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phänomenologische skizzen: leib und architektur<br />

Staunen kann aber auch eine Vorankündigung der Gefahr<br />

sein, im Widerstand wird es dann zum Stutzen.<br />

Vorsicht: Abgrund! Hier verlassen Sie den heimischen Sektor!<br />

Sperrgebiet! Mauern, Gräben, Zäune, Türme: die Architektur<br />

hat schon vor Jahrtausenden ein Instrumentarium der Abwehr<br />

und der Warnung entwickelt. Mit schweren Materialien,<br />

mit der Demonstration von Hindernissen wird eine Vorahnung<br />

von Unmöglichkeiten erzeugt. Bei Zuwiderhandeln sind<br />

körperliche Strafen zu erwarten. Die Zeichen sind mit Drohung<br />

und böser Ahnung verbunden, mit Angriffen auf den Leib.<br />

Während der öffentliche Raum heute bis zur Penetranz voller<br />

Einladungen und Bewerbungen steckt, kannten alte Städte<br />

durchaus auch die Gestik des Fürchtens und der Abwehr.<br />

Nicht nur die Stadtmauern und ihre Türme, sondern auch<br />

die meisten Türen und Tore sagten zunächst „nein!”<br />

Vielleicht ist Verfremdung bis heute die vornehmste Wirkung<br />

der Architektur auf den Leib: Sie sorgt jeden Augenblick<br />

für seine neue Bereitschaft zu Staunen und zu Stutzen.<br />

Das Gebaute rückt ihn von der Natur ab, es fasziniert ihn<br />

als Gebrauchsgut und als Kunst. Beides aber versetzt ihn<br />

in eine Fremde.<br />

Wir müssen zum Beispiel davon ausgehen, dass die<br />

frühen Städte Europas, Uruk, Babylon, Tyrins, Abwendungen<br />

von der magisch erlebten, schrecklichen Natur waren.<br />

Staunen und Furcht haben die Menschen vor dem Draußen<br />

zittern lassen. Das Drinnen von Stadt und Haus war der Ort<br />

des Sich-Findens, der Treffpunkt der Gesellschaft mit gleichem<br />

Schicksal und auch der Geburtsort der Kultur. Gegenüber<br />

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