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phänomenologische skizzen: leib und architektur<br />
Einmal werden als weit empfundene Abstände von Sitzplätzen,<br />
Arbeitsplätzen, Türen usw. als großzügig vornehm, ein<br />
andermal als spannungs- und charakterlos empfunden.<br />
Dichte Nachbarschaft von Möbeln gilt in Holland und<br />
Skandinavien als normal und erwünscht, in Japan aber<br />
als unkultiviert und vermeidbar. Nicht selten sind<br />
gesellschaftliche Strafen mit der Entdeckung von Abstandfehlern<br />
verbunden, man sieht etwa auf einen Partner herab, weil<br />
er auf viel zu engem Raum wirtschaften muß. Einen anderen<br />
lernt man hochschätzen, weil sein Sinn für schöne Durchblicke<br />
und Hintergründe auffällt oder weil er sich räumliche Weite<br />
leisten kann. Die Festlegung angemessener Distanzen und<br />
Maße – besonders bei Möbeln, Türen und Durchgängen –<br />
gehört seit eh und je zu den Berufsgeheimnissen<br />
der Innenarchitekten. (Selbstverständlich ist jeder gute<br />
Architekt ein Innenarchitekt.)<br />
Der Übergang vom Intimen zum Sozialerträglichen und<br />
Erwünschten kann durchaus an bestimmten Körpermaßen<br />
festgemacht werden, in Mitteleuropa zum Beispiel an<br />
der mittleren Schulterbreite (43 cm) und dem Maß<br />
des ausgestreckten Arms (70 cm). In allen normalen<br />
Nähe-Situationen, sitzend und stehend erlebt, spielt es eben<br />
eine entscheidende Rolle, bei welchem Abstand man<br />
eine benachbarte Person oder einen nahen Gegenstand<br />
gerade noch oder gerade nicht mehr berührt.<br />
Erst das Nicht-mehr-berühren-können befreit von einem<br />
latenten körperlichen Zwang.<br />
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