
die Aufmerksamkeit auf den Körper: „Körperliche Formen<br />
können charakterisiert sein nur dadurch, dass wir selbst<br />
einen Körper besitzen. Wären wir bloß optisch auffassende<br />
Wesen , so müsste uns eine ästhetische Beurteilung<br />
der Körperwelt stets versagt bleiben. Als Menschen aber<br />
mit einem Leibe, der uns kennen lehrt, was Schwere,<br />
Kontraktion, Kraft usw. ist, sammeln wir an uns die<br />
Erfahrungen, die uns erst die Zustände fremder Gestalten<br />
mitzuempfinden befähigen... in unserer Selbsterfahrung<br />
liegt allein die Erklärung.” Es ist Zeit, diesen Anlauf<br />
des 22-jährigen Wölfflin, in seiner Dissertation 1886<br />
bei der Universität München formuliert, fortzuführen,<br />
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