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phänomenologische skizzen: leib und architektur<br />
denn sie bildet die Aufstellung der Krieger als Kolonne ab.<br />
Alle sind angetreten vor Gott, und alle schauen nach Mekka.<br />
Gehen, Laufen, Marschieren, Wandeln, Schreiten,<br />
Kriechen – besonders die Vorführung der Leiber im Angesicht<br />
der Herrschenden oder der Götter, – wurde seit Beginn der<br />
frühen Hochkulturen in architektonischen Formen szenisch<br />
vorweggenommen. Auftreten und Verschwinden, in die Tiefe<br />
Stürzen und in der Nische Kauern, Mittig-auf-Podesten-Stehen<br />
und Aufsteigen zu den Punkten des größten Überblicks:<br />
gestische Akte des Leibes können direkte Antworten sein<br />
auf architektonische Formen. Aber sie können sich diesen<br />
Formen auch entziehen. Ich muss mich nicht unbedingt<br />
auf der Raumachse bewegen, muss nicht das Angebot<br />
der mittleren Treppe benutzen, setze mich nicht in die Nische,<br />
die auf mich wartet, sondern gehe schräg durch den Saal,<br />
trete seitlich ein und nütze die meisten Aufforderungen<br />
der architektonischen Sprache nicht. Die ideale Nutzung<br />
der Räume durch den Leib ist eine gedachte, so wie auch<br />
die ideale Nutzung der NO-Bühne durch ihre Schauspieler<br />
eine gedachte ist. Jedermann kennt sie – zumindest im Kreis<br />
der Eingeweihten, aber niemand realisiert diese Erwartung<br />
zu hundert Prozent. Gerade die Art der Erfüllung, die genaue<br />
Einstellung der Körpertechniken auf den Raum bringt<br />
die Atmosphäre der Aufführung. Sie wird sich durch<br />
alle kulturellen Phasen hindurch verändern und auch<br />
in einem bekannten Raum niemals identisch wiederholen.<br />
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