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phänomenologische skizzen: leib und architektur<br />
Das Augenblicksgefühl des Betrachters färbt die Atmosphäre<br />
eines architektonischen Ortes zwar ein, indem er müde,<br />
neugierig oder träumerisch ist, und auch Wetterlagen<br />
beeinflussen ja seine Stimmung. Der architektonische<br />
Ausdruck selbst tritt aber – unabhängig von den persönlichen<br />
Empfindungen der Besucher – als Geste aus den gebauten<br />
Formen hervor. Im Fundus dieser objektiven Gestik steckt ein<br />
Anteil, der mit den Bewegungserfahrungen des menschlichen<br />
Leibes korrespondiert. Dieser ist es, der spontan und<br />
unmittelbar als Grundlage aller Ausdrucksempfindungen<br />
wahrgenommen wird. Das Repertoire der Architekturgesten<br />
und das Repertoire der Raumerfahrungen des Leibes<br />
korrespondieren miteinander. Keine Begegnung mit Architektur<br />
geschieht ohne diesen Austausch. Hier liegt der Schlüssel<br />
zum Verstehen von Ausdruck. Die gezielte Konstruktion<br />
von Atmosphären hängt selbstverständlich von der intimen<br />
Kenntnis dieser Korrespondenzen ab.<br />
Zu den Herstellungsbedingungen architektonischer Orte<br />
gehört eine Art szenisches Denken. Es sind die Muster möglicher<br />
Bewegungen, die den Raum zur Sprache bringen. Wir spüren,<br />
dass er in seinen Anordnungen und Formen potentielles Tun<br />
enthält. In dieser Aufforderung an den Betrachter – das ist<br />
faszinierend – liegt vom ersten Augenblick an ein Moment<br />
des Wiedererkennens: der Leib erinnert sich angesichts<br />
der Architektur an das Repertoire seiner eigenen Gesten.<br />
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