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die gestischen wirkungen der architektur<br />
ist beunruhigt, solange das Auge zum Beispiel unter<br />
einem Gewölbe nicht den Verlauf der Gegenkräfte und<br />
damit den Ausgleich in der Vertikalen entdeckt hat, auch<br />
wenn diese Vertikale nur gespürt und von keinem Bauteil<br />
physisch dargestellt wird. Es gibt also die unsichtbare<br />
Vertikale, die dennoch wahrgenommen wird als eine<br />
Eigenschaft des architektonischen Raumes.<br />
In dem Sinne hängt die „Kunst der Schräge” ganz und gar<br />
von der vertikalen Urgeste ab. Der Zusammenhang wird erst<br />
deutlich, wenn wir klarmachen, dass die Korrespondenz<br />
von Leib und Architektur durch elementare Gesten nicht<br />
nur dann gegeben ist, wenn die Baukörper diese Gesten<br />
im Verlauf ihrer Kanten und Silhouetten zeigen, sondern<br />
auch dann, wenn die Achsen der architektonischen Räume<br />
und Volumen auf sie antworten.<br />
Wir spüren die Senkrechtorientierung eines Gewölbes,<br />
auch wenn keine Senkrechte zu sehen ist.<br />
Auf dieser Erfahrung beruht auch die mächtige Wirkung<br />
der schrägen Ebenen. Das Rasen und Stürzen der Rampen,<br />
die bedrohliche Kraft schräger Figuren hat die Architektur<br />
des russischen Konstruktivismus (Melnikov, Wesnin usw.)<br />
begeistert genutzt. Die Schräge aber käme nicht zu ihrer<br />
atemberaubenden Wirkung, wenn der betrachtende Leib<br />
nicht die ideale Vertikale in die Komposition hinein<br />
ergänzen könnte. Er liefert selbst den Vorstellungsraum,<br />
d. h. die Elemente einer idealen Szene, auf den sich<br />
die dramatische Abweichung beruft.<br />
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