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phänomenologische skizzen: leib und architektur<br />
Von anderer Art ist die Erzeugung des Staunens durch<br />
die Vorrichtungen des Pathos, das sind zum Beispiel die Sockel<br />
und die Rahmen. Sockel heben das Objekt, eine Skulptur,<br />
ein Denkmal, ein Bauwerk konkret in eine höhere Lage,<br />
von der begehbaren Erde weg und oft über Augenhöhe,<br />
so dass ein Blick von unten erzwungen wird. Das Staunen<br />
über das Erhabene hat ebenso mit dieser Verschiebung<br />
der Blickrichtung zu tun wie mit dem besonderen Abstand.<br />
Eine ähnlich distanzierende Aufgabe hat der Vorhof, der<br />
dem Besucher zunächst das Schloss auf Distanz zeigt und<br />
den unmittelbaren Eintritt verhindert. Es gehört zu den<br />
Grundregeln der Komposition, Höhepunkte durch Gesten<br />
des Staunens vorzubereiten. Das Staunen wird erzwungen<br />
durch den Abstand. Im Wort Ehrfurcht ist außer der Ehre<br />
auch Furcht enthalten, beide können den distanzierten<br />
Ausdruck der Architektur spürbar machen, indem sie<br />
an bestimmte Haltungen des Leibes appellieren.<br />
Ähnliche Funktion haben die Rahmen. Sie scheiden<br />
in der Malerei, auf dem Theater wie in der Architektur<br />
das eigentlich Gemeinte von seinem Umraum, die gestaltete<br />
Szene vom Alltag. Durch Rahmen hebt man das Faszinierende<br />
vom Gewöhnlichen, das Schöne vom Normalen ab; er ist<br />
die Grenze um das Feld des Staunens, trennt das Gestaltete<br />
vom Chaotischen und sammelt das Geregelte mit einer Geste<br />
der Ganzheit.<br />
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