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phänomenologische skizzen: leib und architektur<br />
Raumeroberungen mitwirkt, ist es unerheblich, ob ich stehe,<br />
sitze oder liege und ob ich den Kopf schräg halte, wenn ich<br />
Architekturraum wahrnehme. Wie die Gegenstände überhaupt<br />
stabil bleiben, wenn ich mich bewege, so verstehe ich auch<br />
die Ordnung des gebauten Raums, wenn ich gehe, laufe oder<br />
mich wende. Ich kann die Strukturen meines Körperschemas<br />
in den gebauten Dingen wiederfinden, ohne sie perspektivisch<br />
zu übersetzen.<br />
In den gestalteten Dingen, Stühlen, Bildmotiven und<br />
Baukörpern sind zwar mehrere Arten von Mitten beschreibbar,<br />
wie Rudolf Arnheim in seiner Kompositionslehre (Die Macht<br />
der Mitte) beschreibt, und sie fallen häufig nicht zusammen:<br />
geometrische Mitten und Gleichgewichtszentren,<br />
die verschiedenartigen Raumsystemen zugeordnet werden,<br />
einmal carthesisch-mathematischen, einmal physikalischen,<br />
beides aber den Eigenschaften der Dinge zugeordnet,<br />
objektive Merkmale der gestalteten Welt. Das Heraustreten<br />
der Mitten ist weder ein geometrisches noch ein physikalisches,<br />
sondern ein ekstatisches Moment meiner Begegnung<br />
mit dem gebauten Ding. Ich empfinde in dieser Gestaltung<br />
etwas anspruchsvoll auf mich Gerichtetes. Die gestische Sprache<br />
wäre leer ohne die Voreingenommenheit meines Leibes,<br />
auf die sie sich bezieht.<br />
Der Kampf um die gestaltete Mitte wurde in der Moderne<br />
nie so scharf und erbittert ausgetragen wie in der Portraitarbeit<br />
von Alberto Giacometti. Das Einfangen des Blicks in<br />
der Mittelzone des Kopfes wurde für ihn mehr und mehr<br />
die entscheidende Aufgabe, der ganze Rest erschien daneben<br />
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